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Abermals in der Zuckerfabrik

Nach unserer Heimreise ruhten wir ein paar Tage aus und gingen dann wieder in die Zuckerfabrik. Der Vater nach Rakonitz und ich in die nach Koleschowitz.

Dies Jahr ging mit mir auch mein Bruder Albert, der nun auch schon zwölf Jahre alt war. Ich kam wieder zu der Schneidmaschine, und er auf meinen früheren Posten an die Pressen. Die Beamten, die im vorigen Jahr hier waren, befanden sich auch heuer alle wieder da, bis auf einen neuen, den man auch Zuckermeister nannte, der nicht mehr jung, aber sehr groß und fettleibig war. Sein Name war Svoboda. Seinen Namen merkte ich mir deshalb so gut, weil ich noch später viel mit ihm zu tun hatte.

Auch die Arbeiter hatten nicht viel gewechselt. Die meisten alten Gesichter sah ich wieder. In der heurigen Kampagne gab es nicht so viel Sensationelles, wie in der vorigen. Wir erhielten regelmäßig den Lohn ausgezahlt, und Arbeit wie Betrieb wurden nur vor den Weihnachtsfeiertagen auf einige Tage eingestellt. Auch blieb ich nicht die ganze Kampagne bei der Schneidmaschine, sondern wurde von da später zur Betriebsmaschine befördert, wo ich eine viel leichtere Arbeit hatte, aber gut aufpassen mußte. Bevor ich aber von der Schneidmaschine weggenommen wurde, jagte ich mir durch eine Unvorsichtigkeit noch eine große Unannehmlichkeit auf den Hals.

Nicht nur für mich war die Sache höchst unangenehm, sondern noch für ungefähr achtzehn bis zwanzig Arbeiter und Arbeiterinnen, denen der Verlust eines Tagesverdienstes als Strafe drohte, wenn ich sie durch mein offenes Geständnis nicht erlöst hätte. Ich fand nämlich ein altes Zuckerrübenmesser, spielte damit, wenn ich Zeit hatte, oder nahm eine Rübe her und zerschnitt sie zu Nudeln. Von unten her wurde mir wie immer durch Klopfen an der untersten Blechrinne das Zeichen zum Einstellen der Schneidmaschine gegeben; ich rückte sie dann sofort aus. Der Rübenkorb oder Trichter der Maschine durfte nicht während des Stillstehens voll werden, sonst hätte sie der Treibriemen nicht wieder in Gang gebracht. Deshalb mußte ich in die Rinne über der Maschine eine Schütze hineinstecken, wodurch die Zuckerrüben aufgehalten wurden. Wenn die Maschine wieder im Gange war, zog ich die Schütze heraus und legte sie auf den Fußboden. Nach einer Weile, als ich wieder einmal die Schütze herausgezogen hatte, fing es in der Maschine auf den Messern an zu kreischen: »Hrrrrrr«, so daß alles zitterte. Ich rückte aus, der Schlosser kam gelaufen, wir machten die Türen bei dem Korb von beiden Seiten auf, scharrten die Rüben heraus: ein Stück Messer war darin! Der Schlosser schüttelte gleich mit dem Kopf, wie das hineinkam. Mir wurde ängstlich, es war so eins, wie das, mit dem ich gespielt. Ich sprang hinauf, ob es noch daläge. Nein! nichts sah ich, weg war es. Nun wußte ich schon, was und wie das geschehen war, daß ich es mit der Schütze hineinzog, als es auf dem Fußboden lag.

