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Neununddreißigstes Kapitel

Aussichten vom Fenster, und in Folge derselben bedeutendes und anhaltendes Herzklopfen des Herrn Sidel

Das Wirthshaus befand sich, wie wir bereits erwähnt, am Ende des Dorfes auf einer kleinen Anhöhe, von der man die Häuser desselben vollkommen übersah.

Da lagen die Dächer in ihren verschiedenen Formen vor ihnen mit ihren hohen und niedern Giebeln, mit Schiefer, Ziegeln und Stroh bedeckt, in den verschiedenen Farben dieses Materials selbst und in den verschiedenen Nuancen derselben, wie Regen, Schnee und Sonnenschein sie hervorgebracht. Auch Verzierungen aller Art unterbrachen die einförmige Ansicht dieser Häuserbedeckungen. Hier sah man auf dunklem Schiefergrund ein rothes Kreuz oder den Namenszug und eine Jahreszahl; dort auf dem Ziegeldach etwas Aehnliches von schwarzer Farbe. Die Strohdächer hatten eine noch freundlichere und natürlichere Verzierung, nämlich hellgrüne und fast schwarze Moose und Flechten, die darüber hinuntergewachsen waren und sie wirklich sehr schön färbten. Auch wuchsen auf diesen Strohdächern hie und da kleine Gesträuche lustig in die Höhe. Diese waren wohl aus einem Samenkorn entstanden, das ein Vogel dort im Vorbeifliegen, unabsichtlich oder absichtlich, fallen ließ. Man konnte wohl das letztere annehmen; denn einer der Nachkommen jenes alten Vogels hüpfte jetzt mit vielem Wohlbehagen durch die zarten, schlanken Zweige und sang vergnügt sein Morgenlied. Zwischen diesen verschiedenen Dächern hervor ragte der Kirchthurm aus grauem Stein, mit einem langen und spitzen Schieferdach. Oben auf der Spitze stand ein vergoldeter Hahn, der in der Morgensonne funkelte und strahlte und stolz dem Südostwinde entgegen sah, welcher das glänzende, warme Herbstwetter gebracht.

In den Gassen des Dorfes herrschte eine unendliche Ruhe und Stille; nur zuweilen hörte man das Brüllen einer Kuh, die im Stalle gehalten wurde, oder das Krähen eines Hahnes, häufiger aber das Schnattern von Gänsen und Enten, die auf das Feld hinaus zogen, dem kleinen Bache nach, wo sie sich badeten, fischten und lustig umherplätscherten. Auch hier und da bellte ein Hund; aber wie Alles hier heute Morgen den Anstrich des Frischen und Lustigen hatte, so auch dieses Hundegebell. Es war nicht der Ton der Wachsamkeit und dabei des Ingrimms gegen vermeintliche Räuber, wie man in der Nacht wohl auf Dörfern zu hören pflegt; nein, es war ein lustiges Hundegebell, und wer sich auf diese Unterscheidungen verstand, der mußte deutlich wahrnehmen, wie jene Töne von einem kleinen vergnügten Spitz oder Rattenfänger ausgingen, dem es gestattet wurde, mit dem Wagen auf's Feld hinaus zu ziehen, und der nun lustig und schreiend vor den Pferden daher sprang.

»Jetzt wäre es in der Stadt noch lange nicht Tag,« unterbrach der Herr Sidel das Stillschweigen, das einige Minuten geherrscht, »jetzt schwebt ein schrecklicher Dunst über den Straßen und Häusern, und deßhalb begreife ich auch vollkommen, weßhalb die Sonne dort gegen hier oft so verdrießlich scheint und weßhalb es bei uns in den Straßen gleich so unangenehm heiß wird, während hier die Luft so lange kühl und erquickend bleibt. Die arme Sonne im Kampf mit dem schlechten Gesindel, dem Dampf und Rauch, plagt und ermüdet sich, indem sie dasselbe verjagt und niederdrückt, und dabei erhitzt sie sich begreiflicher Weise und brennt alsdann unbarmherzig herab, wenn sie nun endlich Siegerin geworden ist. – Jetzt öffnen sich nach und nach langsam die Fenster in den Häusern der Stadt, und verdrießliche Gesichter schauen heraus und denken an die Langeweile, die sie den ganzen lieben Tag über auszustehen haben.«

