Georg Wilhelm Friedrich Hegel
Wissenschaft der Logik
Georg Wilhelm Friedrich Hegel

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b. Negatives Urtheil.

1. Es ist schon oben von der gewöhnlichen Vorstellung die Rede gewesen, daß es nur vom Inhalte des Urtheils abhänge, ob es wahr sey oder nicht, indem die logische Wahrheit nichts als die Form betreffe und nichts fordere, als daß jener Inhalt sich nicht widerspreche. Zur Form des Urtheils selbst wird nichts gerechnet, als daß es die Beziehung zweier Begriffe sey. Es hat sich aber ergeben, daß diese beiden Begriffe nicht bloß die verhältnißlose Bestimmung einer Anzahl haben, sondern als Einzelnes und Allgemeines sich verhalten. Diese Bestimmungen machen den wahrhaft logischen Inhalt, und zwar in dieser Abstraktion den Inhalt des positiven Urtheils aus; was für anderer Inhalt (die Sonne ist rund, Cicero war ein großer Redner in Rom, jetzt ist's Tag u. s.f.) in einem Urtheil vorkommt, geht das Urtheil als solches nichts an; es spricht nur dieß aus: Das Subjekt ist Prädikat, oder, da dieß nur Namen sind, bestimmter: das Einzelne ist allgemein und umgekehrt. – um dieses rein logischen Inhalts willen ist das positive Urtheil nicht wahr, sondern hat seine Wahrheit im negativen Urtheil. – Der Inhalt, fordert man, soll sich im Urtheile nur nicht widersprechen; er widerspricht sich aber in jenem Urtheile, wie sich gezeigt hat. – Es ist jedoch völlig gleichgültig, jenen logischen Inhalt auch Form zu nennen, und unter Inhalt nur die sonstige empirische Erfüllung zu verstehen, so enthält die Form nicht bloß die leere Identität, außer welcher die Inhaltsbestimmung läge. Das positive Urtheil hat alsdann durch seine Form als positives Urtheil keine Wahrheit; wer die Richtigkeit einer Anschauung oder Wahrnehmung, die Uebereinstimmung der Vorstellung mit dem Gegenstand Wahrheit nennte, hat wenigstens keinen Ausdruck mehr für für dasjenige, was Gegenstand und Zweck der Philosophie ist. Man müßte den letztern wenigstens Vernunftwahrheit nennen, und man wird wohl zugeben, daß solche Urtheile, daß Cicero ein großer Redner gewesen, daß es jetzt Tag ist u. s. f. keine Vernunftwahrheiten sind. Aber sie sind dieß nicht, nicht weil sie gleichsam zufällig einen empirischen Inhalt haben, sondern weil sie nur positive Urtheile sind, die keinen andern Inhalt als ein unmittelbar Einzelnes und eine abstrakte Bestimmtheit zum Inhalte haben können und sollen.

Das positive Urtheil hat seine Wahrheit zunächst in dem negativen: Das Einzelne ist nicht abstrakt allgemeinsondern das Prädikat des Einzelnen ist darum, weil es solches Prädikat oder für sich ohne die Beziehung auf das Subjekt betrachtet, weil es abstrakt–Allgemeines ist, selbst ein Bestimmtes; das Einzelne ist daher zunächst ein Besonderes. Ferner nach dem andern Satze, der im positiven Urtheile enthalten ist, heißt das negative Urtheil, das Allgemeine ist nicht abstrakt einzeln, sondern dieß Prädikat, schon weil es Prädikat ist, oder weil es in Beziehung auf ein allgemeines Subjekt steht, ist ein Weiteres als bloße Einzelnheit, und das Allgemeine ist daher gleichfalls zunächst ein Besonderes. – Indem dieß Allgemeine, als Subjekt, selbst in der Urtheilsbestimmung der Einzelnheit ist, so reduciren sich beide Sätze auf den einen: Das Einzelne ist ein Besonderes.

