Georg Wilhelm Friedrich Hegel
Wissenschaft der Logik
Georg Wilhelm Friedrich Hegel

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D. Das Urtheil des Begriffs.

Urtheile des Daseyns fällen zu wissen: Die Rose ist roth, der Schnee ist weiß u. s. f., wird schwerlich dafür gelten, daß es große Urtheilskraft zeige. Die Urtheile der Reflexion sind mehr Sätze; in dem Urtheile der Nothwendigkeit ist der Gegenstand zwar in seiner objektiven Allgemeinheit, aber erst im jetzt zu betrachtenden Urtheil ist seine Beziehung auf den Begriff vorhanden. Dieser ist darin zu Grund gelegt, und da er in Beziehung auf den Gegenstand ist als ein Sollen, dem die Realität angemessen seyn kann oder auch nicht. – Solches Urtheil enthält daher erst eine wahrhafte Beurtheilung; die Prädikate gut, schlecht, wahr schön, richtig u. s. f. drücken aus, daß die Sache an ihrem allgemeinen Begriffe, als dem schlechthin vorausgesetzten Sollen gemessen, und in Uebereinstimmung mit demselben ist, oder nicht.

Man hat das Urtheil des Begriffs Urtheil der Modalität genannt, und sieht es dafür an, daß es die Form enthalte, wie die Beziehung des Subjekts und Prädikats sich in einem äußerlichen Verstande verhalte, und daß es den Werth der Kopula nur in Beziehung auf das Denken angehe. Das problematische Urtheil bestehe hiernach darin, wenn man das Bejahen oder Verneinen als beliebig oder als möglich; – das assertorische, wenn man es als wahr, d. h. wirklich, und das apodiktische, wenn man es als nothwendig annehme. – Man sieht leicht, warum es so nahe liegt, bei diesem Urtheil aus dem Urtheile selbst herauszutreten, und seine Bestimmung als etwas bloß Subjektives zu betrachten. Es ist hier nämlich der Begriff, das Subjekte, welches am Urtheil wieder hervortritt, und sich zu einer unmittelbaren Wirklichkeit verhält. Allein dieß Subjektive ist nicht mit der äußerlichen Reflexion zu verwechseln, die freilich auch etwas Subjektives ist, aber in anderem Sinne als der Begriff selbst; dieser, der aus dem disjunktiven Urtheil wieder hervortritt, ist vielmehr das Gegentheil einer bloßen Art und Weise. Die früheren Urtheile sind in diesem Sinne nur ein Subjektes, denn sie beruhen auf einer Abstraktion und Einseitigkeit, in der der Begriff verloren ist. Das Urtheil des Begriffs ist vielmehr das objektive und die Wahrheit gegen sie, eben weil ihm der Begriff, aber nicht in äußerer Reflexion oder in Beziehung auf ein subjektives, d. h. zufälliges Denken, in seiner Bestimmtheit als Begriff zu Grunde liegt.

In disjunktiven Urtheile war der Begriff als Identität der allgemeinen Natur mit ihrer Besonderung gesetzt; hiermit hatte sich das Verhältniß des Urtheils aufgehoben. Dieses Konkrete der Allgemeinheit und der Besonderung ist zunächst einfaches Resultat; es hat sich nun weiter zur Totalität auszubilden, indem die Momente, die es enthält, darin zunächst untergegangen, und noch nicht in bestimmter Selbstständigkeit einander gegenüberstehen. – Der Mangel des Resultats kann bestimmter auch so ausgedrückt werden, daß im disjunktiven Urtheile die objektive Allgemeinheit zwar in ihrer Besonderung vollkommen geworden ist, daß aber die negative Einheit der letztern nur in jene zurückgeht, und noch nicht zum Dritten, zur Einzelnheit, sich bestimmt hat. – Insofern aber das Resultat selbst die negative Einheit ist, so ist es zwar schon diese Einzelnheit; aber so ist es nur diese Eine Bestimmtheit, die nun ihre Negativität zu setzen, sich in die Extreme zu dirimiren, und auf diese Weise vollends zum Schlusse zu entwickeln hat.

Die nächste Diremtion dieser Einheit ist das Urtheil, in welchem sie das eine Mal als Subjekt, als ein unmittelbar Einzelnes, und dann als Prädikat, als bestimmte Beziehung ihrer Momente gesetzt ist.

a. Das assertorische Urtheil.

