Walther Harich
Jean Paul
Walther Harich

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Politische Schriften

Vier ungeheure Arbeiten hatten die Wanderjahre Jean Pauls beschlossen. Die Anfänge des »Titan« hatten ihn aus Hof in die Welt von Weimar hinausgehoben. Noch ehe die Arbeitsepoche mit den »Flegeljahren« und der »Levana« vollendet war, hatte er sich in die Heimat zurückbegeben, nach Baireuth, in das alte »Mekka« seiner Seele. Am 12. August 1804 langte die Familie in Baireuth an und nahm zunächst auf dem Markt in der Schloßapotheke beim Registrator Schramm Wohnung, zog dann nach kurzer Zeit in die Friedrichstraße zum Justizkommissär Fischer, endlich, im Jahre 1811, in das Haus des Bankiers Schwabacher, Friedrichstraße 384.

Kurze Zeit nach der Übersiedelung nach Baireuth wurde Jean Pauls zweite Tochter Odilie geboren. Schon in den Jünglingsphantasien hatte er sich vorgestellt, daß er drei Kinder haben würde. Seine Wünsche waren in dieser Hinsicht nun befriedigt. Es heißt, daß er sich von dieser Zeit ab von seiner Frau zurückzog, da er ein viertes Kind nicht mehr verantworten zu können glaubte. Bald nach der Übersiedelung war jedenfalls die bis dahin glückliche Ehe zerstört. Die Kinder freilich behielten die warme Atmosphäre des Elternhauses ihre ganze Kindheit hindurch. Sie blieben des Vaters höchstes Glück. Im übrigen aber lebte er wie ein Junggeselle, sah die Familie eigentlich nur zu den Mahlzeiten, die auf den Glockenschlag pünktlich beginnen mußten, wenn er sein Mittagsmahl nicht lieber, wie es bei gutem Wetter und im 683 Sommer fast regelmäßig geschah, in der Rollwenzlei einnahm. Auch in dem eigenen Garten arbeitete er häufig, lieber aber in dem des Kammerrats Miedel vor dem Eremitagentor. Hier saß er gewöhnlich in einer Laube, von wo er eine herrliche Aussicht über das Flußtal des Weißen Mains, St. Georgen, die Eremitage und die fernen Berge des Fichtelgebirges genoß. Auch in dem von Hagenschen Garten vor dem Friedrichstor hielt er sich gerne auf. Sein Lieblingsaufenthalt aber wurde bald die Rollwenzlei. Noch heute ist das Häuschen der Dorothea Rollwenzel, eine halbe Stunde von der Stadt entfernt auf dem Wege nach der Eremitage, dort, wo die alte herrliche Allee nach links abbiegt, die hauptsächliche Erinnerungsstätte an seinen Genius. Durch die Bemühungen einiger Baireuther Freunde Jean Pauls ist das kleine Zimmer, in dem er dort bei schlechtem Wetter zu arbeiten pflegte, wieder einigermaßen instand gesetzt, und die heutige Besitzerin der Rollwenzlei bietet in Charakter und ihrer treuen Jean-Paul-Ergebenheit vielleicht die genaueste Kopie der unvergeßlich gewordenen Rollwenzelin.

Dorothea Rollwenzel war sieben Jahre älter als Jean Paul. Rollwenzel war ihr zweiter Mann. Die Eheleute erwarben das kleine einstöckige Häuschen an der Wegbiegung, in dem sie kurze Zeit darauf eine Wirtschaft einrichteten. Die Konzession erteilte der französische Marschall Junot, weil die Rollwenzelin einen halberfrorenen französischen Soldaten aufopfernd gepflegt hatte. Zu diesem kleinen Häuschen pilgerte Jean Paul fast täglich hinaus. Entweder saß er in dem für ihn bereit gehaltenen Zimmer oder in der kleinen Laube vor dem Hause. Hier sind die meisten Schriften aus der Baireuther Zeit entstanden, von der »Levana« an. Was zog nun den Dichter so stark hierher? Die Aussicht, die er von diesem Häuschen aus hatte und die Besitzerin! Hier lagen 684 die fernen Berge des Fichtelgebirges vor seinem Blick, und malerisch ragte aus der Ferne der Basaltkegel des Rauhen Kulm aus den weicheren und runderen Bergen auf. Es war derselbe Berg, in dem einst sein Großvater seine Gebethöhle sich eingerichtet hatte, und es waren dieselben Berge, hinter denen die Joditzer Frühlinge blühten. Hier lag er seiner Kindheit zu Füßen. Und in Dorothea Rollwenzel war ihm das schlichte Volk verkörpert, dem von jeher seine Liebe gehört hatte. Die fast anbetende Verehrung, die die Rollwenzelin ihm entgegenbrachte, bedeutete ihm die Liebe des ganzen werktätigen Volkes. Das Mitleid mit den Armen und Getriebenen hatte ja von Anfang an im Mittelpunkt seines Denkens gestanden. Noch in der Vorrede zum Siebenkäs und in der »Geschichte meiner Vorrede zur zweiten Auflage des Quintus Fixlein« hatte er davon geträumt, durch sein Schaffen die Tränen der Frauen des armen Volkes zu trocknen und ihre Herzen zu erfreuen. Wohl hatte er inzwischen einsehen müssen, daß in unserer Zivilisation kein Weg von dem Schaffen des Dichters zu den Herzen der armen Volksgenossen geht. Die Kluft zwischen Gebildeten und Ungebildeten war unüberbrückbar. Hier aber hatte das menschliche Herz die Brücke geschlagen. Der Dichter und die Frau aus dem Volke verstanden und liebten sich und fanden sich in herzlicher Arbeitsgemeinschaft. Was er ihr bieten konnte, war wenig, und es kann wohl als ausgeschlossen gelten, daß sie ein näheres Verhältnis zu seinem Schaffen gehabt hat. Aber aus seiner Persönlichkeit heraus verstand sie ihn und richtete sich das Werk, das hinter diesem von ihr angebeteten Menschen stand, nach ihren eigenen Maßen in ihrer Phantasie zurecht. Viel mehr als er ihr konnte sie ihm geben. Nicht nur den delikatesten Kaffee und den schmackhaftesten Braten, sondern das liebevollste Aufpassen auf seine kleinsten Wünsche, 685 die Atmosphäre des Volkes, aus dem er stammte. Das war wohl der Hauptanziehungspunkt für ihn. Die schönsten Frauen der großen Welt hatten ihm zu Füßen gelegen, jetzt aber fühlte er sich in der Rollwenzlei noch mehr zu Hause als selbst bei seiner eigenen Frau. Seine Kindheit stieg bei der Rollwenzelin vor ihm auf. Sie hatte keine Ähnlichkeit mit seiner Mutter, aber doch muß sie ihm diese Mutter irgendwie verkörpert haben. Sie schlug den Bannkreis seiner Jugend wieder um ihn.

Die Rollwenzelin hat sich nach Jean Pauls Tode zu einigen Besuchern über ihr Verhältnis zu dem Dichter geäußert. »Es konnte ihm«, sagte sie zu Wilhelm Müller, »keiner so recht machen wie die alte Rollwenzeln, und er hat viel, sehr viel auf mich gehalten. Aber ich habe ihn auch gepflegt; wie einen Gott auf Erden habe ich ihn angesehen, und wenn er mein König und mein Vater und mein Sohn zusammen gewesen wäre, ich hätt' ihn nicht mehr lieben und verehren können.« Zu Willibald Alexis sagte sie: »Es gibt nur einen Jean Paul. Viele können auch gut schreiben und was vorbringen, aber den Witz haben sie nicht. Woran ein anderer einen Tag lang schreibt und simuliert, das schreibt meiner in einer Minute.« So hatte sie sich Jean Pauls Bedeutung auf ihre Art zurechtgelegt. »Wie einen Gott auf Erden habe ich ihn gehalten.« Und damit stand sie nicht allein da. Fast klingt dieses Urteil an die Worte von Karoline Herder an, die in Jean Paul den »einzig Lebendigen, den Genius und Heiland seiner Zeit« sah, wie sie ihm nach Erscheinen seiner »Levana« schrieb. »Die Deutschen wünschen sich einen komischen Dichter – die Narren, sie haben Augen und sehen nicht, – sie haben Ohren und hören nicht.« Die Frau aus dem Volke sah und hörte, nicht auf dem Umweg über das geschriebene Wort, sondern unmittelbar.

686 Es ist nur natürlich, daß Karoline sich durch Jean Pauls häufige Abwesenheit vernachlässigt fühlte und in der Tat vernachlässigt wurde. Aber für den Dichter gab es nur das Gesetz seines Schaffens. Er mußte seine Welt suchen und fand sie außerhalb des Hauses und im Hause noch in den Kindern und in seiner Stube. Ihm zu Füßen lag ein Hund, der sein regelmäßiger Begleiter gewesen war, abwechselnd ein weißer und ein schwarzer Spitz, gewöhnlich Ponto geheißen. Auch hatte er stets einige Kanarienvögel in seinem Hause. Wenn er ausging, öffnete er ihnen den Käfig, damit sie sich während seiner Abwesenheit nicht langweilten. Auch Mäuse hielt er sich zuzeiten, und eine Zeitlang gehörte seine besondere Liebe einigen Laubfröschen. Auch ein Eichhörnchen hielt er sich, das bei Spaziergängen auf seiner Schulter saß und das er sogar einmal in der Tasche in die Kirche mitnahm. Von den Tieren ließ er sich tyrannisieren wie von seinen Kindern. Diese hatten jederzeit zu ihm Zutritt. Kein noch so großer Lärm störte ihn beim Arbeiten. Er spielte mit ihnen, erzählte ihnen Märchen und tanzte sogar, wenn sie es verlangten. Im übrigen erzog er sie vollkommen nach den in der »Levana« niedergelegten Grundsätzen.

Natürlich spielten die alten Baireuther Freunde in seinem Leben eine große Rolle. Otto war mit Amöne bereits vor fünf Jahren nach Baireuth übergesiedelt. Die alte Wärme hatte diese Freundschaft nicht mehr. In alter unverminderter Herzlichkeit aber blühte der Verkehr mit dem prachtvollen Emanuel, der ihm und der Gattin auch mit praktischen Ratschlägen zur Hand ging, was sich oft als sehr nötig erwies. Von neuen Freunden seien der Medizinalrat Langermann, der Regierungsrat von Dobeneck und der Minister Rechberg genannt. Der spätere Minister von Schuckmann, der Bruder von Jean Pauls einstiger Freundin Henriette, stand als 687 preußischer Kammerpräsident an der Spitze des alten Fürstentums Baireuth. Auch zu ihm ergaben sich bald die herzlichsten Beziehungen. Außerdem lebte Bruder Gottlieb als Steueraufschläger und Rendant in Baireuth.

Dies war die Welt, in die Jean Paul mit seiner Übersiedlung nach Baireuth eintrat. Wenige Wochen später sollte die »Vorschule der Ästhetik« erscheinen. Gewidmet hatte er sie dem Herzog Aemil von Gotha, seinem Freunde und Gönner noch aus der Weimarer Zeit. Aemil war bekanntlich einer der entschiedensten Gegner Goethes, der sich schon über den Erbprinzen aufs schärfste geäußert hatte. Wahrscheinlich hat Goethe mit seinem Urteil über diesen liberalsten Fürsten des damaligen Deutschland recht. Wir werden noch sehen, wie wenig zuverlässig sich der Herzog auch Jean Paul gegenüber zeigte. Seit einigen Jahren verband die beiden aber eine herzliche Freundschaft. Der Herzog schrieb selbst »regenbogenfarbige« Märchen voller Witz und Phantasie, und Jean Paul war geneigt, diese Dichtungen vielleicht höher zu bewerten, als sie es verdienten. Der Herzog ordnete sich dem, wie er wohl wußte, hoch über ihm stehenden Dichter bereitwillig unter, spottete mit ihm über die Torheiten und Pedanterien seines eigenen Hofes, besonders in der Zeit, als er noch Erbprinz war, und machte sich ein Vergnügen daraus, sich über die Gesetze der Konvention in jeder Beziehung hinwegzusetzen. Trotz der unzweifelhaften Schattenseiten seines Charakters war der Herzog einer der witzigsten Fürsten seiner Zeit, und es lag für Jean Paul wohl nahe, ihm seine Vorschule zu widmen, in der er gerade dem Witz, der Satire, dem Humor die metaphysische Grundlegung gegeben hatte.

