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Zwischen dem Meer und Benonis Haus liegt ein Wald. Er gehört nicht Benoni, sondern der Gemeinde. Es ist ein großer Mischwald aus Tannen, Birken und Espen.

Zu einer bestimmten Zeit des Sommers kommen die Leute aus zwei Kirchspielen hier zusammen und hausen und fällen nach Herzenslust; wenn sie fertig sind und das Holz heimgefahren haben, liegt der Wald das ganze Jahr wieder still da, und Tiere und Vögel haben wiederum eitel Frieden. Dann und wann kommt ein Lappe, der von einem Kirchspiel in das andere wandert, durch den Wald; sonst hat nur Benoni hier Sommer wie Winter seinen Weg. Und Benoni geht bei trockenem und bei nassem Wetter, wie es sich trifft, er ist ein starker und fester Kerl, der sich vor keinem Hindernis fürchtet.

Benoni ist Fischer wie alle anderen an der Küste. Daneben aber bringt er die Post über das Gebirge und wieder zurück, alle vierzehn Tage macht er diese Wanderung und hat seine feste kleine Bezahlung für diese Arbeit. Nicht alle bekommen jedes Vierteljahr festen Lohn vom Staat, und deshalb ist Benoni ein richtiger Teufelskerl unter seinesgleichen. Wohl kam es manchmal vor, daß der eine oder andere nach einem glücklichen Heringsfang draußen heimkam und vor Stolz über Geld und Ansehen pfeifend einherging. Aber das war nicht von langer Dauer. Die guten Leute steckten alle so tief in Schulden beim Kaufmann Mack auf Sirilund, daß, wenn sie diese getilgt hatten, ihnen selber nur noch eine Erinnerung an die Zeit verblieb, in der sie vor lauter Reichtum auf den Wegen gepfiffen hatten. Benoni dagegen kam unveränderlich Jahr für Jahr mit des Königs Post auf dem Rücken daher und war ein ganzer Teufelskerl und wie die Obrigkeit selbst mit dem Wappenschloß und Löwen auf der Posttasche.

Eines Morgens kam er durch den Gemeindewald und wollte über das Gebirge. Es war Sommer, und da und dort fällten die Leute Bäume im Wald. Und die Tochter des Nachbarpfarrers war auch anwesend und hatte einen Federhut auf.

Da ist der Benoni, jetzt bekomme ich Begleitung nach Hause, sagt sie. Und sie hieß Rosa.

Benoni grüßt und meint: ja, wenn sie mit ihm vorlieb nehmen wolle.

Sie war eine stolze Dame, Benoni kannte sie wohl, er hatte sie aufwachsen sehen; jetzt aber war er ihr seit einem Jahr nicht mehr begegnet. Wo war sie wohl gewesen?

Und der Küster Arentsen auf dem Küstershof hatte einen Sohn, einen hellen Kopf, der nun seit mehreren Jahren im Süden die Rechte studierte; da besuchte Rosa wohl den jungen Arentsen, wenn sie von daheim fort war. Niemand wußte etwas Bestimmtes. Rosa war so schweigsam.

Eija. Rosa hatte wohl auch ihre kleinen Geheimnisse und war merkwürdig für sich selbst, so für ihren eigenen Bedarf. Wie zum Beispiel heute. Mußte sie doch schon um vier Uhr morgens in Wald und Feld hinausgegangen sein, um gegen acht Uhr im Gemeindewald sein zu können. So unternehmend und furchtlos war sie. Auch ihr Vater war ein stolzer und großer Mann, in seinen Freistunden ging er auf die Jagd und trieb allerlei Tierfang. Aber außerdem war er ein berühmter Kanzelredner.

Ein paar Stunden lang gingen Benoni und Rosa plaudernd dahin, und sie fragte ihn nach vielen Dingen. Sie setzten sich und hielten Rast. Benoni bot ihr von seinem einfachen Mundvorrat an, und sie aß tüchtig davon, um ihn zu ehren. Dann gingen sie noch eine Stunde; es fing an warm und in Strömen zu regnen und Rosa schlug vor, daß sie sich irgendwo unterstellen sollten. Aber Benoni, der die Post des Königs trug, hatte keine Zeit dazu. Sie gingen noch eine Weile, da glitt Rosa im Schmutz aus und konnte nun nicht mehr so recht gehen.