»Auch wir haben es nicht besser gemacht,« meinte Eugen, »als wir noch in der Stadt waren.«

»Aber jetzt fühlen wir doch ganz anders,« entgegnete der lustige Rath; »ich wenigstens und du theilweise auch, obgleich ein guter Theil deines Wesens – deine Gedanken nämlich – noch in der Stadt zurückgeblieben sind.«

»Das läugne ich gar nicht,« sagte Eugen; »es ist mir das im Leben leider schon oft vorgekommen, und ich halte es für ein großes Unglück. Eine Sache, die ich besitze, der ich nahe bin, wird mir leicht gleichgültig, verliert wenigstens an Interesse für mich; aber sowie ich mich von ihr entferne, wird sie mir wieder theuer, und dieses Gefühl wächst mit der Größe der Entfernung.«

»Das ist aber für deine zukünftige Frau eine sehr schlechte Aussicht,« meinte lachend der lustige Rath, »Oder gilt deine Bemerkung von so eben nicht derartigen Gefühlen?«

»Leider wohl auch!« entgegnete Eugen. »Aber du mußt mich recht verstehen: in dem Falle braucht es keine Entfernung von Tagen und Meilen, da zieht es mich schon wieder mächtig zurück, wenn ich erst eine halbe Straße durchwandert, und schon nach einigen Minuten möchte ich wieder umkehren, wenn ich sie eben erst nicht ungern verlassen hatte.«

»Ja, ja, du bist ein merkwürdiger Heiliger!« sprach lachend Herr Sidel; »so einer ist noch nicht dagewesen. Und das Traurige an der Sache ist, daß du mich zum schlechten Kerl und Dieb gemacht hast; denn das Geld, das ich für deine Erziehung erhalten, muß ich leider als unverdient, als – gestohlen betrachten.«

»Da sprichst du ein wahres Wort,« sagte Eugen, »und ich freue mich nur, daß du selbst so viel Einsicht hast, dies zu begreifen.«

»Aber wenn deine Sehnsucht so gewaltig mit der Entfernung wächst,« fuhr der lustige Rath fort, nachdem er sich für das Kompliment bedankt, »so wirst du's leider Gottes bald hier nicht mehr aushalten können und nach der Stadt zurück verlangen, und damit wäre unsere ganze Kunstreise beendigt.«

»Ein Ende muß sie jedenfalls einmal nehmen,« sagte lächelnd Eugen.

»Ehe sie noch angefangen hat?«

»Das nicht; ich weiß, daß ich nicht zurückkehren kann, und so sehr ich auch danach verlange, die Verhältnisse, an welche mein Herz denkt, und die ich in einiger Konfusion zurückgelassen, bestmöglich zu ordnen, so ist es doch schon recht, daß ich einige Zelt hier zurückgehalten werde. – Wird nicht meine Freude desto größer sein, wenn wir uns auf den Heimweg begeben?«

»Ach ja,« sagte Herr Sidel ironisch lächelnd.

»Und wenn ich die Stadt wieder sehe, wo sie wohnt?«

»Ach ja!«

»Und Madame Schoppelmann mich in die Arme schließt?«

»Versteht sich! – Und Herr Fritz und Herr Konrad dir die Hände schütteln.«

»Ganz recht!« sagte lachend Eugen. »Das wird sich Alles so begeben, wie du so eben prophetisch vorausgesagt, und du wirst im Bunde der Sechste sein; ich werde dann ein großes Haus einrichten, und dir wird dann die ehrenvolle Aufgabe, die Herren Fritz und Konrad Schoppelmann bestens zu erziehen.«

»Das kannst du nicht von mir verlangen,« entgegnete der lustige Rath mit komischem Ernste; »denn wie du weißt, habe ich zur Erziehung gar kein Talent. Aber jetzt wäre es besser,« fuhr er mit anderem Tone fort, »wenn wir uns nach unserem Frühstück umsähen. Es riecht aus der Küche ungeheuer appetitlich herauf nach frisch gemahlenem Kaffee und neugebackenem Brod. – He! du Kleine!«

Dieser Ausruf galt Marien, der Wirthstochter, welche im Begriffe war, sich auf die Terrasse neben dem Hause zu begeben.