Der Schlosser rückte nun ein; da, hrrrrr, wieder ein Stück Messer. Er rückte zum drittenmal ein, und wieder lärmte es. Noch ein Stück Messer. Nun mußten neue Messer eingesetzt werden. Der Aufenthalt dauerte wohl dreiviertel Stunde. Der diensthabende Beamte lief von einem Posten zum andern, zankte, schimpfte, bemühte sich, auszuforschen, wer das Messer hineingeworfen haben könnte. Niemand wollte etwas wissen. Ich und mein Bruder, wir wußten es. Aber der Verdacht fiel sogleich auf die Arbeiter und Arbeiterinnen, die die Posten unter mir im Rübenmagazin und an der Waschmaschine hatten. Denn die hatten stets, wenn neue Messer eingesetzt wurden, oder wenn sonst aus einem Grunde die Schneidmaschine stehenblieb, Pause und konnten ausruhen. Deshalb vermuteten auch alle, daß niemand anders das Messer in die Zuckerrüben hineingeworfen habe, wie einer von ihnen. Ich konnte von meinem Posten nicht fort, um sehen und hören zu können, was inzwischen vorging. Mein Bruder, der mehr Zeit hatte, lief hin und her und brachte mir die Nachrichten. Erst sollte derjenige, der es verraten würde, wer das Messer hineingeworfen habe, fünf Gulden Belohnung erhalten. Niemand meldete sich. Dann teilte mir der Bruder mit, daß alle, die bei den Zuckerrüben arbeiteten, durch die Bank fünfzig Kreuzer Strafe bekommen sollten, nur ich nicht. Das rührte mein Gewissen sehr. Mir taten die armen, unschuldigen Menschen leid. Ich dachte nun nach, ob es nicht besser wäre, zu dem Adjunkten zu gehen und ihm zu erzählen, wie sich die Sache zugetragen hatte. »Soll ich, oder nicht? Soll ich, oder soll ich nicht?« Diese beiden Gedanken kämpften miteinander in meinem Innern. Schließlich rief ich meinen Bruder, machte eine Ausrede, daß ich hinausgehen müsse, er solle einstweilen für mich aufpassen. Ob ich bestraft oder entlassen würde, war mir nun ganz egal. Ich ging hin ohne Furcht, eher noch leichten Herzens, um dem Adjunkten zu sagen, daß ich es gewesen, der das Messer aus Unvorsichtigkeit in die Maschine hineingezogen. Er stand auf dem Reibsaal an das Geländer gelehnt. Dort trat ich vor ihn hin, trotzdem ich ihn immer noch für meinen Feind hielt. »Bitte, Herr Adjunkt, ich will sagen, wie das Messer hineinkam. Ich will die Wahrheit sagen, bitte aber um Verzeihung.« Ich brachte die Worte mit Mühe heraus. »Nun, rede!« »Herr Adjunkt, ich bin es selbst gewesen.« »So, absichtlich?« fiel er mir ins Wort. »Nein, Herr Adjunkt, nicht absichtlich,« entschuldigte ich mich kleinmütig, und erzählte nun, wie mir das passierte, daß das Messer auf dem Fußboden lag, ich die Schütze darauf geworfen und es dann mit ihr in die Maschine hineinzog. Daß ich damit spielte, sagte ich doch nicht. »Na, weil du die Wahrheit gesagt hast, will ich es dir verzeihen, künftig aber gib besser acht, verstehst du?« Nach diesen Worten winkte er mit der Hand, daß ich auf meinen Posten gehen solle. Daß die Sache gar so glatt ablaufen würde, hatte ich doch nicht gehofft. Freudenvoll ging ich auf meinen Posten. Die armen Menschen waren gerettet, das war die Hauptsache. Nachdem der Schlosser erfuhr, daß ich die Dummheit gemacht, zankte auch er mich noch ein bißchen aus, und dann ging es weiter, wie wenn gar nichts passiert wäre.

Meines Bruders Ablöser geschah auch so etwas Ähnliches. Der kam aber, wie er sagte, viel schlechter wie ich weg. Der arme Kerl war auch kaum dreizehn Jahre alt und hatte über eine Stunde bis nach Tschoblig zu laufen. Durch den Fußboden, nicht weit von dem Kalkbottich, ragte ungefähr eine dreißig Zentimeter lange, schwache Schraube in die Höhe, niemand von uns wußte, zu welchem Zweck sie da war. Auch ich bin einmal, während des Laufens, an sie mit dem Fuß angestoßen, daß ich blutete; ich wollte damals schon die Schraube weghauen, hatte aber gerade nichts Passendes bei der Hand. Der rannte nun auch an die Schraube mit dem Fuß, und das brachte ihn so in Wut, daß er einen Schraubenschlüssel holte und sie wegschlug. Da aber waren sofort die zwei hängenden Lampen über den Schaumpressen heruntergestürzt, zum Glück ohne jemanden von den Arbeitern zu treffen, weil es schon um halb sechs Uhr abends war, wo sich schon alle zum Heimgehen zuschickten. Der arme Teufel mußte die Lampen bezahlen, und war noch froh, daß er nicht entlassen wurde.

