Georg Herwegh
Gedichte eines Lebendigen (Band 1)
Georg Herwegh

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Shelley

          Um seinen Gott sich doppelt schmerzlich mühend,
War er ihm, selbsterrungen, doppelt teuer,
Dem Ewigen war keine Seele treuer,
Kein Glaube je so ungeschwächt und blühend.

Mit allen Pulsen für die Menschheit glühend,
Saß immer mit der Hoffnung er am Steuer;
Wenn er auch zürnte, seines Zornes Feuer
Nur gegen Sklaven und Tyrannen sprühend.

Ein Elfengeist in einem Menschenleibe,
Von der Natur Altar ein reiner Funken,
Und drum für Englands Pöbelsinn die Scheibe;

Ein Herz, vom süßen Duft des Himmels trunken,
Verflucht vom Vater und geliebt vom Weibe,
Zuletzt ein Stern im wilden Meer versunken.


Die ihr voll Mut zu schleudern euch nicht scheutet
Ein blitzend Wort in unsers Lebens Schwüle,
O Glück, wenn ihr euch auf dem Sterbepfühle
Vom Neid zerstückter Kränze noch erfreutet!

Wie haben Ruhm in Scheffeln sich erbeutet,
Die ruhig trabten ihren Weg zur Mühle
Und immer hübsch die trunkensten Gefühle
Gleich tauben Blüten aus dem Korn gereutet!

Brauch deine Hand, die ist der Welt genug,
Und Kopf und Herz sind beide überflüssig;
Man will den Flaum vom Vogel, nicht den Flug.

Kannst du nur dichten, gehe lieber müßig;
Die Welt, die stets das Ungereimte trug,
Ist des Gereimten schnell sehr überdrüssig.


O lobt euch nur des Westes Schmeichelwehen,
Wenn kräuselnd er ob blauen Flächen zittert
Und kaum dem Schilf ein welkes Blatt zerknittert –
Ihr stillen Seelen, mög's euch wohl ergehen!

Ich aber muß das Meer im Sturme sehen,
Wenn Segel reißen, wenn der Mast zersplittert,
Wenn's in mir, um mich, über mir gewittert,
Wenn Luft und Wasser hell im Brande stehen.

Ihr mögt ein ungleich größer Glück erfahren,
Daß eure Gluten lange schon verlodert,
Eh euer Leib im Schoß der Erde modert.

Ich werd nun einmal wilder mit den Jahren,
Die Leidenschaft ist mein Eliaswagen,
Und Feuer nur kann mich zum Himmel tragen.


Ich kann oft stundenlang am Strome stehen,
Wenn ich entflohen aus der Menschen Bann;
Er plaudert hier wie ein erfahrner Mann,
Der in der Welt sich tüchtig umgesehen.

Da schildert er mir seiner Jugend Wehen,
Wie er den Weg durch Klippen erst gewann,
Ermattet drauf im Sande schier verrann,
Und jedes Wort fühl ich zum Herzen gehen.

Wie wallt er doch so sicher seine Bahn!
Bei allem Plänkeln, Hin- und Widerstreifen
Vergißt er nie: »Ich muß zum Ozean!«

Du, Seele, nur willst in der Irre schweifen?
O tritt, ein Kind, doch zur Natur heran
Und lern die Weisheit aus den Wassern greifen!


Die uns als wilde, rohe Zweifler hassen
Und drob manch derben Fluch uns schon gespendet,
Die frommen Leute – wie sind sie verblendet;
Der Glauben ist's, von dem wir nimmer lassen.

Zieht erst der Frühling jubelnd durch die Straßen,
Wie wird des Herzens eitler Trotz gewendet,
Daß sich's mit jedem Strauch nach oben wendet,
Ein Stück des schönen Himmels zu erfassen!

Ja, naht des Jahres Fürst mit seinem Hof
Und jauchzt der Lenz in Bergen und in Klüften,
Wo klagend kaum der Nebel niedertrof –

Schlief auch sein Glaube dann in Todesgrüften,
Der ew'ge Faust, der stolze Philosoph,
Er hascht ihn wieder aus den blauen Lüften.


Der Tod, ihr Freunde, ja der Tod soll leben!
Ich hab ein glühend Lied in tiefster Nacht
Dem treusten Freund der Erde angefacht;
Die Toten will ich und den Tod erheben!

Wir sind nur Kinder, die mit Widerstreben,
Gleich Tropfen von dem Meer, sich losgemacht
Und die vom Tode werden heimgebracht
Und liebend an das All zurückgegeben.

Vernichtung dünkt euch eine herbe Pille?
Doch – heischt' das Element nicht diesen Zoll,
Das Sterben würde unser eignet Wille.

Das Sterben macht das Leben ganz und voll;
Erst sei das Herz in unsrem Busen stille,
Wenn's in der Brust der Menschheit schlagen soll.


Von Hermelin den Mantel umgeschlagen,
Das trunkne Haupt weit über mir im Blauen,
Die Alpen – wie so stolz darein sie schauen,
Als wüßten sie, daß sie den Himmel tragen!

Gleich leichtbeschwingten Liebesboten jagen
Die Silberströme hin durch Nacht und Grauen,
Dem Ozeane von den hohen Frauen
Manch einen sehnsuchtsvollen Gruß zu sagen.

Die Herden läuten, und die Adler fliegen,
Das ist ein ewig Rauschen, ewig Rinnen,
Als könnt das Leben nimmer hier versiegen.

Läßt sich ein schöner, schöner Bild ersinnen?
Und doch hab ich das schönste noch verschwiegen:
Den frommen, stillen Friedhof mitten drinnen!


Der Freiheit Priester, der Vasall des Schönen,
So wird der Dichter in die Welt gesandt;
Ein Troubadour zieh er von Land zu Land,
Das Herrlichste mit seinem Lied zu krönen.

Die Heldentat gewinn in seinen Tönen
Für alle Zeiten sicheren Bestand,
Den eignen Kummer schreib er in den Sand,
Des eignen Herzens mög er sich entwöhnen.

Ein Gärtner, dem der Garten nur gegeben, –
Für fremde Busen Blumen draus zu pflücken,
Ein Winzer, der für Fremde baut die Reben –

Sei all sein Trost, nur andre zu beglücken;
Dem armen Taucher gleich, wag er das Leben,
Mit seltnen Perlen seine Zeit zu schmücken.


O Freiheit, Freiheit! Nicht wo Hymnen schallen,
In reichgeschmückten fürstlichen Arkaden –
Freiheit! Du wohnst an einsamen Gestaden
Und liebst die Stille wie die Nachtigallen.

Du fliehest das Geräusch der Marmorhallen,
Wo trunkne Schlemmer sich im Weine baden,
Du läßt in Hütten dich zu Gaste laden,
Wo Tränen in die leeren Becher fallen.

Ein Engel nahst du bei verschloßnen Türen,
Stellst lächelnd dich an deiner Treuen Bette
Und horchst der himmlischen Musik der Kette.

Nicht stolze Tempel wollen dir gebühren,
Drin wir als Opfer unsern Stolz dir bieten
Wärst du die Freiheit, wenn wir vor dir knieten?

 


 


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