Es kann bemerkt werden, a) daß sich hier die Besonderheit für das Prädikat ergiebt, von der vorhin schon die Rede war; allein hier ist sie nicht durch äußerliche Reflexion gesetzt, sondern vermittelst der am Urtheil aufgezeigten negativen Beziehung entstanden. b) Diese Bestimmung ergiebt sich hier nur für das Prädikat. Im unmittelbaren Urtheile, dem Urtheile des Daseyns, ist das Subjekt das zum Grunde Liegende; die Bestimmung schient sich daher zunächst am Prädikate zu verlaufen. In der That aber kann diese erste Negation noch keine Bestimmung, oder eigentlich noch kein Setzen des Einzelnen seyn, da es erst das Zweite, das Negative des Negativen ist.

Das Einzelne ist ein Besonderes, ist der positive Ausdruck des negativen Urtheils. Dieser Ausdruck ist insofern nicht positives Urtheil selbst, als diese um seiner Unmittelbarkeit willen nur das abstrakte zu seinen Extremen hat, das Besondere aber eben durch das Setzen der Beziehung des Urtheils sich als die erste vermittelte Bestimmung ergiebt. – Diese Bestimmung ist aber nicht nur als Moment des Extrems zu nehmen, sondern auch, wie sie eigentlich zunächst ist, als Bestimmung der Beziehung; oder das Urtheil ist auch als negatives zu betrachten. Dieser Uebergang gründet sich auf das Verhältniß der Extreme und ihrer Beziehung im Urtheile überhaupt. Das positive Urtheil ist die Beziehung des unmittelbar Einzelnen und Allgemeinen, also solcher, deren das eine zugleich nicht ist, was das andere; die Beziehung ist daher ebenso wesentlich Trennung oder negativ; daher das positive Urtheil als negatives zu setzen war. Es war daher von Logikern kein solches Aufheben darüber zu machen, daß das nicht des negativen Urtheil zur Kopula gezogen worden sey. Was im Urtheile Bestimmung des Extrems ist, ist ebenso sehr bestimmte Beziehung. Die Urtheilsbestimmung oder das Extrem ist nicht die rein qualitative des unmittelbaren Seyns, welche nur einem Andern außer ihm entgegenstehen soll. Noch ist sie Bestimmung der Reflexion, die sich nach ihrer allgemeinen Form als positiv und negativ verhält, deren jedes als ausschließend gesetzt, und nur an sich identisch mit der andern ist. Die Urtheils- als Begriffsbestimmung ist an ihr selbst ein Allgemeines, gesetzt als sich in ihre andere Kontinuirendes. Umgekehrt ist die Beziehung des Urtheils dieselbe Bestimmung, als die Extreme haben; denn sie ist eben diese Allgemeinheit und Kontinuation derselben in einander; insofern diese unterschieden sind, hat sie auch die Negativität an ihr.