Das junge Mädchen sah augenblicklich in die Höhe.

»Die ist fast zu hübsch,« sagte Herr Sidel zu Eugen, »als daß ich so vom Fenster herab mit ihr sprechen dürfte.«

»Thu es immerhin!« entgegnete dieser; »denn ich halte es noch für viel unpassender, sie so lange warten zu lassen, bis du dich mit deiner dicken Figur hinabgewälzt hast.«

Diesem Rathe folgend, sprach also Herr Sidel zum Fenster hinab; doch verwandelte er das vertrauliche »Du« in ein respektvolles »Sie«.

»Würden Sie nicht die Güte haben,« sagte er demgemäß, »uns freundlichst für ein Frühstück besorgt sein zu wollen? Kaffee, Butter und Brod.«

»Für zwei Herren?« rief das Mädchen herauf.

»Natürlich, für zwei!«

»Und der Herr Hannibal?« sagte lächelnd das Mädchen.

»Richtig!« antwortete der lustige Rath, jetzt Herr Müller genannt, »Herrn Hannibal hätten wir beinahe vergessen.«

»Dieser Künstler,« nahm Eugen das Wort, »wird für sich allein frühstücken; aber wenn es Ihnen keine große Mühe machte, mein liebes Kind, so würde ich Sie bitten, unsern Kaffee auf die Terrasse bringen zu lassen; es muß sich da vortrefflich frühstücken lassen.«

»Recht gern!« rief das Mädchen, und sprang in's Haus zurück.

»Betrachte doch einmal diese Kirche,« sagte Eugen nach einer Pause, »sieh den viereckigen Thurm, überhaupt die zierliche, hübsche Bauart des Ganzen an und betrachte dir dort an dem Chor jene hohe Mauer, die sich eine Strecke weit den Berg hinauf fortsetzt. Dort endigt sie mit dem kleinen runden Thurm, um höher hinauf, aber zerbrochen, wieder anzufangen. Die Kirche ist wahrscheinlicher Weise zu gleicher Zeit mit dem älteren Theile des Schlosses da oben entstanden und war mit ihm verbunden.«

»Das heißt,« entgegnete Herr Sidel, »jene Mauer, die wahrscheinlich um das Ganze dort herumlief, setzte das Letztere mit dem Kastell da droben in Verbindung und war eine Art leichter Schutzwehr gegen räuberischen Ueberfall, damit die von dort oben Zeit hatten, ihren Vasallen zu Hülfe zu kommen.«

»So mag's sein,« entgegnete Eugen, indem seine Augen dem Laufe der Mauer folgten und endlich auf dem Schlosse selbst ruhen blieben.

Dieses lag ernst, gewaltig und in gegenwärtigem Augenblicke, wo die Sonne hinter ihm aufstieg, dunkel, ja finster vor ihren Blicken. Die vordere Seite desselben befand sich in tiefem Schatten, und seine Zinnen, die hohen spitzen Thürme und Dächer zeichneten sich in schwarzen Massen an dem hellen Morgenhimmel ab. Durch eine Schlucht, welche die Felswand drüben bis tief hinab zerriß, drang der glänzende Strahl der Sonne in das Thal und übergoß es mit einem Meer von Licht und Glanz.

