Friedrich Hebbel
Herodes und Mariamne
Friedrich Hebbel

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Erster Akt

Burg Zion. Großer Audienzsaal.

Joab. Sameas. Serubabel und sein Sohn. Titus. Judas und viele andere. Herodes tritt ein.

Erste Szene

Joab (tritt dem König entgegen).
Ich bin zurück!

Herodes.                 Dich spreche ich nachher!
Das Wichtigste zuerst!

Joab (zurücktretend, für sich). Das Wichtigste!
Ich dächte doch, das wäre, zu erfahren,
Ob unser Kopf noch fest sitzt oder nicht.

Herodes (winkt Judas).
Wie steht es mit dem Feuer?

Judas.                                           Mit dem Feuer?
So weißt du schon, was ich zu melden kam?

Herodes.
Um Mitternacht brach's aus. Ich war der erste,
Der es bemerkte und die Wache rief.
Irr ich mich nicht, so weckte ich dich selbst!

Judas.
Es ist gelöscht! (Für sich.) So ist es also wahr,
Daß er verkleidet durch die Gassen schleicht,
Wenn andre schlafen! Hüten wir die Zunge,
Sie könnte seinem Ohr einmal begegnen.

Herodes.
Ich sah, als alles schon in Flammen stand,
Ein junges Weib durchs Fenster eines Hauses,
Das ganz betäubt schien. Ward dies Weib gerettet?

Judas.
Sie wollte nicht!

Herodes.                     Sie wollte nicht?

Judas.                                                     Beim Himmel
Sie wehrte sich, als man sie mit Gewalt
Hinwegzubringen suchte, schlug mit Händen
Und Füßen um sich, klammerte am Bett,
Auf dem sie saß, sich fest und schrie, sie habe
Mit eigner Hand sich eben töten wollen,
Nun komme ihr ein Tod von ungefähr!

Herodes.
Sie wird verrückt gewesen sein!

Judas.                                                   Wohl möglich,
Daß sie's in ihrem Schmerz geworden ist!
Ihr Mann war augenblicks zuvor gestorben,
Der Leichnam lag noch warm in seinem Bett.

Herodes (für sich).
Das will ich Mariamnen doch erzählen
Und ihr dabei ins Auge schaun! (Laut.) Dies Weib
Hat wohl kein Kind gehabt! Wär' es der Fall,
So sorg ich für das Kind! Sie selber aber
Soll reich und Fürsten gleich bestattet werden,
Sie war vielleicht der Frauen Königin!

Sameas (tritt zu Herodes).
Bestattet werden? Geht doch wohl nicht an!
Zum wenigsten nicht in Jerusalem!
Es steht geschrieben –

Herodes.                             Kenne ich dich nicht?

Sameas.
Du hast mich einmal kennenlernen können;
Ich war die Zunge des Synedriums,
Als es vor dir verstummte!

Herodes.                                     Sameas,
Ich hoffe doch, du kennst mich auch! Du hast
Den Jüngling hart verfolgt, du hättest gern
Mit seinem Kopf dem Henker ein Geschenk
Gemacht; der Mann und König hat vergessen,
Was du getan: Du trägst den deinen noch!

Sameas.
Wenn ich ihn darum, weil du mir ihn ließest,
Nicht brauchen soll, so nimm ihn hin; das wäre
Ja schlimmer, als ihn eingebüßt zu haben.

Herodes.
Weswegen kamst du? Niemals sah ich dich
Bis jetzt in diesen Mauern.

Sameas.                                       Deshalb eben
Siehst du mich heut! Du hast vielleicht geglaubt,
Daß ich dich fürchtete! Ich fürcht dich nicht!
Auch jetzt nicht, wo dich mancher fürchten lernte,
Der dich bisher, ich meine, bis zum Tode
Des Aristobolus, nicht fürchtete!
Und nun sich die Gelegenheit mir beut,
Dir zu beweisen, daß ich dankbar bin,
Nehm ich sie wahr und warne dich mit Ernst
Vor einer Handlung, die der Herr verdammt.
Die Knochen dieses Weibes sind verflucht,
Sie hat die Rettung heidnisch abgewehrt,
Das ist, als hätte sie sich selbst getötet,
Und da –

Herodes.         Ein andermal! (Zu Serubabel.) Aus Galiläa!
Und Serubabel, der mich – Sei gegrüßt!
Du selbst bist schuld, daß ich dich jetzt erst sah!