Der oben angegebene Uebergang von der Form der Beziehung zur Form der Bestimmung macht die unmittelbare Konsequenz aus, daß das nicht der Kopula ebenso sehr zum Prädikate geschlagen, und dasselbe als das Nicht-allgemeine bestimmt werden muß. Das Nichtallgemeine aber ist durch eine ebenso unmittelbare Konsequenz das Besondere. – Wird das Negative nach der ganz abstrakten Bestimmung des unmittelbaren Nichtseyns festgehalten, so ist das Prädikat nur das ganz unbestimmte Nichtallgemeine. Von dieser Bestimmung wird sonst in der Logik bei den kontradiktorischen Begriffen gehandelt, und als etwas Wichtiges eingeschärft, daß beim Negativen eines Begriffs nur am Negativen festgehalten, und es als der bloß unbestimmte Umfang des Andern des positiven Begriffs genommen werden soll. So wäre das bloße Nicht-weiße ebenso wohl das Rothe, Gelbe, Blaue u. als das Schwarze. Das Weiße aber als solches ist die begrifflose Bestimmung der Anschauung; das Nicht des Weißen ist dann das ebenso begrifflose Nichtseyn, welche Abstraktion ganz zu Anfang der Logik betrachtet, und als deren nächste Wahrheit das Werden erkannt worden ist. Wenn bei Betrachtung der Urtheilsbestimmungen solcher begrifflose Inhalt aus der Anschauung und Vorstellung als Beispiel gebraucht, und die Bestimmungen des Seyns und die der Reflexion für Urtheilsbestimmungen genommen werden, so ist dieß dasselbe unkritische Verfahren, als wenn nach Kant die Verstandesbegriffe auf die unendliche Vernunftidee oder das sogenannte Ding-an-sich angewendet werden; der Begriff, wozu auch das von ihm ausgehende Urtheil gehört, ist das wahrhafte Ding-an-sich oder das Vernünftige, jene Bestimmungen aber gehören dem Seyn oder Wesen an, und sind noch nicht zu der Art und Weise fortgebildete Formen, wie sie in ihrer Wahrheit, im Begriffe sind. – Wenn bei dem Weißen, Rothen, als sinnlichen Vorstellungen, stehen geblieben wird, so wird, wie gewöhnlich, etwas Begriff genannt, was nur Vorstellungsbestimmung ist, und dann ist freilich das Nicht-weiße, Nicht-rothe kein Positives, so wie vollends das nicht Dreieckigte ein ganz Unbestimmtes ist, denn die auf der Zahl und dem Quantum überhaupt beruhende Bestimmung ist die wesentlich gleichgültige, begrifflose. Aber wie das Nichtseyn selbst, so soll auch solcher sinnlicher Inhalt begriffen werden, und jene Gleichgültigkeit und abstrakte Unmittelbarkeit verlieren, die er in der blinden bewegungslosen Vorstellung hat. Schon im Daseyn wird das gedankenlose Nichts zur Grenze, wodurch Etwas sich doch auf ein Anderes außer ihm bezieht. In der Reflexion aber ist es das Negative, das sich wesentlich auf ein Positives bezieht, und somit bestimmt ist; ein Negatives ist schon nicht mehr jenes unbestimmte Nichtseyn, es ist gesetzt, nur zu seyn, indem ihm das Positive entgegen steht, das Dritte ist ihr Grund; das Negative ist somit in einer umschlossenen Sphäre gehalten, worin das, was das eine nicht ist, etwas Bestimmtes ist. – Noch mehr aber ist in der absolut flüssigen Kontinuität des Begriffs und seiner Bestimmungen das Nicht unmittelbar ein Positives, und die Negation nicht nur Bestimmtheit, sondern in die Allgemeinheit aufgenommen und mit ihr identisch gesetzt. Das Nichtallgemeine ist daher sogleich das Besondere.

2. Indem die Negation die Beziehung des Urtheils angeht, und das negative Urtheil noch als solches betrachtet wird, so ist es vor's Erste noch ein Urtheil; es ist somit das Verhältniß von Subjekt und Prädikat, oder von Einzelnheit und Allgemeinheit vorhanden, und die Beziehung derselben; die Form des Urtheils. Das Subjekt als das zu Grunde liegende Unmittelbare bleibt unberührt von der Negation, es behält also seine Bestimmung, ein Prädikat zu haben, oder seine Beziehung auf die Allgemeinheit. Was daher negirt wird, ist nicht die Allgemeinheit überhaupt im Prädikate, sondern die Abstraktion oder die Bestimmtheit desselben, welche gegen jene Allgemeinheit als Inhalt erschien. – Das negative Urtheil ist also nicht die totale Negation; die allgemeine Sphäre, welche das Prädikat enthält, bleibt noch bestehen; die Beziehung des Subjekts auf das Prädikat ist daher wesentlich noch positiv; die noch gebliebene Bestimmung des Prädikats ist ebenso sehr Beziehung. – Wenn z. B. gesagt wird, die Rose ist nicht roth, so wird damit nur die Bestimmtheit des Prädikats negirt, und von der Allgemeinheit, die ihm gleichfalls zukommt, abgetrennt; die allgemeine Sphäre, die Farbe, ist erhalten; wenn die Rose nicht roth ist, so wird dabei angenommen, daß sie eine Farbe und eine andere Farbe habe; nach dieser allgemeinen Sphäre ist das Urtheil noch positiv.

Das Einzelne ist ein Besonderes, – diese positive Form des negativen Urtheils drückt dieß unmittelbar aus; das Besondere enthält die Allgemeinheit. Es drückt überdem auch aus, daß das Prädikat nicht nur ein Allgemeines sey, sondern auch noch ein Bestimmtes. Die negative Form enthält dasselbe; denn indem z. B. die Rose zwar nicht roth ist, so soll sie nicht nur die allgemeine Sphäre der Farbe zum Prädikate behalten, sondern auch irgend eine andere bestimmte Farbe haben; die einzelne Bestimmtheit des Rothen ist also nur aufgehoben, und es ist nicht nur die allgemeine Sphäre gelassen, sondern auch die Bestimmtheit erhalten, aber zu einer unbestimmten, zu einer allgemeinen Bestimmtheit gemacht; somit zur Besonderheit.

