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Im Frühling sagte Mack selbst zu Benoni:

Ich will dir etwas sagen, mein guter Hartvigsen, du solltest dich verheiraten.

Als Benoni das hörte, zierte er sich und erniedrigte sich und antwortete:

Mich will niemand haben.

Aber du mußt dich natürlich nach deinem Rang verheiraten und darfst dich nicht fortwerfen, fuhr Mack unbeirrt fort. Ich wüßte schon eine Dame. Na, darüber sprechen wir nicht. Sag einmal, Hartvigsen, hast du bisher in deinem Leben schon einmal größere Verluste durch deine Geschäfte mit mir gehabt?

Verluste?

Es ist sonderbar. Du mußt ja ziemlich viel Geld haben; aber du setzt es nicht bei mir ein.

Ich habe keine so großen Mittel.

Du versteckst sie also in der Kiste? Das ist zu merkwürdig. So wie deine Vorfahren ihr Geld bei den meinen anlegten, solltest auch du es bei mir aufheben. Ich sage dies aus keinem besonderen Grund, aber das sind wir nun alle so gewohnt.

Zögernd antwortete Benoni: Die Sache ist die, daß alte Leute mir einen solchen Schrecken eingejagt haben.

So? Sie haben dir wohl von den Zusammenbrüchen nach dem Kriege erzählt? Mein Vater war ein großer Handelsmann, und er machte nicht bankrott. Und ich bin wohl auch kein kleiner Handelsmann, und ich bin nicht bankrott. Das hoffe ich wenigstens zu Gott.

Ich habe vorgehabt, mit meiner kleinen Summe zu Ihnen zu kommen, sagte Benoni.

Da ging Mack wieder ans Fenster und begann nachzudenken, wie er das zu tun pflegte; den Rücken drehte er Benoni zu. Dann fing er an:

Da kommt nun die ganze Gemeinde zu mir, und ich bin wie ein Vater zu den Leuten. Sie geben mir ihre Schillinge, bis sie sie wieder brauchen, und erhalten dafür eine Quittung mit meinem Namen darauf: Sirilund, den soundsovielten, Ferdinand Mack. Dann vergeht kürzere oder längere Zeit, sie kommen zurück und bitten um ihr Geld; und da wäre nun die Quittung, sagen sie. Gut, ich zähle das Geld auf, hier bitte! Dann sagen sie: Aber das ist zu viel, es war nicht so viel. Das sind die Zinsen, antworte ich.

Ja, die Zinsen, sagt Benoni unwillkürlich.

Selbstverständlich gibt es Zinsen. Ich verwende das Geld und ich verdiene wieder Geld damit, antwortet Mack und wendet sich vom Fenster ab. Und was nun dich betrifft, Hartvigsen, so handelt es sich ja bei dir um eine größere Summe. Da gebe ich dir nicht nur eine einfache Quittung, sondern einen feierlichen Revers, einen Pfandbrief. Ich sage das nicht mit irgendwelcher Absicht, ich pflege es nur so zu halten. Die großen Geldleute kann man nicht so behandeln wie die kleinen, sie müssen Sicherheit haben. Denn deine Summe ist ja nicht so, daß ich sie ganz einfach aus der Westentasche nehmen und jederzeit zurückgeben kann, deshalb bekommst du ein Pfand in Sirilund mit allen dazugehörigen Herrlichkeiten und allen Fahrzeugen.

Sie halten mich zum Narren! ruft Benoni verwirrt aus. Dann verbesserte er seine Respektlosigkeit und fügte hinzu: Ich meine, Sie sollten so etwas nicht sagen. Das ist vollkommen übertrieben.

Benoni hatte von Kind auf niemals etwas anderes gehört als eine Stimme über Macks und Sirilunds Größe. Allein der Handelsplatz mit den Speichern, der Mühle, dem Recht zum Branntweinverkauf, der Dampfschiffhaltestelle, der Bäckerei und der Schmiede war sein geringes Geld vielfach wert; dazu kam der Hof, »der Grund und Boden«, mit den Eierholmen, Beerenmooren und dem Trockenplatz; endlich die Galeasse und die beiden Jachten.

Zur vollen Verwirrung Benonis antwortete Mack milde und überlegen:

Ich sage nichts anderes, als daß es bei mir so gemacht wird. In dieser Beziehung könntest du deines Geldes sicher sein. Aber wir wollen nicht mehr davon reden.

Benoni stammelte:

Mein Gott, lassen Sie mich ein wenig darüber nachdenken. Wäre ich nicht von den alten Leuten so abgeschreckt worden  ... Aber wenn Sie  ... ich habe große Lust dazu.

