Friedrich Hebbel
Genoveva
Friedrich Hebbel

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Fünfter Akt.

Erste Szene.

Es ist früher Morgen. Halle im Schloß. Golo tritt mit Hans und Balthasar auf. Er trägt Mantel und Sporen.

Golo (zieht Siegfrieds Siegelring ab).
Kennt Ihr den Ring?

Balthasar.                       Es ist des Grafen Ring!

Golo. Kennt Ihr das Schwert?

Balthasar.                               Es ist des Grafen Schwert!

Golo. So wißt: das Schwert hier hat er mir gereicht,
Daß es durchhacke seines Weibes Hals.
Den Ring, damit an seines Willens Ernst
Nicht Vorwitz oder Mitleid zweifeln kann.

Balthasar. Klug tat er dran.

Golo.                                     Euch beide frag' ich nun,
Ob ihr die Tat an ihr vollstrecken wollt.

Balthasar. Wir?

Golo.                   Seid ihr Memmen, daß ihr um das Ja
Erst mit euch kämpfen müßt? Dann rat' ich: geht
Und schert im stillen eure Bärte ab,
Die waren schuld, daß ich so lange euch
Für Männer hielt.

Balthasar.                     Warum tut Ihr's nicht selbst?

Golo. Ich bin der Richter, doch der Henker nicht,
Und wollt' euch ehren. Hans, was sagst denn du?

Hans. Ich bin bereit!

Balthasar.                 Bist du's? Dann bin ich's auch!

Golo. Wohlan denn!

Hans (halb für sich).   Ist sie doch die erste nicht!

Balthasar. Das wußt' ich längst!

Hans.                                           Du lügst!

Balthasar.                                                     Du tätest wohl,
Allein zu schlafen! Else!

Hans.                                       Balthasar!

Golo. Was tut's denn, Hans?

Hans.                                     Wenn es nichts tut, so kann
Ich's beichten!

Golo.                       Nun?

Hans.                                 Ich tötete ein Weib,
Das, als ich warb, mich höhnend von sich wies.
Noch sehe ich des Schädels grausen Spalt,
Die starren Augen, und die Hand, die sie,
Bevor sie hinsank, ballte.

Balthasar.                                 Bösewicht!

Golo (zornig). Was wettest du, dir will ich von dir selbst
Ein Stück erzählen!

Balthasar.                       Höchstens einen Griff
In eine fremde Truhe!

Golo.                                   Allerdings!
In die des Grafen! Aus dem eignen Sack
Ersetzt' ich, was du stahlst, damit ich dich
Nicht hängen lassen dürft' am nächsten Baum.
Schäm' dich nur nicht, doch reich' dem Blutmann hier
Die Hand, wie ich. Ich wußte damals nicht,
Warum ich's tat, jetzt aber weiß ich's wohl.
Ich hatte in das Edle mich verliebt,
Und nicht mit Worten bloß, mit Taten auch
Kann man sich schminken.

Balthasar.                                   Nun, wenn Ihr es wißt,
So will ich's eingestehn. Doch glaubt nur nicht,
Daß ich mir eben viel daraus gemacht,
Wenn Ihr mich auch ertapptet. Konnt' ich dann
Auch nicht den Diebstahl leugnen, hätt' ich doch
Durch eine Absicht wundervoller Art
Ihn so vergoldet, daß Ihr ihn nicht bloß
Verziehen, nein, bewundert noch dabei.

Golo. Das wäre viel.

Balthasar.                 Ich sprach den Tag zuvor
Beim Köhler ein, dem es so schlecht ergeht.
Heintz – sagt' ich, als ich ging – merkt Euch mein Wort:
Um Euch zu helfen, tu' ich, was ich kaum
Vor Gott und meinem Herrn vertreten kann:
Da trug ich's schon im Sinn. Ergrifft Ihr mich,
So war's aus Schwachheit des Gemüts geschehn,
Aus Mitleid mit dem Köhler, und der Mann
Hätt's mir bezeugt.