3. Die Besonderheit, welche sich als die positive Bestimmung des negativen Urtheils ergeben, ist das Vermittelnde zwischen der Einzelnheit und Allgemeinheit; so ist das negative Urtheil nun überhaupt das Vermittelnde, zum dritten Schritte, der Reflexion des Urtheils des Daseyns in sich selbst. Es ist nach seiner objektiven Bedeutung nur das Moment der Veränderung der Accidenzen, oder im Daseyn der vereinzelnten Eigenschaften des Konkreten. Durch diese Veränderung tritt die vollständige Bestimmtheit des Prädikats oder das Konkrete als gesetzt hervor.

Das Einzelne ist Besonderes, nach dem positiven Ausdrucke des negativen Urtheils. Aber das Einzelne ist auch nicht Besonderes; denn die Besonderheit ist von weiterm Umfange als die Einzelnheit; sie ist also ein Prädikat, das dem Subjekt nicht entspricht, in dem es also seine Wahrheit noch nicht hat. Das Einzelne ist nur Einzelnes, die sich nicht auf Anderes, sey es positiv oder negativ, sondern nur sich auf sich selbst beziehende Negativität. – Die Rose ist nicht irgend ein Farbiges, sondern sie hat nur die bestimmte Farbe, welche Rosenfarbe ist. Das Einzelne ist nicht ein unbestimmt Bestimmtes, sondern das bestimmte Bestimmte.

Von dieser positiven Form des negativen Urtheils ausgegangen, erscheint diese Negation desselben nur wieder als eine erste Negation. Aber sie ist dieß nicht. Vielmehr ist schon das negative Urtheil an und für sich die zweite, oder Negation der Negation, und dieß, was es an und für sich ist, ist zu setzen. Nämlich es negirt die Bestimmtheit des Prädikats des positiven Urtheils, dessen abstrakte Allgemeinheit, oder als Inhalt betrachtet die einzelne Qualität, die es vom Subjekt enthält. Die Negation der Bestimmtheit ist aber schon die zweite, also die unendliche Rückkehr der Einzelnheit in sich selbst. Hiermit ist also die Herstellung der konkreten Totalität des Subjekts geschehen, oder vielmehr ist es jetzt erst als Einzelnes gesetzt, indem es durch die Negation und das Aufheben derselben mit sich vermittelt worden. Das Prädikat seiner Seits ist damit aus der ersten Allgemeinheit zur absoluten Bestimmtheit übergegangen, und hat sich mit dem Subjekte ansgeglichen. Das Urtheil heißt insofern: Das Einzelne ist einzeln. – Von der andern Seite, indem das Subjekt ebenso sehr als allgemeines anzunehmen war, und insofern im negativen Urtheile sich das Einzelne ist, zur Besonderheit erweiterte, und indem nun ferner die Negation dieser Bestimmtheit ebenso sehr die Reinigung der Allgemeinheit ist, welche es enthält, so lautet dieß Urtheil auch so: Das Allgemeine ist das Allgemeine.

In diesen beiden Urtheilen, die sich vorhin durch äußere Reflexion ergeben hatten, ist das Prädikat schon in seiner Positivität ausgedrückt. Zunächst muß aber die Negation des negativen Urtheils selbst in Form eines negativen Urtheils erscheinen. Es hatte sich gezeigt, daß in ihm noch eine positive Beziehung des Subjekts auf das Prädikat, und die allgemeine Sphäre des letztern geblieben war. Es enthielt somit von dieser Seite eine von der Beschränktheit gereinigtere Allgemeinheit, als das positive Urtheil, und ist daher um so mehr von dem Subjekt als Einzelnem zu negiren. Auf diese Weise ist der ganze Umfang des Prädikats negirt, und keine positive Beziehung mehr zwischen ihm und dem Subjekte. Dieß ist das unendliche Urtheil.


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