Wir wollen gar nicht mehr davon reden. Weißt du, an wen ich eben gedacht habe, als ich am Fenster stand? An mein Patenkind Fräulein Rosa Barfod. Sie fiel mir eben ein. Hast du ein wenig an sie gedacht, Hartvigsen? Die jungen Leute sind sonderbar, sie reiste nach Weihnachten nach dem Süden und sollte ein Jahr lang fortbleiben, aber jetzt ist sie wieder heimgekommen. Vielleicht zieht sie etwas hierher. Na, adieu Hartvigsen. Du kannst ja über das mit dem Geld nachdenken, wenn du magst. Ganz wie du willst  ...

Nun aber geschah es, daß Benoni einen Tag nach dem andern verstreichen ließ, ohne Macks Wunsch wegen des Geldes nachzukommen. Lassen wir ihm Zeit! dachte wohl Mack auf Sirilund, der glatte Aal in jeglichem Handel und Wandel; lassen wir ihn nur die Antwort noch überlegen, dachte er wohl. Denn er hatte keine Lust, Benoni einen Boten zu senden.

Benoni war nicht gerade auf den Kopf gefallen, er verstand Macks Andeutungen über Rosa sehr wohl. Als er tage- und nächtelang gegrübelt hatte und immer pfiffiger geworden war, entschloß er sich, Mack zu umgehen und auf eigene Faust zu handeln. Nein, er besaß durchaus keinen so großen Reichtum, wie Mack es darstellen wollte; wo sollte er ihn auch hernehmen? Hoho, Benoni war nicht umsonst früher schon ein schlauer Kerl gewesen.

Er machte sich fein, zog zwei Joppen und das Sonntagshemd an und wanderte über das Gebirge. Er ging geradewegs auf den Pfarrhof. Schon im voraus hatte er sich ausgerechnet, daß der Pfarrer in der Annexgemeinde sein würde.

Er ging in die Küche und gab vor, auf einer Geschäftsreise zu sein, er müsse über den Sund. Ob er beim Pfarrer ein Boot zu leihen bekäme.

Der Pfarrer sei fort, antworteten die Mädchen.

Ob denn nicht die gnädige Frau oder Fräulein Rosa daheim wären? Grüßen Sie nur von Benoni Hartvigsen.

Das Boot bekam er. Aber weder die Pfarrerin noch Rosa kamen heraus und sagten: Guten Tag, guten Tag, Hartvigsen, bitte schön, komm doch in die Stube herein!

Das scheint nicht zu helfen! dachte Benoni. Er ruderte über den Sund, trieb sich eine Weile im Wald umher, ruderte wieder zurück und ging abermals in die Küche des Pfarrhofs, um für das Boot zu danken.

Es war ganz das gleiche, nicht ein Schimmer von der Herrschaft war zu sehen.

Das hilft gar nichts! dachte Benoni auf dem Heimweg über den Berg. In vielen Dingen war er wie Eisen und Stahl, aber den Vornehmen gegenüber wurde er mutlos und verzagt. Was soll ich tun? dachte er weiter in bezug auf Rosa. Soll ich mich nach meinem Wohlstand verheiraten, oder soll ich mich mit einem Mädchen aus meinem früheren Stand verheiraten und zu einem Nichts herabsinken?

Daheim machte er sich viel zu schaffen, er hatte vier Zimmerleute, die ihm einen großen Schuppen für das Großnetz bauten. Aber sein Sinn war deshalb nicht leicht und hell, seine Unzufriedenheit nahm zu, er wurde mißtrauisch, es schien ihm, als fingen die Leute an, ihn wieder Benoni statt Hartvigsen nennen.

Womit hatte er diese Schmach verdient!

Eines Tages sagte Mack zu ihm:

Du baust einen Schuppen, das hättest du nicht nötig gehabt. Du hättest wie bisher dein Netz bei mir aufbewahren können. Aber etwas anderes ist, daß du dein Haus vergrößern solltest. Wenn du dich nach deinem heutigen Stand verheiraten willst, mußt du doch noch etliche Zimmer haben. Die Damen wollen das so.

Sie sprachen noch eine Weile darüber, und plötzlich hatte Benoni den Einfall, das mindeste, was er jetzt tun könne, sei, Mack Vertrauen zu zeigen und ihm das Geld zu bringen. Auf dem Heimweg überlegte er noch einmal alles: Angesichts des mächtigen Pfandes, das Mack dagegensetzte, bestand ja keine Gefahr für das Geld, im Gegenteil, es machte ihn zu Macks heimlichem Teilhaber und Mitbesitzer an Sirilund. Ach, dieses Geld, wenn das Glück es wollte, machte es den ärmsten Teufel zum Herrn.

Benoni brachte seinen Reichtum in einem Sack daher, es war viel Silber; er wollte nicht an der Summe knausern; hatte Mack die große Meinung von ihm, daß er ein reicher Mann sei, so sollte er keineswegs unrecht bekommen. Deshalb kratzte er alles zusammen, bis es glatte fünftausend Speziestaler waren, um die Summe recht groß zu machen.

Du meine Güte! sagte auch Mack, um ihm zu schmeicheln.

