Hans von Hammerstein
Wald
Hans von Hammerstein

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Nachwort

Meinem lieben alten Freunde Ernst von Seelig war die im Jahre 1923 erschienene erste Ausgabe dieses Buches gewidmet, das treue und beharrliche Leser, aber kein großes Publikum gefunden hat. Auch für die neue Bearbeitung, die nicht nur zu erweitern, sondern auch an innerer Spannung zu verstärken ich bestrebt war, bleibt diese Widmung als ein Zeichen unveränderter Wertschätzung aufrecht.

Schon im Vorspruch zur ersten Ausgabe habe ich darauf hingewiesen, daß es sich hier nicht etwa um eine Art Selbstbiographie handelt, daß nur die Landschaft eine Schilderung der Wirklichkeit und nach lebendigem, jetzt freilich auch längst historischem Vorbild gezeichnet nur die Gestalt des alten Försters Tauchen ist. Doch Vorreden waren bekanntlich schon zur guten alten Zeit, als Bücher noch gelesen wurden, dazu da, um nicht gelesen zu werden, und so ist es mir oft begegnet, daß ich auf das 394 niederösterreichische Waldviertel, als wär' es meine Heimat, angesprochen und angeschrieben wurde. Darum sei es für jene, die es nötig haben, noch einmal hervorgehoben, daß in der Erzählung die Ich-Form eine Form wie jede andere ist, ein Kunstmittel, das auch außerhalb des Selbstbekenntnisses zuweilen gewählt wird, um den Eindruck subjektiver Unmittelbarkeit und lebendiger Frische desto gewisser zu erzielen. Vom unverwüstlichen Simplicius Simplicissimus bis zum unsterblichen Grünen Heinrich ist die Literatur an erhabenen Beispielen dafür reich genug. Des weiteren sei doch auch bemerkt, daß Dichter in der Regel anders erleben als nüchterne Beobachter, und Künstler anders schildern als erleben. Der Dichter erlebt nicht nur bildhafter, sondern sinnbildhaft, und der Künstler will, was er schildert, sinnbildlich gestalten. Aus Geschildertem schlechthin auf Erlebtes zu schließen, führt daher irre, und der Schlüssel vermuteter Wirklichkeit, der ein Kunstwerk erschließen soll, ist ein falscher. Denn gewisse Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen mit dem, was man zu wissen oder beobachtet zu haben glaubt, beweisen doch nicht mehr, als daß der Dichter es vorzog, Bilder des Lebens, die ihm begegneten, nachzuzeichnen, statt eigene zu 395 erfinden, woran er in der Regel gut tut, weil das Leben ein unübertrefflicher Erfinder und sinnbildhaft für den ist, der es so zu schauen vermag.

Möge es darum niemanden verwundern, noch weniger empören, wenn er eines Tages seine Maske oder eine, der er sich ähnlich glaubt, in dem Schauladen jenes Warenhauses für allerhand Narrenbedarf sieht, das ein Dichter seine gesammelten Werke nennt. Denn der Dichter ist zwischen Gott und dem Teufel der Schöpfer einer kleinen, unvollkommenen Welt, die zu gestalten ihm, gleich dem mythischen Demiurgen, von der ewigen Langmut gnädig verstattet wurde.

Dieses Nachwort ist für jene geschrieben, die zuerst der Ausgang einer Geschichte, mehr noch für solche, die ein Buch vornehmlich als Gesprächsstoff für üble Nachrede interessiert.

September 1937

Der Verfasser

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