Golo.                             Du bist ein ganzes Schuft!
Zur Sache nun. In einer Viertelstund'
Kommt Ihr zum Turm hinab und pfeift. Sogleich
Wert' ich Euch öffnen, und die Sünderin
Euch übergeben, der ich unterdes
Den Tod verkünden will.

Balthasar.                                 Weiß sie's noch nicht?

Golo. Nein doch. Ich steig' ja eben erst vom Pferd.
Ihr nehmt sie dann, samt ihrem Kind, und führt –

Hans. Verzeiht – das Kind stirbt mit?

Golo.                                                   Er will es so.

Hans (zu Balthasar). Töt' du das Kind, ich töte sie dafür!

Balthasar. Wir losen, denk' ich.

Golo.                                           Schweigt, und hört auf mich!
Ihr führt sie in den Wald. Zur rechten Hand
Biegt Ihr vom Fußsteig ab und schreitet vor,
Bis Ihr an einen Quell gelangt –

Balthasar.                                           Mir ist
Der Platz bekannt, ich habe dort für sie
Einst einen Rasensitz erhöht!

Golo.                                               Beim Quell
Macht Halt und – (Er hält schaudernd inne.)

Balthasar (macht die Bewegung des Kopfabhauens).

Golo.                             Richtig, lieber Balthasar!

Hans (in Gedanken).
Das Kind!

Balthasar.         Läßt man sie beten?

Hans (zornig).                                   Fragst du noch?

Golo. Ein Vaterunser!

Balthasar.                     Bis man hundert zählt?

Golo. Jawohl.

Balthasar.         Die Leichen?

Golo.                                         Werden gleich verscharrt!

Balthasar. Gut!

Golo.                 Merkt euch! Rechts beim Quell!

Hans.                                                                     Er kennt den Ort!

Golo (zu Balthasar).
Noch eins! Der Graf, als ich aus Straßburg ritt,
Rief dies mir nach: Ich folg' dir, eh' du's denkst,
Und treff' ich sie zu Haus noch lebend an,
So hau' ich dich in Stücke, wie sie selbst.
Wollt' man dem Weib auch gnädig sein, man darf's
Nicht wagen, denn es kostete den Kopf.

Hans. Ich hört' es selbst. Wir wollen ihr das Haar
Abschneiden, daß er den Gehorsam sieht.

Balthasar. Man löst wohl besser ihr die Augen aus.

Hans. Willst du das tun?

Balthasar.                       Sobald sie tot ist: Ja!

Golo. Auf eins bin ich begierig.

Hans.                                         Und auf was?

Golo. Ob sie in ihres Kerkers Dunkelheit
Nicht eine gift'ge Fabel gegen mich
Ersonnen hat, die mich verdächtig macht?

Hans. Wie könnte sie?

Golo.                             Du zweifelst doch wohl nicht,
Daß sie mich hassen muß? Wer war es denn,
Der auf die Spur ihr kam, der sie verklagt?
Der, als sie alles, Herz und Hand ihm bot,
Für einen einz'gen Schuß, aus dem Gebüsch
Zu tun auf den heimkehrenden Gemahl,
Verachtend ihr den Rücken zugewandt?

Hans. War sie so schlecht? Bei allen Teufeln denn,
Der tut was Gutes, der sie niedersticht.

Golo. Hans, wettest du? Du wirst der erste sein,
Der ihr die Fabel glaubt!

Hans.                                       Um Haut und Haar,
Ums Wamms!

Golo.                       Wohlan, ums Wamms. Kehrst du zurück
Und hast nicht einen Augenblick geschwankt,
So ist mein Tressenrock, mein neuer, dein.
Doch, wenn du kindisch wirst, zieht Balthasar
Das Wamms dir ab und nimmt's. Ich schenk' es ihm.
In einer Viertelstunde!

Hans und Balthasar (abgehend). Gut, beim Turm!

