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17

Benoni kam von den Schären wieder heim und fing sofort an, zum Fischfang zu rüsten. Zwar hatte er keine bestimmten Nachrichten über den Hering bekommen, aber er tat so, als wisse er ein wenig mehr als die anderen; es war daheim auch wirklich nicht mehr länger auszuhalten für ihn, seit die ganze Ortschaft von seiner Erniedrigung wußte. Der Gedanke, zur See zu gehen, lebte nicht mehr in ihm.

Der Diener des Lensmannes kommt zu ihm und berichtet vom Thing und von der Verlesung des Pfandbriefes. Nein, es sei wie ein Verhängnis gewesen, es sei ihm nicht mehr möglich gewesen, das Dokument vor der Verlesung zurückzuerhalten, da es bereits in das große Pfandregister eingetragen gewesen sei, ehe das Thing nach Sirilund gekommen war. Da mußte alles seinen Gang gehen.

Verzagt saß Benoni da und hörte zu: So hatte er sich vielleicht selbst um jede Vermittlung durch Mack bei Rosa gebracht. Er erfuhr ferner, daß nur wenige Leute bei der Verlesung zugegen gewesen seien, nur die Thingleute selbst und noch einige Männer. Es war ganz still verlaufen.

Ich habe übrigens das Dokument hier in meiner Tasche, sagte der Diener des Lensmannes.

So, habt Ihr das, sagte Benoni und wartete darauf, es zu erhalten.

Aber der andere beeilte sich nicht, er saß da, räusperte sich und kniff den Mund zusammen.

War es teurer, als wir gedacht hatten? fragt Benoni endlich und ist bereit, mehr zu zahlen.

Nein, es war die Summe nach dem Gesetz.

Benoni wartet ein wenig und sagt:

Laßt es mich doch nur gleich ansehen.

Der Diener des Lensmannes fängt an:

Ich könnte es in diesem Augenblick sogleich vorlegen, aber das würde sich nicht schicken. Ich will menschlich vorgehen.

Benoni starrt ihn an und fragt:

Was Ihr nicht sagt! Was ist denn mit dem Dokument los?

Endlich antwortet der Diener des Lensmannes:

Das ist los damit, daß es ein schlechtes Dokument ist. Ich möchte sogar behaupten, daß es nicht gut genug ist für all Euer Geld.

Laßt es mich sofort sehen.

Wollte ich wie ein Untier vorgehen, so würde ich es jetzt sofort offen vor Euch hinlegen. Aber ich will Euch jetzt langsam darauf vorbereiten, daß Mack auf Rosengaard schon seit langem, bereits vor Euch, ein schweinemäßiges Pfand auf Sirilund hat.

Ihr scherzt! ruft Benoni entsetzt aus.

Endlich legt der Diener des Lensmannes den Schein vor. Da stand, daß er nach aller Form an dem und dem Tag auf dem Thing verlesen worden war. Dann waren all die früheren Haftungen auf Sirilund samt allen Herrlichkeiten und den drei Fahrzeugen angeführt: Es war Mack auf Rosengaard, der das Ganze besaß und es eigentlich seit mehreren Jahren besessen hatte, die Totalsumme belief sich auf achtzehntausend Taler. Die Aufzeichnungen waren mit Steen Thode unterschrieben.

Das traf Benoni wie ein Schlag. Er starrte auf diese geschriebenen Worte und fing an, sich mit Bagatellen abzugeben: Steen Thode, das war nicht der Hardesvogt, wer konnte Steen Thode sein. Achtzehntausend Taler, jaja; aber dann war ja der Mack auf Sirilund gar kein mächtiger Mann, er gehörte dem Bruder, dem Mack auf Rosengaard, mit Haut und Haar.

Jetzt fragt es sich eben, ob das Pfand, das Ihr bekommen habt, dreiundzwanzigtausend Taler wert ist, sagte der Diener des Lensmannes.

Benoni fing an zu überlegen:

Nein nein, sagte er, das ist es nicht.

Nein, das ist auch meine Meinung und die des Lensmannes; wir haben darüber im geheimen gesprochen. Dreiundzwanzigtausend, das ist schrecklich.

Ist das erlaubt, was Mack da getan hat?

Das kommt nun darauf an. Auf dem Papier steht: empfangen. Der Mack hat fünftausend Taler gegen das und das Pfand empfangen. Ihr habt ja das Pfand wohl anerkannt?

