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Das dritte Mal nach Sachsen

Nach Ostern also ging's wieder nach Sachsen. Wieder trug der Vater unsere Sachen im Sack und ich die Harmonika. Diesmal war ich ein bißchen besser angezogen. Denn der Vater kaufte mir in Rakonitz einen getragenen Anzug, Schuhe und eine neue Mütze. Auch hatte er zuvor an den Ziegeleibesitzer Reichelt Deutsch schreiben lassen, ob wir wieder hinkommen und arbeiten könnten; und der hatte zurückgeschrieben, daß wir kommen sollten. Und so gingen wir sicherer und lustiger wie sonst. Die Reise dauerte wieder vier Tage, ehe ich die alten Häuser, wo ich wieder auf viel Geld hoffte, abklopfte. Ich machte es gerade wieder so wie im vorigen Jahre. Als wir in Berthelsdorf in der Ziegelei ankamen, war der alte Ziegelmeister vom vorigen Jahre nicht mehr da, sondern ein anderer, der aber auch schon einmal als Meister dagewesen war. Auch er und seine Frau nahmen uns sehr freundlich auf.

Sie waren beide nicht mehr jung. Der eine Sohn Robert war schon dreizehn Jahre alt, der andere, Max, erst zwei Jahre, mehr Kinder hatten sie nicht. Ihr Name war Drechsler. Unser Lager auf dem Dachziegelboden stand noch so da, wie wir es im vorigen Herbst verlassen hatten. Und wir hatten damit weiter nichts zu tun, wie neues Stroh hineinzugeben und uns neue Pferdedecken von dem Herrn auf dem Gute zu holen.

Mit dem Schlafen ging es uns heuer gerade wieder so, wie im vergangenen Jahre. Auch die Ziegelmacher und sonstigen Arbeiter waren bis auf einige wieder dieselben; nur der Ziegelmacher Walter war nicht mehr da. Und der Deutschböhme Wütner kam auch nicht wieder.

Nun gab es für mich nicht mehr, bloß mit Ziegel abzutragen; jetzt mußte ich den ganzen Tag von früh bis abends selbst Ziegel streichen, und der Vater machte den Lehm fertig. Wir arbeiteten schon einige Wochen, und es wollte gar nicht recht warm werden. Als wir am siebenten Mai früh aus dem Ziegelofen herauskrochen, sah es draußen aus wie im Winter, alles war mit Schnee bedeckt und gefroren. Wir gingen in den Ziegelschuppen nachsehen, wie es mit den gestern gemachten Ziegeln stand. Sie waren gefroren, hart wie Knochen! Solange diese Witterung anhielt, konnte natürlich nichts gemacht werden. So lagen wir, ich und der Vater, nachmittags im Ziegelofen auf Stroh, ganz sprachlos. Und wie wir längere Zeit so hier lagen, wandte sich plötzlich der Vater zu mir und fing an, mir zuzureden, auch hier spielen zu gehen. Denn, wenn die Witterung so länger anhielte, könnten wir nichts verdienen, und gelebt müßte werden. Schuldenmachen wäre schwer, und so könnte ich doch versuchen, mit der Harmonika etwas zusammen zu bringen. Ich entgegnete ihm, daß ich gehört hätte, daß die Polizisten und Gendarmen hier in Sachsen viel strenger wären wie bei uns in Böhmen, und deshalb hätte ich keine Lust, hier spielen zu gehen. Er erwiderte darauf, daß sie es bei so einem Jungen, wie ich sei, nicht so strenge nehmen, wie ich mir es vorstelle, ich solle nur gehen. Ich sagte kein Wort mehr dazu, und dachte mir erst die morgige Witterung abzuwarten.

Den andern Tag früh sah es nicht viel besser aus wie am Tag zuvor. Es konnte wieder nicht gearbeitet werden, und so ging das bald die ganze Woche. Nun fing der Vater gleich früh an, mir zuzureden, und mich zum Spielengehen zu bewegen. Es gelang ihm nur nach langem Reden und Versprechen. Es war schon neun Uhr, als ich mich entschloß, die Harmonika zu nehmen und abzugehen.