Golo (zieht eine Schreibtafel hervor, reißt ein Blatt heraus und schreibt mit Unterbrechungen).
Weißt du gewiß, daß es dein Ernst nicht ist?
Daß du, sobald es not tut, aus dem Busch
Hervortrittst, ihr dies Blatt reichst, und dich selbst
An ihrer Statt dem Rächereisen beutst?
Besinne dich, und trau' dir nicht zu viel!
        (Er schreibt.)
Wie, wenn's dich, wie ein Wahnsinnswirbel packt,
Wenn du dem Mörder darum nur das Schwert,
Sobald er's zückt, entreißest, um an ihr
Mit eigner Faust die Bluttat zu vollziehn?
Wenn's, wie belebt, in deiner Hand sich dreht,
Wenn's auf dem Weg zu deinem Herzen sich
Verirrt, und sich den Weg zu ihrem bahnt?
Je schrecklicher das ist, je eher kann's
Geschehn. In allen Sinnen drängt's. Gott zieht
Umsonst den Faden an, der lose noch
Ans letzte Ende der Natur sich knüpft,
Du denkst: gleich bin ich frei! und haust ihn durch.
        (Er schreibt.)
Da steht's! Und würd' ich nicht in ihrem Blut
Für Zeit und Ewigkeit zugleich mich fei'n?
So mit Entsetzen bis ins Innerste
Die Seele tränken, so den kranken Geist
Ins Grausen bannen, daß der Lebensborn,
Einfrierend, stockte, des Bewußtseins Kreis
Zerbräche, und das starrende Gefühl
Jedweder Regung trotzte? daß die Tat,
Die so, wie keine mehr, zum Himmel auf
Um Rache schriee, vor der Rache selbst
Mich schützte, weil sie mich versteinerte?
Ja, daß vielleicht das Unerhörte sich
Begäbe, daß ich selbst, das blut'ge Schwert
Erhebend, stumpf und unbewußt die Welt
Durchirrt' und früge, wer der Mörder sei?
        (Er faltet das Blatt und legt es in die Schreibtafel.)

Zweite Szene.

Katharina tritt auf.

Katharina. Was wird denn nun?

Golo.                                           Bring einen Becher Wein
Und folge mir damit zum Turm!

Katharina.                                         O, sprich!

Golo. Du hörst, ich rüste mich auf einen Trunk!

(Ab. Katharina folgt ihm.)

Dritte Szene.

Turm. Genoveva. In einer Nische, in einige Kleider der Mutter gewickelt, das Kind. Ein Wasserkrug.

Genoveva. Kalt! Kalt! Und draußen muß doch Sommer sein!
Für mich ist's nicht mehr Zeit, schon Ewigkeit!
Oft war mir's, wenn ich lag in dumpfem Schlaf,
Als hätt' ich Tod und Leben, Welt und Grab
Und alles Wandelbare hinter mir,
Als braucht' ich nur die Augen aufzutun,
Um das zu schauen, was kein Mensch noch sah.
Dann schrie mein Kind. O Gott!

Sie legt ihren Kopf auf den Tisch. Pause. Die Tür geht auf und Golo tritt ein. Ihm folgt Katharina mit einem Becher Wein, den sie auf den Tisch stellt.

Golo (zu Katharina).                           Laß uns allein!

Katharina (mit angstvollen Gebärden ab).

Genoveva (bleibt in der vorigen Lage).

Golo (tritt ihr näher).
Schlaft Ihr? Erwacht! Ich komm' von Eurem Herrn.

Genoveva. Was bringt Ihr mir?

Golo.                                         Ein Richtschwert! Seht!

Genoveva (entsetzt).                                                         Sein Schwert!

(Legt den Kopf auf den Tisch.)

Golo. Wie dünkt Euch das?

Genoveva.                             Still!

Golo.                                                 Sprecht!

Genoveva.                                                       Ich fass' es nicht!