Als wir wieder einmal die lange Schicht, von zwölf Uhr Sonntags bis Montags sechs Uhr früh hatten, ging ich nachmittags auf dem Hof zu der Wasserpumpe nach Trinkwasser. Unten im Maschinenhause stand der Adjunkt mit dem Maschinisten. Der erstere winkte, daß ich hinkommen solle, dann sagte er: »Holek, morgen früh wirst du bei der Betriebsmaschine hier antreten und sie versehen. Auf deinen Posten kommt jemand anderes.« Diese Mitteilung überraschte mich aufs höchste. So etwas hätte ich niemals erwartet. So eine Beförderung! Das war ja für mich eine förmliche Auszeichnung. Das entsprach meinem jungen Ehrgeiz, es immer höher zu bringen. Es war für mich freilich noch viel zu viel, gleich dreißig Stunden durchzuarbeiten, aber es entmutigte mich nicht. Ich konnte gar nicht den anderen Morgen erwarten, bis ich um die Maschine herumstolzieren würde.

Früh um sechs Uhr Montags trat ich denn auch an der Betriebsmaschine an. Sie war wohl fünfzig oder noch mehr Pferdekräfte stark, trieb das ganze Werk in der Fabrik, hatte einen ziemlich großen Zylinder und ein großes Schwungrad, von dem ein breiter, starker Riemen bis hinauf auf den Boden zu der Haupttransmission reichte. Ich mußte sie mit Putzwolle abwischen, die blanken Kolbenstangen mit Schmirgelpapier abreiben. Dann mußte ich achtgeben, daß die Maschine gleichmäßigen Gang behielt, nicht zu schnell oder zu langsam lief. Den Tag über mußte ich sie auch einölen und die Schmierbüchsen füllen. Wenn Mittag war, mußte ich sie aufhalten, was mit dem Dampfventil gerichtet wurde. Bevor ich sie aufgehalten hatte oder sie wieder laufen ließ, mußte ich erst mit der Dampfpfeife, die an dem Dampfrohr, das zu der Maschine führte, angebracht war, das Zeichen geben. Und das machte mir immer das meiste Vergnügen. Das, was alles bei der Maschine für mich zu tun war, zeigte mir der Maschinenwärter Kutschera, der gleich daneben zwei Luftpumpenmaschinen zu versehen hatte, und der kein Junge wie ich, sondern ein verheirateter Mann war. Er ging mit mir sehr höflich und freundlich um.

Den ersten Tag hatte ich gleich Pech. Wie ich alles schon blank geputzt hatte, machte ich mich noch an die Stopfbüchse bei der Kolbenstange, die immer in den Zylinder hinein und heraus fährt. Wenn die Kolbenstange herausfuhr, fuhr ich mit dem Schmirgelpapier, den Zeigefinger darauf haltend, auf der Stoffbüchse herunter; bevor die Stange wieder retour kam, mußte der Finger heraus, sonst hätte ihn der Absatz von dem Kreuzkopf der Stange, der bis an die Stoffbüchse heranfuhr, zerquetscht. Der Kutschera klärte mich so darüber auf. Aber ich weiß nicht, wie das kam, ob ich seine Worte nicht so strenge nahm auf einmal machte es: »Knicks«. Ich schrie: »Au, au!« hielt mir den Finger, und wie ich ihn ansah, war er am Ende zerquetscht. Die Narbe davon ist noch heute zu sehen. Ich konnte mir das nicht anders erklären, als daß, weil ich die letzte Nacht gar nicht geschlafen hatte, ich beim Putzen wider Willen einen halben Nicker gemacht. Na, mir war der Schlaf schnell vergangen. Später gab ich sehr acht, daß mir ja nicht wieder so etwas geschah.

