Friedrich Hebbel
Herodes und Mariamne
Friedrich Hebbel

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Vierte Szene

Herodes.
Heut nicht! Doch morgen, oder übermorgen! –
Sie will mir nach dem Tode Gutes tun!
Spricht so ein Weib? Zwar weiß ich's, daß sie oft,
Wenn ich sie schön genannt, ihr Angesicht
Verzog, bis sie es nicht mehr war. Auch weiß ich's,
Daß sie nicht weinen kann, daß Krämpfe ihr,
Was andern Tränengüsse sind! Auch weiß ich's,
Daß sie mit ihrem Bruder kurz vorher,
Eh' er im Bad den Tod fand, sich entzweit
Und dann die Unversöhnliche gespielt,
Ja, obendrein, als er schon Leiche war'
Noch ein Geschenk von ihm erhalten hat,
Das er beim Gang ins Bad für sie gekauft.
Und doch! Spricht so ein Weib in dem Moment,
Wo sie den, den sie liebt, und wenigstens
Doch lieben soll – – Sie kehrt nicht wieder um,
Wie einst, als ich – – Sie ließ kein Tuch zurück,
Das ihr als Vorwand – – Nein, sie kann es tragen,
Daß ich mit diesem Eindruck – – Wohl, es sei!
Nach Alexandria – ins Grab – Gleichviel!
Doch eins zuvor! Eins! Erd' und Himmel, hört's!
Mir schwurst du nichts, dir will ich etwas schwören:
Ich stell dich unters Schwert. Antonius,
Wenn er mich deinetwegen fallen läßt,
Und deiner Mutter wegen tut er's nicht!
Soll sich betrügen, sei's auch zweifelhaft,
Ob mir das Kleid, das mich im Sterben deckt,
Mit in die Grube folgt, weil mir ein Dieb
Es ja noch stehlen kann, du sollst mir folgen!
Das steht nun fest! Wenn ich nicht wiederkehre,
So stirbst du! Den Befehl laß ich zurück!
Befehl! Da stößt ein böser Punkt mir auf:
Was sichert mich, daß man mir noch gehorcht,
Wenn man mich nicht mehr fürchtet? Oh, es wird
Sich einer finden, denk ich, der vor ihr
Zu zittern hat!

Fünfte Szene

Ein Diener.           Dein Schwäher!

Herodes.                                         Ist willkommen!
Das ist mein Mann! Dem reiche ich mein Schwert
Und hetz ihn dann durch Feigheit in den Mut
So tief hinein, bis er es braucht, wie ich!

Joseph (tritt ein).
Ich höre, daß du gleich nach Alexandrien
Zu gehen denkst, und wollte Abschied nehmen!

Herodes.
Abschied! Vielleicht auf Nimmerwiedersehn!

Joseph.
Auf Nimmerwiedersehn?

Herodes.                                 Es könnte sein!

Joseph.
Ich sah dich nie, wie jetzt!

Herodes.                                     Das sei dir Bürge,
Daß es noch nie so mit mir stand, wie jetzt!

Joseph.
Wenn du den Mut verlierst –

Herodes.                                       Das werd' ich nicht,
Denn, was auch kommt, ich trag es, doch die Hoffnung
Verläßt mich, daß was Gutes kommen kann.

Joseph.
So wollte ich, ich wäre blind gewesen
Und hätte Alexandras Heimlichkeiten
Nie aufgespürt!

Herodes.                   Das glaube ich dir gern!

Joseph.
Denn hätte ich das Bildnis nicht entdeckt,
Das sie vom Aristobolus geheim
Für den Antonius malen ließ, und hätt' ich
Ihr Botensenden an Cleopatra
Nicht ausgespäht, und noch zuletzt den Sarg,
Der sie und ihren Sohn verbarg, im Hafen
Nicht angehalten und die Flucht verhindert,
Die schon begonnen war –

Herodes.                                   Dann hätte sie
Dir nichts zu danken, und mit Ruhe könntest
Du ihre Tochter auf dem Throne sehn,
Den sie, die kühne Makkabäerin,
Gewiß besteigt, wenn ich nicht wiederkehre,
Und wenn vor ihr kein andrer ihn besetzt.