Benoni hörte nicht mehr auf ihn, sondern fragte:

Steen Thode, wer ist das? Ist das ein gesetzlicher Name?

Nach umständlicher Erklärung kommt der Diener des Lensmannes zu dem Schluß, daß der Bevollmächtigte zur Unterzeichnung berechtigt war; aber ein Hardesvogt war er nicht, weit entfernt davon.

Dreiundzwanzigtausend! Mack ist ja ein verarmter Mann, sagt Benoni plötzlich. Da ist es ja viel besser, ein bißchen weniger zu haben und es selbst zu besitzen  ... Da aber erinnerte er sich auf einmal seiner eigenen fünftausend Taler, die jetzt als verloren betrachtet werden mußten, und er erhob sich, stand einen Augenblick bleich und verwirrt da und sah das wertlose Papier auf dem Tisch an, worauf er sich wieder setzte.

Es kann ja sein, daß er Euch nach und nach etwas zurückzahlt, meinte der Diener des Lensmannes, um ihn zu trösten.

Wo soll er es hernehmen? Er besitzt ja nicht einmal die Kleider auf dem Leibe. Es ist viel besser ein bißchen weniger zu haben und  ... Der Mack ist ein Lump, glaube ich.

Das zu sagen ist nun nicht erlaubt. Es kann ja sein, daß er bezahlt  ...

Ein Lump, ein ausgemachter Lump!

Ah, diese Bezeichnung war stark und gut. Es lag auch etwas Herabsetzendes darin für den hochmütigen Mack, deshalb kommt sie Benoni aus so vollem Herzen.

Er wird ja wohl bezahlen, sagte der Diener des Lensmannes beruhigend und stand auf; er wollte machen, daß er weiter kam.

Aber Benoni war äußerst aufgeregt:

Man sollte nichts mit ihm zu schaffen haben. Eigentlich sollte man einen solchen Menschen aus seinem Mund ausspucken und sagen: da liegt er!

Als Benoni allein war, überlegte er eine Weile, was er nun tun sollte. Er beschloß, geradeaus auf Macks Kontor zu gehen und mit ihm abzurechnen. Er steckte den Pfandbrief in die Tasche und begab sich nach Sirilund. Unterwegs kam ihm der Gedanke, erst Wächter Svend aufzusuchen.

Aber dem armen Wächter Svend ging es selbst gerade nicht allzugut, so daß er niemand aufheitern konnte. Daran war wieder Ellen, das Stubenmädchen, schuld.

Gestern abend stand Wächter Svend bei seinem Mädchen und schwätzte mit ihr, da wurde ihr gerufen, daß Mack baden wolle. Wächter Svend versucht sie zurückzuhalten: laß ihn allein baden, sagte er, was hast du dabei zu tun? Aber Ellen wußte das besser und machte sich los. Wächter Svend folgte hinterher, auf leisen Sohlen und mit zurückgehaltenem Atem steht er oben auf dem Gang vor Macks Zimmer und hört mit seinen beiden Ohren zu.

Heute morgen faßt er Ellen ab und sagt:

Ist Mack auf?

Nein.

Du hast ihn gestern abend gebadet?

Ja, ich rieb ihm den Rücken mit einem Handtuch ab.

Du lügst. Ich stand auf dem Gang und hörte es.

Pause.

Ihr wollt mich alle miteinander haben, sagt Ellen, das Stubenmächen, still, ich glaube, Ihr seid verrückt.

Na, aber kannst du ihm denn nicht davonlaufen?

Das geht doch nicht so einfach. Ich muß ihm ja doch den Rücken abreiben.

Da kocht die Wut in Wächter Svend über, er schnaubt und stößt hervor:

Oh, du bist ein Schwein, das bist du.

Mit großen Augen und hochaufgezogenen Brauen stand sie da und hörte seine Worte an; es war, als fände sie Wächter Svends Scheltworte unglaublich.

Ich werde dir eines Tages noch einmal das Messer hineinrennen.

Du sollst nicht so zornig sein, sagte sie leise; er läßt mich schon in Ruhe.

Nein, er läßt dich nicht in Ruhe.

Und du und Bramaputra? die mit dem Kraushaar? sagte Ellen mit Verachtung.

Wächter Svend fragt wieder:

Ist Mack auf?

Nein.

Ich werde mit ihm auf dem Kontor reden.