Das Urtheil des Begriffs ist zuerst unmittelbar; so ist es das assertorische Urtheil. Das Subjekt ist ein konkretes Einzelnes überhaupt, das Prädikat drückt dasselbe als die Beziehung seiner Wirklichkeit, Bestimmtheit oder Beschaffenheit, auf seinen Begriff aus. (Dieß Haus ist schlecht, diese Handlung ist gut.) Näher enthält es also, a) daß das Subjekt etwas seyn soll; seine allgemeine Natur hat sich als der selbstständige Begriff gesetzt; b) die Besonderheit, welche nicht nur um ihrer Unmittelbarkeit, sondern um ihrer ausdrücklichen Unterscheidung willen von ihrer selbstständigen allgemeinen Natur, als Beschaffenheit und äußerliche Existenz ist; diese ist um der Selbstständigkeit des Begriffs willen ihrer Seits auch gleichgültig gegen das Allgemeine, und kann ihm angemessen oder auch nicht seyn. – Diese Beschaffenheit ist die Einzelnheit, welche über die notwendige Bestimmung des Allgemeinen im disjunktiven Urtheil hinausliegt, eine Bestimmung, welche nur als die Besonderung der Art und als negatives Princip der Gattung ist. Insofern ist die konkrete Allgemeinheit, die aus dem disjunktiven Urtheil hervorgegangen ist, in dem assertorischen Urtheil in die Form von Extremen entzweit, denen der Begriff selbst als gesetzte, sie beziehende Einheit noch fehlt.

Das Urtheil ist darum nur erst assertorisch; seine Bewährung ist eine subjektive Versicherung. Daß Etwas gut oder schlecht, richtig, passend oder nicht u. s. f. ist, hat seinen Zusammenhang in einem äußern Dritten. Daß er aber äußerlich gesetzt ist, ist dasselbe, daß er nur erst an sich oder innerlich ist. – Wenn Etwas gut oder schlecht u. s. f. ist, wird daher wohl Niemand meinen, daß es nur im subjektiven Bewußtseyn etwa gut, aber an sich vielleicht schlecht, oder daß gut und schlecht, richtig, passend u. s. f. nicht Prädikate der Gegenstände selbst seyen. Das bloß Subjektive der Assertion dieses Urtheils besteht also darin, daß der an sich seyende Zusammenhang des Subjekts und Prädikats noch nicht gesetzt, oder was dasselbe ist, daß er nur äußerlich ist; die Kopula ist noch ein unmittelbares, abstraktes Seyn.

Der Versicherung des assertorischen Urtheils steht daher mit eben dem Rechte die entgegengesetzte gegenüber. Wenn versichert wird: Diese Handlung ist gut; so hat die entgegengesetzte: Diese Handlung ist schlecht, noch gleiche Berechtigung. – Oder an sich betrachtet, weil das Subjekt des Urtheils unmittelbares Einzelnes ist, hat es in dieser Abstraktion noch die Bestimmtheit nicht an ihm gesetzt, welche seine Beziehung auf den allgemeinen Begriff enthielte; es ist so noch ein Zufälliges, ebenso wohl dem Begriffe zu entsprechen, oder auch nicht. Das Urtheil ist daher wesentlich problematisch.

b. Das problematische Urtheil.

Das problematische Urtheil ist das assertorische, insofern dieses ebenso wohl positiv als negativ genommen werden muß. – Nach dieser qualitativen Seite ist das partikulare Urtheil gleichfalls ein problematisches; denn es gilt ebenso sehr positiv als negativ; – ingleichen ist am hypothetischen Urtheil das Seyn des Subjekts und Prädikats problematisch; – auch durch sie ist es gesetzt, daß das singulare und das kategorische Urtheil noch etwas bloß Subjektives ist. Im problematischen Urtheile als solchem ist aber dieß Setzen immanenter als in den erwähnten Urtheilen, weil in jenem der Inhalt des Prädikats die Beziehung des Subjekts auf den Begriff ist, hier hiermit die Bestimmung des Unmittelbaren als eines Zufälligen selbst vorhanden ist.