Joseph.
So mein ich's nicht. Ich meine, manches wär'
Dann unterblieben!

Herodes.                         Manches! Allerdings!
Doch manches andre wär' dafür gekommen.
Das gilt nun gleich. – Du zähltest vieles auf,
Eins hast du noch vergessen!

Joseph.                                         Und das wäre?

Herodes.
Du warst doch mit im Bade, als –

Joseph.                                                 Ich war's!

Herodes.
Du rangst doch auch mit ihm?

Joseph.                                           Im Anfang. Ja.

Herodes.
Nun denn!

Joseph.             In meinen Armen hat der Schwindel
Ihn nicht erfaßt und wäre es geschehn,
So hätt' ich ihn gerettet, oder er
Mich mit hinabgezogen in den Grund.

Herodes.
Ich zweifle nicht daran. Doch wirst du wissen,
Daß keiner, der dabei war, anders spricht,
Und da der böse Zufall will, daß du
Ihn nicht bloß hinbegleitet, sondern auch
Mit ihm gerungen hast –

Joseph.                                   Was hältst du ein?

Herodes.
Mein Joseph, du und ich, wir alle beide
Sind hart verklagt!

Joseph.                         Ich auch?

Herodes.                                       Mein Schwäher freilich
Nicht bloß, auch mein vertrauter Freund bist du!

Joseph.
Des schmeichl' ich mir!

Herodes.                               Oh, wärst du's nie gewesen,
Hätt' ich, wie Saul, den Spieß nach dir geworfen,
Könntst du durch Todeswunden das beweisen,
Dir wäre besser, die Verleumdung hätte
Kein gläubig Ohr gefunden, und du würdest
Für eine Bluttat, die du nicht begingst,
Auch nicht enthauptet werden!

Joseph.                                             Ich? Enthauptet?

Herodes.
Das ist dein Los, wenn ich nicht wiederkehre
Und Mariamne –

Joseph.                       Aber ich bin schuldlos!

Herodes.
Was hilft es dir? Der Schein ist gegen dich!
Und sind denn nicht, gesetzt, daß man dir glaubte,
Die vielen, vielen Dienste, die du mir
Erwiesen hast, in Alexandras Augen
So viel Verbrechen gegen sie? Wird sie
Nicht denken: Hätte der mich fliehen lassen,
So lebte noch, der jetzt im Grabe liegt?

Joseph.
Wahr! Wahr!

Herodes.               Kann sie denn nicht mit einer Art
Von Recht dein Leben für ein andres fodern,
Das sie durch deine Schuld verloren glaubt,
Und wird sie's nicht durch ihre Tochter tun?

Joseph.
O Salome! Das kommt von jenem Gang
Zum Maler! Jahr für Jahr will sie von mir
Ein neues Bild!

Herodes.                   Ich weiß, wie sie dich liebt!

Joseph.
Ach, wär' es weniger, so stünd' es besser!
Hätt' ich das Bild des Aristobolus
Entdeckt, wenn ich – Nun kann sie denn ja bald
Mein letztes haben, ohne Kopf!

Herodes.                                           Mein Joseph,
Den Kopf verteidigt man!

Joseph.                                     Wenn du den deinen
Verloren gibst?

Herodes.                   Das tu ich doch nur halb,
Ich werd' ihn dadurch noch zu retten suchen,
Daß ich ihn selbst, freiwillig, in den Rachen
Des Löwen stecke!

Joseph.                             Einmal glückt' es dir!
Als dich die Pharisäer –

Herodes.                                 Jetzt steht's schlimmer,
Doch, was mit mir auch werde, dein Geschick
Will ich in deine eignen Hände legen:
Du warst schon stets ein Mann, sei jetzt ein König!
Ich hänge dir den Purpurmantel um
Und reiche dir den Zepter und das Schwert,
Halt's fest und gib es nur an mich zurück!

Joseph.
Versteh ich dich?

Herodes.                     Und daß du den Besitz
Des Throns dir und mit ihm dein Leben sicherst,
So töte Mariamne, wenn du hörst,
Daß ich nicht wiederkehre.