Das solltest du nicht tun, sagt Ellen, ihm abratend. Du machst uns beide unglücklich.

Das war ihm wohl auch schon im stillen durch den Sinn gefahren; als er aber dann angestellt wurde, die Federn in Macks Badekissen in der Sonne zu trocknen, da wurde er, während er so dabei stand, ungewöhnlich zornig. Er vergaß, daß er auf dem Hof hier ein Mädchen für alles war und zu allem möglichen angestellt werden konnte.

Als Mack aufs Kontor ging, folgte Wächter Svend ihm nach, aufgeregt und zügellos. Er fing sofort von der Sache zu reden an: er heiße Svend Johan Kjeldsen und man nenne ihn Wächter Svend; er werde Ellen, das Stubenmädchen, heiraten, sie dürfe Mack auf keinen Fall baden, und er selbst wolle nicht danach die Federn trocknen  ... Verstehen Sie, sie soll nicht Ihr Schwein sein, so wahr ich Svend Johan Kjeldsen heiße. Denn so heiße ich. Und wollen Sie meine Geographie wissen, so bin ich aus der Stadt. Ja. Da bin ich her, falls Sie es wissen wollen.

Mack sah langsam mit einem Paar Stahlaugen von seinen Papieren auf und fragte:

Wie heißt du, sagtest du?

Svend wird verwirrt, wiederholt die Frage und antwortet:

Wie ich heiße? Svend Johan Kjeldsen. Und wie gesagt Wächter Svend.

Gut, du kannst an deine Arbeit gehen, sagte Mack.

Svend griff bereits zur Türklinke.

Nein, erwiderte er, ich gehe nicht an die Arbeit.

Gut, du kannst deine Abrechnung bekommen.

Mack nahm seinen Federkiel und rechnete, zählte das Geld ab und bezahlte. Dann öffnete er die Türe.

Und Wächter Svend knurrte zwar, aber er ging.

Als er aber dann mit seinen Schillingen und seiner Verzweiflung dastand, ging er zum Branntweinausschank im Laden und goß sich ein paar tüchtige Schnäpse hinter die Binde. Da wurde er so stark und mutig. Er ging in die Gesindestube hinauf, spielte sich auf und zankte mit den Knechten, drang zu den beiden Greisen ein, zu Fredrik Mensa und Mons, die nun beide im Bett lagen und Nahrung zu sich nahmen und dann und wann ein Wort sagten, gleichsam wie Menschen.

Ihr müßt aufstehen und Holz hacken, sagte Wächter Svend zu ihnen; ich habe damit aufgehört.

Aufgehört, sagte Fredrik Mensa.

Halt dein Maul! schrie Wächter Svend. Wirst du wohl aufstehen? Soll vielleicht die arme Ellen wieder in den Schuppen gehen?

Fredrik Mensa liegt da, Speisereste und Speichel im Bart, er denkt ernsthaft nach und blinzelt mit den Augen, dann sagt er:

Drei Meilen bis zum Funtus.

Haha, lacht Mons drüben in seinem Bett.

Der Arme, er hatte ja auch seine Vergnügungen. Er fand wohl, daß die Wand so merkwürdig hoch hinauf ging, ganz bis an die Decke  ...

Wächter Svend kehrte zur Gesindestube zurück, singend und große Töne davon redend, was er nun zu tun gedächte: Ich trockne die Federn nicht, in alle Ewigkeit nicht! sagte er. Wißt Ihr, was ich tue? Nein, das wißt Ihr nicht, denn Ihr seid wie Tiere. Aber ich will singen. Kommt alle miteinander her, jetzt singe ich.

Immer mehr und mehr kamen in die Leutestube, Wächter Svend wagte, sie von der Arbeit abzuhalten, obschon es Werktag war. Bramaputra und Ellen waren auch da, und die Frau des Untermüllers konnte es nicht lassen, herein zu sehen, als sie mit Eßwaren aus dem Kramladen kam. Sie hatte ihren kleinen Jungen dabei, ein sechsjähriges Kind mit einem feinen Kindermund; Wächter Svend gab ihm mit runder Bewegung einen Ort Vierundzwanzigschillingstück. und tätschelte ihn.

Du findest es wohl lustig hier? fragte die Mutter.

O ja, der Knabe fand es lustig. Als die anderen tanzten, suchte er sich einen kleinen Fleck, wo er auch tanzen konnte und fand nun, er sei der Meister.