Golo. Was denkt Ihr über Dragos Nachtbesuch?

Genoveva. Nichts! Nichts! Was denkt Er?

Golo.                                                           Was ein jeder denkt.

Genoveva. Und jeder –

Golo.                             Denkt, daß Ihr die Ehe bracht!

Genoveva. Er hat mich so gesehn, wie Gott mich sieht.
In dieser Stunde fängt mein Elend an.

Golo. In dieser Stunde hört dein Elend auf!

Genoveva (kniet nieder).
Hier ist mein Hals! Macht schnell! Ich will es nicht
Erleben, daß mein Herz sich von ihm kehrt,
Und ach, ich fühl's, daß dies geschehen kann.

Golo. Wenn Ihr so mutig seid, daß Ihr den Tod
Erwählt – ich bin zu feig, dies schöne Haupt,
Das mir wie Sonn' und Mond und Sterne war,
Ans Schwert zu liefern. Kommt, und flieht mit mir!

Genoveva. Reiz' ich Euch noch? Dann hat die Kerkernacht
Mir selbst den letzten armen Dienst versagt,
Des Leibes Schönheit, die zum Fluch mir ward,
Mir abzustreifen, wie sie sonst doch tut.
O, seht mich an! Ist's nicht ein Totenkopf,
Der zu Euch redet? Ein Gerippe nicht,
Das fleischlos-magre Arme grausend hebt?
Mich selber müßt' ich hassen, wär's nicht so.
Oft schrie mein Kind nach Nahrung, und umsonst.
Wie? Hätt' auch nur ein einz'ger Tropfen Bluts
Bei diesem Schrei gezögert, in die Brust
Sich zu ergießen? Den verfluchte ich!

Golo. Flieht! Flieht!

Genoveva (sieht scheu nach dem Kinde hinüber).
                          Heut ist's so still! so gräßlich still!
Es schlief sich doch nicht in den ew'gen Schlaf?
O Gott! Sieh eine Mutter gnädig an!
Sie bittet nicht um viel! Sie bittet nur
Um einen Schrei noch aus des Kindes Mund,
Um einen Schrei, der, wenn er auch ihr Herz
Zerreißt, ihr doch den Trost gibt, daß es lebt.
Wer bat um weniger! Erhör' mich, Gott!

Golo. Nehmt es und flieht mit mir!

Genoveva.                                     Mit Euch? O, nie!
Wenn mein Gemahl Euch einen Auftrag gab,
So mahne ich Euch selbst, ihn zu vollziehn.
Tut's! Aber tut's in diesem Augenblick!
Leb' ich nicht mehr, so wird der Säugling hier
Im ersten Menschen, welcher ihn erblickt,
Den Pfleger finden, und der Schlecht'ste wird
Mehr für ihn tun, als seine Mutter kann.
Kommt! Tötet mich! Es ist ein gutes Werk!
Auf meines Kindes Kosten leb' ich jetzt,
Und leb' ich fort, so werd' ich's sterben sehn,
Denn, hilflos, wie ich bin, vertrete ich
Dem fremden Mitleid nur den Weg zu ihm!
        (Sie tritt zu dem Kinde.)
Noch atmet's! Einen Kuß nur noch! Nein! Nein!
Er könnt' erwachen! Schlaf! Wie wird's ihm sein,
Beim ersten Blick in dieses Angesicht!
Es ist sein Abbild! Glich' es mir, wie ihm,
Ich hätte es nicht halb so sehr geliebt.
        (Sie küßt des Kindes Hand.)
Zum ew'gen Abschied! Segen über dich!
Und daß du nie erfahrest, wie ich starb.

Golo. Ich scheid' Euch nicht! Das Kind stirbt mit! Er will's!

Genoveva (wild, faßt Golo bei der Hand).
Schau her und frag dich, ob du's töten kannst!

Golo. Der Henker ist ein Mann, der alles kann.
Ich aber bin der Henker nicht.

