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Der graue Streiter

Es gab eine Zeit, da Neuengland unter dem wirklichen Druck von Unbilden seufzte, die schwerer waren, als die angedrohten, die zur Revolution führten. Jakob II., der pietistische Nachfolger Karls des Wollüstigen, hatte die Privilegien aller Kolonien aufgehoben und einen rohen und gewissenlosen Kriegsmann geschickt, der uns die Freiheiten entreißen und unsere Religion gefährden sollte. Der Verwaltung, die Sir Edmund Andros ausübte, fehlte kaum ein Charakterzug der Tyrannei: Statthalter und Rat waren vom König eingesetzt und ganz unabhängig von dem Lande; Gesetze wurden gemacht und Steuern erhoben, ohne daß das Volk direkt oder durch Vertreter mitzureden hatte; die Rechte des Privatmanns wurden verletzt und aller Eigentumsanspruch auf Grund und Boden für nichtig erklärt; Beschwerden erstickten die Pressegesetze, und schließlich wurden die Unzufriedenen in Furcht gehalten durch die erste Söldnerschar, die jemals unsern freien Boden betrat. Zwei Jahre lang duldeten unsere Vorfahren grollend die Knechtschaft aus der kindlichen Liebe, die dem Mutterlande stets ihre Treue gesichert hatte, ob es von einem Parlament geleitet wurde, vom Protektor oder von päpstlichen Monarchen. Bis zu dieser schlimmen Zeit jedoch war solche Lehnstreue nur formell, und die Kolonisten hatten sich selber regiert und viel mehr Freiheit genossen als selbst heute noch die eingeborenen Bürger Großbritanniens.

Schließlich aber drang ein Gerücht zu unsern Küsten, daß der Fürst von Oranien eine Unternehmung gewagt habe, deren Erfolg den Sieg der politischen und religiösen Rechte und die Rettung Neuenglands bedeuten müßte. Es war nur ein unsicheres Geflüster; es konnte auch falsch sein, oder der Versuch konnte fehlschlagen. In beiden Fällen würde der Mann, der gegen König Jakob sich auflehnte, das Haupt verlieren. Und doch brachte die Nachricht eine starke Wirkung hervor. Die Leute lächelten geheimnisvoll auf der Straße und warfen kühne Blicke auf ihre Bedrücker. Weit und breit machte sich eine schweigende, verhaltene Erregung fühlbar, als ob der leiseste Anstoß das ganze Land aus seiner dumpfen Mutlosigkeit herausreißen könnte. Die Machthaber waren sich der Gefahr bewußt und beschlossen, sie durch die Entfaltung äußerster Strenge abzuwenden, ja vielleicht ihre Gewaltherrschaft durch verschärfte Maßnahmen noch mehr zu festigen. An einem Nachmittage im April des Jahres 1689 sammelten Sir Edmund Andros und seine Günstlinge, vom Wein erhitzt, die Soldaten der Wache um sich und erschienen so in den Straßen von Boston. Die Sonne wollte untergehen, als der Aufzug begann.

Nicht wie kriegerische Musik der Soldaten, viel eher wie ein Sammelbefehl an die Bürger selber tönte der Trommelwirbel in dieser kritisch unruhigen Zeit durch die Straßen. Aus allen Straßen strömte die Menge in der Königstraße zusammen, die fast ein Jahrhundert später wieder der Schauplatz sein sollte für einen Zusammenstoß der Truppen Englands mit einem Volke, das sich wehrte gegen seine Tyrannen. Obwohl schon mehr als sechzig Jahre vergangen waren, seit die ersten Pilger in dieses Land kamen – die Menge ihrer Nachkommen zeigte noch immer die strengen, düstern Züge ihres Charakters; vielleicht fiel es in dieser harten Not noch mehr auf als bei freudigeren Gelegenheiten. Die schlichte Kleidung, der Ernst der ganzen Haltung, der düstere, aber furchtlose Ausdruck, die biblische Redeweise, das Vertrauen auf den Segen Gottes in einer gerechten Sache – alles war zu finden, wie man es bei einer Schar der ersten Puritaner gefunden hätte, wenn eine Gefahr der Wildnis sie bedrohte. Wahrlich, es war auch noch nicht an der Zeit, den alten Geist zu tilgen, denn es waren Männer auf der Straße an jenem Tag, die an dieser Stelle, noch bevor ein Haus da stand, unter den Bannern zu dem Gott gebetet hatten, um dessentwillen sie in die Verbannung gegangen waren. Auch ehemalige Parlamentssoldaten waren dabei, die grimmig lachten bei dem Gedanken, daß ihre alten Waffen vielleicht noch einmal einen Schlag führen sollten gegen das Haus Stuart. Auch Veteranen aus dem Kriege König Philipps sah man da, die Dörfer eingeäschert und jung und alt erschlagen hatten in frommer Raserei, während die gläubigen Seelen im ganzen Lande sie mit Gebeten unterstützten. Mehrere Geistliche waren unter der Menge verstreut, die sie, im Gegensatz zum Pöbel anderswo, mit großer Ehrfurcht ansah, als ob schon ihre Kleider heilig seien. Diese frommen Männer übten ihren Einfluß dahin aus, das Volk zu beruhigen, nicht aber, es zu zerstreuen. Inzwischen fragte man sich allgemein und hatte die verschiedensten Erklärungen dafür, in welcher Absicht der Statthalter den Frieden der Stadt störe zu einer Zeit, wo die geringste Erregung das Land in Gärung bringen konnte.