Der Verleger der Vorschule, der Hamburger Buchhändler Perthes, ließ das Werk in Jena drucken. Es unterlag also der dortigen Zensur. Noch von Koburg aus hatte Jean Paul 688 sich in einem humoristisch gehaltenen Schreiben an den Herzog gewandt mit der Bitte, ihm die ästhetische Abhandlung widmen zu dürfen. Der Herzog hatte in seiner barocken Manier geantwortet. Jean Paul wußte nicht recht, ob der Herzog die Widmung angenommen habe oder nicht. Jean Paul schrieb noch einmal. Der Herzog antwortete wiederum. Diese Art der Dedikation erschien dem Jenenser Zensor, dem Dekan der philosophischen Fakultät, Professor Voigt, allzu merkwürdig, und er versagte das Imprimatur. Jean Paul schickte nun der Fakultät die Beweise dafür ein, daß dieser seltsame Briefwechsel in der Widmung nur fingiert und mit dem Herzog vorher besprochen wäre. Professor Voigt blieb aber bei seiner Verweigerung der Druckerlaubnis, und die ganze philosophische Fakultät schloß sich ihm einstimmig an. Der Vorfall war um so merkwürdiger, da der Herzog einer der Landesherren der Universität Jena war. Wahrscheinlich hatten die Jenenser Professoren von Weimar aus, wo Goethe Minister war, ihre Weisung erhalten.

Zum erstenmal war Jean Paul mit einer Zensurbehörde in Konflikt geraten und sah mit Schrecken, wie tief diese von ihm bisher unbeachtet gebliebene Institution in das geistige Leben einzuschneiden vermag. Bisher war die Zensur in Mitteldeutschland kaum jemals ernstlich in Erscheinung getreten, war bei der allgemeinen Freigeistigkeit des 18. Jahrhunderts zu einer fast nur formellen Angelegenheit geworden. Jetzt machte sich die preußische Vorherrschaft in Deutschland bemerkbar. Es war der Geist Friedrich Wilhelms III., der sich durch dieses straffere Anziehen der Zensur dokumentierte. Aus dem Preußen der Aufklärung war das Preußen der Reaktion geworden. Es gab das Beispiel auch für die mitteldeutschen Staaten. Zu den schweren Zensurkämpfen der Zeit nach den Freiheitskriegen entstand hier der erste Auftakt, zwei Jahre 689 vor der Schlacht bei Jena. Jean Paul aber war nicht gesonnen, sich dieser Institution zu unterwerfen. Zwar mußte die Vorschule ohne die beabsichtigte Widmung erscheinen, aber schon schrieb er eine besondere Schrift über die Zensur, in der er diese Institution mit dem bittersten Spott verfolgte und ihre Abschaffung verlangte. »Freiheitsbüchlein« nannte er die kleine Schrift mit Recht, denn sie rüttelte als erste an einem der Grundpfeiler der geistigen Unfreiheit in Deutschland. Wären nicht die weltumwälzenden Kriege Napoleons in diese Zeit gefallen, würde das Büchlein eine neue Epoche im deutschen Geistesleben eingeleitet, würde es einen geistigen Freiheitskampf eröffnet haben.

Die Wirkung des Buches wurde dadurch unterstützt, daß Herzog Aemil nicht nur gestattete, daß die von der Jenenser Zensur unterdrückte Widmung an der Spitze des Buches veröffentlicht wurde, sondern zugleich erlaubte, daß Jean Paul den ganzen mit dem Herzog in dieser Angelegenheit geführten Briefwechsel zum Abdruck brachte. Ja, er ließ nicht einmal die zynischen Partien dieses Briefwechsels ändern. Man kann sich denken, welchen Eindruck es in Deutschland machen mußte, wenn ein Fürst einem Dichterfreunde schrieb: er möge nach Gotha kommen, »um da zu verpissen, was er in Liebenstein getrunken, dabei aber die Perücken seiner Minister verschonen«. Es war ein unerhörter Vorstoß, den hier ein Fürst und ein Dichter Arm in Arm gegen die geheiligte Zensur unternahmen. Und noch ein Dritter trat den beiden Kampfhähnen zur Seite: der Fürstprimas von Dalberg, damals Koadjutor von Mainz, der die kühne Schrift unter seinem Schutz in Erfurt drucken ließ.

Damit hatte sich Jean Paul auf ein Gebiet begeben, das ihn während der nächsten Zeit festhalten sollte. Er hatte in die politische Diskussion eingegriffen, und bald sollte sich zeigen, 690 daß er weiter und weiter gedrängt wurde. Zwar hatte er aus seinen politischen Überzeugungen nie ein Hehl gemacht. Aber was er bis dahin politisch geschrieben hatte, war doch mehr akademisch geblieben, trat als Einschiebsel in seinen Romanen oder als unterhaltsame Satire auf. Jetzt aber griff er bestehende Verhältnisse unverblümt und ganz direkt an. Die Folgen sollten sich unmittelbar bemerkbar machen.

Infolge des Auftauchens Napoleons am politischen Horizont war eine ungeheure Unsicherheit in das Leben auch in Deutschland gekommen. Niemand wußte, was die nächsten Jahre bringen würden. Man stand unter dem Eindruck kommender Umwälzungen, die ihre Schatten vorauswarfen. Die Lebensstellung eines freien Schriftstellers erschien unsicherer als je. Zwar hatte Jean Paul für seine »Flegeljahre« gerade den Verleger gefunden, der seinen Ruhm darin suchte, den zeitgenössischen großen Dichtern ein sorgenfreies Einkommen zu sichern: Cotta. Cotta zahlte ihm für den Bogen des Romans 7 Louisdors, also etwa das Doppelte von dem, was er für den »Titan« von Matzdorff erhalten hatte. Aber auch Cotta wies auf die drohende Unsicherheit der Zeit hin, die das Publikum von dem Ankauf größerer Werke immer mehr abhielt. Schon bei seiner Verheiratung hatte sich Jean Paul, obwohl auf der Höhe seines Ruhms und seiner Einnahmen stehend, um die Zukunft seiner zu gründenden Familie Sorgen gemacht und war damals bei dem preußischen Hof, an dem er in der Königin Luise eine Gönnerin hatte, um eine Präbende eingekommen. Friedrich Wilhelm hatte aber ausweichend und auf die Zukunft vertröstend geantwortet. Angesichts der allgemeinen Unsicherheit glaubte sich jetzt Jean Paul, zumal ihm im November 1804 das dritte Kind geboren war, um eine staatliche Sicherstellung bemühen zu müssen. Anläßlich einer Fürbitte für Herders Hinterbliebene 691 ließ er auf dem Wege über seinen Schwiegervater und den Erbprinzen Georg von Mecklenburg, den Bruder der Königin, den König an sein damaliges, allgemein gehaltenes Versprechen erinnern. Noch bevor eine Antwort einlief, erschien das »Freiheitsbüchlein«, und Jean Paul mußte durch den Erbprinzen erfahren, »daß Se. Majestät des gegebenen Versprechens sich nicht bestimmt zu erinnern wisse«. Der Dichter reichte nunmehr das damals empfangene Handschreiben des Königs ein, blieb aber wieder ohne Antwort.

Im Juni 1805 besuchte das preußische Königspaar das Fürstentum Baireuth und hielt sich insbesondere in dem bei Wunsiedel gelegenen Alexanderbad auf. Auf der Luchsburg bei Alexanderbad wurde der königlichen Familie ein festlicher Empfang bereitet. Die Luchsburg, übrigens keine eigentliche Burg, sondern ein romantisches Felslabyrinth, wurde bei dieser Gelegenheit in »Luisenburg« umgetauft. Damals wurden auch die noch heute bestehenden Luisenfestspiele durch eine kleine Dichtung des Ministers Hardenberg, der an der Spitze der Ansbacher und Baireuther Verwaltung stand, eingeweiht. Zu Hardenbergs kleinem Festspiel »Philemon und Baucis« hatte Jean Paul selbst einige Verse beigesteuert, die er später unter dem Titel »Meine ersten Verse« veröffentlichte. Jean Paul kam, von Hardenberg und Schuckmann geladen, selbst zu der Feier nach Wunsiedel und wohnte dort bei dem alten Freunde Vogel, der inzwischen Superintendent von Wunsiedel geworden war. Zum erstenmal weilte der Dichter wieder in seiner Geburtsstadt, und sicher hat er das kleine Organistenhäuschen, in dem er geboren war und das sehr ähnlich dem Herderhaus in Weimar hinter einer schattenden Kirche liegt, besucht. Die Feier auf der Luisenburg verlief stimmungsvoll. Die hohen Gäste wurden bei ihrem Nahen durch einen »Wechselgesang der Oreaden und 692 Najaden« aus einer Felsengrotte heraus begrüßt. Es waren die »ersten Verse« Jean Pauls, die hierbei erklangen. Ob aber der Dichter durch Hardenberg dem hohen Paare überhaupt vorgestellt wurde, erscheint zweifelhaft. Die Angelegenheit einer Subvention wurde durch dieses Zusammentreffen jedenfalls nicht gefördert. Auf eine erneute Anfrage erhielt er über den Erbprinzen Georg die Antwort, er möchte sich um eine akademische Professur bewerben, auf die er durch seine »Vorschule der Ästhetik« sich einen Anspruch erworben habe. Auch der Minister Freiherr vom Stein schloß sich diesem Rat an. Die nächste freiwerdende Staatssubvention aber erhielt nicht Jean Paul, sondern der flache Unterhaltungsschriftsteller Lafontaine. »Am Ende ist's auch keine Unehre,« schrieb Jean Paul an seinen Schwiegervater, »von Kotzebue und Lafontaine sich unterschieden zu wissen durch Neins!« Dennoch bewahrte Jean Paul der Königin Luise, der er ja nebst ihren Schwestern seinen »Titan« gewidmet hatte, seine liebende Verehrung. Am 19. Juli 1810 starb die Königin. Jean Paul widmete seine damals erscheinende »Herbstblumine« dem Erbprinzen Georg und fügte dem Buch die »schmerzlich tröstenden Erinnerungen an den 19. Juli 1810« an. Auch dem König übersandte er ein Exemplar der »Herbstblumine«. Friedrich Wilhelm antwortete kurz: »Ich habe Ihre ›Herbstblumine‹ erhalten. Es wird Ihnen genügen, wenn ich Ihnen sage, daß Sie mir kein angenehmeres Geschenk machen konnten als mit den schmerzlich tröstenden Erinnerungen an den 19ten Juli 1810, die dieses Bändchen schließen. Ich enthalte mich deshalb aller weiteren Hinzufügungen, und bin Ihr wohlgeneigter Friedrich Wilhelm.« Aber dem Dichter eine Unterstützung zukommen zu lassen, war er selbst nach dem glücklichen Ausgang der Befreiungskriege nicht geneigt. Er sagte einmal zur Henriette Herz über diesen Punkt: »Höre 693 denn doch zu viel diesen Jean Paul herausstreichen. Mag ganz gute Romane geschrieben haben – für den Liebhaber, denn mir war das, was mir davon zu Händen gekommen ist, ein bißchen gar zu kraus – aber dies ist doch ein Verdienst, das sich noch halten läßt. Wie will man erst von einem großen Staatsmann sprechen oder von einem Helden, der das Vaterland gerettet hat? Die Damen verstehen immer das Maßhalten nicht.« Man sieht, der König hatte sich durch Niederbruch und Auferstehung Preußens nicht geändert. Er begriff noch immer nicht, daß hinter der Tat der Geist stehen muß, von dem sie erst Richtung und Wirkung erhält.

