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5. Kapitel

Am Sonntag Morgen nach der Frühmesse konnte der Hofmeister des jungen Markgrafen von Baden, Erhard Teurling, den der Kurfürst zum obersten Hauptmann über alles Geschütz vor Boppard gesetzt hatte, aus dem Kloster melden, daß die Lagerung der schweren Hauptbüchsen glücklich vollendet worden sei, und daß man in den Redouten den Befehl zur Eröffnung der Feindseligkeiten erwarte. Diese Nachricht kam Johann dem Zweiten durchaus nicht gelegen. Jetzt, wo die Städtischen deutlich zu erkennen gegeben hatten, daß sie einer freundschaftlichen Annäherung nicht abgeneigt seien, mit der Beschießung der Stadt zu beginnen – das ging dem alten Herrn wider das Gefühl.

Am liebsten hätte er den armen Meister Teurling, der sein Bestes getan zu haben glaubte, höchst ungnädig mit dem Bescheid entlassen, man möge abwarten, bis es ihm beliebe, Befehle zu erteilen. Aber dazu fand er in Gegenwart seines Kanzlers doch nicht den rechten Mut. Enschringer erlaubte sich nämlich daran zu erinnern, man sei doch nicht mit einer so gewaltigen Heeresmacht wider Boppard gerückt, um nur die Orgelborner Kirmes zu feiern, man müsse vielmehr der Stadt zu verstehen geben, daß man endlich Ernst machen wolle. Er habe in Erfahrung gebracht, die Städtischen litten jetzt schon an Proviantmangel und könnten den geworbenen Söldnern nichts anderes als Brot und Wein reichen. Unter diesen Umständen dürfte man erwarten, daß sie sich, sobald die ersten Schüsse gefallen wären, zur Übergabe entschließen würden.

Der Kurfürst mußte dem Kanzler, wenn auch schweren Herzens, beipflichten und gab halb wider seine Überzeugung den erbetenen Befehl, bestimmte aber ausdrücklich, man solle dafür sorgen, daß der Stadt und ihren Bewohnern kein ernstlicher Schaden geschehe, und möge das Geschütz so richten, daß nur die Mauern und die äußern Türme getroffen würden.

Nicht lange darauf verkündete ein dumpfer Donner vom St. Martinskloster her, daß eine der beiden pfalzgräflichen Hauptbüchsen das erste Wort gesprochen hatte. Aber es war in den Wind geredet: die Kugel, die der Rheinpforte zugedacht gewesen war, fuhr in den Strom.

In der Stadt entstand eine gewaltige Bewegung, und die Begeisterung für den feindlichen Kriegsherrn schlug wieder in das Gegenteil um. Man beschloß, den Gruß zu erwidern, richtete jedoch die Kartaune, die ihr Sprüchlein hersagen sollte, wohlweislich so, daß die Kugel am St. Martinskloster vorüber ebenfalls in den Rhein schlug. Jetzt tat auch »Snelgin,« die zweite der kurfürstlichen Büchsen, ihren ehernen Mund auf. Die Wirkung war eine doppelte, denn erstens riß das Geschoß, das das Stadttor neben der kurfürstlichen Burg treffen sollte, an dieser selbst ein Ecktürmchen ab, und zweitens lockerte die starke Erschütterung beim Schuß das aus Mauerwerk frisch aufgeführte Lager der Schwesterbüchse »Ungnade,« so daß diese aus dem Gleichgewicht geriet, ins Rollen kam und schließlich in mächtigen Sprüngen den Bergabhang hinunterpolterte.

Die Bopparder wurden durch dieses Mißgeschick der Belagerer einigermaßen getröstet und beschränkten sich darauf, die Knechte, die das desertierte Geschütz auf einer in der Eile hergerichteten Schleife wieder den Berg hinaufzuschleppen versuchten, durch einige wohlgezielte Schüsse zu vertreiben. Gegen das feindliche Hauptquartier selbst unternahmen sie jedoch nichts: man müsse, wie sie behaupteten, die Gebäude des Klosters, das an dem ganzen Handel doch unschuldig sei, solange es anginge, verschonen.

Inzwischen hatte sich auch die Hauptbüchse auf der Filsener Lei an der Unterhaltung beteiligt. Ihr erster Schuß war jedoch zu kurz und traf anstatt der Mauer die Böschung unter dem Leinpfad, die zweite Kugel ging über die Stadt, wühlte den Acker auf und verschwand in einem Erbsenfeld, und erst die dritte erreichte ihr Ziel, streifte die Mauerkrone, tat aber keinen weiteren Schaden, als daß sie im Hofe des Gerbermeisters Engel Thull durch die Wand einer Versetzgrube schlug und die darin aufgeschichteten Häute samt der Lohe gehörig durcheinanderwarf.

