Georg Wilhelm Friedrich Hegel
Wissenschaft der Logik
Georg Wilhelm Friedrich Hegel

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

c. Das universelle Urtheil.

Die Allgemeinheit, wie sie am Subjekte des universellen Urtheils ist, ist die äußere Reflexions-Allgemeinheit, Allheit; Alle sind alle Einzelne; das Einzelne ist unverändert darin. Diese Allgemeinheit ist daher nur ein Zusammenfassen der für sich bestehenden Einzelnen; sie ist eine Gemeinschaftlichkeit, welche ihnen nur in der Vergleichung zukommt. – Diese Gemeinschaftlichkeit pflegt dem subjektiven Vorstellen zunächst einzufallen, wenn von Allgemeinheit die Rede ist. Als der zunächst liegende Grund, warum eine Bestimmung als eine allgemeine angesehen werden soll, wird angegeben, weil sie Mehreren zukomme. In der Analysis schwebt vornehmlich auch dieser Begriff von Allgemeinheit vor, indem z. B. die Entwickelung einer Funktion an einem Polynomium für das Allgemeinere gilt, als die Entwickelung derselben an einem Binomium; weil das Polynomium mehrere Einzelnheiten darstellt, als das Binomium. Die Forderung, daß die Funktion in ihrer Allgemeinheit dargestellt würde, verlangt eigentlich ein Pantonomium, die erschöpfte Unendlichkeit; aber hier stellt sich von selbst die Schranke jener Forderung ein, und die Darstellung der unendlichen Menge muß sich mit dem Sollen derselben, und daher auch mit einem Polynomium begnügen. In der That aber ist in den Fällen des Binomium schon das Pantonomium, in denen die Methode oder Regel nur die Abhängigkeit Eines Gliedes von Einem andern betrifft, und die Abhängigkeit Mehrerer Glieder von ihren vorhergehenden sich nicht partikularisirt, sondern eine und dieselbe Funktion zu Grunde liegen bleibt. Die Methode oder Regel ist als das wahrhaft Allgemeine anzusehen; in der Fortsetzung der Entwickelung, oder in der Entwickelung eines Polynomiums wird sie nur wiederholt; sie gewinnt somit durch die vergrößerte Mehrheit der Glieder nichts an Allgemeinheit. Es ist von der schlechten Unendlichkeit und deren Täuschung schon früher die Rede gewesen; die Allgemeinheit des Begriffs ist das erreichte Jenseits; jene Unendlichkeit aber bleibt mit dem Jenseits als einem Unerreichbaren behaftet, insofern sie der bloße Progreß ins Unendliche bleibt. Wenn bei der Allgemeinheit nur die Allheit vorschwebt, eine Allgemeinheit, welche in den Einzelnen als Einzelnen erschöpft werden soll, so ist dieß ein Rückfall in jene schlechte Unendlichkeit; oder aber es wird auch nur die Vielheit für Allheit genommen. Die Vielheit jedoch, so groß sie auch sey, bleibt schlechthin nur Partikularität, und ist nicht Allheit. – Es schwebt aber dabei die an und für sich seyende Allgemeinheit des Begriffs dunkel vor; er ist es, der gewaltsam über die beharrliche Einzelnheit, woran sich die Vorstellung hält, und über das Aeußerliche ihrer Reflexion hinaustreibt, und die Allheit als Totalität, oder vielmehr das kategorische An- und Fürsichseyn unterscheidet.

Dieß zeigt sich auch sonst an der Allheit, welche überhaupt die empirische Allgemeinheit ist. Insofern das Einzelne als ein Unmittelbares vorausgesetzt ist, daher vorgefunden und äußerlich aufgenommen wird, ist ihm die Reflexion, welche es zur Allheit zusammenfaßt, ebenso äußerlich. Weil aber das einzelne als Dieses schlechthin gleichgültig gegen diese Reflexion ist, so können sich die Allgemeinheit und solches Einzelnes nicht zu einer Einheit vereinigen. Die empirische Allheit bleibt darum eine Aufgabe; ein Sollen, welches so nicht als Seyn dargestellt werden kann. Ein empirisch-allgemeiner Satz, denn es werden deren doch aufgestellt, beruht nun auf der stillschweigenden Uebereinkunft, daß wenn nur keine Instanz des Gegentheils angeführt werden könne, die Mehrheit von Fällen für Allheit gelten solle; oder daß die subjektive Allheit, nämlich die der zur Kenntniß gekommenen Fälle, für eine objektive Allheit genommen werden dürfe.

Näher nun das universelle Urtheil, bei dem wir stehen, betrachtet, so hat das Subjekt, das, wie vorhin bemerkt worden, die an- und fürsichseyende Allgemeinheit als vorausgesetzt enthält, dieselbe nun auch als gesetzte an ihm. Alle Menschen drückt erstlich die Gattung Mensch aus, zweitens diese Gattung in ihrer Vereinzelung, aber so, daß die Einzelnen zugleich zur Allgemeinheit der Gattung erweitert sind; umgekehrt ist die Allgemeinheit durch diese Verknüpfung mit der Einzelnheit ebenso vollkommen bestimmt, als die Einzelnheit; hierdurch ist die gesetzte Allgemeinheit der vorausgesetzten gleich geworden.