Einmal ging ein Junge durch das Maschinenhaus nach Trinkwasser und nannte mich Obermaschinist. Ich lief ihm nach und warf ihm eine Handvoll Putzwolle auf den Rücken. Das sah der dicke Zuckermeister, der stets oben beim Vakuum, in dem Zucker gesotten wurde, saß. Er brüllte herunter: »Ihr verfluchten Saujungen! Jeder hat von euch zwanzig Kreuzer Strafe!« Das rührte sehr mein Rechtsgefühl. Denn zwanzig Kreuzer war ein halber Tagelohn. Ich dachte nun hin und her. Zwanzig Kreuzer Strafe wegen so einer geringen Sache schien mir gar nicht gerecht. Der Kutschera sagte auch, daß ich mir das nicht brauche gefallen zu lassen, weil in der Fabriksordnung stände, daß das erstemal mit fünf, das zweitemal mit fünfzehn, das drittemal mit fünfzig Kreuzer gestraft werden müsse. Übrigens könnte mich der Dicke überhaupt nicht strafen, weil er kein Betriebsbeamter, sondern nur ein Zuckersieder wäre. Er sei ein gewesener abgesetzter Direktor, und weil er mit den Beamten bekannt wäre, hätten sie ihn hier wenigstens auf diese Weise untergebracht. Und wenn jemand gestraft werden müßte, dann täte es der Dicke zu allererst verdienen, denn er habe erst unlängst einen ganzen Sud Zucker verdorben, den sie dann in der Nacht in den Aschenhaufen eingruben. Und es wäre ja auch kein Wunder, da er täglich bis zwanzig Liter Bier trinke. Ich ging nun hin, wo die Arbeitsordnung hing, sah nach, ob der Kutschera auch recht habe. Ja, es war so. Dann frug ich ihn, auf welcher Stelle der Zucker eingescharrt sei. Nach Auskunft ging ich hin und es gelang mir, ein Stück wie die Faust groß herauszubringen. Also auch das war wahr. Nun verlor ich das letzte bißchen Respekt vor diesem Herrn und lauerte nur noch die Gelegenheit ab, bis er durch das Maschinenhaus bei mir vorbeigehen mußte, um ihm meine Unzufriedenheit wegen der Geldstrafe kundzugeben. Und der Kutschera machte mir immer noch mehr Mut dazu.

Schließlich sah ich ihn über die Treppe herunterkommen. Ich stellte mich sofort unten auf, wartete bis er herunterkomme. Als er bis zu mir heran war, fing ich an: »Herr Zuckermeister, wie kommt das, daß ich zwanzig Kreuzer Strafe haben soll? In der Arbeitsordnung steht doch, daß das erstemal nur mit fünf Kreuzer gestraft werden kann.« Er sah mich verwundert an und sagte mir nur: »Warum machst du Dummheiten!« Ich erklärte ihm weiter, wie sich die Sache zugetragen hatte und betonte, daß ich also gar nicht schuld daran war. Er fing dann an zu lächeln, blickte mir starr ins Gesicht und sagte weiter: »Kerl, du scheinst rechten Mut zu haben, ich will von der Strafe absehen.« Die Sache war zu meiner Zufriedenheit abgemacht. Im nächsten Jahre kam ich mit diesem dicken Zuckermeister Svoboda wieder, aber in einer anderen Zuckerfabrik, zusammen.

In die größte Verlegenheit brachten mich immer der Maschinist und der bärtige Adjunkt. Die konnten sich einander, warum weiß ich nicht, nicht leiden. Der erstere bildete sich ein, daß ihm in das Maschinen- und Werkwesen niemand etwas hineinzureden hätte. Der letztere dachte wohl wieder, daß er Betriebsbeamter sei und ihm alles folgen müsse. Wenn der Adjunkt zu Mittag mir von oben zurief: »Die Maschine aufhalten!« da befahl mir der Maschinist, sie weiter laufen zu lassen. Und wie ich sie dann wieder laufen lassen sollte, mußte ich sie aufhalten. So machten sie das jeden Tag, bis der Maschinist den Adjunkt schlagen wollte. Ich aber mußte natürlich zuerst dem Maschinisten folgen. Dieser Maschinist saß einmal neben meiner Maschine an der Drehbank und erzählte uns, mir und dem Kutschera, daß er ein Buch hätte, nach dem er sogar den Teufel zitieren könnte. Als ich über diese Teufelsgeschichte nachdachte, kam sie mir schon da, trotzdem ich noch nicht so gescheit wie er war, gar zu dumm vor.

Vor Schluß der Kampagne wurde uns allen Arbeitern verkündet, daß die Direktion für sämtliche Arbeiter einen Ball bewilligt hätte, der am nächsten Sonntag auf dem Saal des herrschaftlichen Gasthauses abgehalten werden solle. Als der Sonntag kam, ging ich auch mit meinem Bruder hin. Der Saal war nicht gar zu groß, aber voll von Menschen. Nun erfuhren wir erst, was jeder nebst dem freien Tanz noch bekam. Die Erwachsenen erhielten sechs Glas Bier, Brot und Wurst. Die jugendlichen Arbeiter und Frauen drei Glas Bier und auch Brot und Wurst. Nachdem ich das mit meinem Bruder getrunken und verzehrt hatte, begaben wir uns wieder nach Hause.