Da die Wirkung der feindlichen Artillerie keineswegs den in der Stadt gehegten Befürchtungen entsprach, so besserte sich die Stimmung der Belagerten von Stunde zu Stunde; sie beobachteten schließlich jeden einzelnen Schuß mit einem aus angenehmem Gruseln und heiterm Spott gemischten Interesse und bedauerten es beinahe, als um die Mittagstunde das zweite Hauptstück der Pfalzgräflichen bei einem Schusse barst, den Büchsenmeister und zwei der Knechte schwer verwundete und dadurch dem Feuer auf dieser Seite einstweilen ein Ende machte.

Aber schon ehe der Abend anbrach, ließ das Interesse an den Vorgängen da draußen bei den meisten Boppardern so stark nach, daß sie kaum den Eintritt der völligen Dunkelheit erwarten konnten, die den Büchsenmeistern hüben wie drüben die Lunte aus der Hand nahm.

Morgen war ja Orgelborner Kirmes! Wenn sich die Sonne hinter dem Kamper Wald erhob, durfte man hinaus aus der engen, mit Menschen vollgepfropften Stadt hinaus zum Kloster und in der schönen Kirche des Stifts oder doch auf dem geräumigen Platze davor der Messe beiwohnen, die man solange schon hatte entbehren müssen. Und dann gab es auf dem grünen Anger, wo der Orgelborn kristallklar aus dem Felsen sprudelte, Spiel und Tanz, dann kreisten die Becher von Hand zu Hand und die Mädchen von Arm zu Arm, und man durfte, wenn auch nur für ein paar flüchtige Stunden, die Not der Zeit beim Klang der Fiedel und der Sackpfeife vergessen.

Und der Morgen kam. Der Turmwächter von St. Severus, der mit seinem Horn den Sonnenaufgang verkündete, hätte sich heute seinen Frühruf sparen können, denn die ganze Stadt war längst auf den Beinen und wartete sehnsüchtig auf das Signal zur allgemeinen Lust, das die Sonne ihren lieben Boppardern geben sollte.

Als die ersten Strahlen über dem Bergrücken aufblitzten, öffneten sich die Tore, und alles strömte ins Freie: die Männer in ihren Sonntagsschauben und Scheckenröcken, das Haupt mit der Kogel bedeckt oder mit einem Laubkränzlein geziert, die Frauen und die Mädchen in faltigen Röcken und knappen Leibchen mit reichgestickten Brusttüchern und schweren Silbergehängen, das Haar unter der Flügelhaube versteckt oder mit Blumen durchflochten. Die Bürger, die draußen auf der Wiese einen Weinschank auftun wollten, hatten Fässer, Sparrenwerk und Zeltleinwand auf Wagen geladen, die Bäckergesellen schleppten sich mit Körben, die in der stillen Morgenluft eine lange Duftspur von warmem, frischem Weißbrot zurückließen, und die Fischer trugen mächtige Kufen, worin die schwarzen Aale, die bunten Barsche und die grünen Barben zappelten und sprangen, die droben am Borne gebraten werden sollten. Es war eine wahre Heeresmacht, die mit Troß und Bagage gegen das feindliche Hauptquartier anrückte, aber eine Heeresmacht ohne Waffen, mit den Stadtmusikanten statt der Vorhut, mit Stückfässern statt der Stücke und mit Kirchenfahnen statt der Kriegsbanner.

Und gleichsam als sollte das Bild eines allgemeinen Ausfalls der Belagerten noch vervollständigt werden: aus dem Binger Tore zog eine zweite Kolonne gegen das pfalzgräfliche und landgräfliche Lager bei St. Martin. Es war die Bewohnerschaft der Kirch- und der Judengasse, die nach altem Brauch das Fest auf dem Angert, einer Wiese zwischen der Stadt und dem Franziskanerinnenstift, beging. Aber auch diese Kolonne sah nicht gerade kriegerisch aus, wenn man auch die gelben Spitzhüte des auserwählten Volkes aus der Ferne für Sturmhauben halten konnte.

