Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

18

Es ist der zwölfte Juni, heute heiratet Rosa. Jaja.

Benoni ging schon vom frühen Morgen an in einer feierlichen Stimmung umher, betrug sich gut und milde und war wortkarg. Wächter Svend, der bei ihm wohnte, bekam eine Arbeit angewiesen, die er allein, ohne Hilfe, fertigbringen konnte.

Benoni reinigte das Klavier und die Silbersachen. Sollte er Rosa diese Kleinodien senden? Er selbst hatte keine Verwendung mehr dafür. Es konnte auch wie eine Menge großer Geschenke eines Königs an eine Königin sein, und es würde allen denen die Mäuler stopfen, die jetzt in der Gemeinde umhergingen und die Nachricht ausstreuten, daß Benoni Hartvigsen bankrott sei. Zu Anfang hatten ja weder Benoni selbst noch der Diener des Lensmanns ein Geheimnis daraus gemacht, daß dieser Pfandbrief auf fünftausend Taler wertlos sei, und jetzt hatte es das Gerücht eilig damit, es vergrößerte das Unglück und sah sogar den Schuppen und das Großnetz für verloren an. Benoni wurde wieder mißtrauisch, es kam ihm vor, als näherten seine alten Genossen sich ihm wieder freier als früher und sagten nicht mehr Hartvigsen zu ihm. Oh, er konnte es sich aber doch wohl noch leisten, Rosa diese Kleinodien zu schenken.

Würde sie sie annehmen?

Jedenfalls konnte er ihr das Silberzeug schicken. Weich und sentimental stellte er sich vor, wie diese große Gabe Rosas Augen naß werden lasse: Oh Benoni, ich bereue, daß ich nicht lieber dich genommen habe! Sie hatte ja Ring und Kreuz auch nicht zurückgesandt, wie sie gesagt hatte, vielleicht wollte sie sie immer noch aus Liebe zu ihm behalten. Konnte er ihr nicht auf jeden Fall den Löffel und die Gabel senden, die er für sie eigens in Papier gewickelt hatte?

Sie würde wohl nichts annehmen.

Benoni schlenderte nach Sirilund, traurig und zerrissen, trank im Laden etliche Gläser Branntwein unter dem Vorwand, daß er krank sei, und kehrte wieder heim. Ziemlich angetrunken holte er jetzt das Psalmenbuch zu frommem Gebrauch hervor; da er aber befürchtete, Wächter Svend möchte seinen lauten Gesang hören, konnte er die Psalmen nur lesen, was ihn langweilte. Eine Weile stand er draußen auf der geschlossenen Veranda und nickte vor sich hin; aber ob er nun durch die gelben, die blauen oder die roten Scheiben sah, so saßen doch immer nur die Tauben da und machten ihm ihr geringstes Kunststück über die ganze Wand des Schuppens herunter vor. Ach, das war einmal so ganz anders gedacht gewesen, sowohl das mit den farbigen Scheiben als auch das mit den Tauben für Rosa  ...

Er wanderte über die Klippen. Ein Stück vor ihm geht der Leuchtturmwächter Schöning, abgearbeitet und verkrüppelt, gleichsam von allzu großer Armut abgemagert. Da ging er und streifte über die Klippen und hörte den Vögeln zu und schaute sich die wenigen Pflanzen an; gegen alle Gewohnheit begrüßte er Benoni und fing an mit ihm zu schwätzen:

Sie, Hartvigsen, der Sie sichs leisten könnten, Sie sollten diese Klippen kaufen, sagte er.

Sollte ich das? Ich habe schon genug Klippen, antwortete Benoni.

Nein, lange nicht genug. Sie sollten den ganzen Strand bis hinauf zur Gemeindegrenze kaufen.

Was sollte ich damit machen?

Er hat großen Wert.

Großen Wert?

Der ist innen voller Bleierz.

Und weiter? Erz! sagt Benoni geringschätzig.

Ja, Erz. Erz für eine Million. Im übrigen ist das Erz voll Silber.

Benoni sah den Leuchtturmwächter an und glaubte ihm nicht.

Warum kauft Ihr es nicht selbst?

Der Leuchtturmwächter lächelte welk und starrte geradeaus vor sich hin.

Erstens habe ich kein Geld dazu, und zweitens habe ich keine Verwendung dafür. Aber Sie, Sie haben das Leben noch vor sich, Sie sollten es tun.

Ihr seid doch auch nicht so alt.

Nein nein. Aber was sollte ich mit mehr anfangen, als ich habe? Ich bin Leuchtturmwächter auf einem Leuchtturm vierter Größe geworden, das ist gerade genug, um uns am Leben zu erhalten, wir brauchen nicht mehr.

Plötzlich fragt Benoni:

Habt Ihr mit Mack darüber gesprochen?

Und mit feinem Veracht antwortet der Leuchtturmwächter nur die beiden Worte:

Mit Mack?

Dann kehrt er um und wandert über die Klippen zurück.

Während Benoni in entgegengesetzter Richtung weitergeht, denkt er bei sich selbst: es ist ja gut, daß die Klippen innen voll Silber sind; sie gehören Aron in Hopan, er führt mit einem Fischer draußen in den Schären einen Prozeß wegen unerlaubter Benützung seines Bootes, und so ein Prozeß kostet Geld; erst neulich ging er mit seiner einen Kuh zum Rechtsanwalt auf dem Küstershof. Ja, ja, der Nikolai heiratet heute, da hat er wohl Verwendung für eine Kuh, er und Rosa.

