H. Clauren
Die Gräfin Cherubim
H. Clauren

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Leuchtkugeln.

Prinz Ewald war auf die ganze West böse. Der junge Baron Benno von Hollau, mit dem er in den frühesten Tagen seiner Kindheit aufgezogen worden war, und mit dem er sich seit jener glücklichen Zeit unter vier Augen noch Du hieß, war von den Gütern seines Vaters, die an dem entferntesten Ende des Landes in einer reizenden Gebirgsgegend lagen, zufällig in die Residenz gekommen, hatte von des Prinzen angeblichen Verirrungen mit der Roselli gehört, konnte, so weit er Ewalds Grundsätze kannte, unmöglich glauben, daß die Vertraulichkeit dieses Verhältnisses den Grad wirklich erreicht haben sollte, wie ihn die Klatsch- und Vergrößerungssucht der einen Hälfte der Stadtzirkel darstellte, und die andere Hälfte nach der gewöhnlichen Weise, alle Gerüchte dieser Art ohne weitere Prüfung gleich als baare Münze anzunehmen, glaubte, und nahm sich daher das Herz, dem Prinzen offen zu sagen, was man sich hier alles über die Geschichte in die Ohren flüstere, und ihn zu fragen, was an der Sache Wahres sey.

Anfangs – die Schuldlosigkeit der Jugend, die von dem boshaften Gewebe der Tücke und des Argwohns gewöhnlich keinen Begriff hat, die alles um sich her für so rein, für so unbefangen hält, als sie selbst ist, und die über die Folgen eines ungegründeten Verdachts sich mit Leichtigkeit wegsetzt, weil sie meint, daß das, was keinen Grund habe, von selbst in sich zusammenfallen müsse – Anfangs lachte der Prinz über das alberne Geschwätz; als indessen Benno versicherte, daß die Roselli selbst hie und da auf eine sehr feine Weise habe errathen lassen, wessen man ihn verdächtig halte, ward Ewald stutziger; der Stolz seines reinen Bewußtseyns erwachte, und mit verhaltenem Unwillen rief er entrüstet: »Battista ist eine Närrin; aber ich hoffe, man kennt mich, und weiß daher, was an der Prahlerei ist.«

»Die Hausmarschallin,« fuhr Benno fort, »zuckt, wenn in ihrer Gegenwart von der Sache gesprochen wird, mit einer Miene die Achseln, als sey das, was man sage, noch lange nicht die Hälfte von dem, was die Leute wüßten, und die alte Frau v.  Broich, die ich gestern Abend in Gesellschaft traf, wo dieß beliebte Kapitel auch zur Sprache kam, thut offenbar, als kenne sie den Zusammenhang der Geschichte ganz genau, aber mit zugedrückten Augen, und die Hand auf dem Mund warf sie in den Kreis des wohlbesetzten Theetisches die Versicherung hin, von dieser delikaten Angelegenheit nicht sprechen zu dürfen, ansonsten sie Dinge erzählen könnte, daß allen Leuten Hören und Sehen vergehen solle. Dinge, die sie mit eigenen Augen gesehen, mit eigenen Ohren gehört, verargst Du denn aber nun der Welt, deren gewöhnliches Treiben ja ohnehin immer darauf ausgeht, den Schwächen der Menschen aufzulauern, den Schein zur Wahrheit zu stempeln, und schonungslos das Geheimste aufzudecken, verargst Du ihr denn, wenn sie bei solchen vollgültigen Zeugen glaubt, was mir ein Werk der Unmöglichkeit ist, mir, der ich Dich, mein Ewald, kenne, wie mich selbst? Wüßten alle Menschen, wie ich, welch ein reines Herz in dieser Brust schlägt, wüßten sie alle, wie ich, daß der Adel dieser Seele sich nie, und am allerwenigsten einer solchen Buhlerin gegenüber vergessen kann, dann würden sie auch Alle, wie ich, selbst wenn die Zeichen noch wunderlicher wären, als die von den ehrenwerthen beiden Damen, zum Beweise ihrer Behauptungen angegebenen, steif und fest behaupten, daß alle diese Gerüchte, boshafte Lügen und leidiges Teufelswerk sind, aber so –«

»Also die Battista, und die Zagern und die Broich?« – sagte Ewald, der auf Bennos Schlußrede nur halb gehört hatte, mit brütendem Grimm: »das ist ja ein höllisches Kleeblatt; aber Benno, ich will mich rechtfertigen, vor Dir, vor der Welt, vor mir selber; ich will hin zu den Schlangen, ich will der Natterbrut den Kopf zertreten, ich will –«