Als der Zug, der sich bergaufwärts bewegte, die Schanzen passiert hatte und vor dem hohen Kloster anlangte, erschien der Kurfürst, von seinem Hofstaat umgeben, am Portal, begrüßte die Menge mit leutseligem Kopfnicken, half der Domina eigenhändig aus ihrer mit vier schweren Gäulen bespannten Karosse und geleitete sie auf ihren erhöhten Sitz im Chorgestühl der Kirche. Die Stiftsdamen nahmen ihre Plätze ein, und der Kurfürst ließ sich mit seiner Umgebung auf den Sesseln nieder, die man vor den Chorschranken aufgestellt hatte. Das Volk aber drängte nach, füllte das Gotteshaus bis auf den letzten Platz, lagerte sich vor der Kirchtür, auf dem Friedhof und bis weit in den Bongert hinaus und gab sich hier draußen, wo es von der heiligen Handlung nichts mehr wahrnehmen konnte, der fröhlichsten Unterhaltung hin, bis der Klang des Glöckleins den Augenblick der Wandlung verkündete. Dann fiel alles auf die Knie, neigte sich in frommer Andacht vor dem fleischgewordenen Erlöser, verharrte eine kurze Weile in stillem Gebet und kehrte, sich bekreuzend, mit heiterer Miene aus dem Banne des gnadenvollen Wunders in die Wirklichkeit zurück.

Die Kirche leerte sich, aber die Menge verlief sich nicht eher, als bis der Kurfürst, die Äbtissin an der Hand führend, auf dem Platze erschien und sich anschickte, mit seiner Begleiterin, den Klosterfrauen und dem Gefolge zu der Festwiese hinaufzusteigen. Jetzt kam Bewegung in die Masse: wie eine brandende Woge strebte alles das schmale Tal empor, jeder suchte dem andern zuvorzukommen, die jungen Leute kletterten in raschem Anlauf die Böschungen des Hohlwegs hinauf und rannten rechts und links auf dem moosigen Waldboden weiter, Kinder, die im Gedränge die Hand der Mutter verloren hatten, weinten und wurden von hilfsbereiten Seelen mit vorwärtsgerissen oder auf den Arm genommen, Mädchen, in deren Nähe sich unternehmende Liebhaber eingefunden hatten, und die sich nun im allgemeinen Wirrwarr von starker Hand geschoben und gedrückt fühlten, stießen Schreie aus, die wie eine Abweisung klingen sollten, aber wie eine Ermutigung wirkten, behäbige Ratsherren keuchten, und die Frauen jammerten über den dicken weißen Staub, der sich wie Mehl auf die Wülste der Röcke und auf die bunten Seidenblumen der Busentücher legte.

Oben, auf der Wiese am Born, war man inzwischen nicht müßig gewesen. Zelte waren errichtet worden, und hier und da kräuselte sich über einem lustig knatternden Feuer der blaue Rauch empor. Die Weinschenken schlugen den Zapfhahn in das Faß oder steckten ein grünes Reis auf ihr Zelt, die Bäcker breiteten ihre Ware auf langen Tischen aus, und die Fischer waren schon dabei, ihre Barsche und Barben zu töten und abzuschuppen.

Als der Zug die Wiese erreicht hatte, ordnete sich die Festversammlung in einem großen Halbkreis um den Born, der Propst trat vor, sprach ein Gebet und segnete das klare Naß, das in mächtigem Strahl aus dem Felsen quoll und ein natürliches Becken füllte. Dann löste sich aus der dichtgedrängten Menge ein Paar nach dem andern, ließ dem Kurfürsten und der Äbtissin der Vortritt und zog, während die Musikanten eine muntere Weise aufspielten, in langsamem Schleifschritt am Quell vorüber, wobei sich jeder mit der hohlen Hand einen Trunk schöpfte. Dann zerstreute sich der bunte Schwarm über den Festplatz, das Alter strebte den Weinzelten zu, und die Jugend sammelte sich um die Musikanten.

Zunächst war zwischen den Städtischen und den Kurfürstlichen noch eine reinliche Scheidung zu bemerken. Johann der Zweite und seine fürstliche und adlige Gefolgschaft, unter der man auch den Kurfürsten von der Pfalz, den Landgrafen von Hessen, den Markgrafen Christoph von Baden und den Herzog von Jülich und Berg mit ihren Marschällen und Feldhauptleuten wahrnahm, hielten sich zu den Damen von Marienberg, mit denen sie zumeist verwandtschaftliche oder freundschaftliche Beziehungen verknüpften. Aber das war nicht nach des Kurfürsten Sinn. Er schritt quer über die Wiese auf die Bopparder zu, faßte die erste beste der Bürgerfrauen – es war Meister Mertlochs dralle Eheliebste – bei der Hand und führte sie unter dem Jubel der Zuschauer mitten unter das junge Volk, wo er mit ihr, ohne seiner fürstlichen und priesterlichen Würde das geringste zu vergeben, zum Tanze trat.

Sein Beispiel wirkte Wunder. In ganzen Reihen eilten die Fürsten, Grafen und Ritter hinüber und holten sich, was unter den Frauen und den Töchtern der Bopparder jung und schön – oder doch leidlich jung und schön – war, und von der andern Seite kamen die plötzlich vereinsamten Ehemänner, Liebhaber und Väter und näherten sich mit steifem Kratzfuß den adligen Nönnlein, die den derben Meistern und Gesellen gegenüber auch gar nicht spröde taten und mit ihren Tänzern in dem wogenden Menschenmeer beherzt untertauchten.

