Georg Wilhelm Friedrich Hegel
Wissenschaft der Logik
Georg Wilhelm Friedrich Hegel

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c. Unendliches Urtheil.

Das negative Urtheil ist so wenig ein wahres Urtheil, als das positive. Das unendliche Urtheil aber, das seine Wahrheit seyn soll, ist nach seinem negativen Ausdrucke das Negativ-Unendliche; ein Urtheil, worin auch die Form des Urtheils aufgehoben ist. – Dieß aber ist ein widersinniges Urtheil. Es soll ein Urtheil seyn, somit eine Beziehung von Subjekt und Prädikat enthalten; aber eine solche soll zugleich nicht darin seyn. – Der Name des unendlichen Urtheils pflegt in den gewöhnlichen Logiken zwar aufgeführt zu werden, aber ohne daß es eben deutlich würde, was es mit demselben für eine Bewandtniß habe. – Beispiele von negativ-unendlichen Urtheilen sind leicht zu haben, indem Bestimmungen zu Subjekt und Prädikat negativ verbunden werden, deren eine nicht nur die Bestimmtheit der andern nicht, sondern auch ihre allgemeine Sphäre nicht enthält; also z. B. der Geist nicht roth, gelb u. s. f., nicht sauer, nicht kalisch u. s. f., die Rose ist keine Elephant, der Verstand ist kein Tisch und dergleichen. – Diese Urtheile sind richtig oder wahr, wie man es nennt, aber einer solchen Wahrheit ungeachtet widersinnig und abgeschmackt. – Oder vielmehr sie sind keine Urtheile. – Ein reelleres Beispiel des unendlichen Urtheils ist die böse Handlung. Im bürgerlichen Rechtsstreit wird Etwas nur als das Eigenthum der andern Parthei negirt; so daß aber eingeräumt wird, es sollte das Ihrige seyn, wenn sie das Recht dazu hätte, und es wird nur unter dem Titel des Rechtes in Anspruch genommen; die allgemeine Sphäre, das Recht, wird also in jenem negativen Urtheile anerkannt und erhalten. Das Verbrechen aber ist das unendliche Urtheil, welches nicht nur das besondere Recht sondern die allgemeine Sphäre zugleich negirt, das Recht als Recht negirt. Es hat zwar die Richtigkeit damit, daß es eine wirkliche Handlung ist, aber weil sie sich auf die Sittlichkeit, welche ihre allgemeine Sphäre ausmacht, durchaus negativ bezieht, ist sie widersinnig.

Das Positive des unendlichen Urtheils, der Negation der Negation, ist die Reflexion der Einzelnheit in sich selbst, wodurch sie erst als die bestimmte Bestimmtheit gesetzt ist. Das Einzelne ist einzeln, war der Ausdruck desselben nach jener Reflexion. Das Subjekt ist im Urtheile des Daseyns als unmittelbares Einzelnes, insofern mehr nur als Etwas überhaupt. Durch die Vermittelung des negativen und unendlichen Urtheils ist es erst als Einzelnes gesetzt.

Das Einzelne ist hiermit gesetzt als sich, in sein Prädikat, das mit ihm identisch ist, kontinuirend; somit ist auch die Allgemeinheit ebenso sehr nicht mehr als die unmittelbare, sondern als ein Zusammenfassen von Unterschiedenen. Das positiv-unendliche Urtheil lautet ebenso wohl: Das Allgemeine ist allgemein, so ist es ebenso wohl als die Rückkehr in sich selbst gesetzt.

Durch diese Reflexion der Urtheilsbestimmungen in sich hat nun sich das Urtheil aufgehoben; im negativ-unendlichen Urtheil ist der Unterschied, so zu sagen, zu groß als daß es noch ein Urtheil bliebe; Subjekt und Prädikat haben gar keine positive Beziehung auf einander; im Gegentheil ist im Positiv-Unendlichen nur die Identität vorhanden, und es ist wegen des ganz ermangelnden Unterschiedes kein Urtheil mehr.

Näher ist es das Urtheil des Daseyns; welches sich aufgehoben hat; es ist damit das gesetzt, was die Kopula des Urtheils enthält, daß die qualitativen Extreme in dieser ihrer Identität aufgehoben sind. Indem aber diese Einheit der Begriff ist, so ist sie unmittelbar ebenso wieder in ihre Extreme dirimirt, und ist als Urtheil, dessen Bestimmungen aber nicht mehr unmittelbare, sondern in sich reflektirte sind. Das Urtheil des Daseyns ist in das Urtheil der Reflexion übergegangen.


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