Eigentlich aber ist nicht auf das Vorausgesetzte zum Voraus Rücksicht zu nehmen, sondern das Resultat an der Formbestimmung für sich zu betrachten. – Die Einzelnheit, indem sie sich zur Allheit erweitert hat, ist gesetzt als Negativität, welche identische Beziehung auf sich ist. Sie ist damit nicht jene erste Einzelnheit geblieben, wie z. B. die eines Cajus, sondern ist die mit der Allgemeinheit identische Bestimmung, oder das absolute Bestimmtseyn des Allgemeinen. – Jene erste Einzelnheit des singularen Urtheils war nicht die unmittelbare des positiven Urtheils des Daseyns überhaupt entstanden; sie war schon bestimmt, die negative Identität der Bestimmungen jenes Urtheils zu seyn. Dieß ist die wahrhafte Voraussetzung im Reflexions-Urtheil; gegen das an diesem sich verlaufende Setzen war jene erste Bestimmtheit der Einzelnheit das Ansich derselben; was sie somit ansich ist, ist nun durch die Bewegung des Reflexions-Urtheils gesetzt, nämlich die Einzelnheit als identische Beziehung des Bestimmten auf sich selbst. Dadurch ist jene Reflexion, welche die Einzelnheit zur Allheit erweitert, eine ihr nicht äußerliche; sondern es wird dadurch nur für sich, was sie schon an sich ist. – Das Resultat ist somit in Wahrheit die objektive Allgemeinheit. Das Subjekt hat insofern die Formbestimmung des Reflexions-Urtheils, welche vom Diesen durch Einiges zur Allheit hindurchging abgestreift; statt Alle Menschen ist nunmehr zu sagen: der Mensch.

Die Allgemeinheit, welche hierdurch entstanden ist, ist die Gattung; die Allgemeinheit, welche an ihr selbst Konkretes ist. Die Gattung inhärirt dem Subjekte nicht, oder ist nicht eine einzelne Eigenschaft, überhaupt nicht eine Eigenschaft desselben; sie enthält alle vereinzelnte Bestimmtheit in ihrer substantiellen Gediegenheit aufgelöst. – Sie ist darum, weil sie als diese negative Identität mit sich gesetzt ist, wesentlich Subjekt; aber ist ihrem Prädikate nicht mehr subsumirt. Hiermit verändert sich nun überhaupt die Natur des Reflexions-Urtheils.

Dasselbe war wesentlich Urtheil der Subsumtion. Das Prädikat war als das ansichseyende Allgemeiner gegen sein Subjekt bestimmt; seinem Inhalte nach konnte es als wesentliche Verhältnißbestimmung oder auch als Merkmal genommen werden; – eine Bestimmung, nach welcher das Subjekt nur eine wesentliche Erscheinung ist. Aber zur objektiven Allgemeinheit bestimmt, hört es auf, unter solche Verhältnißbestimmung, oder zusammenfassende Reflexion subsumirt zu seyn; solches Prädikat ist gegen dies Allgemeinheit vielmehr ein Besonderes. Das Verhältniß von Subjekt und Prädikat hat sich somit umgekehrt, und das Urtheil sich insofern zunächst aufgehoben.

Diese Aufhebung des Urtheils fällt mit dem zusammen, was die Bestimmung der Kopula wird, die wir noch zu betrachten haben; die Aufhebung der Urtheilsbestimmungen und ihr Uebergang in die Kopula ist dasselbe. – Insofern nämlich das Subjekt sich in die Allgemeinheit erhoben hat, ist es in dieser Bestimmung dem Prädikate gleich geworden, welches als die reflektirte Allgemeinheit auch die Besonderheit in sich begreift; Subjekt und Prädikat sind daher identisch, d. i. sie sind in die Kopula zusammengegangen. Diese Identität ist die Gattung, oder an und für sich seyende Natur eines Dings. Insofern dieselbe also sich wieder in ein Urtheil dirimirt, ist es die innere Natur, wodurch sich Subjekt und Prädikat auf einander beziehen: – eine Beziehung der Nothwendigkeit, worin jene Urtheilsbestimmungen nur unwesentliche Unterschiede sind. Was allen Einzelnen einer Gattung zukommt, kommt durch ihre Natur der Gattung zu, – ist eine unmittelbare Konsequenz, und der Ausdruck dessen, was sich vorhin ergab, daß das Subjekt z. B. alle Menschen, seine Formbestimmung abstreift, und der Mensch dafür zu sagen ist. – Dieser an und für sich seyende Zusammenhang macht die Grundlage eines neuen Urtheils aus; – des Urtheils der Nothwendigkeit.


 << zurück weiter >>