Wächter Svend sang. Er sang von den Sorosimädchen. O, aber er war sicher ganz verrückt, sein Lied war eine Drohung, er richtete es an eine bestimmte Adresse und deutete bisweilen mit der geballten Faust zum Hauptgebäude hinunter.

Wächter Svend sang:

Sorosi Wald und Sorosi Flur,
das sind gar manche Meilen.
Dort fällt der Bär vor des Herren Beil,
das Wild vor des Herren Pfeilen.
Und sein Lager bereiten der Mädchen zwei,
auf daß es weich und lieblich sei.
            O, ihr Sorosi Mädchen!

Da gönnt er der einen den Arm so rund
und befiehlt zu gehen der andern.
Da bebt dem Mädchen so bitter der Mund
und läßt arge Worte wandern:
Sagt dem Jägerbursch Gust auf Sorosi Grund,
sein Mädchen schläft bei dem andern.
            O, ihr Sorosi Mädchen!

Und der Jägerbursch Gust lief hin voll Zorn,
schwingt das Beil so weit im Kreise.
Und da drinnen schleichen auf weichem Fuß
die beiden umher so leise.
Dann tritt mit Mut heraus der Herr,
doch da trifft ihn das Beil in die Brust so schwer.
            O, ihr Sorosi Mädchen!

Und ach, ihr Sorosi Mädchen klein,
den Jägerbursch saht ihr fliehen.
In des Königs Kriegen diente er dann,
seinesgleichen ward nie gesehen.
Nach vielen Jahren er heim dann kam
Und euere Töchter als Mädchen nahm.
            O, ihr Sorosi Mädchen!

Seht des Königs Krieger, den hohen Gast,
er steht auf Sorosis Zinnen,
Und Wolken entfliehen seinem Hauch,
der Blitz lacht auf seinem Degen  ...

Jetzt aber fühlt Wächter Svend plötzlich das Fehlen des Chores, und er bricht den Gesang ab:

Halt! Ihr müßtet jetzt alle miteinander einfallen und sagen: O, ihr Sorosi Mädchen! Aber Ihr tanzt ja nur und seid wie Tiere.

Ein Eilbote von Mack ruft den Oberknecht ins Kontor hinunter. Mit einemmal legte sich ein Druck auf die Stube, einer nach dem anderen entfernte sich; Wächter Svend war nicht imstand, wieder Leben in die Sache zu bringen. Jetzt schickte die Frau des Untermüllers ihren kleinen Jungen zu ihm hin, um schön Lebewohl zu sagen und noch einmal für das Geldstück zu danken. Wächter Svend behielt seine kleine Hand lange und sagte: das ist fast genau so, als wenn ich Ellen an der Hand halte; ist es möglich!

Dann wird Wächter Svend selbst hinausgerufen, er geht von schweren Ahnungen erfüllt; aber es ist nur Benoni, der im Hof draußen steht und mit ihm sprechen will.

Ich habe nur ein kleines Anliegen, sagt Benoni gleich zu Anfang. Ich wollte fragen, ob du mit auf den Fischfang gehen willst?

Ich weiß nicht. Doch, das will ich. Auf den Fischfang?

Aber bald fangen sie an von dem zu reden, was ihnen beiden eigentlich am Herzen liegt, und Benoni nickt und sagt, gefährlich drohend, daß er vorhabe, zu Mack aufs Kontor zu gehen.

Ich bin heute schon dort gewesen und habe ihm reinen Wein eingeschenkt.

Denn er hat mich so schmählich mißbraucht.

Und mich erst? Ellen ist für keinen anderen zu haben.

Wieso denn?

Er hat sie gestern abend wieder beim Baden bei sich gehabt.

Und sie gehabt?  ... Benoni schüttelt den Kopf: dabei sei nichts zu machen.

Aber die Sache ist doch die, daß Ellen und ich einander heiraten wollen, sagt da Wächter Svend.

Benoni antwortet:

Du kriegst sie erst nachher, das verstehst du doch.

Wächter Svend blickte drohend auf.

Das ist die Taxe, sagte Benoni. So ist es mit einer nach der anderen gewesen. Nur Bramaputra war die einzige, die immer gleich viel galt –.

Der Oberknecht kommt von Mack zurück und meldet, daß Wächter Svend den Hof verlassen soll.

Verlassen –? Wie –?