Während dieser Vorgänge hatte Jean Paul jene Schrift vollendet, die noch vor dem Niederbruch des alten Preußen den Grund zu einem neuen legte: die »Levana«. Vierzehn Tage nach Beendigung der »Levana« brachen Preußens Heere bei Jena zusammen. Kam dieser Zusammenbruch überraschend? Schon jahrelang vorher, mindestens Ende des Jahres 1805, lagen die Mängel der deutschen Staatsverfassungen vor aller Augen. Im November schrieb Perthes, der Hamburger Verleger der Vorschule, an Jean Paul einen Brief, der tief in die Schäden des damaligen Deutschland hineinleuchtet. »Da war nur ein Streben,« schreibt Perthes, »das Hohe, Starke, Große, Tiefe älterer Zeiten in Form und Worten zu erreichen; aber ein Sein fand sich nicht, und fand sich's, wurde es verbuhlt . . . . In alten Zeiten waren die Dichter und Geschichtschreiber die Führer ihres Volks . . . . Es schreibt mir ein glaubwürdiger Mann: ›Die Zeit ist da, wo alle Gleichgesinnten sich einander brüderlich anschließen müssen zu dem Werk der Nationalrettung, und, wenn es mißglückte, wenn das ganze Machwerk, vor dessen Erhaltung die, welche es am wenigsten sollten, die Hände abziehen, zerbrechen sollte, zu fester Einigung, damit der Keim der 694 Erneuerung bleibe, und nicht ein allzu gutes Volk wie wir Deutsche dem Joch der Übermütigen sich unterwerfe. Könnte ich machen, daß alle Rechtliche in diesem Bund vereinigt würden, er sollte der kräftigste sein.‹ – Sie sind ein geistvoller tätiger Mann. Sie haben noch ungefundene Wege, die gerade in des Menschen Herz und Geist führen, betreten, – wären in der Vereinigung, die eine offene und feste sein wird, ein wirksames mächtiges Glied! Wohlan! Wenn Sie mir antworten, wie ich es voraussehe, ein Weiteres! Es gehe, wie es wolle – es komme Freiheit oder es bleibe Knechtschaft. – Deutschland ist noch nicht verarmt! Bei Gott! wenn wir fest sind, so werden wir erdulden, was sonst unerträglich wäre.«

Jean Paul antwortete: »Hamburg und die andern Hansestädte sind noch die Arterien des deutschen Reichskörpers; weiter hinein gibt es nur Venen und lymphatische Gefäße. Oesterreich verdient keine Erhaltung, da es seine Untertanen mit einem ewigen geistigen Krieg überzieht und belagert, und aus Mangel an Köpfen gehen ihm nun die Arme verloren. Aber das übrige Deutschland hat noch beides! Ich finde in der alten Geschichte, daß Caesar zwar Gallien besiegte aber nicht Deutschland. In deutschen Regierungsformen ist doch deutscher Geist nicht notwendig eingescheidet. Schon unsre deutsche gelehrte Republik und Kosmopolitie wird ihn und seinen Flammen Ort und Nahrung und Thron verleihen. – Bei den Alten waren die Dichter Geschöpfe der Regierungsform; jetzt sollen sie Schöpfer derselben sein? – Sie werfen ihnen mit Unrecht vor, daß sie über dem Einkleiden das Verkörpern vergessen. Jede Kunst, das Handeln wie das Sprechen, Schreiben, Bilden etc. fordert ein ganzes Leben, und hier ist weiter keine Frage als – Alles oder Nichts. – Demosthenes war auf der Rednerbühne 695 tapferer als auf der Schlachtbühne, und dort ein siegendes Heer, da ein fliehender Mann. Ein Dichter als solcher wirkt auf den Weltkreis; ein Mensch auf den Familienkreis. Wahrlich, in dieser tiefen einsinkenden Zeit, über diesem Morast voll Übel, halten beinahe nur noch die Schriften das Große, Gute, Wahre, Schöne wie mit Flammen und im Äther aufrecht und emporgehoben, und in Bibliotheken wird einst die Auferstehung der geistig Toten sein und ein tausendjähriges Reich anfangen hinter dem Deutschen. – Übrigens teil' ich all Ihre patriotische Glut und knirsche so oft mit den Zähnen als irgendein Deutscher. Alle meine Werke sind wie mein Leben Freigeborene, keine Sklavenkinder irgendeiner knechtischen Absicht. Darum bleib' ich auch arm. Taug' ich in Ihren Bund ebenso gut mit meinen Kräften – bloße poetische tun's nicht – als mit meinen Gesinnungen, welche die Ihrigen sind: so will ich gern ein Dorn, ein Stiel, ein Blatt in diesem Kranze sein.« –

Perthes hatte, wie er als Antwort schrieb, nicht an einen festen Bund, sondern mehr an ein »Verständnis« deutscher Männer gedacht. Aber wichtig bleibt dieser Brief Jean Pauls als Auftakt seiner politischen Schriften. »Oesterreich verdient keine Erhaltung.« Das war das Wichtige. In dem Kampf Napoleons gegen die überalterten und anämischen Staatsgebilde Mitteleuropas nimmt Jean Paul Partei für den Genius Napoleons. Es erschien ihm kein Unglück, wenn Österreich unter den Streichen des Korsen hinsank. Deutschland, »das sonst wie eine Schildkröte zwischen zwei entgegengesetzten Schilden, zwischen dem preußischen und dem österreichischen, sich bewegte und deckte«, schrieb er später in seiner »Friedenspredigt«. Das war der springende Punkt. Deutschland war zwischen Preußen und Österreich eingeklemmt. Die beiden Ostreiche, beide auf Kolonialboden entstanden, 696 hatten ein unorganisches Übergewicht in Deutschland erlangt, das die alten deutschen Stammlande ersticken mußte. Jean Paul war also antipreußisch und antiösterreichisch gesinnt, weil er deutschgesinnt war. Diesen Richtungspunkt müssen wir im Auge behalten, wenn wir die kommenden Ausführungen des Dichters verstehen wollen. Er konnte in Napoleon zunächst nicht den Feind Deutschlands sehen, weil er Österreich niederwarf und Preußen bedrohte. Napoleon schien ihm vielmehr die Bahn frei zu machen für eine deutsche Verwirklichung, zu der Jean Paul den verheißungsvollen Anfang im Rheinbund sah. Ein sehr mißverständlicher Standpunkt in der damaligen Zeit. Der Herzog von Gotha, eben noch sein Bundesgenosse in dem »Freiheitsbüchlein«, schrieb ihm denn auch, als sich Jean Paul für eine Gehaltszulage des in Gotha lebenden Bräutigams einer Tochter des großen Schlözer bei ihm bemühte, daß er, der Herzog, nicht imstande sei, alle »alten und neuen Schulden Jean Pauls um Deutschland und Frankreich zugleich in den Lethe zu schleppen«. Und dennoch war gerade Jean Paul Deutschlands treuester Sohn. Varnhagen war erstaunt, als er Jean Paul im Oktober 1808 besuchte, über dessen deutsche Gesinnung. »Was Jean Paul sagte, war tief, verständig, herzlich, tapfer, deutsch bis in die kleinste Faser hinein; kurz, tausendmal besser als seine Friedenspredigt, über die wir uns in Berlin geärgert hatten . . . . Jean Paul zweifelte keinen Augenblick, daß die Deutschen nicht gleich den Spaniern sich erheben, daß die Preußen ihre Schmach rächen und das Vaterland befreien würden; er hoffte, sein Sohn werde es erleben, und wollte nicht leugnen, daß er ihn zum Soldaten erziehe.« Auch hier zeigte sich, daß die »Friedenspredigt« wiederum mißverstanden war. Jean Paul durchdachte das deutsche Problem nur in seiner ganzen Tiefe. Ja, man kann sagen, daß er nach der Schlacht bei 697 Jena keinen andern Gedanken mehr hatte, der nicht der Wiederaufrichtung des Vaterlandes diente. Nur darin sah er eben tiefer als alle andern, daß er die Vorherrschaft Preußens oder Österreichs in Deutschland gebrochen sehen und den Schwerpunkt wieder in die alten Stammländer verlegt wissen wollte. Die Entwicklung ging auch hier anders, als er es ersehnte. Preußen und Österreich gingen gestärkt aus dem Kampf hervor, und der Erfolg war das Ende der deutschen Kultur.

Wie Jean Paul mit dem Phänomen Napoleon gerungen hat, davon geben zwei Tagebucheintragungen vom Anfang und Ende des Jahres 1805 Kunde. »Wüßt' ich gewiß, daß Bonaparte Unrecht hätte – und ebenso gewiß alle gerechten Mittel gegen ihn, o so wäre es ja leicht, selbst ein Leben gegen ihn zu wagen durch Schrift. Aber diese Ungewißheit lähmt so fürchterlich den Mut, den kosmopolitischen, der durchaus seine Zwecke in der Folge suchen muß. Dies ist eben, was die Welt verwirrt und aufhält, daß unter so tausend Verwickelungen des Menschenwohles keine aufopfernde Seele so leicht – gebe sie immer das Leben hin – das Rechte ausfindet. Das moralische Prinzip des besten Willens hilft hier nichts, weil ich eben hier Materie brauche für das beste Wollen.« Kants Prinzip des kategorischen Imperativs ließ den Ringenden hier allein. Am Ende des Jahres 1805 schrieb er ins Tagebuch: »Man muß durchaus die Zeit, und Bonaparten in ihr, nicht aus dem Gesichtspunkt der Individualität und Moralität, sondern aus dem der Weltbürgerlichkeit betrachten. Alles Große war Anfangs zu groß und stach und quälte; erst dem fernen Auge schliffen sich die Spitzen ab.«

Aus dem »Gesichtspunkt der Weltbürgerlichkeit« war Napoleon zu betrachten, diese Weltbürgerlichkeit mit der ganzen schweren Verantwortung für das Menschengeschlecht belastet. 698 Wir werden noch sehen, wie sich unter diesem Standpunkt der Weltbürgerlichkeit das Problem Napoleon-Deutschland ausnahm. Jedenfalls war dieser weltbürgerliche Standpunkt keine feige Entschuldigung für ein egoistisches Sich-aus-den-Dingen-Herausziehen. Im Gegenteil, hier wurde jedes Wort mit kosmischer Verantwortung für den Gang der Menschengeschichte beladen. Und Jean Pauls Haltung sofort nach dem Zusammenbruch zeigte, wie ernst er die Aufgabe des Dichters in dieser Zeit empfand. Ganz anders als Goethe. Tiefer kann den tiefen Wesensunterschied zwischen Goethe und Jean Paul nichts bezeichnen als ihre verschiedene Haltung nach der Schlacht von Jena. Am 8. Januar 1807 schrieb Knebel an Jean Paul: »Wie geht es Ihnen? Was machen Sie in dieser politischen Pestzeit? Wir sind wohl, und gottseidank! soweit ungeplündert geblieben, außer was wir durch die allgemeine Not verloren haben. Den mächtigen Kaiser haben wir mitten in den Flammen gesehen. Goethe schickte mir in meiner Not ein paar Flaschen Kapwein, die gerade recht kamen zu einem Mann, den die Franzosen ganz aufs Trockene gesetzt. Er selbst war die ganze Zeit mit seiner Optik beschäftigt. Wir studieren hier unter seiner Anleitung Osteologie, wozu es passende Zeit ist, da alle Felder mit Präparaten besät sind. Wir leben einsam, aber nicht unmutig noch unglücklich, vielmehr heiter.« Auf den Schlachtfeldern sammelte Goethe die Präparate zu seinen osteologischen Studien. Ein Zynismus, so groß und kalt, daß er schon ins Heroische sich wendet.