Nur die Äbtissin und drei oder vier der ältesten Damen blieben einsam auf ihrem Platze zurück. Die Domina sann darüber nach, ob sie diese Isolierung ihrer hohen Würde oder der entschwindenden Jugend zu verdanken habe, da fiel ihr Blick auf eine schlanke Mädchengestalt, die oben am Bergeshang über dem Born an einem Buchenstamme lehnte und dem frohen Treiben auf dem Anger regungslos zuschaute. Das konnte nur Regina sein!

Die Matrone behielt die Gestalt im Auge und winkte dem Mädchen, als es die mütterliche Freundin endlich bemerkt hatte, zu ihr herabzukommen. Da flog Regina leichtfüßig den Abhang hinunter, schlüpfte durch die sich langsam drehenden Menschen und stand mit geröteten Wangen vor der Domina.

Ei, ei, mein Ginlein steht abseits, wenn andre tanzen? fragte die Äbtissin, während sie das Rosenkränzlein auf Reginens Scheitel, das sich verschoben hatte, zurechtrückte. Mein Ginlein ist bekümmert, wenn alle froh sind? Nicht alle, Domina. Die in der Burg sind nicht froh. Müssen wie die Käuzlein in ihrem Mauerloche sitzen, indes die andern hier im hellen Sonnenscheine ihre Lust haben.

Und deshalb willst du nicht tanzen? Aus lauter christlichem Mitleiden nicht tanzen?

Sie mag nicht tanzen und nicht essen, ließ sich plötzlich der kleine Peter vernehmen, der unbemerkt zu den beiden Frauen getreten war, und mit vollen Backen an einem Wecken kaute.

Weiß auch, weshalb. Sag's aber nicht.

Sag mir's getrost, Peterlein, sagte die Matrone lächelnd, dann kauf' ich dir auch ein gebacken' Fischlein.

Wirklich und wahrhaftig? fragte der Knabe, indem er die schon wieder zum Munde erhobene Hand mit dem Wecken langsam sinken ließ.

Wirklich und wahrhaftig! Aber nun sag's auch: Was fehlt deiner Schwester?

Puh –! Nichts anderes als der Wygant. Peterlein sah bei diesen Worten ziemlich geringschätzig aus.

Möcht'st du nicht auch, daß der Junker herauskäm auf den Anger?

Der Knabe schüttelte energisch den Lockenkopf.

Was hätt' ich davon? meinte er. Der Wygant tät heut' doch nicht mit mir spielen. Tät doch bloß mit der Gin den Reigen treten.

Würde dich's nicht freuen, deine Schwester froh zu sehen?

Peter sah zu Regine empor und studierte ihren Gesichtsausdruck.

Wenn die Gin brav wär', könnt' ich ihr den Wygant herschaffen.

Das Mädchen mußte lachen.

Was soll ich denn tun? fragte sie.

Sollst mir ein Bannertuch nähen, aber ein kurtrierisches mit dem roten Kreuz.

Wenn du weiter nichts forderst, Peterlein, das Bannertuch will ich dir machen, sagte Regina, aber nun sag' auch: wie denkst du den Junker herbeizuschaffen?

Wirst's schon sehen. Wart's nur ab!

Und ohne sich zu besinnen, wandte er sich um und lief auf den Kurfürsten zu, der seine Tänzerin auf ihren Platz geführt hatte und sich nun wieder der Äbtissin zu widmen gedachte. Der Knirps blieb vor dem Gewaltigen stehen und langte sich dessen Hand.

Herr Kurfürst, begann er, mit Verlaub, warum laßt Ihr die Eurigen in der Burg, da doch die Stadt leer ist?

Johann schaute den Knaben erstaunt an, beugte sich zu ihm nieder und nahm ihn auf den Arm.

Hast recht, Büblein. Die Burgleute sollen auch mit feiern. Aber wie kommst du darauf – gerade du, wo doch noch kein anderer daran gedacht hat?

Oho, Herr Kurfürst, erwiderte das Kind furchtlos, das stimmt nicht! Die Gin da, meine große Schwester, hat längst daran gedacht, schon den ganzen Morgen. Wenn sie den Modersbacher herausbekommt, den Wygant, dann macht sie mir auch ein kurtrierisches Banner. Tut mir's zulieb, Herr Kurfürst, und laßt ihm sagen, er sollt' herauskommen und mit der Gin tanzen.