So ist der Befehl. Ich habe das Amt, auf alles aufzupassen und Ordnung zu halten, ich kann also nichts anderes machen.

Wächter Svend hatte sich wohl einen Ausweg zur Versöhnung ausgedacht, um Ellens willen, jetzt begriff er, daß er fort mußte. Er wurde sehr verzagt.

Benoni greift ein:

Du kannst hingehen und melden, daß Wächter Svend mit mir kommen wird.

Na, jaja, antwortet der Bursche.

Das kannst du dem Mack auf Sirilund von Benoni Hartvigsen sagen.

Der Knecht geht. Die beiden bleiben zurück und sind sehr stolz auf ihre Überlegenheit. Als sie aber noch länger sprechen, sinkt Wächter Svend der Mut wieder, weil er von Sirilund fort soll.

Ich habe ja nichts anderes auf dieser Welt als einen Diamanten, sagte er. Aber ich habe kein Glas, das ich damit schneiden könnte.

Während sie dastehen, kommt Mack selber die Ladentreppe herunter und gerade auf sie zu. Er geht seinen gleichmäßigen Schritt. Als er nahe genug ist, greifen die beiden an die Hüte und grüßen.

Was für eine Art Bescheid hast du mir da gesandt? fragt Mack.

Bescheid? Ach, es war nur etwas, was ich so sagte, antwortet Benoni unsicher geworden.

Bist du immer noch da? fragt Mack den anderen.

Wächter Svend schweigt.

Jetzt aber hat Benoni ein wenig Zeit gewonnen, ein paar Augenblicke, und er richtet sich auf. War er nicht Mitbesitzer von Sirilund? Und stand er hier nicht vor einem verarmten Spitzbuben?

Was kommt Ihr her und fragt uns aus? fragt er und blickt Mack ins Gesicht.

Die beiden Männer maßen einander sehr feindlich; aber Benoni war dabei nur wie ein Lehrling. Mack zieht sein Batisttaschentuch heraus und benützt es ein wenig, dann wendet er sich an Wächter Svend und sagt:

Hast du denn nicht Bescheid bekommen, daß du gehen sollst?

Und Wächter Svend zieht sich zurück.

Geh heim zu mir, ruft Benoni ihm nach. Da ist der Schlüssel; dir kann ich alles anvertrauen, was ich besitze. Geh nur hinein und warte auf mich; ich habe mit diesem Mann noch etwas zu besprechen.

»Diesem Mann«, von Mack auf Sirilund!

Sie gehen ins Kontor, Mack benützt wieder sein Taschentuch und sagt:

Na?

Es ist nur eine einfache Angelegenheit, antwortet Benoni, es handelt sich um das Geld.

Was ist mit dem Geld?

Ihr habt mich betrogen.

Mack schweigt und sieht nachsichtig aus.

Denn jetzt habe ich den Pfandbrief auf dem Thing verlesen lassen. Das habt Ihr mir wohl nicht zugetraut?

Doch, das wußte ich genau.

Euer Bruder auf Rosengaard besitzt Euch mit Haut und Haar. Seht her  ... Benoni legt den Pfandbrief vor und deutet darauf.

Was soll ich damit? fragt Mack. Willst du dein Geld kündigen?

Mein Geld kündigen? Wo wollt Ihr es denn hernehmen? Ihr besitzt ja nicht einmal die Stadtschuhe, die Ihr anhabt. Dreiundzwanzigtausend; Euer Bruder hat achtzehn und ich fünf, macht dreiundzwanzig. Ihr habt mich ruiniert, ich bin ungefähr ein ebenso armer Teufel wie Ihr selbst.

Mack antwortet:

Erstens ist es nur ein junger Bevollmächtigter, der das alles auf deinen Revers geschrieben hat.

Ja, aber es ist gesetzmäßig.

Das ist es sicherlich. Aber der Hardesvogt würde alle diese Dummheiten von meinem Bruder nicht hingeschrieben haben. Die stehen nur der Form halber dort, du weißt, zwischen Brüdern. In Wirklichkeit habe ich meinen Bruder öfter unterstützt als er mich, zum Beispiel, als er seine Fischleimfabrik erweiterte.

Jaja. Ihr seid wohl alle beide bankrott. Aber das macht die Sache für mich nicht besser.

Und zweitens, fuhr Mack mit unerschütterlicher Hoheit fort, sind es nicht fünftausend, die ich dir schulde. Wir haben gegenseitige Abrechnung.