»Man hat immer«, schrieb Knebel ein Jahr später, »das Philosophische und Moralische vom Politischen getrennt und geglaubt, daß ein Staat durch andere Mittel fest, glücklich und brav werden könne, als wodurch es der einzelne Mensch wird. Man hat Kriegshelden bilden wollen, ohne verständige zu bilden; durch Exerzieren aber allein wird keiner weise, noch 699 weiß er, wie man sich in Gefahren betragen soll. Genug! nun müssen Völker die Verirrungen der Vernunft büßen. Das ist ihr Los.« Aber gerade infolge dieser Trennung des Politischen vom Moralischen und Philosophischen war ja der beispiellose Zusammenbruch gekommen. Aus dem Philosophischen und Moralischen mußte die Rettung kommen. Gerade in jenen Tagen schrieb Jean Paul an seine alte Freundin Renata Wirth, um sie über den Tod ihrer Mutter zu trösten: daß man in dieser Zeit der Ruhe nur unter der Erde sich überlassen könne; daß die Lebenden hingegen eingreifen müßten in die Zukunft und für ihre Kinder rüstig handeln, solange es ginge, indem, je schlimmer die Zeit, desto besser die Eltern sein müßten. Nach diesen Worten handelte Jean Paul.

Der Durchzug durch Ansbach und Baireuth war bekanntlich das hauptsächlichste Ziel Napoleons bei dem Feldzug in Thüringen gewesen. Unmittelbar nach der Schlacht bei Jena besetzte die französische Armee das Land. Baireuth kam unter den Befehl Bernadottes. Schuckmann verwaltete das Land im Auftrag des Kaisers. Die Einwohner wurden mit Kontributionen und Einquartierung belegt. Eine Eingabe Jean Pauls an Bernadotte persönlich, ihn mit Kontributionen zu verschonen, da er arm wäre, hatte nur vorübergehenden Erfolg. Mit Einquartierung aber wurde er nicht belästigt. Sie hätte ihn auch vollkommen um seine Arbeitsruhe gebracht, die er jetzt nötiger brauchte als je.

Eine verheerende Trostlosigkeit folgte dem preußischen Zusammenbruch. Zu übergewaltig war der Eindruck von Napoleons Größe. Die Franzosen hatten im Siegeslauf ganz Deutschland durchquert und sich tributpflichtig gemacht, und man wußte genau, daß Napoleons Ziele noch weiter gingen, daß sie weltpolitischer Natur waren. Der alte Kampf zwischen Deutschen und Franzosen schien endgültig mit dem Sieg 700 der Franzosen entschieden zu sein. Karls des Großen Gestalt stieg aus dem Dunkel der Vergangenheit neu hervor, aber er brachte den deutschen Gemütern keine neue Hoffnung, im Gegenteil: die Teilung von Verdun, die einst Deutschland von Frankreich getrennt hatte, schien überwunden. Ein großes Reich schien das Endergebnis einer tausendjährigen Entwicklung, aber mit dem Erfolg, daß die Franzosen in diesem neuen Reich alles und die Deutschen nichts bedeuteten. Man bangte allen Ernstes um den Fortbestand der deutschen Sprache und Kultur. Jean Paul war vielleicht der einzige, der die allgemeine trostlose Niedergeschlagenheit nicht teilte. Er sah als erster, daß das Deutschland, das bei Jena und Auerstädt geschlagen war, nicht das ganze Deutschland war. Im Gegenteil, in diesem Niederbruch der alten Duodezfürstentümer und jener zwei »Schildkrötenschalen« Preußen und Österreich, zwischen denen Deutschland bisher eingeklemmt gewesen war, sah er endlich den Weg zu einer deutschen Verwirklichung frei. Diesen Weg dem deutschen Volke zu zeigen, war sein erstes Bestreben.

Nachdem er einige ältere Pläne zu Ende geführt oder beiseitegeschoben hatte, schrieb er Januar und Februar 1808 die »Friedenspredigt an Deutschland«. Mit einer unerhörten Klarheit zeigte er, wie auf den neuen Tatsachen ein neues Deutschland aufzubauen sei. Mut wollte er der darniederliegenden Nation zusprechen, aber er zwang sie auch zur inneren Einkehr. Allerdings müsse die Stunde jetzt benutzt werden, das Neue zu erkennen und in die Tat umzusetzen. Die Voraussetzungen dafür seien gegeben. Durch den »kleinen Krieg in der Brust«, wie er den ersten der Abschnitte nennt, aus denen sich die »Friedenspredigt« zusammensetzt, ist das Tiefste im Deutschen aufgelockert worden. Der zweite Abschnitt ist ein Appell an die Fürsten. »Sie haben beinah die 701 Wahl, entweder allmächtig oder ohnmächtig zu werden«, weil jetzt das Volk auf seine Fürsten sieht und von ihnen alles erwartet. Wenn einzelne Fürsten Land verloren hätten, so wäre das nicht so schlimm im Vergleich zu dem Länderschacher, der bisher ohne die eiserne Notwendigkeit des Krieges getrieben worden. Wo echte Bindungen von Volk zu Fürst beständen, könnten sie durch kein Machtgebot zerrissen werden. Deutschland ist nicht umzubringen. »Wie Deutschland die geographische Mitte in Europa einnimmt: so hält es auch die sittliche; und wird daher mit Recht im Jungfrauen-Bilde als dessen Herz abgebildet, indes mancher andre Teil Europas nur Kopf ist oder ein Faust-Arm. Dieses gute ehrliche Herz, das fast alle europäische Kriege mit ihren Kanonen durchbohrten! – Jetzt hat es Blut genug verloren.« »Niemand sprach mehr gegen die deutsche Reichsverfassung als wir Deutsche sämtlich«, heißt es in dem dritten Abschnitt »Das deutsche Reich«. Es wird gezeigt, wie wenig noch die Idee eines deutschen Reiches in der alten Reichsverfassung verwirklicht wurde. »Wo indes echter alter deutscher Reichsgeist sich noch aufbewahrt – z. B. in den Hansestädten – da taste diese geistigen Reichs-Kleinodien keine neuernde Hand feindlich an. Laßt den letzten deutschen Eichen, in die leider immer die Kriegsgewitter schlugen, den wilden zackigen Wuchs.« Gegen die Zentralisation in einem preußischen Einheitsstaat ist dieses Wort gesprochen. Und nun kommt jenes nur lose verhüllte Bekenntnis, daß gerade durch Napoleons Eingreifen die deutsche Reichsidee gerettet werden kann: »Napoleon, oder wer es vermag, rette die letzten Deutschen und forme die übrigen.«

Der wichtigste ist der vierte Abschnitt »Vaterlands- oder Deutschlandsliebe«. Er handelt von dem Rheinbund, in dem Jean Paul die erste Verwirklichung eines neuen Deutschland 702 sieht. »Die Deutschen lieben jetzt in den Deutschen das Deutsche mehr als sonst«, heben diese wichtigen Ausführungen an. Nach den Erschütterungen des letzten Krieges mit seinem Zusammenbruch Preußens und Österreichs haben die Deutschen sich endlich erkannt. Die verschiedenen deutschen Völkerschaften waren bisher einander fremd. Aber was tut das! Auch die Griechen und die Italiener sonderten sich in Einzelstaaten ab. Jetzt aber gilt es, die Konsequenz aus unserm Zustand zu ziehen. Wir dürfen uns freilich nur dann mit den Griechen und den Italienern vergleichen, wenn jetzt die Bundesstaaten Deutschlands sich nach innen zu bilden und wenn sie nicht getrennte Gesellschaftsinseln oder höchstens verknüpfte Turniergenossen werden, sondern eine schöne Eidgenossenschaft in einem von Napoleon und einem langen Frieden beschützten Fürstenbund. »Seit den letzten Kriegen teilen wir wieder gern den gemeinschaftlichen Namen Franken und erinnern uns aus der Geschichte, daß die Mehrheit in Frankreich nicht Gallier, sondern versetzte Germanen sind.« Im Bunde mit dem Frankreich Napoleons sieht also Jean Paul hier die deutsche Zukunft. Er weist darauf hin, daß die Deutschen alle europäischen Reiche gegründet haben, und daß also europäische Kriege immer deutsche Bürgerkriege sind. Worin liegt also der Schwerpunkt des deutschen Wesens und wird immer dort liegen, auch wenn Deutschland und Frankreich in einem Staatenbunde miteinander vereinigt sind? In dem deutschen Wesen! In der Deutschlandsliebe! »Im Ganzen war nie die Deutschlandsliebe aus dem Mittelstande und aus dem Volke gewichen; dieses hielt sie lebendig im Herzen fest, jener sie auf dem Druckpapier; und nur die höchsten Klassen ließen sie öfters entfliehen.« Wenn wir also auch wieder zu Franken werden sollten, so würden wir doch Deutsche bleiben. Denn wir, ohne das französische Feuer für 703 persönlichen Glanz, ohne das englische Trotzgefühl selbständiger Freiheit, wir »sind nicht imstande, unsern Blick so zu beschränken als unsere Macht; sondern wir vermögen nur, mit Verzicht auf Massenschimmer, für das alte in Poesie und Leben durch alle Länder und Jahrhunderte hindurch gehende deutsche Attribut der Rechtlichkeit und Redlichkeit zu leben, zu eifern und zu streben . . . . Unsere Freiheitsliebe ist nur Rechtlichkeitsliebe, nicht Glanz und Raubsucht. Und solange dieser Sinn in uns nicht zu ermorden ist, werden wir Knechtschaft hassen und Vaterland lieben. Rechtlichkeit verknüpfte die Deutschen – eigentlich die Menschen – und wehe dem, der das Band durchschneidet, woran die Welt hängt und er selber! – Und Heil dem Fürsten, dem die Geschichte den neuen Beinamen ›Der Rechtliche‹ gewähren kann, und ich glaube, sie kann es seit zehn, besonders seit zwei Jahren«.

Im nächsten Abschnitt »Franzosen-Deutsche« werden diese Gedanken fortgesetzt. Jean Paul bekämpft die Furcht, als wenn wir Deutsche je aus den Tafeln der Geschichte ausgelöscht werden könnten. »Ich nenn' dies Furcht, denn eine ausgelöschte Nation wäre durch keine andere, nicht einmal durch die auslöschende zu ersetzen, geschweige aber die deutsche; ich habe indes nichts weniger als diese Furcht.« Wozu überhaupt diese ganze Gegensetzung? Die Franzosen sind Herren des Landes wie die Engländer Herren des Meeres. Wir aber die der beide und alles umfassenden Luft. Deshalb sind wir, »um ein Verquickungsmittel der spröden Völker zu sein, in alle Länder und Klimen ausgesät worden, wie die Juden, Jesuiten, Eisen und das Tier, das unsere Treue teilt«. »Wenn in der ganzen Geschichte die gebildete Nation die ungebildete auflöst und polypenartig in sich verwandelt, gleichgültig ob siegend oder besiegt; – so ist hier zwischen zwei gebildeten Nationen keine historische 704 Möglichkeit eines nationellen Vertilgungsfriedens. Unsre literarische Entgegensetzung und Eigentümlichkeit muß uns auch als politisch-nationelle bestehen lassen.«

Wir werden uns bei Besprechung der »Dämmerungen für Deutschland«, Jean Pauls nächster politischer Schrift, nach der Berechtigung dieser Ausführungen fragen. Sie erhalten erst von dem gesamteuropäischen Programm Jean Pauls aus ihren Sinn. Was er mit diesen Ausführungen hier zunächst wollte, war: dem deutschen Volke ins Bewußtsein zu hämmern, daß es nicht untergehen könne, wenn es als Nation geistig lebendig bleibt. Wir müssen uns vor Augen halten, daß das deutsche Volk, als Jean Paul die »Friedenspredigt« schrieb, jeden Halt in sich verloren hatte. Zu einem Befreiungskrieg aufzurufen, wäre damals ein müßiges Unterfangen gewesen. Noch stand alles unter dem Eindruck von Napoleons Unbesiegbarkeit, und die seit Jahrhunderten durch ihre Fürsten geknechtete deutsche Nation war zu stark von dem französischen Freiheitsrausch angeweht, als daß man sie damals bereits gegen Frankreich hätte sammeln können. Das Pochen auf die kulturelle Sendung Deutschlands war das einzige, was dem Volk die gebrochenen Schwingen wieder heilen konnte.