Der alte Herr lachte und näherte sich, den Knaben noch immer auf dem Arme, den Frauen. Regina glaubte in die Erde versinken zu müssen.

Das Mägdlein ist unsers Küfermeisters älteste, erklärte die Domina. Der Vater sitzt zu Boppard im Rat, aber die Kinder sind gut kurtrierisch.

Dann muß man ihnen schon den Willen tun, meinte der Kurfürst, indem er den kleinen Peter wieder auf die Füße stellte, es ist immer gut, im feindlichen castrum Freunde zu haben.

Er rief seinen Kanzler herbei und wechselte mit ihm einige Worte. Enschringer verneigte sich und ging zu den Städtischen hinüber. Da rief ihm der Gebieter nach: Redet mit den vornehmsten vom Rat, mit dem Beyer, dem Kolbe, dem Rhenser, dem Schwalbacher und mit den Meistern, aber das Männlein, das sie zum Schultheißen geküret haben, das laßt aus dem Spiel. Mit dem hab' ich ein Wörtlein sprechen wollen, da haben ihm die Knie angefangen zu schlottern, und ich hab' ihn halten müssen, daß er nicht umfiel.

Dann wandte er sich an Regina, die ihre Fassung wiedergewonnen hatte und ihren kleinen Bruder zu entschuldigen versuchte.

In diesem Augenblick entstand unter der Menge eine freudige Bewegung. Man brachte vom Kloster her etliche Dutzend Hammel und Kälber, die alle an Spießen staken und schon nahezu gar gebraten waren. Die Küchenjungen und die Knechte schichteten neue Buchenscheite auf die niedergebrannten Feuer, schürten die Glut und legten die Spieße auf Gabeln, die in gehörigem Abstand zu beiden Seiten der Feuer in die Erde gesteckt worden waren. Die fetten Braten, deren Duft sich über die Wiese lagerte, waren ein Geschenk des Kurfürsten an die Bürgerschaft, ein Beitrag zu dem Feste, den der Gast den Gastgebern spendete.

Sehet, sagte Johann mit behaglichem Schmunzeln, wie die guten Bopparder auf die Braten sturmlaufen; Die armen Leutlein werden des Fastens überdrüssig sein. Wer weiß, wie lange sie keinen Bissen Fleisch über die Lippen gebracht haben!

Er sah bei diesen Worten Regina scharf prüfend an.

Das Mädchen verstand blitzschnell, was das zu bedeuten hatte. Und lächelnd erwiderte sie: Ist nur, weil sie's umsonst bekommen, Kurfürstliche Gnaden, Hunger haben die Leutlein nicht. Und weil die Hämmel und die Kälber bei uns ein rar Ding sind. Des Rindviehs aber haben wir zu Boppard mehr, als wir füttern können.

Der alte Herr bemühte sich vergeblich, seine Überraschung zu verbergen, und sagte im gleichgültigsten Tone, der ihm zur Verfügung stand: So so! Des Rindviehs haben die Bopparder mehr, als sie füttern können.

Und er ließ Regina stehen und bot der Äbtissin den Arm zu einem Rundgang um die Wiese.

Ein paar Augenblicke später stand Metzler an der Seite seiner Tochter.

Was hat er gesagt? forschte er.

Er hat gemeint, wir litten in der Stadt Hunger.

Und was hast du geantwortet?

Er solle sich keine Sorge machen, wir hätten des Rindviehs genug.

Aber Gin, wie hast du das sagen können! Er muß doch wissen, wie es zu Boppard steht.

Wenn er's gewußt hätte, Vater, glaubt Ihr, daß er dann noch gefragt haben würde? Aber er wollte von mir Gewißheit haben. Da ist er an die Unrechte gekommen. Ausfragen läßt sich die Gin nicht. Und wenn ich im Rat säß, ich wüßt, was ich tät. Ich wartete, bis die aus der Burg hier wären, und dann ging ich und holt den Ochsen, der noch im Burgstall steht, und den brächt' ich dem Kurfürsten zum Patengeschenk. Denn sie reden schon davon, daß er, der doch die Kirmes zum erstenmal mitmacht, am Born getauft werden soll.

Metzler war von dem Gehörten nicht gerade erbaut. Er murmelte etwas von törichtem Weibergeschwätz und begab sich wieder zu seinen Freunden. Dort wurde er gleich mit der Frage empfangen, was der Kurfürst mit seiner Tochter zu verhandeln gehabt habe. So mußte er ihnen wider Willen die Unterredung mitteilen, von dem närrischen Vorschlage Reginens, dem Kurfürsten zum Beweise des Bopparder Überflusses den eigenen Ochsen zum Geschenk zu machen, sagte er jedoch nichts.