Ich wählte den allernächsten Ort Weißenborn. Voll Angst, unsicheren Schrittes, ging ich hin. Daß ich viel Geld verdiente, das hoffte ich, aber die Gendarmen lagen mir im Kopf. Wie ich im ersten und zweiten Hause gespielt hatte, ließ die Angst ein bißchen nach, bis ich im ganzen Dorf herum war, ohne daß mir etwas Unangenehmes zugestoßen war. Bis Nachmittag um vier Uhr hatte ich ein paar Pfennige über vier Mark verdient. »Na, siehst du, daß dir nichts geschehen ist,« sagte der Vater, als ich nach Hause kam. Nachdem er das Geld gezählt hatte, sagte er noch: »So viel hätten wir nicht einmal verdient, wenn wir gearbeitet hätten.«

Am zweiten und dritten Tag spielte ich in Lichtenberg, wo ich noch etwas mehr verdiente; am vierten und fünften Tag spielte ich in Berthelsdorf. Als ich den fünften Tag schon auf dem Rückwege war, sah ich wohl von weitem etwas blitzen, konnte es aber nicht unterscheiden, was das sei. Ich ging also unbekümmert, die Harmonika auf den Rücken hängend, die Hände in den Hosentaschen, langsamen Schrittes die Straße den Berg hinauf. Bald sah ich einen Gendarmen vor mir; als er schon an mir vorüber war, drehte er sich um, und frug mich, wo ich hingehe. Ich spürte, wie mein Gesicht da glühte und mir die Glieder zitterten. Nun kam das, was ich so fürchtete; ich war in dem Augenblick so verlegen, daß ich die erste Frage gar nicht beantworten konnte. »Gewiß warst du mit der Harmonika hier betteln?« frug er mich noch einmal. Ich nickte und sagte kleinlaut: »Ja.« »So, wo hast du denn deine Eltern?« Ich antwortete, daß die Mutter in Böhmen und der Vater hier in Berthelsdorf in der Ziegelei sei, erzählte ihm dann, daß uns die Ziegel gefroren wären und wir wegen der Kälte nicht arbeiten könnten. »Hm, hast du auch noch Geschwister?« »Viere«, antwortete ich weiter. »Und aus welcher Gegend in Böhmen seid ihr?« »Von Saaz, bitte.« »Also sage deinem Vater, daß, wenn ich dich noch einmal erwische, ich dich dann einstecke, merke dir das!« Nach diesen Worten drehte sich der Gendarm um und ging weiter. Ich war froh, daß die Geschichte so abgelaufen war. Von der Zeit an brachte mich der Vater nirgends mehr hin. Der Gendarm hatte mir den Mut genommen, trotzdem er nicht grob gegen mich vorging.

Das Wetter änderte sich auch wieder, und wir konnten weiter arbeiten. Weil ich nun den ganzen Tag Ziegel machen mußte, brauchten wir einen Abträger für den ganzen Tag. Mein Vater stand jeden Morgen um vier Uhr auf, schickte den Lehm zu und weckte dann nach einer halben Stunde auch mich. Ich fing dann an Ziegel zu machen und er trug sie ab. So mußten wir das alle Tage machen, weil niemand von den Abträgern so frühzeitig kam. Tagsüber trug bei uns eine Frau ab; sie hieß Wolf, und ihr Mann war ein Maurerpolier in Freiberg. Schon nach einigen Wochen blieb sie zu Hause. An ihre Stelle trat dann der Karl Jünger mit seiner Mutter. Sein Vater machte auch Ziegel und seine Schwester Emilie, die auch schon zu Ostern aus der Schule gekommen war, trug sie ihm ab. Den armen Karl habe ich vielmals bedauert. Denn er ging noch in die Schule, war nicht gar groß und sehr schwach. Trotzdem mußte er früh um halb fünf mit anfangen und bis halb acht Uhr abtragen, dann kam seine Mutter und trug weiter ab, bis er um ein viertel zwölf aus der Schule kam, dann übernahm er es wieder bis abends sieben oder halb acht oder noch später. Abends, wenn wir spät aufhörten mit dem Ziegelmachen, da weinte er öfters, daß er mit seiner Schulaufgabe nicht fertig werde und morgen vom Lehrer Strafe bekomme. Er, und auch die anderen Kinder, besuchten die Schule nur den halben Tag, hatten aber stets Schulaufgaben. Ich half ihm deshalb abends die Asche sieben und die Brettel für den nächsten Tag zuschicken.