Zunächst erscheint es nur als problematisch, ob das Prädikat mit einem gewissen Subjekte verbunden werden soll oder nicht, und die Unbestimmtheit fällt insofern in die Kopula. Für das Prädikat kann daraus keine Bestimmung hervorgehen, denn es ist schon die objektive, konkrete Allgemeinheit. Das Problematische geht also die Unmittelbarkeit des Subjekts an, welche hierdurch als Zufälligkeit bestimmt wird. – Ferner aber ist darum nicht von der Einzelnheit des Subjekts zu abstrahiren; von dieser überhaupt gereinigt, wäre es nur ein Allgemeines; Das Prädikat enthält eben dieß, daß der Begriff des Subjekts in Beziehung auf seine Einzelnheit gesetzt seyn soll. – Es kann nicht gesagt werden: Das Haus oder ein Haus ist gut, sondern: je nachdem es beschaffen ist. – Das Problematische des Subjekts an ihm selbst macht seine Zufälligkeit als Moment aus; die Subjektivität der Sache, ihrer objektiven Natur oder ihrem Begriffe gegenüber gestellt, die bloße Art und Weise, oder die Beschaffenheit. Somit ist das Subjekt selbst in seine Allgemeinheit oder objektive Natur, sein Sollen, und in die besondere Beschaffenheit des Daseyns unterschieden. Hiermit enthält es den Grund, ob es so ist, wie es seyn soll. Auf diese Weise ist es mit dem Prädikate ausgeglichen. – Die Negativität des Problematischen, insofern sie gegen die Unmittelbarkeit des Subjekts gerichtet ist, heißt hiernach nur diese ursprüngliche Theilung desselben, welches an sich schon als Einheit des Allgemeinen und Besondern ist, in diese seine Momente; – eine Theilung, welche das Urtheil selbst ist.

Es kann noch die Bemerkung gemacht werden, daß jede der beiden Seiten des Subjekts, sein Begriff und seine Beschaffenheit, dessen Subjektivität genannt werden könne. Der Begriff ist das in sich gegangene allgemeine Wesen einer Sache, ihre negative Einheit mit sich selbst; diese macht ihre Subjektivität aus. Aber eine Sache ist auch wesentlich zufällig, und hat eine äußerliche Beschaffenheit; diese heißt ebenso sehr deren bloße Subjektivität, jener Objektivität gegenüber. Die Sache selbst ist eben dieß, daß ihr Begriff als die negative Einheit seiner selbst seine Allgemeinheit negirt, und in die Aeußerlichkeit der Einzelnheit sich heraussetzt. – Als dieses Gedoppelte ist das Subjekt des Urtheils hier gesetzt; jene entgegenstehenden Bedeutungen der Subjektivität sind ihrer Wahrheit nach in einem. – Die Bedeutung des Subjektiven ist dadurch selbst problematisch geworden, daß es die unmittelbare Bestimmtheit, welche es im unmittelbaren Urtheile hatte, und seinen bestimmten Gegensatz gegen das Prädikat verloren hat. – Jene auch in dem Raisonnement der gewöhnlichen Reflexion vorkommende entgegengesetzte Bedeutung des Subjektiven könnte für sich wenigstens darauf aufmerksam machen, daß es in einer derselben keine Wahrheit hat. Die gedoppelte Bedeutung ist die Erscheinung hiervon, daß jede einzeln für sich einseitig ist.

Das Problematische, so als Problematisches der Sache, die Sache mit ihrer Beschaffenheit, gesetzt, so ist das Urtheil selbst nicht mehr problematisch, sondern apodiktisch.

c. Das apodiktische Urtheil.

Das Subjekt des apodiktischen Urtheils (das Haus so und so beschaffen ist gut, die die Handlung so und so beschaffen ist recht) hat an ihm erstens das Allgemeine, was es seyn soll, zweitens seine Beschaffenheit; diese enthält den Grund, warum dem ganzen Subjekt ein Prädikat des Begriffurtheils zukommt oder nicht, d. i. ob das Subjekt seinem Begriffe entspricht oder nicht. – Dieses Urtheil ist nun wahrhaft objektiv; oder es ist die Wahrheit des Urtheils überhaupt. Subjekt und Prädikat entsprechen sich, und haben denselben Inhalt, und dieser Inhalt ist selbst die gesetzte konkrete Allgemeinheit; er enthält nämlich die zwei Momente, das objektive Allgemeine oder die Gattung, und das Vereinzelnte. Es ist hier also das Allgemeine, welches es selbst ist, und durch sein Gegentheil sich kontinuirt, und als Einheit mit diesem erst Allgemeines ist. – Ein solches Allgemeines, wie das Prädikat: gut, passend, richtig u. s. w., hat ein Sollen zu Grunde liegen, und enthält das Entsprechen des Daseyns zugleich; nicht jenes Sollen oder die Gattung für sich, sondern dieß Entsprechen ist die Allgemeinheit, welche das Prädikat des apodiktischen Urtheils ausmacht.