Inzwischen hatten die Städtischen der Fleischspende wacker zugesprochen und auch des Weines nicht geschont. Infolgedessen war der letzte Rest der Scheu, die sie vor Johann dem Zweiten empfunden hatten, von ihnen gewichen, und sie wurden sich darüber einig, daß sich der Kurfürst und sein ganzes Gefolge der von altersher bei dem Feste gebräuchlichen Zeremonie der Taufe unterziehen müsse. Der alte Herr, der ein Freund derber Späße war, ließ sich dazu auch bereitfinden, trat, von zwei der Ratsherren geleitet, die man ihm als Paten bestimmt hatte, an den Born, hörte die wohlgesetzte, scherzhafte Taufrede, die ihm Severus Classen hielt, mit vergnügter Miene an und wurde nicht im geringsten ungehalten, als ihm Severus der Täufer einen wohlgefüllten Becher des kalten Quellwassers über sein fürstlich-priesterliches Haupt goß. Und dann holte er selbst seine Getreuen herbei, den Kurfürsten von der Pfalz, den Markgrafen von Baden, den Landgrafen von Hessen, den Herzog von Jülich und alle die andern bis herab zu den Marschällen und Feldhauptleuten und sorgte dafür, daß bei dem Wasserguß keiner zu kurz kam. Als aber sein Kanzler, der Enschringer, in dem Augenblick, wo Classen den Becher ausschüttete, zurückwich und unbenetzt das Weite suchen wollte, führte ihn der alte fröhliche Herr, dessen sonores Lachen auf dem ganzen Festplatze zu hören war, mit eigener Hand an den Born zurück und bestand darauf, daß man dem argen Heiden zur Buße eine ganze Kufe Wassers über den dürren Juristenschädel gießen sollte.

Als der Taufakt vorüber war, zog sich der Kurfürst mit den Seinen und mit den Stiftsdamen zur Kollation in das Kloster zurück und überließ die Wiese dem jubelnden Volke und der Soldateska, die bisher von den Bergabhängen zugeschaut hatte, nun aber, wo die Hochgebietenden das Feld räumten, furchtlos in die Bresche sprang. Jetzt rückte auch die Burgmannschaft an: voran hüpfte Nickel Langhenne, der einer Querpfeife wundersame Töne entlockte, dann folgten nach Rang und Würden Herr Emmerich von Nassau, die beiden Junker von Modersbach, Herr Philipp von Heimersheim, Kaplan Heseler, der Amtsbote Engel Schwabe, die beiden Knechte, die sieben Schützen und zum Schlusse die alte Billa, deren Wangen die vielen Wochen der Gefangenschaft nichts von ihrer Fülle und Farbe geraubt hatten.

Das Heldenfähnlein wurde mit lautem Zuruf empfangen, und in der allgemeinen Festfreude dachte niemand an den getanen Schwur, die Burgmannschaft wegen der dem Rate zugefügten Kränkung bis auf den letzten Mann niederzumachen. Ja man betrachtete die standhafte Schar sogar mit einem gewissen Respekt und wetteiferte darin, sie mit Wein und Wecken zu bewirten. Vier Augen ruhten jedoch mit besonderem Interesse auf den Ankömmlingen: die Augen Reginens und ihres Vaters. Aber während das Mädchen mit weiblicher Bescheidenheit den Blick auf einen einzigen heftete, beschäftigte sich Metzler mehr mit der Gesamtheit und suchte die Kopfzahl der Mannschaft zu ermitteln, was bei der Schnelligkeit, womit auf der Wiese alles durcheinander wogte, keine leichte Arbeit war. Schließlich jedoch hatte er die siebzehn zusammen, und nun beeilte er sich, den Freunden mitzuteilen, daß die Burg so leer wie ein ausgeflogenes Spatzennest sei, und daß man gut daran tun würde, den verlassenen Ochsen herauszuholen und ihn dem Kurfürsten als ein geziemendes Patengeschenk darzubringen.

Die Ratsherren erschraken zuerst über die Kühnheit dieses Gedankens, aber die Wein- und Festesstimmung besiegte endlich alle Bedenken, und man kam zu der Überzeugung, daß Meister Metzlers Plan unbezahlbar sei, und daß es kein besseres Mittel gebe, das Gerücht von der Not der Städtischen zu entkräften. Man beriet noch eine Weile hin und her, kam zu dem Ergebnis, der Plan müsse unbedingt ausgeführt werden, und ließ die Würfel entscheiden, wer das Wagnis unternehmen solle.