Auch klagte er vielmals, daß ihn hungere. Und da habe ich ihm jedesmal, wenn es mein Vater nicht sah, ein Stück Brot, mit einem bißchen Butter geschmiert, zugesteckt, was er dann gierig verschlang. Er erzählte mir dann immer, daß seine Eltern zu sehr sparten und daß er mit seinen Geschwistern niemals genug zum Sattessen bekomme. Daß er nicht log, sah ich ja an dem, was ihm seine Mutter zum Essen brachte. Ungefähr einen Halbliterkrug voll Kaffee, trockenes Brot darin eingebrockt, war seine Frühstücksportion; dann gab es nichts mehr bis mittags, wo es wieder dasselbe gab; so ging das fort. Auch die Emilie klagte oft und freute sich darauf, wenn sie in Dienst kommen würde, denn dann könnte sie sich ordentlich satt essen. Auch ich habe wohl ganze Wochen lang auch nicht viel Besseres zu essen gehabt wie der Karl; ich war aber doch immer satt, und wurde nicht vom Hunger geplagt wie er.

Das Ziegelmachen ging bei mir im Anfange nicht gar so glänzend; mehr als fünfzehnhundert konnte ich nicht fertig bringen am Tage. Es ging aber doch immer besser. Nach etlichen Tagen brachte ich es zu sechzehn-, dann zu siebzehnhundert, und nach mehreren Wochen sogar bis zweitausend am Tag, so daß ich schließlich der schnellste von den sieben Ziegelstreichern wurde; niemand hat so viel oder noch mehr gemacht. Der Meister sagte selbst einmal zu einem Herrn, als ich in seine Stube hereintrat: »Das ist mein schnellster Ziegelstreicher.«

So ein Lob war etwas für mich!

Später wurden Dachziegel gebraucht. Der Meister fand aber keinen Dachziegelstreicher. Er machte nun uns den Vorschlag, ob wir nicht Dachziegel machen wollten. Der Vater hatte keine Lust, aber ich trieb ihn dazu, ja zu sagen, denn das war wieder etwas für mich, ein Fortschritt in der Ziegelmacherkunst. Dachziegelmachen war eine viel schmutzigere, schmierigere Arbeit wie das Mauerziegelmachen, aber auch etwas Schwierigeres. In einem aber haben wir es alle dabei leichter gehabt. Denn von soviel Lehm, wie man zu einem Mauerziegel haben mußte, wurden drei Dachziegel. Nur das eine war nicht gutzumachen, daß man nicht so viele Dachziegel machen konnte wie Mauerziegel, und wenn man noch so schnell arbeitete. Was den Vater am meisten davon abhielt. Dafür gab es zehn Pfennige mehr für das Tausend. In den Dachziegelschuppen waren neuntausend Brettel. Eben nur so viel konnten wir Dachziegel machen; dann mußten wir die erst gemachten erst wieder abziehen, wenn sie trocken waren, und weiter arbeiten; wenn nicht, so mußten wir zwischendurch wieder Mauerziegel machen. In Dachziegeln brachte ich es auf nicht mehr wie höchstens siebzehnhundert täglich.

An des Ziegelmeisters Sohn Robert hatte ich heuer einen treuen Kollegen mehr. Wir gingen, wenn Jahrmarkt in Freiberg oder Brand oder irgendwo Vogelschießen war, immer miteinander. Ich langte mit meinen dreißig Pfennigen Taschengeld niemals weit hin, und da half mir der Robert aus. Er hatte stets Geld, wie viel und woher, wußte ich nicht, und er hat mir das auch nicht verraten. Er gebot mir vielmehr, hübsch zu Hause das Maul zu halten. Und da dachte ich, daß er das Geld entweder seiner Mutter wegnahm oder daß er etwas vom Erlös beim Eßwarenverkauf zurückbehielt. Gleichwohl hörte ich nie von seinen Eltern, daß ihnen etwas zum Fehlen käme. Als in Brand Jahrmarkt war, gingen wir auch hin; der Robert zog sich dazu seine neuen Babuschen an. Auf dem Heimwege fing es an zu regnen. Von oben her konnte uns nicht viel geschehen, da waren wir durch die Regenschirme gesichert, aber die roten, schönen Schuhe, die waren bald ganz durchnäßt, ganz voll Straßenkot. Aber er sagte nur immer: »Na, da habe ich aber Schweeßfüße bekommen!« und lachte. Einen anderen Vorteil hatte ich durch Robert noch: er unterrichtete mich gut in der deutschen Sprache.

