H. Clauren
Die Gräfin Cherubim
H. Clauren

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Der Anker.

Unterdessen hatte Klorinde ihrer Schwester zufällig von dem Antheil erzählt, mit dem Prinzessin Aloyse immer zugehört, wenn das Gespräch auf den Prinzen Ewald gekommen. Frau v. Adelsheim hatte eben so unabsichtlich dieß ihrem Manne erzählt; dieser aber, ein ächter Diplomat, hatte aus diesen leicht hingeworfenen Reden sich ein kühnes Werk zusammengebaut, das, wie er es in Gedanken fertig hatte, recht stattlich aussehen sollte.

Aloysens Eltern auszuforschen, in wie fern diese zur Einwilligung in eine Verbindung zwischen Aloysen und Ewald bereit seyn dürften – dazu hatte er seine Leute, und wie aus dem Eingange der Geschichte erinnerlich seyn wird, das Resultat seiner Ermittlungen war das erwünschteste. Aloysen sollte seine Schwägerin Klorinde bearbeiten. Er sprach dieserhalb mit dem Mädchen ausführlich, legte auf die Ehre, die in diesem Auftrag für Klorinden läge, ein sehr großes Gewicht, setzte ihr aus einander; daß sie das künftige Wohl beider Länder in der Hand habe, daß er von ihrer Gewandtheit sich im voraus der zartesten Behandlung dieser ganzen Angelegenheit versichert halten dürfe, und ließ nicht undeutlich fallen, daß, wenn sie die Sache dahin bringe, wohin er sie gebracht zu sehen wünsche, eine sehr anständige Belohnung ihrer Verdienstlichkeit nicht ausbleiben könne.

Klorinde hörte dem Schwager mit großer Aufmerksamkeit zu. »Sind Sie nun fertig?« fragte sie halb scherzend, halb ernst. »Bis auf der Dank,« entgegnete Herr v. Adelsheim sehr verbindlich, »den ich Dir im Voraus hiermit abstatte, für die Bereitwilligkeit, mit der Du Dich zum Besten unsers Hofes und unsers ganzen Landes dieser Negotiation unterziehst, und für die vielen Vortheile, die, wenn die Parthie zu Stande kommt, Deinem Schwager und Deiner Schwester unausbleiblich daraus erwachsen müssen. – Jetzt bin ich fertig, liebe Klorinde; ich habe lange lavirt, um eine gute Stelle auf der Rhede zu finden, wo ich meinen Anker werfen könne; um mit sicherm Effect das stolze Hafenfort beschießen zu können. Jetzt habe ich gefunden, was ich suchte, und darum warf ich mit festem Vertrauen meinen Anker in Dein Herz und Deinen Kopf; sprich also, liebes Lindchen, was wirst Du thun, wie denkst Du die Sache am besten anzugreifen?«

»Sey mit Deinem Anker nicht zu rasch,« erwiederte Klorinde. »Wie lieb und theuer mir unser Hof und mein Vaterland sind, weißt Du, und daß ich alles zu thun verpflichtet bin, was diesem frommen kann, und in meinen Kräften liegt, versteht sich von selbst. Aber zu einer Bearbeitung der Prinzessin in Deinem Sinne bringt mich keine Macht der Welt, weil sie wider mein Gefühl, wider meine Weiblichkeit und wider die Achtung ist, die ich vor Ewald und Aloysen habe. Gesetzt, es glückte mir, Aloysen so zu gewinnen, daß sie sich auf meine Schilderung von Ewalds Liebenswürdigkeit zu einer Verbindung mit ihm entschlösse, und sie sähe ihn nun, und er entspräche den Erwartungen nicht, die sie sich nach meinen Beschreibungen von ihm gemacht; wie möchte ich da vor der Fürstlichen Jungfrau bestehen? und vor dem Prinzen, der mit einer Gemahlin sich verbände, die den Himmel der ersten Flitterwoche schon, sich und ihm mit dem, freilich nie über ihren Lippen gehenden, ihr Inneres aber desto schmerzlicher verwundenden Geständnisse trübte, daß sie getäuscht sey? Wäre ich nicht für den Mißmuth, für die Kälte, und wie die unglücklichen Folgen alle heißen mögen, die aus einem solchen Verhältniß entstehen müßten, verantwortlich? Nein, liebster Adelsheim! mit diesem Auftrage verschone mich und die Prinzessin. Mögen sich beide doch erst selbst sehen, mögen sie sich einander doch kennen lernen, und finden sie gegenseitig Gefallen an einander, so –«