Serubabel.
Viel Ehre, König, daß du mich noch kennst!
(Deutet auf seinen Mund.)
Nun freilich, diese beiden großen Zähne,
Die mich zum Vetter eines Ebers machen –

Herodes.
Mein eigenes Gesicht vergeß ich eher,
Als das des Mannes, der mir treu gedient!
Du warst, als ich bei euch die Räuber jagte,
Mein bester Spürhund. Was bringst du mir jetzt?

Serubabel (winkt seinem Sohn).
Nicht eben viel! Den Philo, meinen Sohn!
Du brauchst Soldaten, ich, ich brauche keine,
Und dieser ist ein Römer, aus Versehn
Durch ein ebräisch Weib zur Welt gebracht!

Herodes.
Aus Galiläa kommt mir nichts, als Gutes!
Ich lasse dich noch rufen.

(Serubabel tritt mit seinem Sohn zurück.)

Titus (tritt vor).                         Ein Betrug,
Den ich entdeckte, zwingt mich –

Herodes.                                               Deck ihn auf!

Titus.
Die Stummen reden!

Herodes.                           Deutlich!

Titus.                                                 Dein Trabant,
Der dir mit einem meiner Zenturionen
Die letzte Nacht das Schlafgemach bewachte, –

Herodes (für sich).
Den Alexandra, meine Schwiegermutter,
In meinen Dienst gebracht –

Titus.                                           Er ist nicht stumm,
Wie alle Welt von ihm zu glauben scheint;
Er hat im Traum gesprochen, hat geflucht!

Herodes.
Im Traum?

Titus.                 Er war im Stehen eingeschlafen,
Mein Zenturione weckte ihn nicht auf;
Er glaubte die Verpflichtung nicht zu haben,
Weil er nicht mit in der Kohorte dient,
Doch sah er scharf auf ihn, um, wenn er fiele,
Ihn aufzufangen, daß er dich nicht störe,
Denn früh noch war es, und du lagst im Schlaf.
Wie er das tut, fängt dieser Stumme plötzlich
Zu murmeln an, spricht deinen Namen aus
Und fügt den fürchterlichsten Fluch hinzu!

Herodes.
Der Zenturione hat sich nicht getäuscht?

Titus.
Dann müßt' er selber eingeschlafen sein
Und wär' ein schlimmres Zeichen für die Zukunft
Der ew'gen Stadt, als jener Blitz, der jüngst
Die Wölfin auf dem Capitol versehrt!

Herodes.
Ich danke dir! Und nun –
(Er verabschiedet alle bis auf Joab.)
                                        Ja, ja, so steht's!
Verrat im eignen Hause, offner Trotz
Im Pharisäerpöbel, um so kecker,
Als ich ihn gar nicht strafen kann, wenn ich
Nicht aus den Narren Märt'rer machen will;
Bei jenen Galiläern etwas Liebe,
Nein, eigennützige Anhänglichkeit,
Weil ich der Popanz bin mit blankem Schwert,
Der aus der Ferne ihr Gesindel schreckt;
Und – dieser Mensch bringt sicher schlechte Botschaft,
Er war zu eilig, mir sie zu verkünden.
Denn der sogar, obgleich mein eigner Knecht,
Tut gern, was mich, verdrießt, wenn er nur weiß,
Daß ich mich stellen muß, als merkt' ich's nicht!
(Zu Joab.)
Wie steht's in Alexandrien?

Joab.                                           Ich sprach
Antonius!

Herodes.           Ein wunderlicher Anfang!
Du sprachst Antonius? Ich bin's gewohnt,
Daß meine Boten vorgelassen werden;
Du bist der erste, der es nötig findet,
Mir zu versichern, daß ihm das gelang.

Joab.
Es ward mir schwer gemacht! Man wies mich ab,
Hartnäckig ab!

Herodes (für sich).   So steht er mit Octav
Noch besser, als ich dachte! (Laut.) Das beweist,
Daß du die rechte Stunde nicht gewählt!