»Was willst Du denn, mein Ewald?« fragte ihn mit sanfter Rede beschwichtigend, der verständige Benno. »Die Zagern, Du kennst ja die Aalglätte ihrer Gewandheit; sie wird Dich hören, sie wird Dir im erkünstelten Lachen ihre schönen Zähne weisen, sie wird mit ihren liberalen Begriffen von der Unbescholtenheit eines jungen Mannes in diesem Punkte sich über Dich, Dir gegenüber, lustig machen, und Dich in ihrem unübertrefflichen Leichtsinn fragen, was denn nun am Ende wäre, wenn Alles, was die Stadt von der Sache sich erzähle, sich wirklich so verhalte! Sie wird Dich fragen, ob Du glaubst, der Erste und der Letzte zu seyn, der ein Mädchen, wie Battista hübsch finde; sie wird Dir zu verstehen geben, daß Du blödsinnig wärest, wenn Du, da nun einmal davon gesprochen worden, und der Ruf Deiner jungfräulichen Unbeflecktheit nun doch nicht wieder zu repariren sey, die schöne Neapolitanerin nicht für Deine Favorit-Sultanin erklärtest, und sie wird allen ihren Bekanntinnen mit tausend lustigen Zusätzen erzählen, daß sie Dich belehrt habe, die alte Broich aber, setztest Du diese zur Rede, wird unter heißen Bethschwesterthränen mit Dir um die Wette über die Verdorbenheit der Welt klagen, daß selbst ein so tugendhafter Prinz wie Du, mit solch einer hergelaufenen Theatermamsell habe in das Gerede kommen können; sie wird, wenn Du sie darauf aufmerksam machst, daß sie sich selbst als Augen- und Ohrenzeugin aufgeworfen, von der ganzen gestrigen Theegesellschaft tausend leibliche Eide schwören, daß sie an solchen Frevel nie gedacht, daß wir uns platterdings verhört haben müßten, sie wird – ich höre die bräutmäulige alte Heuchlerin, ich sehe die ewig heisere Kropfgans vor mir – sie wird sich erbieten, der gottlosen Komödiantin den Kopf zu waschen, sie wird es, auch wenn Du es ihr auf das Strengste untersagst, blos aus falsch verstandenem Eifer für das Wohl des Hofes thun, und dadurch daß Uebel nur ärger machen. Du also darfst mit Deiner gewöhnlichen Raschheit dagegen gar nichts wirken. Laß die Leute sich müde reden; wache auf Dein Benehmen, daß es den, vielleicht durch Deine entfernte Schuld entstandenen Verdacht entkräfte, und wenn wirklich die Roselli einfältig genug wäre, einige kleine Artigkeiten, die Du mehr ihren Künstlertalent, als ihren persönlichen Reizen gezollt, für mehr anzusehen, als sie seyn sollten, und die Dummdreistigkeit so weit triebe, sich damit fernerhin gegen Andere zu brüsten, so suche sie auf eine unvermerkte Art, und ohne ihr in pekuniairer Hinsicht wehe zu thun, von hier zu entfernen; in Deiner Lage gibt es ja hundert Mittel, dieß so zu bewerkstelligen, daß es keinem auffalle, und Battista wird bey ihren Talenten überall ein gleich annehmliches Unterkommen finden.«

Dieser besonnene Rath gewann bey Ewald bald Eingang. Es ward ihm, als habe Benno über das Dunkele seines Gefühls helle Leuchtkugeln aufsteigen lassen, bei deren sanftem Lichte er die Irrgänge erkannt habe, auf die er habe verlockt werden sollen. Er ward sich mit stiller Beschämung jetzt selbst klar, daß ihm Battista, in den ersten Augenblicken der leidenschaftlichen Ueberwallung, mehr gewesen war, als bloße Künstlerin; ihr zuchtloser Wandel aber, von dem er jetzt erst bestimmtere Nachrichten hörte, auf der einen Seite, und die Ueberzeugung, daß, wenn sie auch der reinste Seraph von Sittlichkeit selbst gewesen wäre, ein engeres Verhältniß doch zu nichts, als zu Unheil und tausend Verlegenheiten führen könne, auf der andern, lösten die Bande, von denen er sich umstrickt gefühlt hatte; aber der Unwille über die Menschen, und über das Gezwungene seiner Lage preßte ihm die Brust zusammen. daß es ihm jetzt wohl that, ihr Luft zu machen, und gegen Benno, seinen vertrauten Jugendfreund, den lang verhaltenen Unmuth einmal laut werden lassen zu können..

Benno jedoch lachte ihn und seine Klagen über die drückenden Ketten der Konvenienz, die ihm und seinem Herzen, seinem Mund, und jeder seiner Handlungen, für die ganze Lebenszeit angeschmiedet wären, mit gutmüthiger Schadenfreude aus.