Von den Problemen gewissermaßen der Außenpolitik wendet sich Jean Paul jetzt zur Innenpolitik, und hier wird deutlich, daß er nichts so sehr im Auge hat als die Ertüchtigung des Volkes. Voraussetzung eines kraftvollen Staatswesens sei allerdings die Freiheit und die Liebe. »Wie in Frankreich ein willkürlicher Druck gleichsam die ganze Nation zum Feuern abdrückte und wie diese mit Blut, Tränen und Druckschwärze scharf eingeätzte Freiheitsbriefe nicht erlöschen, sondern wie sympathetische Tinte vor jeder Hitze wieder vortreten: so würde alles wiederkommen, wenn die Regierungen 705 die Völker zum Hassen antrieben. Schnell zusammengepreßte Luft entzündet sich. Wie nach Plato im Gastmahl jeder ein Dichter wird, wenn er liebt, so kann er auch einer werden – und zwar eines Trauerspiels, wenn er haßt, und dann kommt Petrikettenfeiers Tag.« Er warnt also davor, frühzeitig den Haß der Völker anzublasen, um nicht einen Petrikettenfeierstag heraufzubeschwören. Erst soll das Volk in Freiheit zu sich selber finden. Ein erstes Erfordernis der Freiheit sei die Preßfreiheit, und hier erhebt er warnend seine Stimme: »Oder soll den Bürgern eines Staates erst ein Feind desselben die Zunge lösen?« Wieder wird hier sichtbar, wie Napoleon dem deutschen Volke zuerst fast als ein Befreier erschien gegen die Knechtschaft unter den eigenen Landesherren, und wir wollen nicht die Augen davor verschließen, daß diese Auffassung nicht unbegründet war.

Jetzt aber wird der Dichter zum Bußprediger seines Volkes. Ein Abschnitt ist dem »Luxus« gewidmet. Das Land ist verarmt, aber gerade jetzt sei die Verführung zum Luxus ungewöhnlich groß, schon durch die »jedem Kriege nachfolgenden Überbereicherungen Einzelner«. Wir erkennen in diesem Spiegel unsere eigene Zeit wieder. Die schlimmste Verführung biete der »halbe Luxus«, wie er in dem verarmten und ausgesogenen Lande auf der Lauer läge. Das Volk müsse sich ganz zur Einfachheit zwingen. »Das reißende Untier des Luxus kann kein einzelner, sondern nur eine Menge bezwingen.« »Entsagungsgesellschaften« müßten sich bilden. »Keine Mutter sage, daß sie ihr Kind länger liebt, als sie es an der Brust oder an der Lippe hat, wenn sie das arme Wesen in eine verarmte und verdorbene Zeit mit den Bedürfnissen der Unersättlichkeit hinausschickt.« Der nächste Abschnitt ist der Geschlechts-Enthaltsamkeit gewidmet. Nicht nur das Beispiel eines erschöpften Volkes wirft er an die Wand, sondern 706 zugleich das Mittel, die Sittlichkeit zu steigern: »Es ist die heilige Darstellung der höheren Liebe, welche, wenn nicht den Mann, doch den Jüngling lange beschirmt.« Nach einem Ausfall auf den Egoismus, indem man deutlich ein Zielen nach Weimar hin zu verspüren meint, und nach einer Sammlung »Vermischter Gelegenheitssprüche«, die eine Fülle von treffenden, in die Tiefe gehenden Gedanken bergen, kehrt Jean Paul in dem letzten Abschnitt »Hoffnungen und Aussichten« noch einmal zu dem deutschen Problem zurück. »Jedes Volk vergeht wie ein faulender Schwamm, zerfließend, wenn es keinen Mut mehr hat,« ruft er den Deutschen zu; »ohne Hoffnung aber gibt es keinen.« Die Frage nach den Hoffnungen und Aussichten Deutschlands beantwortet er nun folgendermaßen: »Was heißt Aussichten Deutschlands oder Europens? die auf ein Jahr, oder auf ein Jahrhundert, oder ein Jahrtausend, oder auf die ganze Erdenzeit?« Man dürfe eben keine Zeit nennen. Nur Ideen geben eine Hoffnung. »Aber euch sollen Ideen statt der Jahre dienen, und Gott sei die Ewigkeit. Dann fürchtet, wenn ihr könnt.« Weit über den mechanischen Begriff des modernen Machtstaates spannt er seine Staatsidee, die allein über jede Furcht hinwegheben könne. »Wenn es eine bekannte Klage ist, daß die neuern Staaten mehr Staatskörper, die alten hingegen mehr Staatsseelen sind, welche mehr mit dem Geistigen bewegten und verknüpften durch Beredsamkeit, durch Sitten, durch Musik, nicht durch hölzerne Räderwerke des Formalismus: so fällt diese Klage auf keinen Staat gerechter und verstärkter als auf den deutschen . . . – unser politisches Verzichttun auf jedes Freigeistige und unsere Fluchtstrafen eines jeden Schritts aus dem Marschreglement oder der Schrittordnung der Kollegien-Schnecken – unser Exerzier- und Prügel und Alt-Jährigkeitswesen . . . alles dies, was dem deutschen Reichskörper so wenig 707 Reichsseele, spirit public, esprit de corps eingeblasen und was ihm so sehr alle Einheit des Lebensgefühls genommen, daß er wie der Krebs seine rechte Scheere mit der linken kneipend, diese als feindliche voraussetzend absprengte . . .: dieses Deutschen-Übel werden die Beispiele und die Folgen der Zeit, und die Nähe und die Einwirkung einer im politischen Leben so begeisterten Nation, wie wir im dichtenden, zu brechen dienen.« Der deutsche Staatsgeist wurde bisher von den Fürsten vertan. Wenn die Fürsten diesen Geist, statt ihn zu pflegen, vermodern ließen: »so ging der Staat, wie Pfaffius' Terzienuhr, noch fort, sogar noch eine Stunde, nachdem das Gewicht abgenommen war; dann stand er.« Der deutsche Staat ist heute so weit, daß er wie eine abgelaufene Uhr steht. Wie anders der Genius Napoleons! »Aber der jetzige Astralgeist und regierende Planet Europens (der Abend- oder Weststern) will aus seinem Geist Geister machen und damit die Körper nicht bloß erschaffen oder bewegen, sondern auch beseelen. Dieses Beispiel wird auf nähern und fernern Wegen auf uns Deutsche herüberwirken, wie Friedrich II. auf Joseph II., und wir fangen vielleicht in einem höhern Sinne als bisher Österreich das Militärjahr vom November an.« Deutlich wird es sichtbar, daß eine Stunde der Deutschen aufsteigt. Alle Verhältnisse sind neu und jung. »O werde doch – möchte man wünschen, wenn Wünschen spornte – die neue Zeit, die Jugend der Verhältnisse mit Feuer von den Fürsten und Schriftstellern gebraucht, um die echten Deutschen und das abgestumpfte Europa verklärt wieder zu gebären!« »Schafft und hofft; euch bleiben und helfen Gott und Tod.«

Im Frühjahr 1808 ließ Jean Paul die kleine Schrift hinausgehen. Schon im Sommer fing er eine Ergänzung an, die den Umkreis weiter spannte. Bis zum März 1809 arbeitete er an den »Dämmerungen für Deutschland«. Sie setzen 708 die Gedankenwelt der Friedenspredigt weiter fort, aber eine kleine Schwenkung war doch bereits eingetreten. Als Jean Paul seine Friedenspredigt schrieb, sah er in Napoleon den überragenden Genius, der Europa zu einem umfassenden Frieden hinführen würde. Als großen Befreier und Erneuerer Europas hatte er den Franzosenkaiser begrüßt. Inzwischen war es auch den mittel- und süddeutschen Staaten klar geworden, daß Napoleon kein Befreier, sondern ein Tyrann war. Nie wieder hat ein Eroberer den moralischen Glauben der Tiefsten und Besten einer Nation so leicht verscherzt wie der Korse. Den Beinamen des Gerechten wollte Jean Paul dem Eroberer verleihen, und er hatte geglaubt, in Napoleon einen Kenner des deutschen Wesens bewundern zu dürfen. Als er an die »Dämmerungen« heranging, war dieser Glaube zerstoben. Wenn jetzt von Napoleon die Rede war, geschah es nicht mehr in erhebenden Ausrufen der Bewunderung. Er zeigte auf, wie Napoleon bisher immer nur durch Übermacht gesiegt hatte und wie wenig überhaupt einem Eroberer die Palme der Menschheit gebühre. Damit aber waren seine übrigen Ideen nicht erledigt. Von Frankreich kam das Heil Europas und der Welt nicht. Um so mehr mußte es von Deutschland kommen. Es war wie immer im Lauf der Geschichte: was Frankreich der Welt versprochen hatte, mußte Deutschland ihr halten. In Napoleon war kein Stern erster Größe aufgestanden. Wo lagen nun die Weltziele?