»Wenn ich nicht irre,« sprach Eugen nach einer längeren Pause, während welcher er ernst und nachdenkend das Schloß drüben betrachtete, »so sind wir um acht Uhr zum Dienst kommandirt.«

»Ganz richtig!« entgegnete der lustige Rath; auf der Tagesordnung steht: Aufschlagen des Theaters im großen Wirthshaussaal unter Beihülfe der ganzen Gesellschaft.«

»Und da müssen wir auch dabei sein?« fragte Eugen.

»Versteht sich von selbst, und es ist für uns von großem Interesse, unser Lokal genau kennen zu lernen.«

»Nun gut, das kann sich vielleicht bis gegen Mittag hinziehen; dann aber, das heißt nach dem Mittagessen, wollen wir gleich einen Gang dort hinauf nach dem Schlosse machen. Es interessirt mich außerordentlich, dasselbe näher zu betrachten; ich liebe diese alten Gebäude.«

»Mit diesem Vorschlag bin ich sehr einverstanden,« sagte der lustige Rath. »Aber jetzt laß uns hinabgehen; dort kommt unsere freundliche Hebe. Siehst du, sie winkt uns. Der vortreffliche Trommler würde sagen: Auf, nach Valencia!«

Somit stiegen sie die Treppen hinab, und als sie an der Küche vorbei kamen, warfen sie einen Blick hinein und sahen, wie die vier kleinen Kinder des Direktors an einem Tische saßen und ihre Morgensuppe verzehrten. Jedes hatte eine kleine Schüssel vor sich und arbeitete mit einem zinnernen Löffel wacker darin herum; hinter ihnen aber stand der vorhin erwähnte vortreffliche Herr Trommler und hatte ebenfalls einen Löffel in der Hand, aber offenbar keine Schüssel zu seiner Verfügung; denn er speiste abwechselnd mit den Kindern, welche sich hiedurch außerordentlich belustigten und dieses ganze Geschäft wie einen großen Spaß zu betreiben schienen; denn bald rief das Eine, bald das Andere: »Jetzt mußt du aber auch mit mir essen, Trommler! Du willst ja heute Morgen gar nichts von mir. Mit den Andern,« sagte ein kleiner, frisch aussehender Junge, der zweitälteste Sprößling des Direktors, »hast du schon vier Mal gegessen, und mit mir noch gar nicht.«

»Das ist in der That wahr,« sagte lächelnd der arme Künstler und folgte augenblicklich dem Verlangen, das man an ihn gestellt. Es war ganz merkwürdig; obgleich auch er diese Geschichte als einen großen und köstlichen Spaß anzusehen schien und demgemäß mit einer freundlichen Herablassung mit den Kindern spielte, während er ihre Suppe versuchte (ungefähr gerade so, wie es ein hoher militärischer Beamter in der Kommißküche zu machen pflegt), so nahm er doch seine Löffel recht voll und aß auch jedes Mal ein tüchtiges Stück Brod dazu, und dann lachten alle Kinder und Herr Trommler mit.

»Sieh da,« sagte Herr Sidel lachend, »das ist ja unser freundlicher College und, wie mir scheint, in der Rolle als Kinderfreund. – Wir sollten ihn zu unserem Frühstück einladen,« sagte er leise zu Eugen; »der arme Mensch scheint mit der Spielerei dort einen ernsten Zweck zu verbinden; diese Suppe wird wohl das Einzige sein, was er für den Morgen zu erschwingen vermag.« »Versteht sich,« versetzte Eugen, und während er unter die Küchenthüre trat, lud er Herrn Trommler freundlichst ein, mit auf die Terrasse hinaus zu kommen und ihnen das Vergnügen zu machen, dort mit ihnen zu frühstücken.

»Meinetwegen!« sagte der Künstler nach einem augenblicklichen Nachdenken; »ich hatte freilich schon meinen Kaffee auf das Zimmer bestellt; aber im Freien genießt sich so etwas außerordentlich deliciös. Und dann die Gesellschaft, meine Lords! Ich möchte um Alles in der Welt von Ihnen nicht für unhöflich gehalten werden.«

»So kommen Sie denn,« erwiderte Herr Sidel; worauf der wackere Künstler seinen Löffel niederlegte und die drei mit einander vor das Haus gingen.