»Satan will seinen Meisterstreich tun,« riefen einige, »denn er weiß, daß seine Zeit nur kurz bemessen ist. Alle unsere frommen Priester sollen ins Gefängnis geschleppt werden. Wir sollen sie bei einem Smithfield-Feuer auf der Königstraße sehen!«

Darauf scharten sich die Leute jeder Pfarrei enger um ihren Geistlichen, der ruhig zum Himmel aufsah und noch mehr die Würde eines Apostels annahm, wie sich wohl geziemte für einen, der die höchste Ehre seines Berufes erstrebt, die Krone des Märtyrers. In dieser Zeit glaubte man tatsächlich, Neuengland könne seinen eigenen John Rogers bekommen, der die Stelle dieses würdigen Mannes in den Lesebüchern einnehmen sollte.

»Der Papst in Rom hat eine neue Bartholomäusnacht befohlen,« riefen andere. »Was männlich ist unter uns, soll gemordet werden!«

Diesem Gerücht weigerte man nicht ganz den Glauben, wenn auch die Besonneneren des Statthalters Plan für nicht ganz so blutdürstig hielten. Man wußte, daß Bradstreet, sein Vorgänger unter dem alten Gesetz, in der Stadt war, ein ehrwürdiger Gefährte der ersten Siedler. Man hatte Grund zu der Annahme, daß Sir Edmund Andros durch den militärischen Aufzug Schrecken verbreiten und gleichzeitig die Gegenpartei vernichten wollte, indem er ihren Führer in seine Gewalt brachte.

»Steht fest zum Statthalter des alten Gesetzes,« schrie die Menge, die diese Vermutung aufnahm, »zu dem guten, alten Statthalter Bradstreet!«

Während dieser Ruf am lautesten erschallte, wurden die Leute durch die wohlbekannte Erscheinung des Statthalters Bradstreet selber überrascht, der auf den erhöhten Stufen einer Tür erschien – ein Greis von fast neunzig Jahren – und sie mit der ihm eigenen Milde ersuchte, sich der eingesetzten Obrigkeit zu unterwerfen. »Meine Kinder,« schloß der ehrwürdige Mann, »tut nichts Unbesonnenes. Erhebt kein lautes Geschrei, sondern betet für das Heil Neuenglands und wartet in Geduld, was der Herr in dieser Sache beschließen wird!«