Bereits im »Hesperus« hatte Jean Paul seine weltpolitischen Ideen in dem Schalttag »Über die Wüste und das gelobte Land des Menschengeschlechts« entwickelt. Noch einmal behandelte er dieses Problem in dem ersten Abschnitt der »Dämmerungen«: »Über den Gott in der Geschichte und im Leben«. Der Dichter versucht, in der Weltgeschichte ein göttliches Walten nachzuweisen. Darauf liegt aber nicht das 709 Schwergewicht. Das Große an diesen Ausführungen ist die weltgeschichtliche Schau, die er hier vor uns ausbreitet. Dieser Abschnitt gehört zu den tiefsten geschichtsphilosophischen Abhandlungen, die überhaupt jemals geschrieben wurden. »Wer mit Goethe sagt, das Schicksal will gewöhnlich mit vielem nur wenig: dem ist die Weltgeschichte ein Weltgericht, aber eines, das unaufhörlich verdammt und sich mit.« Allerdings blicke uns die Vergangenheit so grausend an wie ein aufgedeckter Meeresboden, welcher voll liegt von Gerippen, Untieren, Kanonen, modernden Kostbarkeiten und verwitternden Götterstatuen. Der ganze Kirchhof der Menschheit wird vor uns ausgebreitet, der unendlichen Zufälle gedacht, die sich in der Geschichte auswirkten, ununterschiedlich ob zum Bösen oder zum Guten. »Der besondere Saatwurf eines großen Individuums – entsprösse auch daraus ein seliges Jahrtausend – gilt vor dem Verhängnis soviel wie der Saatwurf eines völkervergiftenden Samens; zufällig wird der eine, zufällig der andere beregnet, nicht einmal der Giftsame ausschließlich.« In wirrem Durcheinander entstehen und vergehen die Völker. Und doch ist »das Bild vom Aufblühen und Abwelken der Völker« kein »volles«; »denn jedes Volk hängt heute zu gleicher Zeit bedeckt voll Blüten, Früchte, Knospen und Welk-Laub, und morgen wieder voll, nur von andern aber.« Und »ein Irrtum war noch der, daß man Vergänglichkeit der Staaten oder Ablauf der Zeiten auf die Völker selber anwandte, welche ja immer verjüngt auf den Gräbern ihrer Staaten aufsprießen. Woher kommt der Zickzacklauf der Geschichte? Erst müssen alle Völker unserer Kugel in einer gemeinschaftlichen Ausbildung nebeneinander stehen, damit kein rohes sich zersetzend in das gebildete mische . . . Ist einmal die Erdkugel, was physisch so unmöglich ist als bildlich notwendig, auf beiden Hälften erleuchtet: dann muß jenes 710 Kreislaufen von Steigen und Fallen nachlassen.« Ein ungeheurer Gedanke! Zuerst scheint nur der Optimismus des Rationalismus in dieser Anschauung wiederholt. Auch der Rationalismus meinte ja, durch die Vernunft die wilden Völker bezähmen und der Zivilisation einfügen zu können. Und wie zerbrach schon seine Hoffnung, kaum daß sie in einigen Geistern Wort geworden war. Aber vielleicht hat man mit dem Rationalismus ohne Not auch die große Idee der Menschheit über Bord geworfen. Ein ungeheurer Optimismus freilich liegt Jean Pauls Anschauung zugrunde, aber wird hier nicht auch ein ungeheures Ziel, ja das Ziel aller menschlichen Entwickelung ins Auge gefaßt? Wenn unser Leben auf der Erdkugel wirklich einen moralischen Zweck haben soll, bleibt dann ein anderes Ziel als das einer befriedeten Menschheit überhaupt übrig? Der Rationalismus hatte freilich eine falsche Methode angewandt, wenn er glaubte, ohne Kenntnis der menschlichen Psyche, rein durch bloße intellektuelle Überzeugung die Völker der Erde unter einem Zepter zu vereinigen. Aber müssen sich nicht ganz von allein durch die immer gesteigerte Berührung der Nationen die Niveauunterschiede auf der Erde allmählich ausgleichen? Es ist allerdings heute Mode, von einem zwecklosen Auf und Nieder der Geschichte zu sprechen. Und wirklich wird sich nur schwer nachweisen lassen, daß von den alten Ägyptern etwa zu unserer modernen Kultur eine stetig ansteigende Linie führe. Im Gegenteil spüren wir deutlich, wieviel uns die Geschichte im Lauf der Entwickelung von seelischer Kraft verzehrt hat. Und immer wieder sehen wir neue Völker aus dem Dunkel auftauchen, kurze Zeit vom Licht einer Kultur beschienen und in das Dunkel der Geschichtslosigkeit untertauchend. Unbewußt setzen wir diese Reihe zweckloser Erscheinungen bis in alle Ewigkeit rückwärts fort. Und doch, können 711 wir nicht in den wenigen Zehnjahrtausenden, die wir, seit dem Eiszeitmenschen etwa, die Erdentwickelung belauschen, beobachten, wie der Lichtgürtel der Zivilisation immer breiter wird, wie immer mehr Völker vom Licht der Geschichte beschienen werden? Wir brauchen nur anzunehmen, daß wir wirklich heute die Entwickelung der Menschheit auf der Erdkugel wenigstens in großen Umrissen überschauen, um einen gewissen Optimismus berechtigt zu finden. Nicht als ob wir uns seit den alten Ägyptern nennenswert entwickelt hätten, aber doch jedenfalls seit den Troglodyten. Und mag unsere Kultur qualitativ hinter der der Ägypter zurückgeblieben sein, quantitativ umspannen wir heute doch unzweifelhaft mehr und reichere Gebiete. Im allgemeinen ist die Erde heute von uns und unserm Wesen umspannt. Hier und da sahen wir das Licht der Zivilisation auf der Erdkruste im Laufe der Jahrtausende aufblitzen und wieder verschwinden, aber doch niemals mehr ganz verschwinden. Ein mattes Leuchten blieb immer zurück. Es muß einmal die Zeit kommen, da alle Völker sich gegenseitig kennengelernt haben und ihre Güter in freiem Verkehr austauschen. Und ein Hoffnungsschimmer bleibt uns immer, wenn wir die Verheerungen der Zivilisation und die Verrohung menschlicher Gier noch so hoch anschlagen: »Wenn Krieg, Seeräuberei, Knechtschaft, Parteiwut tausend Herzen auf einmal und lange besetzen, indes die Tugenden wie Engel nur einzelne begleiten: so hätten die Heere des Teufels längst die zerstreuten Engel und das Glück der Erde überwältigt und eingeschattet, wenn nicht ein unbekannter, Weltteile, Zeiten und Völker ordnender Geist dazwischen wehte, welcher bisher gerade umgekehrt ein wachsendes Heil aus dem weiten Unheil entwickelte.« Man braucht nicht mit Jean Paul den Schluß auf das Eingreifen eines bewußt waltenden Geistes mitzumachen, aber 712 eine vitale Kraft, die über alle zersetzenden Einwirkungen doch den Lebensstrom fort und fortleitet, wird man mit dem Dichter konstatieren müssen.

Die Ausbreitung der Zivilisation auf Erden wird von Jean Paul zum erstenmal als das umfassende Motiv des Weltgeschehens erfaßt. Über allen Konflikten der Gegenwart verliert er diese Menschheitsaufgabe, liebevoll das ganze Erdenrund zu umgreifen, nicht aus dem Auge. Auch Schiller suchte das Humanitätsideal zu retten. Sein »Seid umschlungen, Millionen!« verkündet das gleiche Ethos. Aber Schiller kam von Kants formalem Sittlichkeitsbegriff nicht los. Deshalb kann bei Schiller der Schwerpunkt des sittlichen Verhaltens nicht in der Materie liegen, sondern nur in der Gesinnung. Wo er über das Formale hinaus seinem Begriff einen Inhalt einfügen will, kommt er über ein allgemeines Pathos nicht hinaus. Ganz anders Jean Paul. Sein Ethos ist mit kosmischer Verantwortung beladen. Mitten in die Materie hinein verlegt er das Ideal. Von der konkreten Aufgabe her wird bei ihm das sittliche Verhalten bestimmt. Wir sprachen es schon anläßlich seines Naturgefühls aus, daß bei ihm als erstem die kopernikanische Weltanschauung sich in Lebensgefühl umgesetzt hat. Er erlebt den Menschen auf der im All schwingenden Kugel, er sieht ihn auf der Erdkruste sich ausbreiten. Er leidet das Leid jedes Einzelnen mit, belauscht den Stampfschritt der Geschichte. Er überschaut den Gang der Menschheit von der »Wüste in das gelobte Land des Menschengeschlechts«. Nur von dieser höchsten Warte der Anschauung aus kann sich ihm das deutsche Problem erschließen.

Er sieht sein Volk vor der entscheidenden Frage: »Was nun?« Trostlose Verzweiflung ist über Deutschland ausgegossen. Er aber holt aus der weltgeschichtlichen Situation die Waffen, dem Augenblick zu begegnen. Mit den einzelnen 713 deutschen Staaten hält er scharfe Abrechnung. Deutschland hat einen »Reichskörper« aber keine »Reichsseele«, aber es kann jetzt eine solche gewinnen. Weder Preußen noch Österreich allerdings verkörpern diese deutsche Seele. Aus dem Herzen Deutschlands muß sie herauswachsen. Napoleon hat die Hindernisse, hat das reaktionäre Preußen und Österreich hinweggefegt. Die Bahn ist frei zur Gestaltung des Neuen, das kommen muß. Wie aber muß das Neue kommen? Als ein Volk, das sich bewußt in den Dienst der Menschheit stellt. Die große Auseinandersetzung der Gewalt zwischen Deutschland und Frankreich kann nicht das letzte sein. Beide Völker wohnen gleichberechtigt nebeneinander. »Zwischen zwei gebildeten Nationen« ist »keine historische Möglichkeit eines nationellen Vertilgungsfriedens«, hieß es schon in der »Friedenspredigt«. Jetzt werden, wie schon in dem dortigen Abschnitt »Franzosen-Deutsche«, beide Völker tiefer miteinander verglichen. »Germanismen und Gallizismen« sind gegeneinandergestellt, der Vergleich wird in viele, psychologisch außergewöhnlich tief erfaßte Gegensätze hineingetrieben. Wie aber soll zwischen den beiden Völkern der Ausgleich erfolgen? Sie sind ineinander verkrampft. Irgendwie müssen sie sich auseinandersetzen. Die Antwort ergibt sich aus Jean Pauls Geschichtsphilosophie: Beide Völker gemeinsam müssen dem Fortschritt der Menschheit dienen. Und dennoch steht ein großes, ein gewaltiges Wort zwischen ihnen: der Krieg.

Krieg ist die gewohnte Form, in der die Völker sich zu begegnen pflegen. Wie steht Jean Paul zum Krieg? In der »Krieg-Erklärung gegen den Krieg« gibt er die Antwort.

Predigt der Dichter den Krieg oder den Pazifismus? Auch dieser Gegensatz empfängt von Jean Pauls Menschheitsidee erst seinen Sinn. »Allerdings müßte selber Klopstock sein Ja zu den Wunden und Flammen der wildesten Kriege geben, 714 sobald eine freie Schweiz oder von Tataren das gesittete Europa überfallen würde.« Und »eine Blumenerde« treibt das Schlachtfeld, »wo etwas Großes wächst und treibt, ähnlich der Fackeldistel, die sich bloß durch Stacheln nährt – es ist ein Feld-Held«. Und »es ist erhaben, wenn Römer und Karthager auf einem Boden fechten, den das Erdbeben unbemerkt unter ihnen erschütterte. Es ist noch erhabener, wenn bei Mutina die Veteranen der Legio Martia gegen zwei andere Veteranenlegionen anrücken, nach Zurücklassung von fünf Tironenlegionen, um reiner zu kämpfen – wenn diese zwei Heere alter Helden ohne Feldgeschrei und stumm wie Todesengel aneinander würgen, ein Würgengel am andern – wenn sie dann mit stummer Verabredung die müden Waffen einige Minuten niedersenken – und wenn beide Heere sich endlich schwer auseinanderziehen, jedes seine Hälfte als Leiche nachlassend«. Erhaben ist dieses Schauspiel sich bekämpfender Heere, erhaben ist der junge Held des Feldes, der siegreich die Fahne vorwärts trägt. Aber es ist eine Erhabenheit besonderer Art. Der Krieg ist »so gut erhaben als die Pest in Athen oder Marseille«, schreibt Jean Paul. Es ist das »tierisch Erhabene, das den ganzen Frühling mit einem ähnlich stillen Wechselmord der Tiere einnimmt«. Und hier erhebt er die große Frage: »Muß sich denn immer stehende Menschheit auf liegender erheben?« Freilich! Es ist nie anders gewesen. Aber doch, vielleicht wird es einmal anders sein. Und er zeigt, wie es einmal anders sein kann und muß. Und »hälfe keine Friedenspredigt zum ewigen Frieden: so würd' ich sie gleichwohl halten; ist der Wille nicht zu bessern, so doch vielleicht das Urteil«. Ein Wort, das sich vor dem intellektuellen Bewußtsein jedes Menschen aufrichten sollte. Wenn schon der Wahnsinn des Krieges weiter über die Erde rollen soll, so sollen wir doch um diesen Wahnsinn 715 wissen. Gewiß bedeutet »gegen den Krieg schreiben« »soviel als im Druck hart den Winter scharf rügen oder die Erbsünde«. Der Krieg ist die Form, in der die Völker sich bisher immer begegneten. Wir müssen es hinnehmen, bis die Erde von einer Menschheit umspannt ist. Und auch dann wird sich vielleicht dieser Wahnsinn in anderer Form erheben. Aber wissen sollen wir, daß der Krieg ein Wahnsinn ist.