Joab.
Ich wählte jede von den vierundzwanzig,
Woraus der Tag besteht; wie man auch trieb,
Ich wich nicht von der Stelle, nicht einmal,
Als die Soldaten mir den Imbiß boten,
Und, da ich ihn verschmähte, spotteten:
Er ißt nur, was die Katze vorgekostet
Und was der Hund zerlegt hat mit dem Maul!
Am Ende glückte mir –

Herodes.                               Was einem Klügern
Sogleich geglückt wär' –

Joab.                                       Bei ihm vorzukommen!
Doch war's schon Nacht, und anfangs mußt' ich glauben,
Er hätt' mich rufen lassen, um den Spaß
Der höhnenden Soldaten fortzusetzen;
Denn, wie ich eintrat, fand ich einen Kreis
Von Trinkern vor, die sich auf Polstern streckten,
Er aber füllte selbst mir einen Becher
Und rief mir zu: Den leere auf mein Wohl!
Und als ich des mich höflich weigerte,
Da sprach er: Wenn ich den da töten wollte,
So brauchte ich ihn nur acht Tage lang
An meinen Tisch zu ziehn und den Tribut,
Den Erd' und Meer mir zollen, draufzustellen,
Er würde müßig sitzen und verhungern
Und noch im Sterben schwören, er sei satt.

Herodes.
Ja, ja, sie kennen uns! Das muß sich ändern!
Was Moses bloß gebot, um vor dem Rückfall
In seinen Kälberdienst dies Volk zu schützen,
Wenn er kein Narr war, das befolgt dies Volk,
Als hätt' es einen Zweck an sich, und gleicht
Dem Kranken, der nach der Genesung noch
Das Mittel, das ihn heilte, fort gebraucht,
Als wären Arzenei und Nahrung eins!
Das soll – Fahr fort!

Joab.                                 Doch überzeugte ich
Mich bald, daß ich mich irrte, denn er tat
Beim Trinken alle Staatsgeschäfte ab,
Ernannte Magistrate, ordnete
Dem Zeus das Opfer an, vernahm Auguren
Und sprach die Boten, wie sie eben kamen,
Nicht mich allein. Es sah besonders aus.
Ein Sklav' stand hinter ihm, das Ohr gespitzt,
Die Tafel und den Griffel in der Hand,
Und zeichnete mit lächerlichem Ernst
Das auf, was ihm in trunknem Mut entfiel.
Die Tafel liest er dann, wie ich vernahm,
Am nächsten Morgen durch im Katzenjammer
Und hält so treu an ihren Inhalt sich,
Daß er, dies soll er jüngst geschworen haben,
Sich selbst mit eigner Faust erdrosseln würde,
Wenn er die Welt, die ihm gehört, am Abend
Im Rausch verschenkt und sich dabei des Rechts
Auf einen Platz darin begeben hätte.
Ob er dann auch im Zickzack geht, wie nachts,
Wenn er sein Lager sucht, ich weiß es nicht,
Doch däucht mir eins dem andern völlig gleich.

Herodes.
Du siegst, Octavian! Es fragt sich bloß,
Ob früher oder später. Nun?

Joab.                                             Als endlich
An mich die Reihe kam, und ich den Brief
Ihm überreichte, den ich für ihn hatte,
Da warf er ihn, anstatt ihn zu eröffnen,
Verächtlich seinem Schreiber hin und ließ
Ein Bild durch seinen Mundschenk bringen; dieses
Sollt' ich betrachten und ihm sagen,
Ob ich es ähnlich fände oder nicht.

Herodes.
Das war das Bild –

Joab (hämisch).               Des Aristobolus,
Des Hohenpriesters, der so rasch ertrank.
Es war ihm längst durch deine Schwiegermutter,
Durch Alexandra, die mit ihm verkehrt,
Schon zugeschickt, doch er verschlang's mit Gier,
Als hätte er es niemals noch erblickt.
Ich stand verwirrt und schweigend da. Er sprach,
Als er dies sah: Die Lampen brennen wohl
Zu düster hier! und griff nach deinem Brief,
Steckt' ihn in Brand und ließ ihn vor dem Bild
Langsam verflackern, wie ein weißes Blatt.

Herodes.
Kühn! Selbst für ihn! Doch – es geschah im Rausch!