Bald sollte das Ereignis sich entscheiden. Die ganze Zeit über hatten sich die Trommelschläge von Cornhill her genähert, bald lauter, bald dumpfer, bis sie schließlich, unter Widerhall von Haus zu Haus und im regelmäßigen Takt militärischer Schritte in der Straße selbst erdröhnten. Soldaten erschienen in doppeltem Glied und nahmen die ganze Breite der Straße ein, mit geschultertem Gewehr und brennender Lunte, so daß sie als eine Reihe von Feuern im Düstern wirkten. Ihr gleichförmiger Schritt war wie die Bewegung einer Maschine, die unweigerlich über alles hinwegrollen würde, was ihr im Wege war. Dann kam langsam, mit verworrenem Hufgetrappel auf dem Pflaster, eine Gruppe berittener Herren, Sir Edmund Andros in der Mitte, schon bejahrt, doch aufrecht und in militärischer Haltung. Die ihn umgaben, waren seine Räte und Günstlinge – Neuenglands erbittertste Feinde. Zu seiner Rechten ritt Edward Randolph, unser Erzfeind, »der verdammte Schuft«, wie Cotton Mather ihn nennt, der den Fall unserer früheren Regierung herbeigeführt hatte, und den durch sein ganzes Leben hindurch bis zum Grabe offensichtlich ein Fluch verfolgte. Auf der andern Seite ritt Bullivant und streute Witz und Spott um sich auf seinem Weg. Dudley kam dahinter, mit niedergeschlagenen Augen; er fürchtete mit Recht den empörten Blick des Volkes, das ihn als einzigen Landsmann unter den Bedrückern seiner Heimat sah. Der Kapitän einer Fregatte im Hafen und zwei oder drei königliche Zivilbeamte waren auch dabei. Aber die Gestalt, die das Auge des Volkes am meisten auf sich zog und die tiefste Erregung hervorrief, war der bischöfliche Geistliche von Kings Chapel, der hochmütig in seinen Priestergewändern unter den Behörden ritt, so recht ein Vertreter der Hierarchie und Unduldsamkeit, der Vereinigung von Kirche und Staat und aller dieser Abscheulichkeiten, die die Puritaner in die Wildnis getrieben hatten. Eine zweite militärische Bedeckung in doppeltem Gliede bildete die Nachhut.

Das Ganze war ein treues Bild der Lage Neuenglands und der Lehre, die man daraus ziehen kann: daß jede Regierung ein Unding ist, die nicht aus der Natur der Sache und aus dem Charakter des Volkes herauswächst. Auf der einen Seite die religiöse Menge mit traurigem Gesicht in dunkler Kleidung, auf der andern die Gruppe der politischen Macht, der Vertreter der Hochkirche in der Mitte, hier und da ein Kruzifix vor der Brust, alle prächtig gekleidet, vom Wein erregt, stolz auf angemaßte Gewalt, nur Hohn im Herzen für das allgemeine Seufzen. Und die Söldner, die auf den leisesten Wink bereit gewesen wären, ein Blutbad anzurichten auf der Straße, zeigten klar das einzige Mittel, den Gehorsam zu erzwingen.

»Oh, Herr der Heerscharen,« rief eine Stimme aus der Menge, »sende deinem Volke einen Streiter!«

Dieser laute Ausruf ging wie ein Heroldsruf einer auffallenden Erscheinung voraus. Die Menge war zurückgeflutet und drängte sich nun fast am äußersten Ende der Straße zusammen, während die Soldaten noch kein Achtel ihrer Länge zurückgelegt hatten. Der Raum dazwischen war leer – eine gepflasterte Einsamkeit zwischen hohen Gebäuden, deren Schatten sie fast in Dämmerung hüllten. Plötzlich sah man die Gestalt eines sehr alten Mannes, der aus dem Volk hervorgetreten zu sein schien und nun ganz allein durch die Straßenmitte auf die bewaffnete Schar zuschritt. Er trug die alte Kleidung der Puritaner, den dunklen Rock und spitzen Hut in der Mode, die wenigstens fünfzig Jahre zurücklag. Ein gewichtiges Schwert hing an seiner Hüfte, doch ein Stab stützte den zitternden Schritt des Alters.

In einigem Abstand von der Menge wandte sich der alte Mann langsam um. Ein Gesicht von antiker Majestät ward sichtbar, zwiefach verehrungswürdig durch einen weißen Bart, der auf die Brust herabwallte. Er machte eine Bewegung, in der zugleich Ermutigung und Warnung lag, dann wandte er sich und nahm seinen Weg wieder auf.

»Wer ist dieser graue Patriarch?« fragten die jungen Männer ihre Väter.

»Wer ist dieser ehrwürdige Bruder?« fragten die alten Männer einander.

