Friedrich Hebbel
Herodes und Mariamne
Friedrich Hebbel

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Dritter Akt

Burg Zion. Alexandras Gemächer.

Erste Szene

Alexandra. Joseph. Salome. Herodes tritt ein. Sein Gefolge. Soemus.

Herodes.
Da wär' ich wieder! (Zu Soemus.) Blutet's noch? Der Stein
Hat mir gegolten, und er traf dich nur,
Weil du gerade kamst, mir was zu sagen,
Dein Kopf war diesmal deines Königs Schild!
Wärst du geblieben, wo du warst –

Soemus.                                                   So hätt' ich
Die Wunde nicht, doch auch nicht das Verdienst,
Wenn es ein solches ist. In Galiläa
Wird höchstens der gesteinigt, der es wagt,
Sich dir und mir, der ich dein Schatten bin,
Dein Sprachrohr, oder, was du immer willst,
Zu widersetzen.

Herodes.                   Ja, da sind sie treu!
Dem eignen Vorteil nämlich, und weil dieser
Mit meinem Hand in Hand geht, meinem auch.

Soemus.
Wie sehr, das siehst du daran, daß du mich
In deiner Hauptstadt findest.

Herodes.                                       In der Tat,
Dich hier zu treffen, hätt' ich nicht erwartet;
Denn, wenn der König fern ist, tun die Wächter
Den störrigen Provinzen doppelt not!
Was trieb dich denn von deinem Posten fort?
Doch ganz gewiß was andres, als der Wunsch,
Mir zu beweisen, daß er ungefährdet
Verlassen werden könne, und die Ahnung,
Daß hier ein Steinwurf aufzufangen sei!

Soemus.
Ich kam herüber, um dem Vizekönig
Entdeckungen von wunderbarer Art
In schuld'ger Eile mündlich mitzuteilen.
Ich wollt' ihm melden, daß die Pharisäer
Sogar den starren Boden Galiläas,
Wenn auch umsonst, zu unterhöhlen suchen,
Doch meine Warnung kam zu spät, ich fand
Jerusalem in Flammen vor und konnte
Nur löschen helfen!

Herodes (reicht ihm die Hand). Und das tatest du
Mit deinem Blut! – Sieh, Joseph, guten Tag!
Dich hätt' ich anderswo gesucht! – Schon gut!
Jetzt aber geh und schaff den Sameas,
Den Pharisäer, den der Hauptmann Titus
Auf Skythenart gefangenhält, hieher.
Der starre Römer schleppt ihn, an den Schweif
Des Rosses, das er reitet, festgebunden,
Mit sich herum, weil er im heil'gen Eifer
Auf offnem Markt nach ihm gespieen hat.
Nun muß er rennen, wie er niemals noch
Gerannt sein mag, wenn er nicht fallen und
Geschleift sein will. Ich hätte ihn sogleich,
Wie ich vorüberkam, erlösen sollen!
Verdanke ich's doch sicher ihm allein,
Daß ich jetzt alle Schlangen, die bisher
Sich still vor mir verkrochen, kennenlernte!
Nun kann ich sie zertreten, wann ich will!
(Joseph ab, – Herodes zu Alexandra.)
Ich grüße dich! Und vom Antonius
Soll ich dir melden, daß man einen Fluß
Nicht vor Gericht ziehn kann, und einen König
In dessen Land er fließt, noch weniger,
Weil er ihn nicht verschütten ließ! (Zu Soemus.) Ich wär'
Längst wieder hier gewesen, doch wenn Freunde
Zusammenkommen, die sich selten sehn,
So halten sie sich fest! Das wird auch dir,
Ich sag es dir voraus, bei mir geschehn,
Nun ich dich endlich einmal wieder habe.
Du wirst mit mir die Feigen schütteln müssen,
So wie ich dem Antonius die Muränen,
Pfui, Schlemmerei! in Strömen von Falerner
Ersticken helfen und für manchen Schwank
Aus unsrer frühern Zeit ihm das Gedächtnis
Auffrischen mußte! Mach dich nur gefaßt,
Mir gleichen Dienst zu leisten. Hab ich auch
Vom Triumphator nicht genug in mir,
Daß ich dich so zu mir entboten hätte,
Wie er mich selbst zu sich entbot, zum Schein
Auf eine abgeschmackte Klage hörend,
Die Stirn, wie Cäsar, runzelnd und den Arm
Mit Blitz und Donnerkeil zugleich bewaffnend,
Bloß um gewiß zu sein – dies war der Grund,
Warum er's tat – daß ich auch wirklich käme,
So mach ich mir den Zufall, der dich heute
Mir in die Hände liefert, doch zunutz,
Und sprech, wie er, wenn du von deinem Amt
Zu reden anfängst: Führst du's, wie du sollst,
So braucht es dich nicht jeden Augenblick!
Du kommst so selten, daß es scheint, als wärst
Du hier nicht gern,

Soemus.                         Du tust mir unrecht, Herr,
Doch hab ich Ursach', nicht zu oft zu kommen!