Es ist also doch Pazifismus, was Jean Paul predigt, aber ein resignierter, der das unabwendbare Unheil hinnimmt. Ja noch mehr. In dem Gespräch mit Varnhagen von Ense tritt es deutlich in Erscheinung, und es ist auch sonst bezeugt: daß Jean Paul seinen Sohn Max, unter dem Druck der eisernen Zeit zeitweilig zum Soldaten zu erziehen suchte. Das Ethos des Krieges lag ihm keineswegs ganz fern. Welche Töne findet er für den Soldaten, als Albano, der Held des »Titan«, ins Feld ziehen will! Er weiß, und dieses Wissen ist ihm mit Flammenzügen ins Herz geschrieben, daß der Krieg mit Frankreich kommen wird. Und nur das eine wird dagegen eingewandt: daß es Wahnsinn ist. Aber ein Wahnsinn, der in seinen Bann zwingt und dem die Menschheit wieder einmal unterliegen wird.

Gegen den Krieg wendet sich die kleine Schrift, und sie wirkt, als wäre sie heute unter unsern gegenwärtigen Verhältnissen geschrieben. Alle Gründe, die man auch heute für den Menschenwürger ins Treffen führt, werden auch von Jean Paul angeführt und untersucht. Nie ist so schonungslos in das Wesen des modernen Krieges hineingeleuchtet worden als hier. »Das Unglück der Erde war bisher, daß zwei den Krieg beschlossen und Millionen ihn ausführten und ausstanden.« Das Volk allein hat die ganze Kriegsfracht als Quetschwunden zu tragen, es allein setzt in die Mordlotterie Leben und Güter ein. Die Staatserhebung durch 716 neue Länder ist für das Volk nur eine Kreuzerhebung. Kann das Volk denn glauben, daß zwei Millionen besser regiert werden als eine Million? Aber man sagt, der Krieg entwickelt und enthüllt große Völker und große Menschen. Dann aber hätten wir lauter große Völker, denn alle führten seit Kindesbeinen an Krieg. Nichts ist falscher, als den Krieg einen Erzieher zu nennen. »Der lange peloponnesische Krieg machte keine Sparter, aber wohl Lykurg; große Völker entstehen nur an großen Menschen; und eine große Idee, eine Gesetzgebung entwickelt die Völker ganz höher als ein Schlachtenjahr; und Preußens Monarchie wurde nicht von, oder im, sondern hinter dem kurzen Kriege und trotz demselben von dem langen Frieden gebildet.« Man verwechselt die erzieherische Wirkung der Kriege mit der erzieherischen Wirkung der Idee, um derentwillen ein Krieg geführt wird. »Bekamen denn die friedliebenden Schweizer ihre Wunderkräfte der Tapferkeit gegen Österreich und Frankreich von langen Kriegen oder nicht vielmehr von der Vaterlandsliebe her? – Erschuf den weichlichen, ungeübten Kriegs-Neulingen unter der Revolution der erste Feldzug oder nicht vielmehr die Freiheitsflamme die siegende Macht? Nicht der längste Friede an sich macht, wie die Schweiz zeigt, selbstisch, zaghaft, weichlich, sondern die Regierungsweise, welche nicht mit feurigen Ideen den scheintoten Staatskörper beseelt und anbrütet.« Immer wieder kommt Jean Paul auf diesen Grundgedanken zurück, daß erst von einer Idee her ein Staat seine Seele und sein Leben empfängt.

Wie aber steht es damit, daß der Friede »verweichlicht«? Ein Krieg »härtet nicht viel stärker aus als der Friede; denn dieser gibt dem Landmann, Seemann, Kaufmann, Handwerksmann, also der Überzahl, Eisenmolken länger zu trinken als die kurzen, mit Schwelgereien unterbrochenen Strapazen 717 einiger Kriegsjahre dem Soldaten«. Und weiter: »Der Körper sei siech, weich, weichlich und weiblich: setzt z. B. ein Mutterherz hinein, so ist er eine Bergfestung und die Kinder werden durch keinen Sturm erobert.« Immer wieder wird darauf hingewiesen, daß der Mut von der Idee, nicht von Abhärtung oder Stärke des Körpers herkommt. »Folglich kann ein Friede ebensogut durch eine Idee – es sei Freiheit oder Religion oder Ehre – den verzärtelten und genußhungrigen Körper gleichsam dem siegenden Geiste vorspannen, als ein Krieg ohne diese Idee den Geist im abgehärteten Körper gleichsam als einen gepanzerten Patienten hinlegt. – Das immer fortdauernde Kriegfeuer brannte doch die Kaiser-Römer nicht härter aus, sondern schmolz sie durch das Verquicken mit dem Golde der Welt nur flüssiger zusammen.« »Ein ewiger Krieg würde ganz anders entkräften als ein ewiger Friede.« »Wollte ein großer Staat nur die Hälfte seines Kriegsbrennholzes zum Bauplatz des Friedens verbrauchen; wollte er nur halb so viel Kosten aufwenden, um Menschen als Unmenschen zu bilden, und halb so viel, sich zu entwickeln als zu verwickeln: wie ständen die Völker ganz anders und stärker da.« »Keine Despotie hebt sich, wie wir ja an den letzten Römern sahen, auf Schwertern aus dem Seelenschlamm.«

Worin kann nun das Ziel eines Krieges zwischen zwei zivilisierten Völkern bestehen? Landerwerb ist bereits als lohnendes Ziel eines Krieges abgewiesen. Die Völker, die ihre Haut für Landerwerb zu Markte tragen, sind betrogen, denn in nichts bessert sich ihre Lage und ihre Regierung dadurch, daß weitere Einwohner ihnen zugezählt werden. Aber die Freiheit! Die Freiheit ist ein Kriegsziel, des vollen Einsatzes eines Volkes wert. Aber die Freiheit darf nicht darin bestehen, daß man eine andere Freiheit erdrosselt. Wie steht es also 718 nach dieser »Krieg-Erklärung gegen den Krieg« mit einem deutschen Krieg gegen Frankreich, mit einem Befreiungskrieg? Ausgesprochen wird es nicht, daß dieser Krieg notwendig und gerecht wäre. Ausgesprochen wird aber etwas anderes: daß er überflüssig sein könnte, wenn die Franzosen dem zermorschten deutschen Staatswesen wirklich nur die Befreiung bringen und nicht ein neues, unerträgliches Joch auferlegen wollten. Noch ist an Predigen eines Befreiungskrieges in Deutschland ja nicht zu denken. Noch steht Napoleon auf dem Gipfel seiner Macht, ist Deutschland zerklüfteter als je. Frankreich hat es in der Hand, die friedliche Verschmelzung mit Deutschland herbeizuführen. Der Rheinbund wird ja geradezu als ein Schritt zur deutschen Verwirklichung aufgefaßt. Wenn man es aber nun in Napoleon nur mit einem Eroberer zu tun hat, der in Eitelkeit und Erobererdrang die Welt unterjochen will? Dieser Fall wird deutlich ins Auge gefaßt. Und von hier aus erscheint die ganze Schrift auf einmal nicht an die Deutschen, sondern an die Franzosen gerichtet. Denn nicht die Deutschen sind es ja, sondern die Franzosen, die eine Welt mit Krieg überziehen. Wir müssen uns denken, daß Deutschland unter strenger Überwachung durch die Spione Napoleons stand. Es war ein fast unmögliches Unternehmen, etwas gegen die Macht Napoleons zu veröffentlichen. Eine »Krieg-Erklärung gegen den Krieg«, das sah freilich so aus, als ob das deutsche Volk zum friedlichen Ausharren ermahnt würde. Kein französischer Agent konnte dagegen etwas einwenden. Und gewiß hielt Jean Paul in seiner Schrift seinem Volk auch noch einmal die Furchtbarkeit eines Krieges vor. Niemand sollte den entsetzlichen Riesen unvorsichtig aufwecken. Aber im Grunde bedeutete der Titel doch noch etwas anderes: Eine Kriegserklärung gegen die Entfesseler des Krieges, gegen das 719 Eroberertum, gegen das napoleonische Frankreich! Deutschland war ja gar nicht in der Lage, einen Krieg zu beginnen oder ihm auszuweichen. Es war die unterjochte Nation. Es konnte den Druck ertragen bis zur äußersten Möglichkeit. Aber wenn er über diese Möglichkeit hinausging – und damals sah man bereits, daß er es tat –, dann blieb eben nichts anderes übrig, als diesen Druck abzuschütteln. Eine »Krieg-Erklärung gegen den Krieg«, aber der Krieg war Napoleon! In dieser Schrift wird ihm nicht mehr der Beiname eines Gerechten gegeben. Er ist der blutbefleckte Kriegsheld, mit dem hier die Abrechnung gehalten wird. Und dem deutschen Volke wird gezeigt, daß die Macht eines solchen Kriegshelden auf tönernen Füßen ruht. »Was hilft indes alles Predigen der Geschichte? Wie wiederholte sie nicht stets, daß alle von Blutcharakteren zusammengeschwemmte oder -geleimte Länder – z. B. eines Alexanders, Karls des Großen, der barbarischen und der orientalischen Ungeheuer – niemals beisammengeblieben, sondern daß häufig die, welche leimen geholfen, nachher geteilt und zerrissen haben? Immer glitten die durchstochenen, durch ein Schwert aneinandergereiheten Länder wieder davon herab, sobald die blutschwarze Hand, die es hielt, sich vor dem Tode senken mußte.« Ausdrücklich wird unter den Eroberern Karl der Große genannt. Unter Karl dem Großen verstand man aber damals – unter dem Druck der französischen Zensur – niemand anderen als Napoleon.

»Laßt uns einige Augenblicke mit einem friedlichen Beschauen der Helden zubringen.« Und nun wird der Kriegsheld, der große Eroberer unter die Lupe genommen. »Vor dem Pöbel steht freilich ein Mann erhaben da, der in seinem Bette liegt und Länder mit Ländern multipliziert oder dividiert; denn der Pöbel rechnet die gedachte Größe zur denkenden, die des Gegenstandes zur Anstrengung.« Aber es dürfte 720 im allgemeinen »mehr Kraft dazu gehören, einen Helden abzumalen, als einer zu sein; und Newton und La Place tragen höhere Kronen, als die erste dessen ist, welcher von ihnen angewandte Kriegsmeßkunst lernt«. Deutlicher konnte wirklich nicht mehr auf Napoleon gezielt werden! Und nun der »Mut« des Kriegshelden! Wir sehen sofort: es ist von keinem Krieger die Rede, der mutig in die vorderste Linie drängt, sondern von dem Feldherrn, der mit dem Ruhm anderer bedeckt ist. »Der Sieger wird genannt, aber selten die Sieger, mehr der befehlende Mut als der gehorchende, und den Überlebenden stirbt die Lorbeererbschaft der Gebliebenen zu. Vollends der Held selber, dastehend auf dem Hügel und seine Unsterblichkeit durch fremdes Sterben erobern sehend . . . Aber ist's nicht mehr Ehrenmut, zu sterben ohne Ruhm, als zu leben von Ruhm?« »Welche gewöhnliche Menschen waren nicht die Ziethen, Tillys usw. . . . so gibt man eben zu, daß der bloße Feldherr an und für sich kein großer Charakter oder Mensch . . . sondern der üppige, fette Sprößling einer Kunstfertigkeit sei.«