Die drei vom Schicksal zu dem tollen Abenteuer Bestimmten: Herr Petrus Im Hof, Meister Mertloch und Meister Adenau verschwanden einer nach dem andern in unauffälliger Weise aus der Festversammlung, trafen bei den Schanzen wieder zusammen, wanderten durch die vereinsamte Stadt und gelangten ohne Mühe in die Burg, deren Zugbrücke herabgelassen und deren Tor unverschlossen war. Sie zogen den Ochsen aus seinem finstern Stall und waren schon im Begriff, ihn aus der Stadt zu führen, als Mertloch einfiel, die Burgleute möchten das Tier doch wohl wiedererkennen, wenn es plötzlich oben beim Kloster erschiene. Dagegen ließ sich nichts einwenden, aber was sollte man da tun?

Adenau, der als kunstfertiger Schmied ein erfinderischer Kopf war, schlug vor, man solle den reinbraunen Ochsen durch Betupfen mit Kalkmilch in einen Schecken verwandeln. Der Vorschlag fand Beifall, und man führte das Tier in die Niederstadt, wo die Gerber wohnten, die jederzeit das benötigte Färbemittel auf Vorrat zu haben pflegten. In Engel Thulls Hof tauchte man einen Besen in die Kalkgrube und pinselte dem Ochsen die schönsten weißen Flecken auf Stirn, Hals, Schaufeln und Flanken – eine Prozedur, die der davon Betroffene ohne sonderliche Gemütsbewegung über sich ergehen ließ.

Im Klosterhofe stand der Bopparder Rat schon ziemlich vollzählig versammelt, als die drei Männer mit ihrem Raube den Berg hinaufstiegen. Severus Classen erhielt den Auftrag, sich zu den tafelnden Herrschaften in das Refektorium zu begeben und dem Kurfürsten das ihm von der Stadt gespendete Patengeschenk anzutragen. Er ging guten Muts hinauf, als er jedoch mitten in der glänzenden Gesellschaft stand und des Gewaltigen gerötetes Antlitz vor sich sah, das in diesem Augenblick das höchste Erstaunen ausdrückte, wurde ihm doch ein wenig bänglich ums Herz, und alles begann sich in diesem Augenblick um ihn zu drehen. Aber er fand seine Fassung wieder, brachte seine Meldung mit zierlichen Worten hervor und schloß, um sich und seinen Auftraggebern ein Hinterpförtlein zu sichern, mit der Wendung: Seine kurfürstliche Gnaden möchte den Ochsen nicht als ein kostbares Geschenk, sondern nur als das symbolum Symbol. einer bessern Gabe betrachten, die ein löblicher Rat seinem hohen Gaste und gnädigen Herrn in dankbarer Verehrung, wenn auch salvis privilegiis Unter Vorbehalt der Privilegien. darzubringen sich verpflichtet fühle. Man habe mit Fleiß gerade diesen Ochsen gewählt, weil er die Gefühle und die Gesinnungen der Bürgerschaft besser ausdrücke, als alles andere, denn bei der Huld, die Seine kurfürstliche Gnaden durch das gnädigst bewilligte armistitium nicht weniger als durch die Gegenwart seiner erlauchten Person bei dem Feste der Stadt aufs neue bewiesen, dürfte er semper salvis privilegiis Immer unter Vorbehalt der Privilegien. alles, was binnen der Bopparder Mauer sei, als sein Eigentum betrachten. Nun hätten aber schon die alten Heiden ihre Abgötter nicht besser zu ehren gewußt als durch die Opferung eines Ochsen, wie denn auch die frommen Juden ihrem Gotte ein solches Tier, das sie doch erst aus seiner Hand empfangen und das recht eigentlich längst sein eigen gewesen, darzubringen nicht verschmäht hätten. Wenn nun Gott selbst, der doch nach den Lehren der Kirche um vieles größer, mächtiger und reicher denn alle Großen dieser Erde, Kaiser, Könige, geistliche und weltliche Kurfürsten sei, nicht Anstand genommen habe, ein solches Opfer in gnädiger Anerkennung des guten Willens schwacher Menschenkinder anzunehmen, so dürfe man wohl auch von Seiner kurfürstlichen Gnaden hoffen und erwarten, daß er das Geschenk nicht zurückweisen, vielmehr gedachten Ochsen mit einem leutseligen Blicke beehren werde.

Nach dieser schönen Rede, zu deren vollem Verständnis dem auf so seltsame Weise Beschenkten freilich der Schlüssel fehlte, erhob sich Johann und ließ sich von dem Sprecher an ein Fenster führen, von dem aus er den Anblick der Spende genießen konnte. Und da des Ochsens Wohlgestalt und Körperfülle einen tiefern Eindruck auf den alten Herrn machten als des Ratsschreibers theologische Argumente, traten ihm Tränen der Rührung in die Augen, und er gab seinem Dank in bewegten Worten Ausdruck, wobei er zugleich bat, man möchte das Tier seinen Leuten in Kamp hinüberbringen, damit auch sie, die der Kirmes hätten fern bleiben müssen, einer Festfreude teilhaftig würden.