Sie müssen meinen schäbigen Geldbeutel entschuldigen. Ich habe keinen schöneren, bemerkte Benoni und schwoll vor Stolz.

Mack ließ ihn sich nicht weiter brüsten:

Aber all dies Silber! sagte er. Die Geldscheine stehen doch jetzt pari.

Wie stehen sie?

Pari. Das heißt, sie sind genau so gut wie Silber. Das weißt du doch. Na, Silber ist ja am besten.

Ich glaubte doch, daß es einigermaßen gutes Geld wäre, was ich hier bringe, sowohl das Silber wie das Papier, sagte Benoni ein wenig verletzt.

Aber Mack wollte ihn in seinem Übermut nicht noch mehr bestärken, er antwortete kurz: Selbstverständlich und fing zu zählen an. Dies nahm lange Zeit in Anspruch, da standen dann große Stapel von Talern, die auf einen Haufen zusammengeworfen und wieder in einen Sack geschüttet wurden. Dann wurden die Scheine gezählt und dann ging Mack mit wahrer Feierlichkeit ans Werk und schrieb einen großen Revers.

Dieses Dokument mußt du gut aufbewahren, sagte er bedeutungsvoll zu Benoni  ...

Jetzt aber geschah auch das große Wunder, daß Rosa nicht nur zu Besuch nach Sirilund kam, sondern geradezu anfing, Benoni mit guten und gedankenvollen Augen ins Gesicht zu blicken, als grübelte sie über ihn nach. Eines Tages kam sie an den Strand hinunter und sagte:

Ich will mir nur deinen neuen Schuppen ansehen.

Da ist nun weiter nichts Großes für Sie zu sehen, antwortete Benoni in seiner ersten Verwirrung und Freude. Als er sich dann später wieder ein wenig erholt hatte, sagte er: Ich will auch mein Haus vergrößern.

Wirklich! Was baust du denn an?

Ich habe gemeint, eine Stube und eine Kammer, antwortete Benoni vorsichtig.

Das ist vollkommen richtig, sagte Fräulein Rosa freundlich. Dann willst du dich wohl verheiraten?

Das kommt nun noch darauf an.

Ich weiß ja nicht, wie die ist, die kommen wird, aber an deiner Stelle würde ich die Kammer recht groß und hell bauen.

Ja, sagte Benoni. Würden Sie das so haben wollen?

Ja.

Ehe sie ging, wurde Benoni mutig und sagte:

Wollen Sie es nicht verschmähen, herzukommen und sich alles anzusehen, wenn es fertig ist?

Dann baute Benoni die Stube und die große Kammer, und er übertrieb ein wenig und baute die Kammer ebenso groß wie die Stube. Als Rosa es sich ansah, war er innerlich ein Hasenfuß und fürchtete, es könnte nicht recht sein. Aber wiederum sagte sie freundlich, es sei so, wie sie es sich gedacht habe.

Genau an dieser Stelle und in diesem Augenblick hätte er nun wohl ein Wort sagen sollen, aber er sagte es nicht. Am Abend ging er zu Mack hinüber und bat ihn, es zu sagen, – wenn er meine, daß irgendeine Aussicht bestehe.

Mack brachte mit klaren und kurzen Worten Benonis Anliegen vor, lächelte ihnen beiden ein wenig zu und verließ das Zimmer.

Da saßen sie nun allein.

Ich glaube nicht, Benoni, daß es dir zur Freude gereichen wird, sagte Rosa ganz offen. Ich bin lange Zeit mit einem Mann unten im Süden verlobt gewesen, nicht umsonst war ich so lange von zu Hause fort.

Dann wollen Sie sich womöglich mit ihm verheiraten?

Nein, daraus wird nichts. Daraus wird nie etwas werden.

Ja, wenn Sie sich dann mit mir begnügen wollen? Aber ich bin nicht anders, als Sie mich hier sehen, ein einfacher Mann. Ich kann es mir also gar nicht erhoffen.

Rosa dachte nach und blinzelte langsam mit den Augen.

Wir können es vielleicht versuchen, Benoni. Mein Pate findet, ich sollte es tun. Aber das muß ich dir sagen, fügte sie lächelnd hinzu, du bist nicht meine erste Liebe.

Nein, nein, das kann ich ja auch nicht erwarten. Aber darauf kommt es mir auch nicht an, antwortete Benoni seinem Vorstellungskreis entsprechend.

So waren sie einig  ...

In den folgenden Wochen wurde viel über dieses ungewöhnliche Ereignis gesprochen, wohl sei es vielleicht Gottes Fügung, trotzdem aber sei es merkwürdig. Doch bei den Küstersleuten sagte man ganz offen: Gottes Fügung? Das hat der Hering gemacht. Wäre Benoni nicht durch den Hering so bodenlos reich geworden, hätte er sie niemals bekommen.

Denn die Küstersleute hatten ja den Sohn, der weit eher hätte Rosa, die Pfarrerstochter, bekommen sollen.


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