»›Ich habe eine Idee,‹ sagt Sokrates, ›und daran setz' ich mein Lebenswohl und mein Leben selber, denn fremdes darf ich nicht.‹ – ›Ich habe eine Idee,‹ sagt der Eroberer, ›und daran setz' ich Völker, Dörfer und Städte und erfülle meine und feindliche Landeskinder mit Blutdurst und Fleischhunger und leide kein fremdes Dorf, das nicht Tourtour, und keine fremde Gasse, die nicht Elendengasse heißt, und verdoppele die Saharawüste: mehr kann ich für eine Idee wahrlich nicht tun.‹« Hier ist der grandiose Zynismus des Kriegshelden, des Eroberers herausgehoben. Hier wird in den Nerv jenes Phänomens Napoleon gezielt, das die Welt blendete. Hier wird das Phantomhafte an dem Eroberer aufgewiesen. So deutlich, daß man erstaunen muß, wie die französische 721 Zensur den Pfeil nicht erkannte, der hier auf die Sehne gelegt wurde. Noch Anfang 1805 hatte Jean Paul mit sich gerungen: »Wüßt ich gewiß, daß Napoleon unrecht hätte . . . oh, so wäre es ja leicht, selbst ein Leben gegen ihn zu wagen durch Schrift.« Seit der »Charlotte Corday« hatte er mit dieser Erscheinung gerungen, die über Europa lag. Jetzt war er mit seinem Urteil fertig, und jetzt wagte er sein Leben gegen ihn durch Schrift. Er zeigte seinem Volke, von welch kurzer Dauer die gewaltsam aufgerichteten Reiche sind, die bald wieder von dem Schwert herabgleiten, das sie wie Trophäen aufgereiht hat. Mit einem Wort: er wies auf eine kommende Morgenröte hin. Er schrieb nicht Morgenröte, sondern »Dämmerungen für Deutschland«, in der kurzen Vorrede diesen Titel erklärend oder vielmehr nicht erklärend. »Es wäre für den Verfasser aus manchen Gründen kein angenehmer Umstand, wenn man den Titel des Buchs deutlich fände anstatt dunkel und vieldeutig.« Das hieß: er wollte nicht sagen, daß er die Dämmerung vor dem Tagen meinte, aber er ließ es durchblicken. »Wer konnte je den Frühgottesdienst einer Frühlingsdämmerung voll Lerchen und Blüten vergessen, wenn er ihn gefeiert hatte? Denn was war der ganze Tag dagegen? In der Dämmerung regiert das Herz.«

Hiermit sind nur die Hauptgedankengänge der »Dämmerungen« angegeben. In den folgenden Abschnitten schlägt er vor, politische Trauerfeste der ganzen Nation abzuhalten, hauptsächlich an dem Jahrestage der Schlacht von Jena. Oder mehr Augenmerk auf den Nachwuchs zu richten, in dem die jungen Genies einer kommenden Generation heranwachsen. Oder er legt den Fürsten nahe, die Schriftsteller als Gesandtschaftspersonal zu benutzen. »Was hätten die Fürsten nicht von diesen Botschaftern und Nuntien . . .von Glück und Unglück, Kraft und Krankheit eigener und fremder Staaten 722 erfahren können?« »Haben sie nicht die französische Revolution vorausgesagt – ferner die Jammerfolgen deutscher Einmischung in diese – die Erhebung Frankreichs? – die Napoleons usw.?« Auf allen Gebieten finden wir ihn als Anreger und Beleber der nationalen Idee. Und dennoch durfte ihm Herzog Aemil von Gotha schreiben, daß er nicht Lust habe, die Schulden Jean Pauls »um Deutschland und Frankreich zugleich« in den Lethe zu schleppen? Diese Äußerung zeigt, daß Jean Paul nicht überall richtig verstanden war. Oder war er verstanden worden? Er unterschied sich ja so vielfach von den Anblasern eines Revanchekrieges. Er wollte nicht Rache, sondern einen neuen Geist pflanzen. Er war einer der ersten, die den Gedanken eines kommenden Krieges mit einer kommenden Freiheit des deutschen Volkes verknüpften. Der Erbprinz von Weimar, dem die »Dämmerungen« gewidmet werden sollten, lehnte die Widmung dankend ab. Von Wiederherstellung ihrer alten Macht träumten die deutschen Fürsten, nicht von einer kosmischen Verantwortung gegenüber Menschheit und Geschichte. Und wenn sie schon, wie Jean Paul, dem Rheinbund zuneigten, so war es nicht, um von ihm den Weg zu einer Einheit des Reiches von innen her zu finden. Sie fühlten dort nur ihre Macht von Napoleon garantiert, nichts mehr.

 

Während Geister wie Lafontaine und Kotzebue von deutschen Fürsten unterstützt wurden, hatten weder der Herzog von Gotha, noch der von Weimar, noch der König von Preußen etwas für Jean Paul übrig. Unerwartet kam ihm jetzt gerade eine Hilfe von jenem merkwürdigen Manne, dessen jetzt außerordentlich erhöhte Machtstellung ganz von Napoleon abhängig war und der dennoch einer der deutschesten Fürsten jener Zeit 723 genannt werden muß: Freiherr Carl von Dalberg. Dalberg hatte bereits zu Herder in engen freundschaftlichen Beziehungen gestanden. Nach dem Zusammenbruch bei Jena war er Fürstprimas des deutschen Rheinbundes geworden, und wenige Jahre später wurde er Großherzog des von Napoleon errichteten Großherzogtums Frankfurt. Dalberg hatte sich bereits einer Reihe deutscher Dichter, die durch den Zusammenbruch Preußens ihre feste Existenz verloren hatten, angenommen. Zacharias Werner und Ludwig Börne waren unter andern von ihm freundschaftlich aufgenommen worden. Jean Paul übersandte Dalberg im Herbst 1808, zu welcher Zeit bereits eine zweite Auflage seiner »Friedenspredigt« notwendig geworden war, das Buch mit der Bitte, es ihm widmen zu dürfen. Es ist merkwürdig, daß Jean Paul gerade in diesem Günstling Napoleons den Hort der kommenden deutschen Wiedergeburt sah, und gewiß in der damaligen Zeit nicht ganz unberechtigt. In diesem Schreiben hatte Jean Paul zunächst ganz allgemein durchblicken lassen, daß er der einzige Dichter sei, der seinen Fürsten bisher nicht gefunden. Dalberg bat ihn darauf, sich deutlicher zu erklären, und nun bat Jean Paul ihn, durch Dalbergs unverhofftes Schreiben ermutigt, um eine staatliche Unterstützung. Dalberg antwortete umgehend mit einem bedeutenden Geschenk für den nächsten Winter und überraschte zum Frühjahr den Dichter mit einer Pension von 1000 Gulden jährlich. Im Jahr 1811 setzte Jean Paul durch, daß diese Pension aus dem allgemeinen Pensionsfond bezahlt wurde, nicht mehr aus Dalbergs Privatschatulle, weil er »nur Dalbergs deutscher Hand, aber keiner ausländischen das Erleichtern der Zukunft seiner Kinder zu verdanken haben wolle«. Es spricht für Dalbergs deutsche Gesinnung, daß er den Mut hatte, den Verfasser der »Dämmerungen« öffentlich unter den Pensionären des 724 Landes aufzuführen. Etwa um dieselbe Zeit schrieb Herzog Aemil von Gotha dem Dichter: »Ich will Ihnen sagen, daß Ihr feiles Buhlen um die Gunst der das Alte und Unmodige vergessenden Welt mich außerordentlich interessiert hat, und daß es mir damit geht wie der übrigen Welt, die Ihnen wohlwollend zusieht, wie Sie mit alten Lorbeeren um die grauen Locken wie eine Hetäre aus den Schmunzelfenstern de la petite maison und des petites maisons von zwanzig Journalen auf einmal herausblicken und ihre Weihrauch- und Nachtgefäße ohne Unterschied auf uns Deutsche herabsenken und schwenken.«

Dieser Vorwurf einer geschäftigen und fast journalistischen Vielschreiberei war um so niederträchtiger, da Jean Paul durch Geldnot gezwungen war, seine Kraft in kleinen Beiträgen für Zeitschriften und Taschenkalender zu verzetteln. Drei Buchhändlermessen waren durch die Kriegsläufte ergebnislos vorübergegangen, gewiß ein großer Ausfall für einen Autor, der gewohnt war, von der Hand in den Mund zu leben, und kein Vermögen zuzusetzen hatte. Aber abgesehen davon, daß diese vielen kleinen Arbeiten, die unverhältnismäßig gut bezahlt wurden, seine Einkünfte beträchtlich erhöhten, fand Jean Paul selbst allmählich Gefallen an dieser Art der Produktion, je mehr seine gestaltenden Kräfte nachließen. In gewissem Sinne setzten diese kleinen Arbeiten seine einstige Satirenschreiberei fort. Wie er in der ersten Höfer Zeit unaufhörlich an kleinen satirischen Abhandlungen gearbeitet hatte, so stellten sich ihm auch jetzt unaufhörlich Einfälle ein, die er zu kleinen Beiträgen verwandte. Zum Teil griff er sogar auf Stoffe aus seiner ersten Satirenzeit zurück wie etwa im »Pasquill auf die schönste Frau«. Eine Fülle von Gedanken ist in diesen Arbeiten niedergelegt. Es ist unmöglich, sie auch nur dem Titel nach alle aufzuzählen. Die wichtigsten 725 Erscheinungen der Literatur besprach er in seiner zugespitzt subjektiven Art. Dazwischen gibt es Aufsätze, die in auffälliger Weise bei ihm die Stelle der Lyrik einnehmen, sogar »Streckverse«, wie sie als Polymeter Walts zahlreich in die »Flegeljahre« eingestreut sind. Auch die »Dämmerungen« waren zunächst als Zeitschriftenaufsätze in dem »Deutschen Museum« des Hamburger Verlegers Perthes erschienen. Ihnen schickte er im Laufe der Zeit »Nachdämmerungen« und »Dämmerungsschmetterlinge oder Sphinxe« nach. Nicht immer behielt er den ernsten Ton bei. Er wollte das deutsche Volk nicht nur aufrütteln, sondern auch erheitern. Durchaus heiter war die »scherzhafte Flugschrift«: »Mars und Phöbus – Thronwechsel im Jahre 1814«, mit der er die siegreichen Truppen der Verbündeten nach Frankreich hineinbegleitete. Sie schloß seine politischen Schriften ab.

Welch eine Spannweite von den prophetischen Donnerworten der »Krieg-Erklärung gegen den Krieg« bis zu diesen letzten kleinen Flugblättern! Sie umspannte einen weltpolitischen Abschnitt von dem ersten Auftauchen bis zum Untergang Napoleons. Es war nicht zufällig, daß Jean Paul am Abschluß der großen Völkertragödie nur noch scherzhafte Töne fand. Ein tieferes Eindringen in die Weltlage versagte er sich. Zum Teil war die Entwickelung so verlaufen, wie er vorausgesagt und gewünscht hatte. Zum andern Teil aber mußte er sich sagen, daß von den seit der französischen Revolution aufgeworfenen Problemen kein einziges gelöst war. Kein einiges großes Deutschland war das Ergebnis des Völkerringens gewesen, sondern eine weiter zwischen den »Schildkrötenschalen« Preußen und Österreich eingeklemmte Nation. War diese Richtung dem Verfasser der »Friedenspredigt« entgangen? Wohl kaum. Aber er äußerte sich nicht mehr zur Weltlage. Er hob sein Herz aus den politischen 726 Verwickelungen der Zeit heraus, um fortan nur noch reine und losgelöste Dichtungen zu schreiben. Dieses Schweigen eines Geistes, der noch eben als Kämpfer in die Welt eingegriffen hatte, besagt mehr, als alle Zeitkritik tun könnte. Der Dichter des »Titan« verstummte, der Jünger Herders zog sich aus den Welthändeln zurück. Er mußte begreifen, daß die Zukunft den erstarkten Mächten Preußen und Österreich gehörte. Die Kantianer und die Romantiker beherrschten das Feld. Herder und er hatten der Zeit die großen Antriebe gegeben. Jetzt rollte sie in anderer Richtung weiter. 727

 


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