Herodes (zu Salome).
Auch du bist hier? – So lerntest du es endlich
Dir einzubilden, wenn du Mariamnen
Begegnest, daß du in den Spiegel siehst
Und deinen eignen Widerschein erblickst?
Oft riet ich's dir, wenn du ihr grolltest, niemals
Gefiel der Rat dir! Nimm den Scherz nicht krumm!
Man kann nichts Übles in der Stunde tun,
Wo man sich wiedersieht! Doch, wo ist sie?
Man sagte mir, sie sei bei ihrer Mutter,
Drum kam ich her!

Salome.                         Sie ging, als sie vernahm,
Daß du dich nähertest!

Herodes.                             Sie ging? Unmöglich!
Doch wohl! Sie tat es, weil die Einsamkeit
Dem Wiedersehen ziemt! – (Für sich.) Willst du ihr zürnen
Statt abzubitten, Herz? – Ich folge ihr,
Denn ihr Gefühl hat recht!

Salome.                                       Belüg dich nur,
Und leg den Schreck, dich auferstehn zu sehn,
Die Scham, an deinen Tod geglaubt zu haben,
Die größere, kaum Witwe mehr zu sein,
Leg ihr das alles aus, als wär's die Scheu
Des Mägdleins, das noch keinen Mann erkannt,
Nicht die Verwirrung einer Sünderin!
Sie ging aus Furcht!

Herodes.                           Aus Furcht? – Sieh um dich her,
Wir sind hier nicht allein!

Salome.                                     Das ist mir recht,
Bring ich vor Zeugen meine Klage an,
So wird sie um so sicherer gehört,
Und um so schwerer unterdrückt!

Herodes.                                               Du stellst
Dich zwischen mich und sie? Nimm dich in acht,
Du kannst zertreten werden!

Salome.                                         Diesmal nicht,
Obgleich ich weiß, was dir die Schwester gilt,
Wenn's um die Makkabäerin sich handelt,
Diesmal –

Herodes.           Ich sag dir eins! Wär' an dem Tag,
An dem ich sie zum ersten Mal erblickte,
Ein Kläger aufgestanden wider sie,
Er hätt' nicht leicht Gehör bei mir gefunden,
Doch leichter noch, wie heut! Das warne dich!
Ich bin ihr so viel schuldig, daß sie mir
Nichts schuldig werden kann, und fühl es tief!

Salome.
So hat sie einen Freibrief?

Herodes.                                     Jede Larve
Zu tragen, die ihr gut scheint, dich zu täuschen,
Wenn sie sich Kurzweil mit dir machen will!

Salome.
Dann – ja, dann muß ich schweigen! Wozu spräch' ich!
Denn, was ich dir auch sagen möchte, immer
Wär' deine Antwort fertig: Mummerei!
Nun diese Mummerei ist gut geglückt,
Sie hat nicht mich allein, sie hat die Welt
Mit mir berückt und kostet dir die Ehre,
Wie mir die Ruh', ob du auch schwören magst,
Daß Joseph nur getan, was er gesollt,
Wenn er – Sieh zu, ob es ein Mensch dir glaubt!

Herodes.
Wenn er – Was unterdrückst du? Endige!
Doch nein – – Noch nicht! (Zu einem Diener.) Ich laß die Königin
Ersuchen zu erscheinen! – Ist es nicht,
Als wär' die ganze Welt von Spinnen rein,
Und alle nisteten in meinem Hause,
Um, wenn einmal für mich der blaue Himmel
Zu sehen ist, ihn gleich mir zu verhängen
Und Wolkendienst zu tun? Zwar – seltsam ist's,
Daß sie nicht kommt! Sie hätt' mich küssen müssen,
Der Allgewalt des Augenblicks erliegend,
Und dann die Lippen sich zerbeißen mögen,
Wenn das Gespenst denn noch nicht von ihr wich!
(Zu Salome.) Weißt du, was du gewagt hast? Weißt du's, Weib?
Ich freute mich! Verstehst du das? Und nun – –
Die Erde hat mir einmal einen Becher
Mit Wein verschüttet, als ich durstig war,
Weil sie zu zucken anfing, eh' ich ihn
Noch leerte, ihr verzieh ich, weil ich mußte,
An dir könnt' ich mich rächen!