Zu einem großen Spaß und auch zu ernsten Erwägungen veranlaßte viele Leute hier ein Hase. Das Tier war nämlich so zahm, daß es in die Ziegelei langsamen Schrittes bis an die Lehmsümpfe herankam. Manche sahen ihn auch auf den Feldwegen spazieren, und die Dienstleute im Gut wollten ihn sogar schon öfter auf der Türschwelle des Kuh- und Pferdestalles gesehen haben, aufrecht sitzend, und nicht eher weggehend, bis sie ihn mit der Peitsche oder mit Mistgabeln davon jagten. Als wir Arbeiter wieder einmal in der Frühstücksstube frühstückten, waren auch die Maurer, die den einen Ziegelofen neu wölbten, darunter. Unter anderm kam auch die Rede auf den frechen Hasen. Der eine Maurer, schon ein alter grauhaariger Mann, fing dann einen ähnlichen Fall aus dem Orte im Erzgebirge, wo er her war, zu erzählen an. Aber dort wäre es kein Hase, sondern ein Schwein gewesen, das sich in die Bauernhäuser geschlichen. Und überall, wo ihm das gelungen war, bekamen die Bäuerinnen von ihren Kühen statt Milch Blut. Er erzählte das mit so einer Bestimmtheit, wie wenn er es selbst erlebt hätte. Und betonte noch dazu, daß das Schwein nichts anderes als eine Hexe gewesen. Denn so eine Hexe könnte sich in jedes beliebige Tier verwandeln. Der Hase sei wohl auch nichts anderes. Manchen gab die Erzählung Spaß, und sie lachten darüber und stellten es einfach als Aberglauben hin. Andere bemühten sich, ähnliche Fälle zu erzählen, um so die Wahrheit des Erzählten zu bestätigen. Schließlich wurde auch noch in Betracht gezogen, daß dem Reichelt schon ein paar Jahre hintereinander Pferde krepiert wären und daß also doch etwas Besonderes dahinter stecken müßte. Das Kritisieren und Debattieren wurde in dieser Weise mehrere Tage beim Essen fortgesetzt.

Der Gutsverwalter, ein älterer Mann, der sehr gerne nicht nur Schnaps, sondern sogar schon Spiritus trank, glaubte auch fest an die Hexengeschichte. Ich hörte ein paarmal, wie er über den Hasen erbost war, und jedesmal klagte, daß er ihn schon lange weggeschossen hätte, wenn der Herr es ihm nicht verboten hätte. Aber der lache ihn jedesmal aus, wenn er von dem Hasen anfinge. Wer den erschießen wolle, der müsse reines Silber in das Gewehr laden, Blei hätte keine Wirkung. Und so hat der sich gar manchmal in seinem Dusel, wenn er in der Stube beim Meister saß, das Glas Schnaps vor sich, den Kopf über den Hasen zerbrochen. Aus der Geschichte lernte ich aber, daß viele Leute hier in Sachsen auch nicht viel gescheiter waren als bei uns.

Diesen Sommer verdiente ich auch noch manche andere Mark mit der Harmonika. In Kunzens Gut, wozu auch eine Dachpappenfabrik gehörte, spielte ich viele Sonntage. Schon nach dem Essen holte mich jemand von den Dienstleuten ab. Da wurde gespielt, getanzt, gegessen und getrunken bis in die Nacht. Drei bis vier Mark brachte ich jedesmal nach Hause. Manchmal auch noch einen kleinen Dusel. Auch im Gut des Herrn Reichelt und anderer spielte ich oft. Aber die Dienstleute da machten ihre Tanzunterhaltungen stets in der Woche, abends nach der Arbeit, ab. Auch hier erhielt ich immer eine gute Belohnung. Dem Vater hatte das gefallen, und er ließ mich gerne eine halbe Stunde eher Feierabend machen, wenn mich jemand abholte.