Dort auf der Terrasse hatte Marie Alles auf's Freundlichste hergerichtet, und das Lieblichste in ihrem ganzen Arrangement war sie selbst, wie sie so freundlich lächelnd daneben stand, nur um zu sehen, ob sie auch nichts vergessen.

Herr Sidel behauptete später, er habe bei diesem Anblicke zum ersten Mal einen Stich in sein schulmeisterliches Herz gefühlt, und habe zum ersten Mal die volle Schönheit des jungen Mädchens empfunden. Auch Eugen blieb einen Augenblick befremdet und nachdenklich vor der liebreichen Erscheinung stehen, vor dem jungen, schönen Mädchen, das sie mit den großen, glänzenden Augen so freundlich ansah. – Ja, sie hatte etwas von Katharina; es war eine Aehnlichkeit zwischen den beiden Mädchen; nur war das Gesicht Katharinens edler, untadelhaft in seiner Schönheit, die Figur voll, ja majestätisch – eine stolze, vollblühende Rose, wogegen die Gestalt Mariens in ihrer Leichtigkeit und Biegsamkeit, in ihrer ewigen Heiterkeit und guten Laune mit einem neckischen Schmetterling zu vergleichen war.

Eugen reichte ihr die Hand zum Gruß dar, worauf sie mit der ihrigen laut lachend und derb einschlug und alsdann in großen Sprüngen über die Terrasse hinab in's Haus eilte.

Lächelnd schaute ihr Eugen einen Augenblick nach, und verdeckte dann die Augen mit der Hand, um mit dem Dunkel, das dadurch entstand, ein anderes liebes Bild vor sich erscheinen zu lassen.

Der lustige Rath, welcher diese Bewegung wohl verstand und sich vielleicht ein klein wenig ärgerte, nicht auch einen Handschlag erhalten zu haben, sagte mit einem ironischen Lächeln zu Eugen:

»Mich däucht,
Daß sie dem guten Gretchen gleicht.«

worauf Eugen nichts erwiderte, sondern sich gedankenvoll an dem Tische niederließ.

Die beiden Anderen folgten seinem Beispiele, und einen Augenblick darauf klapperten die Tassen, und es dauerte noch einige gute Minuten, ehe einer Zeit fand, ein Wort zu sprechen.

Die Terrasse war ein allerliebster Aufenthalt. An ihrer Fußmauer wuchsen drei, vier Linden, die im Laufe der Zeit starke Stämme geworden waren und deren weitverzweigte Aeste das trauliche Plätzchen dicht überschatteten. An dem Geländer der Terrasse selbst hatte man Schlingrosen gepflanzt, die es den großen Bäumen hatten gleich thun wollen und ebenfalls lustig in die Höhe gewachsen waren. Ihre zarten Ranken hatten sich um die Aeste der Linde geschlungen, und nachdem so jeder Baum mit einem Rosennetz umsponnen war, wuchsen dieselben immer weiter hinaus und flatterten in losen Zweigen herab. Hier half nun der Wind oder die Menschenhand nach und verband die losen Zweige unter einander oder mit dem nächststehenden Baume, und so bildeten sie nach und nach eine dichte Decke von Rosen und Lindenlaub.

Herr Trommler hatte sich das Frühstück außerordentlich schmecken lassen, und wie dankbar nahm er eine der guten Cigarren Eugen's und ließ den blauen Dampf mit unendlichem Wohlbehagen in die klare Morgenluft hinauf steigen! Obgleich ein starker Raucher, hatte er doch begreiflicher Weise so etwas Gutes lange nicht geraucht, und so saß denn der würdige Künstler, die Augen halb geschlossen, den feinen Dampf in sich ziehend, und hob nur zuweilen den Blick etwas in die Höhe nach dem alten Schlosse zu, hinter dem jetzt die Sonne in aller Pracht aufzusteigen begann.