»Das Unglück, unter deinen Konvenienzfesseln zu schmachten, mein Ewald,« sagte er freundlich scherzend, und klopfte dem Schmollenden auf die Achsel, »ist allenfalls noch zu ertragen; von den tausend Millionen Menschen, die auf unserm Erdball leben, tauschen Neunhundert neun und neunzig augenblicklich mit Dir. Etwas mußte Dir vom Geschick doch auch in die Gegenschaale gelegt werben, und wer in der Einen das Glück findet, von der Sorge um das liebe tägliche Brod, die in der Welt täglich Millionen Leuten Schweiß und Thränen kostet, nichts zu wissen, das menschliche Elend in seiner furchtbaren Jammergestalt gar nicht zu kennen; hunderttausend Menschen mit einem freundlichen Blick zu gewinnen, mit einem gütigen Worte zu bezaubern, wie ein Engel des Himmels, blos durch guten Willen rundum Segen zu verbreiten, durch Rechtlichkeit und Huld die Liebe und Verehrung ganzer Völker zu erwerben, durch weise Strenge und schonende Milde das öffentliche Wohl zu begründen, durch frommen Sinn und reinen Wandel allen seinen Unterthanen ein fruchtbringendes Beispiel seyn zu können, und seinen Namen, durch Groß- und edle Thaten der Weltgeschichte zu bewahren, der darf diesem seinen verschwenderisch gütigen Geschick wahrhaftig nicht zürnen, wenn er in der andern Wagschaale eine kleine Dosis Zwang und die Nothwendigkeit findet, immer ein doppelt aufmerksames Auge auf sich zu haben, damit er zwei große, unschätzbare Gegenstände, Achtung und Volksliebe, die, einmal verloren, selten wieder errungen werden können, nicht verscherze.«

»Du hast gut sprechen,« erwiederte Ewald, durch Bennos freundliche Ansichten mit seiner Lage ziemlich wieder ausgesöhnt, »aber das wirst Du nicht in Abrede stellen können, daß dieses ewige Aufmerksamseyn auf sich selbst, die ewige Sorge, sich und seinem Range nichts zu vergeben, die ewige Arbeit, den Zaun, den man um sich herziehen muß, im möglichst weiten Kreise und in möglichster Höhe zu erhalten, damit niemand uns zu nahe komme; eine, auf die Länge fast unerträgliche Last sind.«

»Nun, Dein Zaun, mein Ewald, – eine chinesiche Mauer ist er just auch nicht,« versetzte Benno mit freundlichem Spott, »er reicht Dir, dem Himmel sey Dank, nicht einmal bis an das Herz, so, daß dieß seinen Raum nach allen Richtungen hin rundum frei behält. Das ist heute nur so ein hypochondrischer Anflug, mit Deinem Zaune. Dein ganzes Pallisadirwerk ist auch gar nicht so gefährlich, als Du Dir einbildest, denn ich habe doch schon manches niedliche Mädchen und manche Frau gesehen, denen gegenüber Du Dich gar nicht so genirt fühltest, als Du zu seyn Dir jetzt einbilden willst.«

»Das ist die leere Unterhaltung des alltäglichen Konversationstons,« versetzte Ewald, »allein wenn nun das Herz verlangt, sich inniger anzuschließen, wenn es sich nun sehnt nach der Einen, die die Welt zum Paradiese, das Leben zur Seligkeit verschönen soll, wenn es diese Eine mit der süßen Beklommenheit der Liebe sucht, – dann, dann seyd Ihr tausendmal glücklicher als wir. Ihr geht hin, und habt die Wahl unter Hunderttausenden – ich, ich stehe auf einem kalten Eilande, und muß zufrieden seyn mit dem, was mir ein Dritter, ein Abgesandter ausgesucht hat, und mir, ohne zu fragen, ob ich es lieben könne, ob es mir nur gefalle, in die Arme legt. – Sieh, Benno, das ist schrecklich!«

Benno sachte laut auf, und rief: »könnte ich doch alle Fürstentöchter Europas jetzt um Dich herumstellen, Du solltest gewiß nicht die Kourage haben, Dein Loos ein schreckliches zu nennen; denn unter den hundert Wahlfähigen, die ich mich wohl getraute Dir vorzuzählen, und unter denen viel in jeder Beziehung höchst liebreizende fürstliche Jungfrauen sich befinden, würde doch Eine wenigstens seyn, die der Hand meines Ewalds nicht unwürdig wäre.«

»Hundert Wahlfähige!« fiel ihm Ewald schmerzlich betroffen in das Wort, »da hast Du mein Verhältniß zu dem Eurigen mathematisch festgestellt, da hast Du es in Zahlen ausgesprochen! Ich bin auf hundert Wahlfähige beschränkt, jeder von Euch auf eine Million, auf die ganze Mädchenwelt unter der Sonne.«

»Deine Ansichten, mein einziger Ewald,« erwiederte Benno lustig, »sind unendlich komisch. Ist mein Herz noch ganz frei, ist noch Keine da, für die ich mehr, als für eine Andere fühle, so führe mich in einen Kreis von hundert Freiinnen, mit der Aufgabe, Eine unter ihnen mir zur Gattin zu wählen, laß mir Zeit, sie kennen zu lernen, und ich stehe Dir dafür, daß, ehe Jahre und Tag vergehen, ich Dir meine Auserwählte vorführen, und mit ihr glücklich leben will, bis an das Ende meines Lebens.«

»Du sprichst wie ein Buch,« versetzte Ewald spottend. »Ist mein Herz noch ganz frei, sagst Du! – dann magst Du vielleicht recht haben; wie aber, wenn das nicht der Fall ist?«

Benno horchte hoch auf.