Das Subjekt enthält gleichfalls diese beiden Momente in unmittelbarer Einheit als die Sache. Es ist aber die Wahrheit derselben, daß sie in sich gebrochen ist in ihr Sollen und ihr Seyn; dieß ist das absolute Urtheil über alle Wirklichkeit. – Daß diese ursprüngliche Theilung, welche die Allmacht des Begriffes ist, ebenso sehr Rückkehr in seine Einheit und absolute Beziehung des Sollens und Seyns aufeinander ist, macht das Wirkliche zu einer Sache; ihre innere Beziehung, diese konkrete Identität, macht die Seele der Sache aus.

Der Uebergang von der unmittelbaren Einfachheit der Sache zu dem Entsprechen, welches die bestimmte Beziehung ihres Sollens und ihres Seyns ist, – oder die Kopula, zeigt sich nun näher in der besondern Bestimmtheit der Sache zu liegen. Die Gattung ist das an und für sich seyende Allgemeine; Das insofern als das unbezogene erscheint; die Bestimmtheit aber dasjenige, was sich in jener Allgemeinheit in sich, aber sich zugleich in ein Anderes reflektirt. Das Urtheil hat daher an der Beschaffenheit des Subjekts seinen Grund, und ist dadurch apodiktisch. Es ist damit nunmehr die bestimmte und erfüllte Kopula vorhanden, die vorher in dem abstrakten Ist bestand, jetzt aber zum Grunde überhaupt sich weiter gebildet hat. Sie ist zunächst als unmittelbare Bestimmtheit an dem Subjekte, aber ist ebenso sehr die Beziehung auf das Prädikat, welches keinen andern Inhalt hat, als dieß Entsprechen selbst, oder die Beziehung des Subjekts auf die Allgemeinheit.

So ist die Form des Urtheils untergegangen, erstens, weil Subjekt und Prädikat an sich derselbe Inhalt sind; aber zweitens, weil das Subjekt durch seine Bestimmtheit über sich hinausweist, und sich auf das Prädikat bezieht, aber ebenso drittens ist dieß Beziehen in das Prädikat übergegangen, macht nur dessen Inhalt aus, und ist so die gesetzte Beziehung oder das Urtheil selbst. – So ist die konkrete Identität des Begriffs, welche das Resultat des disjunktiven Urtheils war, und welche die innere Grundlage des Begriffsurtheils ausmacht, im Ganzen hergestellt, die zunächst nur im Prädikate gesetzt war.

Das Positive dieses Resultats, das den Uebergang des Urtheils in eine andere Form macht, näher betrachtet, so zeigen sich, wie wir gesehen, Subjekt und Prädikat im apodiktischen Urtheile, jedes als der ganze Begriff. – Die Begriffs einheit ist als die Bestimmtheit, welche die sie beziehende Kopula ausmacht, zugleich von ihnen unterschieden. Zunächst steht sie nur auf der andern Seite des Subjekts als dessen unmittelbare Beschaffenheit. Aber indem sie wesentlich das Beziehende ist, ist sie nicht nur solche unmittelbare Beschaffenheit, sondern das durch Subjekt und Prädikat Hindurchgehende und Allgemeine. – Indem Subjekt und Prädikat denselben Inhalt haben, so ist dagegen durch jene Bestimmtheit die Formbeziehung gesetzt; die Bestimmtheit als ein Allgemeines oder die Besonderheit. – So enthält sie die beiden Formbestimmungen der Extreme in sich; und ist die bestimmte Beziehung des Subjekts und Prädikats; sie ist die erfüllte oder inhaltsvolle Kopula des Urtheils, die aus dem Urtheil, worin sie in die Extreme verloren war, wieder hervorgetretene Einheit des Begriffs. – Durch diese Erfüllung der Kopula ist das Urtheil zum Schlusse geworden.


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