Aber keiner wußte eine Antwort. Die Väter des Volkes, die achtzig Jahre zählten und darüber, waren verstört. Seltsam dünkte es sie, daß sie einen Mann von so offenbarem Ansehen vergessen haben sollten, den sie doch in ihrer Jugend gekannt haben mußten, einen Gefährten Winthrops und all der andern Glieder des Rates, die Gesetze machten, predigten und sie gegen die Wilden führten. Auch die älteren Männer hätten sich seiner erinnern müssen aus ihrer Jugend, als seine Locken so grau waren, wie die ihren jetzt. Und erst die Jungen! Wie konnte er so gänzlich aus ihrem Gedächtnis geschwunden sein – dieser weißhaarige Vater, dieser Überrest aus längst vergangener Zeit, dessen Segen sie sicher in der Kindheit voll Scheu auf ihrem unbedeckten Haupte gefühlt hatten.

»Woher ist er gekommen? Was hat er vor? Wer kann dieser alte Mann sein?« flüsterte die erstaunte Menge.

Inzwischen setzte der ehrwürdige Fremde mit dem Stabe in der Hand seinen einsamen Gang durch die Straßenmitte fort. Als er sich den vorrückenden Soldaten näherte, und als ihr Trommelschlag ihm voll in die Ohren klang, richtete sich der alte Mann zu stolzerer Haltung auf; die Gebrechlichkeit des Alters schien von seinen Schultern zu gleiten, und er stand in greiser, aber ungebrochener Würde da. Nun schritt er weiter in kriegerischem Tritt, zum Takte der soldatischen Musik. So näherte sich die alte Gestalt von der einen und der ganze Aufmarsch der Soldaten und Behörden von der andern Seite, bis kaum noch zwanzig Schritt dazwischen waren. Da faßte der Alte seinen Stock in der Mitte und hielt ihn vor sich hoch wie einen Führerstab.

»Halt!« rief er.

Das Auge, das Gesicht, die Haltung, alles war Befehl. Der feierliche und doch kriegerische Schall dieser Stimme, die geeignet war, einem Heer im Kampfe zu befehlen, so gut wie zum Gebet zu Gott, war unwiderstehlich. Als der alte Mann sprach und den Arm ausstreckte, schwieg die Trommel sofort, und die anrückende Linie stand still. Zitternde Begeisterung erfaßte die Menge. Diese stattliche Gestalt, Führer und Heiliger zugleich, so altersgrau, wie durch Nebel geschaut, in so verschollener Kleidung – das konnte nur ein alter Streiter der gerechten Sache sein, den des Bedrückers Trommel aus der Gruft gerufen hatte. Ein Schrei voll scheuer Furcht und voll Begeisterung ward laut, und die Befreiung Neuenglands schien nahe. Der Statthalter und die Herren in seiner Gesellschaft sahen sich zu unerwartetem Stillstand gezwungen. Sie ritten hastig nach vorne, als wollten sie ihre schnaubenden und erschreckten Rosse gerade auf die altersgraue Erscheinung zutreiben. Er jedoch wich keinen Schritt. Sein ernstes Auge blickte in der Gruppe umher, die ihn halb umschlossen hatte, und heftete sich schließlich mit Strenge auf Sir Edmund Andros. Man hätte glauben können, der düstere alte Mann sei hier der Herrscher, und für Statthalter und Rat mit Soldaten im Gefolge, für die Vertreter der ganzen königlichen Macht und Gewalt bliebe keine andere Wahl als zu gehorchen.

»Was will dieser alte Kerl hier?« schrie Edward Randolph wütend. »Vorwärts, Sir Edmund! Heißt die Soldaten weitergehn und gebt dem alten Geck die gleiche Wahl wie seinen Landsleuten – beiseite gehen oder niedergetrampelt werden.«

»Nein, nein, wir wollen dem guten Großvater Ehre erweisen,« sagte Bullivant und lachte. »Seht ihr nicht, daß es irgendein alter stutzköpfiger Würdenträger ist, der dreißig Jahre lang geschlafen hat und nichts weiß vom Wechsel der Zeiten? Ich zweifle nicht, er will uns niederschmettern mit einer Erklärung im Namen des alten Noll!«

»Seid Ihr toll, alter Mann?« fragte Sir Edmund Andros laut und barsch, »wie könnt Ihr wagen, den Zug des Statthalters König Jakobs aufzuhalten!«