Ewald schien über sich selbst erschrocken zu seyn, er fühlte, daß er sich halb verrathen, und war in seinem Herzen dem zarten Benno verpflichtet, daß dieser nicht weiter forschte, denn der fragende Blick, den der von diesem unerwarteten Bekenntnisse überraschte Benno auf ihn geworfen, hatte ihm schon all sein Blut in das Gesicht gejagt.

Es entstand eine kleine Pause, die Beiden gleich schmerzlich war; dem armen Benno, weil er sah, daß sein Ewald, für den er Haab und Gut, Blut und Leben hingegeben, etwas auf dem Herzen hatte, was er Bedenken trug, ihm anzuvertrauen, und daß die Kluft zwischen dem Prinzen und dem Baron, ob sie gleich Ewald nie zugeben wollte, doch da war; dem herrlichen Ewald aber, weil ihm schmerzte, etwas gegen seinen treuen Benno verschweigen zu müssen, dessen er sich kaum selbst recht bewußt war, was er selbst für eine kindische Posse, oder für ein Aufwallen von Liebesschwärmerei hielt, und dessen er, einem so verständigen Manne als sein Benno war gegenüber, sich selbst schämte.

Um das Peinliche dieses augenblicklichen Stillstandes in der Unterhaltung möglichst schnell abzubrechen, und das Gespräch, welches Ewald sehr zu interessiren schien, wieder anzuknüpfen, begann dieser mit erkünstelter Gleichgültigkeit. »Du sprachst vorhin von hundert Wahlfähigen – ich glaube, wir brächten, und wenn wir alle Höfe Europas bereisten, nicht viel über die Hälfte zusammen!« – Er spielte, um bei der Unterhaltung so indifferent als möglich zu scheinen, auf dem vor ihm stehenden Tischchen Klavier, und hatte so viel Ruhe wieder über sich gewonnen [, um] in Bennos Gesicht, in dem die Zweifel über die dem Prinzen vorhin entfallene Äußerung von schon getroffener Wahl, noch deutlich zu lesen waren, recht unbefangen zu sehen.

»Sieh,« rief Benno begeistert, »solch eine Reise die möchte ich mit Dir machen; wir müßten sie alle besehen, die Töchter der Fürsten und Herren der Welt, versteht sich aber, incognito; überall wollte ich die genausten Nachrichten über Jeder Tugend und Mängel einziehen und getreulich berichten, und« setzte er scherzend hinzu, »fanden wir in Europa nicht was wir suchten, so gänge es nach Afrika und Asien zu den Töchtern der Schachs und der kupfergelben und schwarzen Kaiserlichen Majestäten; doch, wenn ich dem Gerüchte glauben darf, so wär unsere erste Brautschau vielleicht auch schon die letzte. Natürlich machten wir unsere ersten Besuche in der Nachbarschaft – Hast Du z. B. von der Prinzessin Wunderschön, von der Prinzessin Aloyse nichts gehört?«.

Ewald war während dieser Rede mit seinem Klavierspiel aus einem muntern Allegro, den fröhlichen Benno auf seiner Brautfahrt in Gedanken wahrscheinlich begleitend, in einen Geschwindmarsch gerathen, später, bei der Ueberfahrt über den Bosphorus, in. eine Janitscharenmusik übergegangen, sprang, als Benno von dem ersten Ausfluge an die benachbarten Höfe anfing, in ein höchst schwieriges Kaprizzio über, und blieb mit allen zehn Fingerspitzen auf seinem Tischklaviere ausgespreitet, als habe er den Starrkrampf bekommen, da Benno Aloysens Namen nannte..

»Woher kennst Du denn Aloysen?« fragte er, und dem Tone dieser Frage hörte man an, daß sie tief aus dem Herzen kam, und sich durch einen halberstickten Seufzer mühsam heraufgewunden habe.

»Gesehen habe ich sie nicht,« entgegnete Benno mit aufmerksamen Seitenblick auf Ewalds auffallendes Ergriffenseyn, »aber die ganze Welt nennt sie eins der schönsten der liebreizendsten Mädchen in der Reihe der Fürstentöchter unserer Zeit, und Klorinde Kulm, die jetzt dort bei ihrem Schwager Adelsheim sich aufhält, und mit einer Bekannten unseres Hauses in Briefwechsel steht, ist in ihrem Lobe unerschöpflich. Ihr Verstand, ihre Bildung, ihre Engelsgüte, ihr frommes reines Herz machen sie zum Liebling der ganzen Residenz, des ganzen Landes; Du weißt wir gränzen zusammen, und haben drüben viel Bekanntschaft; aber wen man nur spricht, ist von Aloysens blendendem Aeußern entzückt, von ihrer Anmuth bezaubert, von der Verehrung ihrer Tugenden enthusiastisch durchdrungen.«