Zweite Szene

Mariamne tritt auf.

Herodes.                                           Wirf dich nieder
Vor ihr, die du vor so viel Zeugen kränktest,
Dann tu' ich's nicht!

Salome.                           Ha!

Alexandra.                             Was bedeutet das?

Herodes.
Nun, Mariamne?

Mariamne.                 Was befiehlt der König?
Ich bin entboten worden und erschien!

Alexandra.
Ist dies das Weib, das schwur, sich selbst zu töten,
Wenn er nicht wiederkehrte?

Herodes.                                       Dies dein Gruß?

Mariamne.
Der König ließ mich rufen, ihn zu grüßen?
Ich grüße ihn! Da ist das Werk vollbracht!

Alexandra.
Du irrst dich sehr! Du stehst hier vor Gericht!

Herodes.
Man wollte dich verklagen! Eh' ich noch
Die Klage angehört, ließ ich dich bitten,
Hieherzukommen, aber wahrlich nicht,
Daß du dich gegen sie verteidigtest,
Nur, weil ich glaube, daß sie in sich selbst
Ersticken wird vor deiner Gegenwart!

Mariamne.
Um das zu hindern, sollt' ich wieder gehn!

Herodes.
Wie, Mariamne? Nie gehörtest du
Zu jenen Seelen jammervoller Art,
Die, wie sie eben Antlitz oder Rücken
Des Feindes sehn, verzeihn und wieder grollen,
Weil sie zu schwach für einen echten Haß
Und auch zu klein für volle Großmut sind.
Was hat dich denn im Tiefsten so verwandelt,
Daß du dich ihnen jetzt noch zugesellst?
Du hast doch, als ich schied, ein Lebewohl
Für mich gehabt; dies deucht mir, gab mir Anspruch
Auf dein Willkommen und du weigerst das?
Du stehst so da, als lägen Berg und Tal
Noch zwischen uns, die uns so lange trennten?
Du trittst zurück, wenn ich mich nähern will?
So ist dir meine Wiederkunft verhaßt?

Mariamne.
Wie sollte sie? Sie gibt mir ja das Leben
Zurück!

Herodes. Das Leben? Welch ein Wort ist dies!

Mariamne.
Du wirst nicht leugnen, daß du mich verstehst!

Herodes (für sich).
Kann sie's denn wissen?
(Zu Mariamne.)               Komm!
(Da Mariamne nicht folgt.)           Laßt uns allein!
(Zu Alexandra.)
Du wirst verzeihn!

Alexandra.                     Gewiß!

(Ab. Alle andern folgen ihr.)

Mariamne.                                   So feig!

Herodes.                                                   So feig?

Mariamne.
Und auch – Wie nenn ich's nur?

Herodes.                                           Und auch? – (Für sich.) Das wär'
Entsetzlich! Nimmer löscht' ich's in ihr aus!

Mariamne.
Ob ihm sein Weib ins Grab freiwillig folgt,
Ob sie des Henkers Hand hinunterstößt –
Ihm gleich, wenn sie nur wirklich stirbt! Er läßt
Zum Opfertod ihr nicht einmal die Zeit!

Herodes.
Sie weiß es!

Mariamne.           Ist Antonius denn ein Mensch,
Wie ich bisher geglaubt, ein Mensch, wie du,
Oder ein Dämon, wie du glauben mußt,
Da du verzweifelst, ob in meinem Busen
Noch ein Gefühl von Pflicht, ein Rest von Stolz
Ihm widerstehen würde, wenn er triefend
Von deinem Blut als Freier vor mich träte
Und mich bestürmte, ihm die Zeit zu kürzen,
Die die Ägypterin ihm übrigläßt?

Herodes.
Doch wie? Doch wie?

Mariamne.                           Er müßte dich ja doch
Getötet haben, eh' er werben könnte,
Und wenn du selbst dich denn – ich hätt' es nie
Gedacht, allein ich seh's! – so nichtig fühlst,
Daß du verzagst, in deines Weibes Herzen
Durch deines Männerwertes Vollgehalt
Ihn aufzuwägen, was berechtigt dich,
Mich so gering zu achten, daß du fürchtest,
Ich wiese selbst den Mörder nicht zurück?
O Doppelschmach!