Genoveva (fällt ihm zu Füßen).

Golo.                                               Die Welt
Ist umgekehrt. Sie kniet. Sie kniet vor mir!

Genoveva. Jetzt kann ich bitten.

Golo.                                           Kannst du küssen auch?

Genoveva (steht auf und verhüllt ihr Angesicht).

Golo. Noch einen Pfeil.
        (Er tritt vor sie hin und zieht den Siegelring ab.)
                                Ist Euch der Ring bekannt?
        (Genoveva nickt.)
So wißt Ihr, daß er Gift enthält. Wohlan!

(Er öffnet die inwendige Kapsel des Ringes und schüttet das Gift in den Becher; dann nimmt er das gefaltete Blatt aus der Schreibtafel.)

Reicht mir den Wein! So geb' ich Euch dies Blatt!

Genoveva. Dies Blatt?

Golo.                             Lest! (Er reicht ihr das Blatt.)

Genoveva.                                 Meine Augen sind so trüb!
Es ist ein Brief!

Golo.                         An Siegfried, meinen Herrn!

(Genoveva liest still, gibt aber ihre Überraschung und ihr Entsetzen durch Gebärden zu erkennen.)

Genoveva (nachdem sie gelesen).
Entsetzlich! All dies hättet Ihr getan?

Golo (nimmt den Brief wieder).
Ich sag' nicht Ja, nicht Nein. Glaubt, was Ihr könnt,
Tut, was Ihr müßt. Ob's wahr ist, oder nicht,
Euch rettet es. Mich dürstet. Reicht den Wein!

Genoveva (betend).
Führ' mich nicht in Versuchung, Herr, mein Gott!

Golo (für sich). Man trifft sie, wie man eine Saite trifft!
Die Antwort ist ein wunderbarer Ton!
Durchs Foltern ward sie immer schöner noch,
Vielleicht ist sie am schönsten, wenn sie stirbt.
        (Man hört pfeifen.)
Entscheidet Euch! Die Mörder stehn bereit.

Genoveva (ergreift den Becher und gießt ihn mit einem Blick auf Golo aus).

Golo (geht auf die Tür zu; mit erhobener Stimme).
Auf solche Taten folgt ein solcher Lohn!

Genoveva. Mensch!

Golo (öffnet die Tür). Ehrenwerte Männer, tretet ein!

Vierte Szene.

Hans und Balthasar treten ein, Balthasar mit einem Grabscheit.

Hans (aufs Wamms deutend).
Seht Ihr die Silberknöpfe?

Golo.                                         Nun, was soll's?

Hans. Mich kränkte Eure Rede von vorhin,
Drum warf ich rasch mich in mein Sonntagswamms.
Dies möge Euch beweisen, daß Ihr Euch
Auf mich verlassen könnt.

Balthasar.                                 Wenn sie ihn rührt,
So sieht er rasch von ihr auf seinen Rock.

Golo (zeigt aufs Grabscheit).
Was soll denn das?

Balthasar.                       Wer sich die Nägel putzt,
Der wühlt mit Händen keine Gräber auf!

Golo. Seid Ihr bereit, den richterlichen Spruch
An Genoveva, wegen Ehebruchs
Zum Tod verurteilt, ehrlich zu vollziehn?

Balthasar. Wir sind's.

Hans.                             Jawohl. Und um so eher zwar,
Als wir mir Augen fast die Sünde sahn.

Golo. Und wollt Ihr an dem Kind tun, wie an ihr?

Balthasar. Eins ist nicht schwerer, als das andere,
Es ist dasselbe Blut.

Golo (zu Genoveva).           Ich frage Euch:
Sind diese Männer, die ich auserkor,
Euch wegen Übertretung des Gebots,
Das Lust verbeut, zu strafen, Euch genehm?

Genoveva (schweigt).