Joseph.                                       Mariamne?

Herodes.
Sie ist das letzte Band, das Alexandra
Noch mit dem Volk verknüpft, seit ihr der Fluß
Den Sohn erstickte, ist der bunte Helmbusch,
Den die Empörung tragen wird, wenn sie
Sich gegen dich erhebt –

Joseph.                                   Doch Mariamne!

Herodes.
Du staunst, daß ich – Ich will nicht heucheln, Joseph!
Mein Rat ist gut, ist gut für dich, bedarf's
Der Worte noch? Doch geb ich dir ihn freilich
Nicht deinetwegen bloß – Grad aus, ich kann's
Nicht tragen, daß sie einem andern jemals –
Das wär' mir bittrer, als – Sie ist zwar stolz –
Doch nach dem Tod – Und ein Antonius –
Und dann vor allem diese Schwiegermutter,
Die Toten gegen Toten hetzen wird – –
Du mußt mich fassen!

Joseph.                               Aber –

Herodes.                                       Hör mich aus!
Sie ließ mich hoffen, daß sie selbst den Tod
Sich geben würde, wenn ich – Eine Schuld
Darf man doch einziehn lassen, wie? – Man darf
Selbst mit Gewalt – Was meinst du?

Joseph.                                                     Nun, ich glaube!

Herodes.
Versprich mir denn, daß du sie töten willst,
Wenn sie sich selbst nicht tötet! übereil's nicht,
Doch säum auch nicht zu lange! Geh zu ihr,
Sobald mein Bote, denn ich schicke einen,
Dir meldet, daß es mit mir aus ist, sag's ihr
Und sieh, ob sie zu einem Dolche greift,
Ob sie was andres tut. Versprichst du's?

Joseph.                                                             Ja!

Herodes.
Ich lasse dich nicht schwören, denn man ließ
Noch keinen schwören, daß er eine Schlange
Zertreten wolle, die den Tod ihm droht.
Er tut's von selbst, wenn er bei Sinnen bleibt,
Da er das Essen und das Trinken eher
Gefahrlos unterlassen kann, als dies.
(Joseph macht eine Bewegung.)
Ich kenn dich ja! Und dem Antonius
Werd' ich dich als den einzigen empfehlen,
Dem er vertrauen darf. Du wirst ihm das
Dadurch beweisen, daß die Blutsverwandte
Dir nicht zu heilig ist, um sie zu opfern,
Wenn es Empörung zu ersticken gilt.
Denn dies ist der Gesichtspunkt für die Tat,
Aus dem du ihm sie zeigen mußt. Ihr wird
Ein Straßenauflauf folgen, und du meldest
Ihm, daß ein Aufruhr ihr vorhergegangen,
Und nur durch sie bezwungen worden sei.
Was dann das Volk betrifft, so wird es schaudern,
Wenn es dein blut'ges Schwert erblickt, und mancher
Wird sprechen: Diesen kannt' ich doch nur halb!
Und jetzt –

Joseph.             Ich seh dich noch! Und nicht bloß heut,
Ich weiß gewiß, du kehrst, wie sonst, zurück.

Herodes.
Unmöglich ist es nicht, darum noch eins! – –
(Lange Pause.)
Ich schwur jetzt etwas in bezug auf dich!
(Er schreibt und siegelt.)
Hier steht's! Nimm dieses Blatt versiegelt hin!
Du siehst, die Aufschrift lautet –

Joseph.                                               An den Henker!

Herodes.
Ich halte dir, was ich dir drin versprach,
Wenn du vielleicht ein Stück von einem König
Erzählen solltest, der –

Joseph.                                 Dann gib mir auf,
Dies Blatt dem Henker selbst zu überreichen! (Ab.)

Sechste Szene

Herodes (allein).
Nun lebt sie unterm Schwert! Das wird mich spornen,
Zu tun, was ich noch nie getan; zu dulden,
Was ich noch nie geduldet, und mich trösten,
Wenn es umsonst geschieht! Nun fort! – (Ab.)


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