So endete also dieses Jahr die Kampagne ganz anders wie voriges Jahr. Auch war sie diesmal schon Mitte Februar aus. Bis Ostern war also noch lange hin, und erst da war wieder, und zwar in Sachsen, für mich Aussicht auf Arbeit. Da war ich denn gar nicht im Zweifel, daß uns beiden, meinem Bruder und mir, weiter nichts anderes übrigbleiben würde, wie mit der Harmonika bis solange spielen zu gehen. Vollends, als ich noch von der Mutter hörte, daß auch der Vater bald nach Hause käme. Sie zerbrach sich daher schon wieder ihren Kopf darüber, wie es uns nun wieder gehen werde. Solange wir beiden in die Fabrik gingen, brachten wir doch im Durchschnitt jede Woche zusammen fünf Gulden nach Hause. Und damit kam die Mutter doch so halbwegs durch. Nun war es aber mit diesem Verdienst vorbei, und der Vater, sagte sie, wäre unbarmherzig, gebe nichts oder nicht viel her zum Leben. So ungern, wie ich mit der Harmonika ging, so bereitwillig war ich wieder dazu, als ich die Mutter so besorgt sah. Wenn nur die Bauersleute nicht so oft zu mir gesagt hätten, daß so ein großer Junge nicht mehr betteln gehen dürfe! Ich könnte doch lieber in Dienst gehen. Ja, manche trugen mir sogar gleich einen Dienstposten an, und wenn ich mich zu dem Angebot gleichgültig stellte, gaben sie mir erst recht nichts, sondern zeigten mir die Türe: »Schau, daß du fortkommst, wenn du lieber betteln als arbeiten willst!« Das war denn ihr letztes Wort. O, wie gerne hätte ich den Dienst annehmen und arbeiten wollen! Wenn sich's nur um mich gehandelt hätte! Aber ich mußte ja auch für die anderen zu Hause sorgen, und mußte deshalb immer wieder den Schimpf und die verächtlichen Blicke über mich ergehen lassen. Mein Bruder, der nun auch schon zwölf Jahre alt war und auch schon lange nicht mehr in die Schule ging, mußte nun die Touren, ob kurz oder lang, mitmachen.

So oft wir eine weitere Tour gemacht hatten und der Korb schon zu schwer war, ließen wir ihn bei Wirtsleuten oder wo anders stehen. Er hängte sich dann nur den Brotsack um, nahm das kleine Mehlsäckchen in die Hand, und so gingen wir weiter von Haus zu Haus. Hinter dem Dorfe wechselten wir dann mit dem Tragen ab.

Den zwanzigsten Januar dieses Jahres 1878 erreichte ich das vierzehnte Lebensalter. Die Schulpflicht hörte nun ganz auf. Mein Vater brauchte sich wenigstens nicht mehr zu fürchten, daß ich, ob zu Hause oder in Sachsen, in die Schule verlangt würde, worüber er sich nun gegen mich sehr befriedigt aussprach. Alles, was ich noch aus der Schule konnte, war das bißchen Lesen. Die Sprachlehre, Biegungen, waren mir fremd, ganz unbekannt geworden, deshalb auch das Rechtschreiben, wie ich schon einmal oben sagte. Mir war es nun schon ganz gleich, wenn ich das »y« dorthin setzte, wo das »i« hingehörte; Beistrich, Fragezeichen, Ausrufezeichen, warum, wann und wo man sie anwenden solle, wußte ich nicht. Ebenso stand's mit den übrigen Lehrgegenständen, Naturwissenschaft, Geographie und Geschichte. Von dem allen wußte und verstand ich auch gar nichts. Nebst dem Lesen, natürlich nur Tschechisch, konnte ich nur noch etwas gut, das Beten. Mit solchem Wissen also trat ich als reif in das gesellschaftliche Leben. Ach, was rede ich! Ich war ja schon längst darin. Hatte ich doch nun schon vier Sommer in der Ziegelmacherei und drei Winter in der Zuckerfabrik gearbeitet, dann auf dem Abraum in Dux, und nun stand schon wieder eine neue Reise vor mir!


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