Golo. Ihr sagt nicht Nein? Das ist ein stummes Ja.
Ich füg' hier alles, wie's der Herr gebot.
(Zu Hans.) Zu ganz besonderer Genugtuung
Soll dieses hochnotpeinliche Gericht
Vollzogen werden durch sein eignes Schwert!
Nimm's hin! Und trag es, wie's dem Knecht gebührt.

Hans (nimmt das Schwert unter den Arm).

Genoveva. Nehmt doch ein andres Schwert! Wenn nichts ihn reut,
So reut ihn dies!

Golo.                           Es geht nicht. Er befahl's.
Nehmt Euer Kind!

Genoveva (außer sich). Ihr Leute!

Golo.                                               Hans, merk' auf!

Hans (zu Genoveva). An jenem Abend waren wir nicht blind,
Nur deshalb sind wir heute Morgen taub!

Golo. Nimm du das Kind!

Genoveva (stürzt auf das Kind zu und nimmt es.).
                                    Ich sag' euch, rührt's nicht an!
Sonst werd' ich das tun, was die Löwin tut!

Hans. Es lächelt!

Balthasar.             Ist's ein Mägdlein, oder ist's
Ein Knabe?

Golo.                   Fort! Ihr wißt doch noch? Beim Quell!

Hans. Links.

Golo.             Rechts! Zum Teufel, rechts!

Hans.                                                           Er weiß den Platz!

Balthasar. Kaum, daß sie gehen kann!

Golo.                                                     Beim Quell!

Balthasar.                                                                   Ja! Ja!

Hans, Balthasar, Genoveva und das Kind ab. Golo lacht, dann ergreift er den Wasserkrug.

Golo. Sie hat hier Überfluß gehabt. Da steht
Noch Wasser. Sie und Er! Mein letzter Trunk!
Ich knirsche. Dennoch trinke ich!
        (Er trinkt, dann zerschmettert er den Krug.)
                                                    Geist der Welt!
Mach's jetzt mit mir, wie ich mit diesem Ton!
Nun auf! Zum Forst! (Er will ab.)

Fünfte Szene.

Katharina (wirfst sich ihm in den Weg.)
                                  O Golo!

Golo.                                                 Laß mich los!

Katharina. Gnad'! Gnad'!

Golo.                                 Für wen?

Katharina.                                         Für dich! für mich! für sie!

Golo. Halt mich nicht auf!

Katharina.                         Wohin so schnell?

Golo.                                                                 Zum Wald!

Katharina. Was willst du dort?

Golo.                                         Ich – will sie sterben sehn!

Katharina. Unhold, die Höll' ist heiß!

Golo.                                                   Wie Liebesglut!

Katharina. Besteig' dein Roß und jag' mit ihr davon,
Wenn sie nicht will, so zwinge sie.

Golo.                                                       Leb wohl!

Katharina. Willst du's nicht tun?

Golo.                                           Gewiß nicht!

Katharina.                                                         Sei verflucht!

Golo. Nach Flüchen dürste ich. Vielleicht zerreißt
Der Ur den Hans, der Bär den Balthasar,
Der geiz'ge Wolf teilt seinen Raub mit ihr,
Die scheue Hindin kommt, und stillt das Kind.

Katharina. Unschuldig, wie sie ist, kann's wohl geschehn!

Golo. Meinst du das wirklich? Nun, da muß ich fort,
Daß ich die Hindin töte und den Wolf!

(Ab.)

Katharina. Die den geboren hat, die wendet jetzt
Sich um im Grabe. Fliegt er doch zum Mord,
Wie nie ein andrer, wenn in finstrer Nacht
Ein Hilferuf erscholl, zur Rettung flog.
O! O! Ich trag's nicht mehr. Wohin ich schau,
Da stiert es mich, als wär's mit Augen, an!
Was sitzt dort in der Ecke? In der Tür,
Was ist's, das mir den Ausgang wehrt? Durch! Durch!
Nicht links, nicht rechts gesehn! Zum Brunn hinab!

(Sie stürzt fort.)


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