»Sonst, sonst,« unterbrach ihn Ewald sichtbar verstimmt, – »sonst mag das gewesen seyn, aber jetzt – Hast Du hier die Mohrenhoven über sie gesprochen? – ich – es ist lächerlich, daß ich Dir das erzähle, aber es ist jetzt aus, ich kann nun davon reden – ich weiß, daß mein Vater im Geheimen den Plan hatte, aus uns ein Paar zu machen; der Kanzler ließ einmal in einer vertraulichen Stunde so etwas davon fallen; natürlich suchte ich unter der Hand von Leuten, die an Aloysens Hofe bekannt sind, ein Näheres über sie zu erfahren. Wie du jetzt sprachst, so sprachen Alle. Wußten sie, warum ich fragte, oder waren sie hintergangen, wie Du, kurz, Keins hatte Worte genug, die Liebenswürdigkeiten zusammen auszusprechen, aus denen dieser Ausbund von Schönheit und Grazie, von Verstand und Tugend zusammengesetzt seyn sollte. Ich liebte – Du mußt mich nicht auslachen – ich liebte Aloysen, ohne sie je gesehen zu haben. Meine unglückliche Eigenheit, für Alles gleich mit dem wärmsten Interesse ergriffen zu seyn, spiegelte mir das Mädchen so unendlich reizvoll vor, daß ich in Gedanken mich schon mit ihr verlobt sah, jede Nacht fast von nichts träumte, als von ihr; halb wachend, wenn ich allein war, laut mit ihr sprach, bogenlange Briefe an sie entwarf, und was dergleichen Liebestollheiten mehr sind; ich erwartete jeden Tag, daß mein Vater einmal davon anfangen würde, und ich sah mich schon im Geiste auf der Brautfahrt; Du – Gott, wie kindisch kann man seyn, wenn man verliebt ist! – Du begleitetest mich, und von unserm stattlichen Auftreten an Aloysens Hofe, vor unserm glanzvollen Empfange, von allem, was sie zu mir und ich zu ihr sagte, von allem, was ich und sie dachte und fühlte, hätte ich einen Roman in zehn Bänden liefern können, so ausführlich war meine aufgereizte Phantasie. Ganz versunken in meine Schwärmereien, deren Erinnerung mir, so schmerzlich sie mich jetzt beschämen, heute noch Freude machen, denn ich schwamm in jenen nie wiederkehrenden Tagen, in einem Meere von Entzücken, treffe ich in einem Zirkel zufällig auf die Mohrenhoven; ich weiß, daß diese in der Nähe von Habichtswalde eine vertraute Freundin, die Oberlandschenk Walhorn hat; ich konnte daher voraussetzen, daß die Mohrenhoven über Aloysen wenigstens Einiges wisse, und mein guter Geist brachte mich auf die Idee, auch von ihr zu erforschen, was ihr bekannt sey. Lieber Herzens-Benno, hast Du eine Idee, wie dem zu Muthe seyn muß, der aus einem Rosenhimmel auf ein Korallenriff fällt, so kannst Du meine Lage ungefähr begreifen, in der ich war, als die ehrliche Mohrenhoven mich enttäuschte, und den Flimmer, den Du und Klorinde, und viele andere, für ächten Juwelenschmuck und edles Metall gehalten, für böhmische Steine, leonisches Machwerk und Katzensilber erklärte; ihrem Aeußeren und ihren Talenten, ihrer Erziehung und selbst ihrem Herzen ließ sie alle Gerechtigkeit widerfahren, und bethätigte mir dadurch ihre Unpartheilichkeit, aber, aber – von ihrem Temperamente, von ihrer Sittsamkeit – da war nicht viel Erbauliches zu vernehmen. Denk Dir, sie hatte sich so weit vergessen können, daß sie sogar eine förmliche Intrigue mit einem Gardeoffizier –«

»Das ist nicht wahr!« rief Benno von edlem Unwillen so überwallt, daß er vergaß einem Prinzen gegenüberzustehen, gegen den eine so derbe Aeußerung, trotz ihres beiderseitigen traulichen Verhältnisses immer unschicklich bleiben mochte, »das ist nicht möglich!« setzte er etwas gemessener hinzu.

»Ich kann Dir ihn nennen,« entgegnete Ewald, über Bennos Zweifel fast entrüstet; »ein Mensch, ohne allen andern Werth, als den einer passabeln Figur, der Major Bouslar.«

