Georg Herwegh
Gedichte eines Lebendigen (Band 1)
Georg Herwegh

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die Geschäftigen

            Nicht einen Hauch vergeuden sie, nicht einen,
Nein, alles wird gleich für den Markt geboren,
Kein Herzensschlag geht ohne Zins verloren,
Die Herren machen Brot aus ihren Steinen.

Sie machen Brot aus Lachen und aus Weinen –
Ich hab mir die Beschaulichkeit erkoren
Und niemals streng gerechnet mit den Horen,
Ich denke fromm. »Gott gibt's im Schlaf den Seinen!«

Ich kann des Lebens banggeschäftig Rauschen,
Dies laute Tun und Treiben nicht verstehn
Und möcht mein einsam Glück nicht drum vertauschen.

Laß mich die stillen Pfade weiter gehn,
Der Wolken und der Sterne Zug belauschen
Und schönen Kindern in die Augen sehn!


Sei mir gesegnet, frommes Volk der Alten,
Dem unglückselig sein hieß: selig sein,
Das jedes Haus, in das der Blitz schlug ein,
Für ein dem Zeus geweihetes gehalten!

Du fühltest wohl, des Himmels heimlich Walten
Enthüll sich den Geschlagenen allein,
Und da leucht erst der Wahrheit voller Schein,
Wo sich das Herz, der Wolke gleich, gespalten.

O sprecht, war's nicht zumeist des Unglücks Stunde,
Die euch hinan zum Ewigen gehoben,
Der Himmelsoffenbarung klang vom Munde?

Der Frieden nicht, der Sturm trägt uns nach oben,
Die höchsten Freuden sind auf dunklem Grunde,
Gleichwie des Äthers Sterne, eingewoben.


Am schönsten Tag um einen Wunsch betrogen,
Und eine Niete jede, jede Karte,
An meinem Schwerte Scharte nur an Scharte,
Wenn einmal aus der Scheide ich's gezogen.

Doch halt ich mutig über allen Wogen
Die Poesie, die leuchtende Standarte,
Durch sie versöhn ich mein Geschick, das harte,
Den rauhsten Sturm mit ihrem Regenbogen.

Nie tönte meine Leier Tod und Fluch,
Nie schnitt ich aus des Hyperioniden
Purpur ein traurig-düstres Leichentuch;

Der Herr hat mir ein frommes Herz beschieden,
Die Welt ist mir ein heilig, heilig Buch,
Drin alle Blätter flüstern: Frieden! Frieden!


Tot ist die Freundschaft! Wer mag sie noch singen?
Mit manchen Göttern ward in unsern Tagen
Auch diese Göttin von dem Volk erschlagen,
Und niemand will ihr mehr ein Opfer bringen.

Allein mußt du entfalten deine Schwingen,
Allein nach deinen Idealen jagen,
Allein dich auf die See des Lebens wagen,
Allein, allein nach deinem Himmel ringen.

Der Alten denkt man wohl in manchen Stunden,
Und auch ihr Geist, so gern man sich's verhehlte,
Ist aus der Jugend noch nicht ganz verschwunden;

Doch hin das Herrlichste, was sie beseelte;
Würd ein Aristogiton heut gefunden,
Ich glaube, daß ihm der Harmodius fehlte.

 


 


 << zurück weiter >>