»Das verstehst Du nicht, Kind« fiel ihr Adelsheim über ihre unerwartete Weigerung etwas verstimmt in das Wort, »das geht bei Leuten unsers Standes wohl, aber nicht bei Personen dieses Ranges, und glaubst Du nicht, gutes Kind, daß, auch wenn der Zufall das Geschäft übernimmt, um das ich Dich ersuchte, Täuschungen und späterhin Enttäuschungen vorfallen können? Lehrt uns das tägliche Ereigniß der Ehescheidungen nicht, daß die Menschen, die sich zufällig fanden, und verbanden, oft bald nach der Hochzeit merken, daß sie einander das nicht sind, was sie seyn sollten? Ich kann, ich muß Dir sagen, was in der Sache bereits geschehen ist, damit Du weißt, wie die Lage der Dinge, die mit Dein Werk sind, gegenwärtig stehen.«

»Mein Werk?« fragte Klorinde gespannt« Ja entgegnete Adelsheim lächelnd. und freute sich seiner diplomatischen Wirksamkeit, ja, ohne es vielleicht selbst zu wissen. Du hattest meiner Frau von dem Eindrucke erzählt, den Deine Schilderungen von Ewald auf Aloysen gemacht hatten; sie theilte mir dieß gesprächsweise mit. Ich wüßte unter allen Fürstentöchtern unserer Zeit keine, die ich lieber an Ewalds Seite sehen, keine, die ich lieber als unsere künftige Landesmutter verehren möchte, als Aloysen, die mit ihren Tugenden, mit ihrer Liebenswürdigkeit Ewalds Leben und unsern Thron schmücken wird, zum Heil unserer Dynastie und unsers ganzen Landes; ich frug, nachdem ich hier unter der Hand ausgemittelt hatte, daß eine engere Familienverbindung beider Häuser dem Wunsche des hiesigen Hofes nicht entgegen seyn würde, bei dem unsrigen vertraulich an, ob man dieserhalb gleiche Ansichten hege, und legte der gewissenhaften und empfehlenden Schilderung von dem Karacter der Prinzessin, eine Kopie ihres Bildes bei, das ich mir durch die dritte Hand vom hiesigen Hofmaler zu verschaffen wußte. Die Zustimmung ist erfolgt, und jetzt ist es an Dir, das von Dir begonnene Werk zu vollenden.«

»Dazu passe ich nicht,« fiel ihm Klorinde mit einiger Heftigkeit in das Wort. »Ist es der Wille der Vorsehung, so wird geschehen, was Ihr wünschet auch ohne mich. Kommt einmal zwischen mir und Aloysen das Gespräch wieder zufällig auf Ewald, und sie fragt Näheres über ihn, so werde ich ihr sagen, was ich weiß, und es wird, der Wahrheit gemäß, zu seinen Gunsten lauten. Ein Weiteres verlangt nicht von mir.«

»Gut, gut,« erwiederte Adelsheim mit freundlichem Lächeln; »ein Mehreres ist vor der Hand auch nicht nöthig. Das Übrige wird sich von selbst finden.«

Seit diesem Gespräch vermied Klorinde in ihrer vielleicht zu weit getriebenen Ängstlichkeit absichtlich jede Gelegenheit nach Habichtswalde zu kommen. Wenn Adelsheims hinausfuhren, gab sie bald Kopf- bald Zahnschmerzen vor, um nur zu Hause bleiben zu können, und die Grüße die Adelsheims jedesmal von der Fürstin Mutter und Aloysen mitbrachten, und die Versicherungen des Bedauerns, daß sie nicht mitgekommen, und die Aufträge, sie das nächste Mal bestimmt mitzubringen, hielt sie für eitel Machwerk des diplomatischen Herrn Schwagers. Dieser aber war fein genug, über die ganze Sache kein Wort zu berühren, sondern von der Zeit das Beste zu erwarten.

Einmal mußten sich doch Beide sprechen, und daß bei dem Interesse, was Aloyse, nach seinen Nachrichten, am Prinzen genommen, diese gegen ihre Vertraute dann gewiß wieder von Ewald anfangen, und daß Klorinde dann, was das Gesetz der Wahrheit, die Achtung für Ewald und die Liebe zu Aloysen geböten, nicht zu Ewalds Nachtheil reden, und daß Aloyse in ihrer zu Ewald gefaßten Neigung nur bestärkt werden würde, glaubte er mit Sicherheit berechnen zu können.


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