Ihr meint die vierhundert für die Kleinodien? Aber was soll ich mit den Kleinodien? Rosa und der Rechtsanwalt sind aufgeboten, sie werden am Zwölften heiraten.

Ich weiß nicht recht, ich konnte Rosa nicht umstimmen; aber es ist nicht unmöglich, daß du selbst ein wenig schuld daran hast. Die Thingverlesung hinter meinem Rücken machte mir nicht gerade Lust, mich für dich einzusetzen.

Und was weiter? ruft Benoni gereizt. Glück zu mit Rosa; ich will nicht bei ihr betteln. Aber was all Eure Streiche betrifft, so ist Rosa zu gut, um Euer Patenkind zu sein. Ja. Und ich werde ihr einen Brief schreiben, daß sie Eure Schwelle nicht mehr überschreiten soll. Gegenabrechnung. Ich will keinerlei Gegenabrechnung mit Euch haben. Ich werde versuchen, die Kleinodien in allernächster Zeit bar zu bezahlen. Gebt mir dann meine fünftausend wieder.

Du kündigst dein Geld für heute in sechs Monaten?

Kündigen! höhnt Benoni. Ich werde auf eine ganz andere Weise vorgehen, ich werde Euch in all Eurer Herrlichkeit nicht schonen.

Mack wußte gut, daß Benoni jetzt in der Oberhand war und ihn ins Knie zwingen konnte: er konnte ihn bankrott erklären, konnte ihn anzeigen und ihn wegen des Schuldscheines in Verlegenheit bringen, sein Ansehen schädigen, seine schlechte Lage überall verkünden.

Du mußt vorgehen auf welche Weise du willst, sagte er kalt.

Benoni war aber nicht imstand, seinen Trumpf länger zurückzuhalten, er spielte ihn aus:

Ich werde Eure Klippfischladungen draußen auf den Felsen mit Beschlag belegen.

Das würde auf alle Fälle ein Skandal werden, es würde zu einem Prozeß kommen, zu einem Zeugenverhör.

Mack antwortete:

Der Fisch gehört nicht mir. Er gehört dem Kaufmann.

Da ruft Benoni ganz erstaunt aus und fährt sich dabei in seinen Haarpelz:

Aber besitzen Sie denn gar nichts mehr in dieser Welt!

Darüber brauche ich dir nicht Rechenschaft abzulegen, antwortet Mack abweisend. Du hast Anspruch auf dein Geld, und das sollst du bekommen. Du kündigst es also für heute in sechs Monaten?

Und um der Sache ein Ende zu machen, antwortet Benoni Ja.

Mack nimmt seine Feder und notiert das Datum. Als er fertig ist, legt er die Feder hin, sieht Benoni an und sagt:

Ich hätte nicht geglaubt, daß es auf diese Weise mit uns enden würde, Hartvigsen.

Benoni war eigentlich auch nicht zufrieden, so wie er jetzt dastand.

Was soll ich machen? Ich war einmal in einer jämmerlichen Verfassung und wußte mir nicht recht zu helfen, das weiß ich wohl. Und freilich waren Sie es, der mich aus dem Staub aufgehoben hat  ...

Davon habe ich nichts erwähnt, unterbricht Mack. Du selbst hast davon zu reden angefangen  ... Und Mack trat ans Fenster, um zu denken.

Jetzt aber stand Benoni wirklich seine klägliche Vergangenheit mit großer Deutlichkeit vor Augen, er dachte an die Tage, in denen er kein Hauptgebäude und keinen Schuppen und kein Großnetz hatte, an die Tage, als seine Erniedrigung auf dem Kirchberg kundgemacht wurde. Damals nahm Mack auf Sirilund sich seiner an und machte ihn wieder zu einem Menschen. In kleinlautem Tone sagte er:

Jaja, wenn ich nur mein Geld bekomme. Ich werde Ihnen nicht entgegenarbeiten. Dazu habe ich auch gar keine Ursache, wirklich nicht.

Pause. Mack wendet sich um und geht wieder zum Pult:

Hast du was von Heringen gehört, als du fortwarst?

Benoni antwortet:

Nein. Doch, Hering gibt es schon, aber es ist nichts von Bedeutung. Ich habe mich entschlossen wieder mit dem Großnetz auszufahren.

Glück zu!

Friede mit Euch! sagte Benoni, als er ging.


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