Benoni wird von der Erinnerung an Rosa überwältigt. Er ist auf den Gemeindeweg gekommen, seine Augen werden feucht, er sieht und hört nichts und wirft sich plötzlich am Wegrand nieder  ... Bin ich nicht so gewesen, wie ich hätte sein sollen, sag mir das? Habe ich dich nicht im großen und ganzen so zart und vorsichtig behandelt, wenn ich dich anfaßte, um dir nicht weh zu tun? Ach, Gott sei mir gnädig!

Borre aekked!

Wieder ist es der Lappe Gilbert. Wie ein Weberschiff geht er durch den Gemeindewald hin und zurück und spinnt in den Ortschaften zu beiden Seiten des Gebirges seine Fäden aus.

Eben habe ich mich hergesetzt und ein wenig ausgerastet, sagt Benoni flau. Es macht Spaß, dem Espenlaub zuzuhören.

Ich komme von einer Hochzeit, sagt Gilbert. Ich traf einige Bekannte dort, sagt er.

Du warst wohl an der Kirche? fragt Benoni.

Ich war an der Kirche. Eine großmächtige Hochzeit. Mack war auch da.

Ja, das war er wohl.

Zuerst kam der Bräutigam. Er ritt.

Er ritt?

Dann kam die Braut. Sie ritt.

Benoni wiegte den Kopf hin und her; das sei großartig.

Sie hatte einen weißen Schleier, der beinahe bis auf den Boden reichte.

Benoni fiel in tiefe Gedanken. So, jetzt war es geschehen. Einen weißen Schleier, jaja  ... Dann stand er auf und ging mit dem Lappen Gilbert heimwärts  ... Jaja, der Benoni und ich müssen wohl damit zurechtkommen! sagte er. Komm auf einen Sprung mit in die Stube.

Danke, ich habe dort nichts zu tun und halte Euch nur auf.

Als Benoni Branntwein hinstellte und Gilbert einen Schnaps anbot, sagte der:

Ihr solltet Euch nicht in Unkosten stürzen!

Das bekommst du für deine große Neuigkeit, antwortet Benoni mit bebendem Munde. Und Glück zu mit ihr! sagt er.

Gilbert trinkt und läßt dabei die Augen durch die Stube schweifen, er spricht seine Verwunderung darüber aus, daß gewisse Leute nicht in einer solchen Stube wohnen wollen, wo es alle Arten von Reichtümern gebe. Benoni antwortet darauf, ach ja, es gehe ihm so leidlich, wie es einem armen Kerl eben gehen könne. Und er zeigt Gilbert das Klavier und erklärt ihm, daß es ein Musikinstrument sei, er zeigt ihm den mit Ebenholz und Silber eingelegten Nähtisch, schließlich kommt er sogar mit dem Silberzeug hervor. Dafür habe ich einhundert Taler bezahlt, sagt er.

Lange wiegt Gilbert den Kopf hin und her und begreift wiederum nicht, daß gewisse Leute so etwas von sich weisen mögen. Endlich sagt er:

Sie sah nicht glücklich aus in der Kirche.

Rosa? Nicht?

Nein. Es war gerade, als bereue sie es.

Benoni erhob sich, stand aufrecht vor Gilbert und sagte:

Hier siehst du den Ring. Jetzt soll er nicht mehr länger zum Ärgernis meines Lebens an dieser Hand sein  ... Er zieht den Ring von seiner rechten Hand ab und steckt ihn mit den Worten an die Linke: Hast du gesehen, was ich getan habe?

Feierlich antwortet Gilbert: Ja.

Dann holt Benoni den Kalender und sagt:

Du siehst den Strich hier? Den streiche ich jetzt aus. Ich streiche den Sylveriustag aus.

Sylveriustag, wiederholt Gilbert.

Du bist mein Zeuge gewesen, sagt Benoni.

Als dies getan ist, hat er nichts mehr, womit er sich feierlich machen könnte und versinkt in Schweigen  ...

Gilbert geht in den Laden auf Sirilund und erzählt von der Trauung, erzählt, daß niemand je so etwas Feines gesehen hätte, daß der weiße Schleier auf der Erde geschleift habe, daß die Braut den bekommen habe, den sie wollte, und glücklich ausgesehen habe. Und Mack sei auch mit in der Kirche gewesen.

Als der Lappe Gilbert auf Sirilund fertig war, trieb er sich noch eine Weile auf dem Weg zum Küstershof herum. Das Brautpaar kam, als es Abend wurde, Rosa war immer noch zu Pferd, aber Jung-Arentsen hatte sich wundgeritten und tappte nun zu Fuß kläglich nebenher, sein Pferd am Zügel führend. Es war ein heller Abend und warmes Wetter, die Sonne stand hoch am Himmel, doch die Vögel waren schon zur Ruhe gegangen.

Gilbert zog die Mütze vor dem Brautpaar ab. Rosa ritt weiter, Jung-Arentsen blieb aber stehen und übergab Gilbert das Pferd. Er war müde und sehr zornig.

Da, nimm das Tier und pflocke es irgendwo an. Ich habe mich genug damit herumgeschleppt.

Ich war in der Kirche und sah Euch, sagt Gilbert.

Wütend antwortet Jung-Arentsen:

Ich war auch in der Kirche und sah der Trauung zu. Ich hatte keine Gelegenheit, mich aus dem Weg zu räumen.

So hielten Rosa und Jung-Arentsen ihren Einzug auf dem Küstershof, wo sie wohnen sollten  ...

Einige Tage später fuhr Benoni mit dem Großnetz und all seiner Mannschaft auf Fischfang aus. Das Vertrauen auf sein Fischerglück war so groß, daß sich mehr Leute gemeldet hatten, als er brauchte. Wächter Svend war als des Netzbesitzers eigener Heuerknecht dabei.


 << zurück weiter >>