Benno lachte laut auf, und rief mit bitterm Spott über die Erbärmlichkeit der Alltagswelt, »Gott, wie kann man doch gleich aus der Mücke einen Elephanten machen! – An der Geschichte mit dem Pinsel, dem Bouslar, ist –– ich gebe Dir mein heiliges Wort darauf – nicht ein wahres Wort. Seine Schwester ist Hofdame; sie hat ein Portrait von ihm; Aloyse, die eine Meisterin im Zeichnen ist, kopirt dieß, blos um auf dem Lande eine Beschäftigung zu haben; der eitle Geck bildet sich ein, daß, weil die Prinzessin zehn andere Portraits aus ihrem Ahnensaale hätte kopiren können, diese aber hängen läßt, und grade seine angenehme Fratze wählt, sie in ihn sterbensverliebt sey, ist einfältig genug, damit auf die unverschämteste Weise zu prahlen, und wird weil er aller Welt davon erzählt hatte, und von aller Welt damit gehänselt wurde, um dem albern Gerede ein Ende zu machen, zu einer Gränz-Garnison versetzt – das ist das Ganze! so erzählten uns den Vorfall alle Offiziere seines Regiments, die wir darüber zu sprechen Gelegenheit hatten, und damit stimmen Klorindens Briefe buchstäblich überein. Von einer Intrigue ist hiebei nie die Rede gewesen, und ist Aloyse nur halb so verständig und wohlerzogen, als sie seyn soll, und Bouslar nur halb so strohköpfig leer und gehaltlos, als er allgemein geschildert wird, so läßt sich auch schon a priori die Unmöglichkeit einer engern Beziehung zwischen Beiden fast mit mathematischer Gewißheit folgern. – Wenn Du also sonst keinen Skrupel hast, so fangen wir unsere Brautschau immer noch in Habichtswalde an. –«

Ewald schüttelte den Kopf und sagte nach einer kleinen Pause in einer Art von Mißstimmung: »Nein, – nein – der erste Goldstaub, der die Flügel meiner Phantasie schmückte, ist nun doch herunter.«

»Streu ihn wieder darauf,« erwiederte Benno in seiner launigen Manier; Ewald aber meinte, daß man sich so etwas nicht nehmen noch geben könne, »und wenn auch« fuhr er fort, »die Geschichte mit dem Bouslar nicht wirklich so schlimm wäre, als die Mohrenhoven sie gemacht, so habe ich späterhin doch auch noch anderwärts über Aloysen sprechen gehört, und das wollte nicht recht zu ihrem Vortheil lauten, so daß ich die früher in mir unwillkührlich entstandene Neigung, die an sich schon baufällig seyn mußte, da sie keinen festen Grund hatte, jetzt völlig als Ruine ansehe, über die ich darum auch längst schon das Gras der Vergessenheit habe wachsen lassen.«

»Anderwärts?« wiederholte Benno mit verhaltener Schärfe, »wer sind denn die Herren Anderwärts?«

»Ein diplomatischer Mensch darf keine Quellen nennen,« entgegnete Ewald, und schien der weitern Frage hierüber, durch einen Scherz ausweichen zu wollen; allein Benno ließ den Gegner, der offenbar den Rückzug zu nehmen anfing, nicht aus dem Garne; »Bestimmt,« sagte er triumphirend, »sind die Quellen, aus denen Du Deine gallichten Nachrichten geschöpft hast, trübe, und liegen im fauligen Moorgrunde der Lüge und Heimtücke; die meinigen dagegen entspringen aus dem Felsen der ewigen Wahrheit. Ich will jetzt hundert gegen eins wetten, Deine Anderwärts sind weiblichen Geschlechts, und Du schämst Dich darum, sie zu nennen, weil Du fühlst, wie unverantwortlich Du gegen Aloysen gehandelt hast, Dir ihre Ehre, ihren guten Namen durch ein Paar Residenzklatschen wegplaudern zu lassen, ohne zu untersuchen, in wie weit Du diesem Ottergezüchte Glauben beimessen dürftest.«

»Du wirst unartig, Benno,« versetzte Ewald etwas gereizt.

»Daß doch die Wahrheit dem, der sie selten hört, immer empfindlich ist!« erwiederte Benno, in die ihm angewiesenen Schranken zurückkehrend, mit freundlichem Lächeln, »allein verzeih, wenn ich warm geworden, aber das werde ich immer werden, wenn ich sehe, daß Jemand, der sich nicht vertheidigen kann, Unrecht gethan wird, der Jemand mag ein Fürst oder ein Bettler seyn. Mein edler Ewald, der gegen den Niedrigsten seiner Unterthanen die strengste Gerechtigkeit, die schonendste Milde walten läßt, handelt – ist es nicht wahrhaft sonderbar! – handelt gegen das Lieblichste aller Nachbarskinder seines Ranges, das von Tausenden angebetet wird, mit einer Härte, mit einer Partheilichkeit, daß mir immer unbegreiflicher wird, wie Du Dich in einem solchen Grade hast bestechen lassen können. Komm, ehe Du verdammst, doch lieber selbst; sieh doch mit eigenen Augen.«