»Vor der Hitze sind wir hier geschützt,« sagte Herr Trommler nach einer längeren Pause, indem er vergnügt um sich blinzelte und den zitternden leuchtenden Punkten zusah, welche hie und da auf den Steinen der Terrasse sichtbar wurden, – einzelne Sonnenblicke, die in die Laube drangen, wo sich hie und da durch den leichten Luftzug in der Rosendecke ein Blatt verschob; draußen aber glänzte und funkelte das Licht des mächtigen, allgewaltigen Gestirnes in aller Pracht und Herrlichkeit und seine Macht empfand die Straße, welche durch die Felder lief und jetzt schon bei jedem Fußtritte dicke Staubwolken aufsteigen ließ; noch mehr aber die Pferde vor dem hochbeladenen Wagen, welche die Köpfe hängen ließen und mit dem Schweife wedelten, um zahllose Fliegen von sich abzuhalten.

»Sie sind, wie ich gestern erfuhr, zum ersten Mal in dieser Gegend,« sagte Herr Trommler zu Eugen; »nicht wahr, sie ist schön? Man könnte sich leicht entschließen, hier sein ganzes Leben zu verbringen. – Sie haben doch gute Zimmer erhalten? Man wohnt bei Frau Rosel ganz ordentlich und hat gute Betten – namentlich in den unteren Stockwerken,« setzte er mit einem Lächeln hinzu; »ich wohne etwas höher, weil ich die weiteste Aussicht vorziehe.«

»Wir können nicht klagen,« sagte Eugen; »ich wenigstens bin vollkommen zufrieden, und du,« wandte er sich an den Herrn Sidel, »wirst es wohl auch sein; denn, wenn man von lauter Lachen und Lustigkeit träumt, so muß man gut geschlafen haben.«

»Das habe ich auch,« erwiderte der lustige Rath. »Mit meinen Träumen kann ich dir leider nicht aufwarten; denn die habe ich vergessen; aber sie waren schön, lustig und heiter, weßhalb ich zufrieden bin; denn man sagt, es komme viel darauf an, was man in der ersten Nacht, wo man sich an einem neuen Aufenthaltsorte befindet, für Träume habe, das sei prophetisch für diesen ganzen Aufenthalt selbst.«

»Das glaube ich auch,« meinte Herr Trommler, »und wenn mein Traum dieses Mal eintrifft, so müssen wir hier eine unerhörte Einnahme machen. Ich hatte nämlich diese Nacht ein seltsames Gesicht: mir war, als säße ich neben der Prinzipalin an der Kasse, und obgleich wir gar Niemanden sahen, der zu uns kam, um Billete zu lösen, so füllte sich doch die Kasse auf eine wahrhaft erschrecklich geschwinde Art. Vom Boden herauf stieg es empor, eine wahre Fluth von Münzen, Silber und auch Gold darunter, und stieg immer höher, so daß wir zuletzt ganz erschrocken, die Prinzipalin und ich, den Deckel zudrückten, damit das Geld, das immer noch höher anschwoll, nicht herausrolle und auf dem Boden herumspaziere. Wir verschlossen auch glücklich den Kasten; doch als das geschehen war, schien das Geld in demselben rebellisch zu werden, und oben aus der Spalte heraus sprang ein Geldstück um das andere, und merkwürdiger Weise sämmtlich in meine Tasche. Da sagte die Prinzipalin: behalten Sie es, guter Trommler, es soll Ihnen bleiben! und dann erwachte ich, und hatte leider nichts mehr als die Erinnerung an diesen Traum.«

»Aber der bedeutet unbedingt etwas Gutes,« sprach lachend Herr Sidel, »und Sie sollen sehen, wir machen hier ganz glänzende Einnahmen und Sie erhalten vom Herrn Direktor ein Benefiz.«

»Das gebe Gott!« seufzte Herr Trommler; und darauf wandte er sich als höflicher Mann an Eugen mit der Bitte, ihm nicht vorenthalten zu wollen, was ihm in vergangener Nacht geträumt.


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