Joab.
Ich rief: Was machst du da? Du hast ihn ja
Noch nicht gelesen! Er erwiderte:
Ich will Herodes sprechen! Das bedeutet's!
Er ist bei mir verklagt auf Tod und Leben!
Nun sollt' ich sagen, wie der Hohepriester
Gestorben sei. Und als ich ihm erzählte,
Beim Baden hab' der Schwindel ihn gepackt,
Da fuhr er drein: Gepackt! Ja, ja, das ist
Das rechte Wort; der Schwindel hatte Fäuste!
Und ich vernahm – verzeihst du's, wenn ich's melde?
Daß man in Rom nicht glaubt, der Jüngling sei
Ertrunken, sondern daß man dich bezichtigt,
Du habest ihn durch deine Kämmerer
Ersticken lassen in dem tiefen Fluß.

Herodes.
Dank, Alexandra, Dank!

Joab.                                       Jetzt winkt' er mir
Zu gehen, und ich ging. Doch rief er mich
Noch einmal um und sprach: Du bist die Antwort
Auf meine erste Frage mir noch schuldig,
Drum wiederhol ich sie. Gleicht dieses Bild
Dem Toten? Und als ich gezwungen nickte:
Gleicht Mariamne denn auch ihrem Bruder?
Gleicht sie dem Jüngling, der so schmählich starb?
Ist sie so schön, daß jedes Weib sie haßt?

Herodes.
Und du?

Joab.             Erst höre, was die andern sagten,
Die sich erhoben hatten und das Bild
Mit mir umstanden. Lachend riefen sie,
Zweideut'ge Mienen mit Antonius wechselnd:
Sprich ja! wenn dich der Tote je beschenkte,
Dann siehst du ihn auf jeden Fall gerächt!
Ich aber sprach: ich wüßte nichts davon,
Denn niemals anders, als verschleiert, hätt' ich
Die Königin gesehn, und das ist wahr!

Herodes (für sich).
Ha, Mariamne! Aber – dazu lach ich;
Denn davor werd' ich mich zu schützen wissen,
So oder so, es komme, wie es will! –
(Zu Joab.) Und welchen Auftrag gab er dir für mich?

Joab.
Gar keinen! Wenn ich einen Auftrag hätte,
So hätt' ich dir dies alles nicht erzählt!
Nun schien's mir nötig!

Herodes.                               Wohl' – Du gehst sogleich
Zurück nach Alexandrien mit mir
Und darfst die Königsburg nicht mehr verlassen!

Joab.
Ich werd auch in der Burg mit keinem reden!

Herodes.
Ich glaub's! Wer stirbt den Tod am Kreuz auch gern,
Besonders, wenn die Feige eben reift!
Mein Stummer wird erwürgt und sollt' er fragen
Warum, so sagt man: Weil du fragen kannst!
(Für sich.) Nun weiß ich's denn, durch wen die alte Schlange
So oft erfuhr, was ich – Ein böses Weib!
(Zu Joab.) Besorge das! Ich muß den Kopf noch sehn,
Ich will ihn meiner Schwiegermutter schicken!
(Für sich.) Sie braucht ein Warnungszeichen, wie es scheint.

Joab.
Sogleich!

Herodes.         Noch eins! Der junge Galiläer
Tritt für ihn ein, der Sohn des Serubabel.
Den will ich auch noch sprechen, eh' wir ziehn!

(Joab ab.)

Zweite Szene

Herodes (allein).
Nun gilt's! Noch einmal! hätt' ich bald gesagt,
Allein ich seh kein Ende ab. Ich gleiche
Dem Mann der Fabel, den der Löwe vorn,
Der Tiger hinten packte, dem die Geier
Mit Schnäbeln und mit Klau'n von oben drohten,
Und der auf einem Schlangenklumpen stand.
Gleichviel! Ich wehre mich, so gut ich kann,
Und gegen jeden Feind mit seiner Waffe,
Das sei von jetzt mir Regel und Gesetz.
Wie lang es dauern wird, mich soll's nicht kümmern,
Wenn ich nur bis ans Ende mich behaupte
Und nichts verliere, was ich mein genannt,
Dies Ende komme nun, sobald es will!


 << zurück weiter >>