»Das geht ja nicht,« antwortete Ewald mit einem Tone, aus dem das gutmüthige Bekenntniß seines himmlischen Gemüths zu entnehmen war, daß er fühle, unrecht gehandelt, und Aloysen, die vielleicht ganz unschuldig seyn könne, durch sein unbegründetes übereiltes Vorurtheil, wenn auch nur in Gedanken, wehe gethan zu haben; »erscheine ich in Habichtswalde, so setzt man sich gleich dort und hier eine Menge Dinge in den Kopf, an die meine Seele nicht denkt; auf alle meine Erkundigungen über die Prinzessin, werde ich dort an ihrem Hofe wahre, ehrliche Auskunft nie erhalten, und sie selbst, von allen ihren Umgebungen die meiner Erscheinung ja gleich den Zweck einer Brautschau unterlegen, auf den Standpunkt geschoben, der in ihre Pläne taugt, wird mir nie in ihrem natürlichen Gewande, sondern in der fremden Hülle der berechneten Speculation vorgestellt werden. – Sieh – das ist das Drückende unserer Lage. Schon das Wort Vorstellen widert mich an. So etwas muß sich finden, von selbst, ungesucht! Wünscht man dort, wie ich Ursache habe zu vermuthen, eine Verbindung zwischen uns, so wird Aloysen jedes Wort was sie sprechen soll, in den Mund gelegt; jeder Wink wird ihr vorgeschrieben; sie könnte mich alltäglich, gleichgültig, unausstehlich finden, aber sie muß – sie muß dann thun, als sey ich ihr willkommen, als finde sie Gefallen an mir; als liebe sie mich; sie muß mich betrügen: – Nein, bleib mir mit Deiner Reise nach Habichtswalde, und so wie dort, würde es mir überall gehen!«

»Aber, englischer Ewald,« unterbrach ihn Benno lachend, »es soll ja kein Mensch wissen, daß Du der Prinz Ewald bist; wir kommen als ein Paar fremde Grafen; nenn Dich, wie Du willst; wir besehen die dortigen Anlagen, lassen uns melden, werden zur Tafel gezogen, leben Einen oder mehrere Tage dort, Du siehst die wunderhübsche Aloyse in ihrer ungeschminkten Natürlichkeit, und plauderst stundenlang mit ihr, erforschest mit eigenen Augen und Ohren, und prüfst mit eigenem Kopf und Herzen, und –«

»Ach, das geht ja nicht,« versetzte Ewald, mit einem Gesicht, als möchte er gerne, daß es so ginge. »In Romanen kann man das alles recht leicht machen, da kostet es ein Paar Federstriche, weiter nichts; aber in der wirklichen Welt, und besonders in unserer Welt, von hundert Aufpassern ewig und immer umgeben – wir leben ja, möchte ich sagen, beständig in einen weiten Arrest; ich kann ja keinen Fuß über die Grenzen des mir angewiesenen Kreises setzen, so steckt ja vom Obermarschall bis zum Stubenheitzer das ganze liebe Personale die Köpfe zusammen, und setzt sich die allerabentheuerlichsten Schlußfolgerungen über den heimlichen, überraschenden Schritt zusammen und fragt, und spürt so lange nach, bis es glücklich heraus ist, wo ich mich hingewendet, und was ich im Plane habe und nicht habe. Du bist,« setzte er scherzend hinzu, »ein glücklicher freier Spatz, ich komme mir wie ein mysantropischer auf sich selbst gewiesener Papagey im goldenen Käfig vor, dem man das Symbol der Treue und Liebe, den Ring hingehängt hat, blos, daß er ihn mit Füßen trete.«

»Wenn nun aber der Spatz den Papagey mitnimmt,« erwiederte Benno fröhlich lachend; »ich sage Dir, es ist dießmal nichts leichter, als das; Du willst, meintest Du heute morgen, Ende dieses Monats Deine kleine Reise nach den Festungen antreten; Du kommst nach Schreckenstein; von dort aus hast Du drei Stunden zu uns; Du gibst vor, die Stammschäferei zu Garbenfelde in Augenschein nehmen zu wollen, lässest Deine Adjutanten und Bedienten in Schreckenstein zurück, wirfst Dich in Zivilkleider, und reitest allein nach Garbenfelde; das ist zwei kleine Stunden von uns dort erwarte ich Dich, von Dir zuvor benachrichtigt, im Eichenbusche rechts hinter dem Schäferhause; Du hast einen schon im voraus mit Bleistift geschriebenen, von Garbenfelde aus datirten Zettel mitgenommen, in dem Du die Adjutanten benachrichtigst, daß Du in Garbenfelde den Amtmann nicht gefunden, – er ist, das weiß ich zufällig, nach Mecklenburg gereist, um Pferde zu kaufen, und daß Du Dich daher, da Du einmal halb auf dem Wege gewesen, entschlossen hättest, die Stuterei in Klesitz zu besuchen, von wo Du aber, da Du bei der Gelegenheit bei einigen Familien des dort umwohnenden Landadels vorzusprechen gedächtest, unter drei vier Tagen schwerlich zurückkommen würdest; diesen Zettel schickst Du von Garbenfelde aus, durch einem Schäferjungen nach Schreckenstein, und nun haben wir Zeit gewonnen, um unsern Plan mit aller Gemächlichkeit auszuführen. Ich bringe Dich nun nach Hause, stelle Dich meinem Vater und meiner Schwester als einen alten Universitätsfreund, als den Grafen Lüdinghausen vor, und den folgenden Morgen früh fahren wir mit Extrapostpferden, beide ganz allein nach Habichtswalde –«