Benoni sah sie an und die Dame dauerte ihn. Er blickte zum Himmel auf und erkannte, daß der Regen in kurzer Zeit aufhören würde; um ihr einen Gefallen zu tun, sagte er:

Wenn Sie damit vorlieb nehmen wollen, unter einem einfachen Felsen zu sitzen.

Sie gingen zu einem steilen Felsen, dort war eine richtige Höhle.

Hier kann man ja großartig sitzen, sagte Rosa und kroch ganz hinein. Wenn man nun auch noch deine Löwentasche bekommen könnte, Benoni, um darauf zu sitzen.

Das wage ich nicht, antwortete Benoni entsetzt. Aber wenn Sie eine getragene Joppe nicht verschmähen.

Damit zog Benoni seine Joppe ab und gab sie der Dame, damit sie sich darauf setzen konnte.

Wie flink er ist! dachte sie wohl ihrerseits, und der junge Mann gefiel ihr recht gut. Sie scherzte mit ihm und wollte auch den Namen seines Mädchens wissen.

Als ungefähr zehn Minuten verstrichen waren, stieg Benoni wieder ans Tageslicht und erforschte noch einmal den Himmel. In diesem Augenblick kam ein Lappe vorbeigewandert und sah ihn. Und das war noch dazu der Lappe Gilbert.

Regnets noch? fragte Benoni, um etwas zu sagen. Er war ein wenig verlegen.

Nein, es ist klar, antwortete der Lappe.

Benoni holte die Posttasche und seine Joppe aus der Höhle, und die Pfarrerstochter folgte ihm nach.

Das beobachtete der Lappe  .....

Und der Lappe Gilbert ging zur Küste und brachte die Neuigkeit in der Gemeinde herum und ging damit sogar bis in den Laden auf Sirilund.

Du, Benoni, sagten die Leute von diesem Tag an im Scherz, was triebst du denn mit der Pfarrerstochter Rosa in der Höhle? Du kamst halb nackt und ganz erhitzt aus der Höhle heraus und hattest keine Joppe an. Was soll man davon halten?

Du sollst davon halten, daß du eine Klatschbase bist, antwortete Benoni, als die Obrigkeit, die er war. Laß mich nur den Lappen treffen, der das gesagt hat!

Aber die Zeit verging, und der Lappe Gilbert wagte wieder Benoni zu begegnen.

Hallo, was hast du damals in der Höhle gemacht und was hast du dort verrichtet? sagte er vorsichtig. Und er lächelte mit kleinen Augen, als sähe er in die Sonne.

Kümmere dicht nicht darum, sagte Benoni unergründlich und lächelte auch. Mehr tat er dem Lappen nicht.

Benoni hatte angefangen durch das große Gerede, das von ihm und Rosa, der Pfarrerstochter, umlief, ein wenig hoffärtig zu werden. Es ging auf Weihnachten zu; als er mit seinen kläglichen Genossen beim Weihnachtsbranntwein saß, war er tatsächlich ein Mann, der es weit gebracht hatte. Jetzt hatte der Lensmann ihn auch zum Gerichtsboten erwählt, und es gab keine Auktion oder Verpfändung mehr, bei der Benoni nicht zugegen war. Da er im Lesen und Schreiben gut bewandert war, durfte er auch ohne weiteres die Bekanntmachungen des Lensmannes am Kirchberg oben verlesen.

Ja, das Leben war gefällig, das Leben war höflich gegen Benoni, gegen Postbenoni. Und alles, womit er sich befaßte, glückte ihm. Rosa, die Pfarrerstochter, war bald nicht mehr im geringsten zu gut für ihn.

Damals in der Höhle! sagte er und schnalzte mit der Zunge.

Du wirst wohl nicht behaupten, daß du sie gehabt hast? fragten die Kameraden.

Benoni antwortete:

Es ging schon gar nicht anders.

O Wunder! Und jetzt sollst du sie bekommen?

Benoni antwortete wieder:

Mach dir keine Sorgen. Das kommt jetzt einzig und allein auf den Benoni und mich an.

Aber was wird der Nikolai vom Küstershof dazu sagen?

Was der Nikolai dazu sagen wird? Der hat gar nichts dabei zu sagen.

Nun war es heraus.

Und es wurde so oft und von so vielen wiederholt, daß es doch seine Richtigkeit haben mußte. Wer weiß, vielleicht fing Benoni selbst an, es zu glauben.


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