»Ich habe früher schon den Zug eines Königs selber aufgehalten,« erwiderte die graue Gestalt mit gefaßtem Ernst. »Ich bin hier, Herr Statthalter, weil der Schrei eines unterdrückten Volkes mich in meiner Verborgenheit aufgestört hat. Ernsthaft habe ich diese Gnade vom Herrn erbeten, und es wurde mir gewährt, noch einmal auf Erden zu erscheinen in der guten alten Sache seiner Heiligen. Was redest du von Jakob? Es sitzt kein päpstlicher Tyrann mehr auf Englands Thron. Schon morgen Mittag wird sein Name eine Fabel sein in dieser Straße hier, wo du ihn zu einem Wort des Schreckens machen wolltest. Zurück, der du einmal Statthalter warst, zurück mit dir! Mit dieser Nacht hat deine Macht ein Ende – morgen wartet der Kerker! Zurück! Damit ich nicht noch das Schafott verkünde!«

Näher und näher war das Volk herangerückt und sog die Worte seines Streiters ein, der in einer Sprache redete, die längst veraltet war, wie einer, der nur gewohnt ist, sich zu unterreden mit denen, die vor vielen Jahren gestorben sind. Aber seine Stimme erregte ihre Seelen. Nicht ganz wehrlos standen sie vor den Soldaten und bereit, die Straßensteine selbst in tödliche Waffen zu verwandeln. Sir Edmund Andros sah den Alten an; dann ließ er sein hartes und grausames Auge über die Menge gleiten und sah, wie sie brannte in jener düstern Wut, die man so schwer entfachen oder löschen kann. Und wieder heftete er den Blick auf die alte Gestalt, die einsam stand in dem freien Raum, den weder Feind noch Freund betrat. Er sprach kein Wort, das seine Gedanken verriet. Ob der Bedrücker in Furcht geriet unter dem Blick des grauen Streiters, ob er Gefahr erkannte in der drohenden Haltung des Volkes – gewiß ist, er gab nach und befahl seinen Soldaten, langsam und gesichert den Rückzug anzutreten. Bevor die Sonne wieder unterging, waren der Statthalter und alle, die so stolz mit ihm geritten waren, im Gefängnis, und lange bevor König Jakobs Abdankung bekannt wurde, ward König Wilhelm in ganz Neuengland ausgerufen.

Doch wo war der graue Streiter? Manche erzählten, als die Truppen die Königstraße geräumt hatten und das Volk sich aufgeregt hinter ihnen drängte, da habe man gesehen, wie Bradstreet, der alte Statthalter, eine Gestalt umarmte, die noch älter war als er. Andere versicherten ganz ernsthaft, noch während sie seine ehrwürdige Größe bestaunten, sei der alte Mann ihren Blicken entschwunden, langsam hinweggeschmolzen in den Schatten der Dämmerung, bis nur ein leerer Platz da blieb, wo er gestanden hatte. Doch alle stimmten überein, daß die greise Gestalt fort war. Die Leute dieser Generation warteten auf sein Wiedererscheinen im Sonnenschein und wenn es dämmerte, allein sie sahen ihn nicht mehr und wußten nicht, wann er bestattet wurde, noch, wo sein Grabmal war.

Und wer war der graue Streiter? Vielleicht ließe sich sein Name finden in den Berichten jenes strengen Gerichtshofes, der ein Urteil fällte, zu machtvoll für die Zeit, doch berühmt in allen kommenden Zeiten für die demütigende Lehre, die es den Monarchen gab und als hohes Beispiel für die Untertanen. Man hat mir gesagt, sooft die Puritaner gezwungen sind, den Geist ihrer Väter zu bezeugen, dann erscheint der Alte. Achtzig Jahre später ging er wieder durch die Königstraße. Noch fünf Jahre nachher stand er in der Dämmerung eines Aprilmorgens auf dem Rasen neben dem Versammlungshaus in Lexington, wo jetzt der Obelisk aus Granit mit der eingelegten Schieferplatte von den ersten Toten der Revolution erzählt. Und als unsere Väter sich mühten an den Schanzen von Bunkers Hill, schritt der alte Krieger die ganze Nacht durch seine Runden. Lange, lange möge es dauern, bis er wiederkommt! Seine Stunde ist die Stunde der Dunkelheit, des Unglücks und der Gefahr. Aber wenn uns je Tyrannei im Lande drücken soll, oder wenn der Fuß des Eindringlings unsern Boden entehrt, dann soll der graue Streiter wiederkommen, denn er ist das Sinnbild des ererbten Geistes in Neuengland. Sein geisterhafter Schritt am Vorabend der Gefahr soll immer das Unterpfand bleiben, daß Neuenglands Söhne ihrer Ahnen würdig sind.


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