»Dort treffen wir,« fuhr Ewald in Bennos Luftschloßbauanschlage fort, »unsern Gesandten, den Herrn v.  Adelsheim, und dieser stellt dann Deinen Herrn Grafen Lügenhausen, als den Prinzen Ewald vor; und wir werden vor dem ganzen Hof und der ganzen Residenz zu Spott und Gelächter.«

»Gott bewahre!« rief Benno von seinem Plane begeistert; »erstlich sind Adelsheims äußerst selten in Habichtswalde, und gesetzt, der Zufall hätte sie gerade herausgeführt, glaubst Du denn nicht daß solche gewandte diplomatische Menschen, nur eines halben bedeutenden Seitenblicks bedürfen, um zu wissen, daß der von ihnen erkannte Prinz Ewald, von Kindesbein an kein anderer Mensch gewesen ist, als der Graf Lüdinghausen? und sollte das Unglück wollen, daß noch ein Dritter da wäre, der Dich kennte, sollte denn ein Graf Lüdinghausen nicht einmal einem Prinzen Ewald ähnlich, zum Sprechen ähnlich sehen können? Eben so gut muß, wenn ein Vierter da wäre, der meinen Jugendfreund Lüdinghausen kennte, glauben können, daß es mehrere Grafen dieses Namens in der Welt gibt. Du siehst, bei meinen Plänen sind alle mögliche Fälle berechnet; so daß bei unserer Umsicht, und, wenn es die Lage der Dinge erfordert, bei unserer Fertigkeit im Nothlügen, die Ausführung gar nicht mißglücken kann.«

»Nun, und das Ende vom Liede?« fragte Ewald, zwischen der Verwerfung und der Annahme des Projects merkbar schwankend.

»Nun, sobald wir im Habichtswalder Hofkreise nur erst ein wenig warm geworden, suchst Du hauptsächlich Aloysen näher kennen zu lernen; ich tiraillire fortwährend um Dich herum, daß Du den Rücken frei behältst, um in Deiner Unterhaltung mit ihr, wenn diese einmal angeknüpft ist, nicht unterbrochen zu werden; ich beschäftige den Feind durch falsche Attakken, daß er auf die Märsche des Hauptcorps, d. h. auf Dich und Deine Annäherungen kein besonderes Augenmerk haben kann; ich spionire unvermerkt aus, wie und was man über meinen Grafen Lüdinghausen denkt und sich äußert; ich beschleiche in unbewachten Momenten die Seelenspiegel, die Augen der Prinzessin selbst, um darin zu lesen, ob und wie ihr mein junger Reisegefährte behage, und statte Dir von Allem getreulich Rapport ab; nach einem Aufenthalte von zwei, höchstens drei Tagen verabschieden wir uns. – Jetzt sind zwei Fälle, nein, eigentlich dreie: Aloyse hat Dir gefallen, oder sie hat Dir zwar gefallen, aber doch nicht in dem Grade, daß Du Dich bestimmen lassen könntest, ihr Deine Hand in bieten; oder sie hat Dir gar nicht gefallen; in beiden letzten Fällen erfährt kein Mensch von unserm –«

»Studentenstreiche,« ergänzte Ewald, als Benno das rechte Wort nicht gleich finden konnte.

»Im ersten,« fuhr Benno fort, »lassen wir durch Adelsheim oder einen Dritten, Aloysen oder deren Eltern ganz ehrlich wissen, was und warum wir es begonnen, man wird lachen, man wird einen Scherz daraus machen; aber übel gedeutet wird er gewiß von Niemand, am wenigsten von Aloysen; denn ein kühnes Ritterstück der Art gewinnt der Mädchen Beifall ohne Ausnahme.«

»Don Quixotte, Sancho Pansa und das Fräulein von Toboso!« rief Ewald laut lachend, indessen schien er die Möglichkeit der Ausführbarkeit dieses Ritterzuges doch nicht ganz mehr so in Zweifel zu stellen, als Anfangs. Mit der Lebendigkeit, mit der ein junger Feuerkopf gern in die Schranken tritt, wenn von einem kühnen Unternehmen die Rede ist, ergötzte er sich an Bennos lustigen Skizzen von der bevorstehenden fahrenden Ritterschaft, und die sehr anmuthigen Schilderungen, die dieser im Hintergrunde seiner Phantasiegemälde, von Aloysens Liebreiz, von ihrer anfänglichen Befangenheit, von ihrer allmählig zunehmenden Traulichkeit, und von ihrer daraus am Ende erblühenden Liebe vormalte, mochten an Ewald nicht ganz ohne Wirkung vorübergegangen seyn, denn er versprach nach vielem Hin- und Herreden, endlich den besprochenen Scherz wenigstens in so weit zur Ausführung zu bringen, daß er von Schreckenstein aus den kleinen Ausflug zu Bennos Vater, ohne alle Begleitung machen, und dort, um einmal sich selbst und frei von allem Ceremoniell zu leben, unter dem Namen des Grafen Lüdinghausen auftreten wolle. Das Uebrige, meinte er, Bennos Plansucht auf Habichtswalde vorläufig beschwichtigend, werde sich ja dort weiter finden.


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