Herodes (ausbrechend).   Um welchen Preis erfuhrst
Du dies Geheimnis? Wohlfeil war es nicht!
Mir stand ein Kopf zum Pfand!

Mariamne.                                       O Salome,
Du kanntest deinen Bruder! – Frage den,
Der mir's verriet, was er empfangen hat,
Von mir erwarte keine Antwort mehr! (Wendet sich.)

Herodes.
Ich zeig dir gleich, wie ich ihn fragen will!
Soemus!

Dritte Szene

Soemus tritt ein.

Herodes.         Ist mein Schwäher Joseph draußen?

Soemus.
Er harrt mit Sameas.

Herodes.                           Führ ihn hinweg!
Ich gab ihm einen Brief! Er soll den Brief
Alsbald bestellen! Du begleitest ihn
Und sorgst, daß alles treu vollzogen wird,
Was dieser Brief befiehlt!

Soemus.                                     Es soll geschehn! (Ab.)

Herodes.
Was du auch ahnen, denken, wissen magst,
Du hast mich doch mißkannt!

Mariamne.                                     Dem Brudermord
Hast du das Siegel der Notwendigkeit,
Dem man sich beugen muß, wie man auch schaudert,
Zwar aufgedrückt, doch es gelingt dir nie,
Mit diesem Siegel auch den Mord an mir
Zu stempeln, der wird bleiben, was er ist,
Ein Frevel, den man höchstens wiederholen,
Doch nun und nimmer überbieten kann!

Herodes. Ich würde nicht den Mut zur Antwort haben,
Wenn ich, was ich auch immer wagen mochte,
Des Ausgangs nicht gewiß gewesen wäre,
Das war ich aber, und ich war es nur,
Weil ich mein alles auf das Spiel gesetzt!
Ich tat, was auf dem Schlachtfeld der Soldat
Wohl tut, wenn es ein Allerletztes gilt,
Er schleudert die Standarte, die ihn führt,
An der sein Glück und seine Ehre hängt,
Entschlossen von sich ins Gewühl der Feinde,
Doch nicht, weil er sie preiszugeben denkt:
Er stürzt sich nach, er holt sie sich zurück,
Und bringt den Kranz, der schon nicht mehr dem Mut
Nur der Verzweiflung noch erreichbar war,
Den Kranz des Siegs, wenn auch zerrissen, mit.
Du hast mich feig genannt. Wenn der es ist,
Der einen Dämon in sich selber fürchtet,
So bin ich es zuweilen, aber nur,
Wenn ich mein Ziel auf krummem Weg erreichen,
Wenn ich mich ducken und mich stellen soll,
Als ob ich der nicht wäre, der ich bin.
Dann ängstigt's mich, ich möchte mich zu früh
Aufrichten, und um meinen Stolz zu zähmen,
Der, leicht empört, mich dazu spornen könnte,
Knüpf ich an mich, was mehr ist, als ich selbst,
Und mit mir stehen oder fallen muß.
Weißt du, was meiner harrte, als ich ging?
Kein Zweikampf und noch minder ein Gericht,
Ein launischer Tyrann, vor dem ich mich
Verleugnen sollte, aber sicher nicht
Verleugnet hätte, wenn – Ich dachte dein,
Nun knirscht' ich nicht einmal – und was er auch
Dem Mann und König in mir bieten mochte,
Von Schmaus zu Schmaus mich schleppend und den Freispruch
Mir doch, unheimlich schweigend, vorenthaltend,
Geduldig, wie ein Sklave, nahm ich's hin!

Mariamne.
Du sprichst umsonst! Du hast in mir die Menschheit
Geschändet, meinen Schmerz muß jeder teilen,
Der Mensch ist, wie ich selbst, er braucht mir nicht
Verwandt, er braucht nicht Weib zu sein, wie ich.
Als du durch heimlich-stillen Mord den Bruder
Mir raubtest, konnten die nur mit mir weinen,
Die Brüder haben, alle andern mochten
Noch trocknen Auges auf die Seite treten
Und mir ihr Mitleid weigern. Doch ein Leben
Hat jedermann und keiner will das Leben
Sich nehmen lassen, als von Gott allein,
Der es gegeben hat! Solch einen Frevel
Verdammt das ganze menschliche Geschlecht,
Verdammt das Schicksal, das ihn zwar beginnen
Doch nicht gelingen ließ, verdammst du selbst!
Und wenn der Mensch in mir so tief durch dich
Gekränkt ist, sprich, was soll das Weib empfinden,
Wie steh ich jetzt zu dir und du zu mir?


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