Als so der größte Teil des Sommers vorbei war, erhielten wir ungefähr Mitte August, in den letzten Wochentagen, wie gewöhnlich einen Brief. Mir gab der Vater die Briefe selten zu lesen. Diesmal aber kam er lächelnd, freudenvoll und langte mir den Brief schon von weitem zu, hieß mich ihn lesen, es stände etwas Wichtiges darin. Ich las. Nach den vielen Grüßen und dem Bericht, wie es denen zu Hause ginge, kam ich an die Mitteilung, daß wir wieder ein kleines Mädchen mehr hätten. Aber das machte mir nicht viel Vergnügen. Aber weiter las ich dann erstaunt die Mitteilung, daß der Zuckermeister Wambersky aus der Zuckerfabrik in Rakonitz Direktor geworden sei und den Vater als Zuckerbodenmeister einstellen wolle. Sein Brief wäre beigelegt. Ich griff nun nach dem beiliegenden Blatte und las. Darin teilte Wambersky meinem Vater mit, daß er in der Aktienzuckerfabrik in Mscheno bei Budin a. E. den Posten als Direktor angenommen habe und für ihn den Posten als Zuckerbodenmeister frei hätte. Er solle sofort mitteilen, ob er diesen annehme oder nicht.

Diese Nachricht versetzte den Vater in eine sehr gute Laune, und er malte sich die schönsten Zukunftsbilder aus. Auch ich war sehr erfreut darüber, und hoffte endlich, daß dadurch auch für mich bessere Zeiten eintreten würden. Daß vor allem das Spielengehen mit der Harmonika und das Wandern in die Fremde doch einmal aufhöre. Denn der Vater erzählte, daß zwar der Gehalt nicht gar zu hoch wäre, etwa dreißig bis vierzig Gulden monatlich; aber dafür hätten wir freie Wohnung, Kohlen und das ganze Jahr dauernde Arbeit. Den größten Kummer machte ihm das Schreiben. Er kannte, aber auch nur sehr schlecht, die Kurrentschrift, aber nicht die lateinische, die jetzt im Brauch war. Mit dem Posten waren aber doch kleinere schriftliche Arbeiten verbunden. Er mußte z. B. die Schichten und die Namen der Arbeiter eintragen. Und das machte ihm mehr Sorgen als die Sachkenntnisse, die dieser Posten erforderte. Schließlich meinte er, daß ich ihm darin werde behilflich sein müssen.

Noch am selben Tag nach Feierabend mußte ich Papier holen, und dann schrieben wir an Wambersky einen Brief, mit der Antwort, daß der Vater den Posten annehme. Ich schrieb so, wie er mir diktierte, es dauerte aber sehr lange, bevor der Brief fertig war. Er konnte nicht genug Dank aussprechen und Höflichkeitsformen finden, und ich konnte ihm gerade dabei nicht helfen. Auf diesen Brief erhielten wir dann von Wambersky die Antwort, daß er sich also darauf verlasse, daß der Vater den Posten zur rechten Zeit antreten werde.

Auf Grund dieses Angebotes nun entschloß sich der Vater, eher wie sonst nach Hause zurückzukehren. Es waren wohl drei oder vier Wochen, die wir früher zu arbeiten aufhörten. Noch bevor wir die Nachricht wegen des neuen Postens erhielten, hatte der Vater in Freiberg einen schon abgefahrenen Handwagen für siebzehn Mark gekauft. Wir luden nun alle unsere Sachen auf diesen Wagen und schoben ab nach Böhmen. Wenn ich mich noch recht erinnern kann, fuhren wir über Olbernhau gegen Brüx zu. Als wir nach Brüx kamen, war es schon dunkel. Der Vater frug in einem Gasthause wegen Übernachtung an, erhielt aber zur Antwort, daß hier Tanzmusik abgehalten werde und deshalb niemand über Nacht behalten werden könne. Die Fahrt ging also weiter. Am Ende der Stadt, gegen Saaz zu, kehrten wir rechts in einem kleinen Gasthause ein und ließen uns was zu essen und trinken geben. Ich wußte immer noch nicht, wie es der Vater mit dem Übernachten machen wollte. Nachdem wir uns gestärkt und bezahlt hatten, ging's abermals vorwärts, bis wir schließlich auf einem Kleehaufen übernachteten. Unsere Füße legten wir dabei unter den Wagen zwischen die Räder, damit ihn niemand während unseres Schlafes davonziehen konnte. Am folgenden Tage sind wir noch am Abend zu Hause angekommen.

Ich hoffte damals, daß das die letzte Reise in und aus der Fremde gewesen wäre. Aber ich sollte mich arg täuschen.


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