Die Ratsherren unten im Hofe, in deren Häuptern der auf der Wiese genossene Wein weiter wirkte und die heitersten Phantasmen erzeugte, hatten Mühe, bei diesen Worten ernst zu bleiben. Sobald sich jedoch der Kurfürst wieder zurückgezogen hatte, steckten sie die Köpfe zusammen, raunten einander höchst unehrerbietige Späße zu und beeilten sich, mit ihrem Ochsen aus dem Bereiche des Klosters zu kommen, um draußen nach Herzenslust lachen zu können. Und weil der Erfolg ihren Mut ins ungemessene steigerte und ihrer Neigung, dem alten fröhlichen Widersacher eine Nase zu drehen, neuen Ansporn gab, faßten sie den Beschluß, dem Kurfürsten auch noch für seine in Filsen liegende Mannschaft einen Ochsen zu stiften, der natürlich kein anderer sein konnte, als der, den man ihm soeben dargebracht hatte, und den man über den Rhein nach Kamp schaffen sollte. Man geleitete also in corpore Gemeinschaftlich. das arme Opfertier in die Stadt, brachte es jedoch nicht in den Fährnachen, sondern wiederum in Engel Thulls Hof und überstrich es dort vom Kopf bis zu der Schwanzspitze so gründlich und vollständig mit Kalk, daß es die Lilien auf dem Felde an strahlender Reinheit übertraf. Da aber erhob der Metzgermeister Balduin Bochler seine warnende Stimme, meinte, die übergroße Weiße möchte doch wohl den ganzen Anschlag ans Licht bringen, und bestand darauf, daß Meister Thull, der dieses Mal selbst den Pinsel geführt hatte, den Stellen, die bei weißem Rindvieh gemeiniglich ein wenig gelb oder bräunlich seien, insonderheit den untern Beinen, den Bauch und den Keulen, mit verdünnter Lohbrühe die natürliche Farbe gebe. Engel Thull ließ sich bekehren, und weil er aus Furcht, durch den braunen Ton die Wirkung der Grundfarbe allzusehr zu beeinträchtigen, mit der Lohbrühe äußerst sparsam umging, und sie so verdünnt wie möglich auftrug, entstand ein Werk von einer so subtilen Natürlichkeit, daß sich dessen keiner der großen Kölner Schildermeister hätte zu schämen brauchen.

Und nun wanderte das lebende Gemälde, vom Künstler selbst am Strick geführt und von der ganzen Ratsversammlung geleitet, bergan zum Kloster, und da es, des ungewohnten Promenierens überdrüssig, im Hofe gerade unter den Fenstern des Refektoriums ein klägliches Gebrüll ausstieß, so rief es den Kurfürsten an das Fenster, bevor man Severus Classen zum zweitenmal an den Gebietenden abordnen konnte.

Der Ratsschreiber war froh, sich den sauern Weg ersparen zu können und die Ansprache aus sicherer Ferne halten zu dürfen.

Kurfürstliche Gnaden, so sagte er etwa, verzeihet, daß wir Euer Ohr ein andermal mit einer demütigen Bitte zu belästigen uns erkühnen, aber es scheint uns unbillig, daß Eure Leute zu Filsen leer ausgehen sollen, wenn die zu Kamp einen Ochsen erhalten. Erlaubt, daß wir diesen hier, der gewiß nicht um ein Quentlein leichter ist denn der Schecke, den Fähnlein von Montabaur und von Limburg hinüberbringen.

Und ehe der Kurfürst seiner Verwunderung Herr zu werden und seinen gnädigen Dank abzustatten vermochte, setzte sich die verwegene Schar mit dem geschminkten Wiederkäuer in Bewegung und zog unter Lachen und Jauchzen wieder in die Stadt. Besonnene Männer rieten, des Schelmenstückleins jetzt genug sein zu lassen und das Tier nach einer gründlichen Säuberung wieder in den Burgstall zu stellen, sie wurden jedoch von den andern überstimmt, die die Ansicht vertraten, daß aller guten Dinge drei seien, und daß man zum Schluß noch aus dem weißen Ochsen einen schwarz und weißen machen müsse. Dieses Mal übernahm Meister Adenau, der Schmied, die Arbeit des Verwandelns. Er entledigte sich seiner Festtagsschaube, streifte die Jackenärmel empor und holte aus seiner Schmiedeesse ein paar Hände voll Ruß, die völlig ausgereicht hätten, den ganzen Ochsen schwarz zu färben. Aber der Meister beschränkte sich darauf, Rücken und Keulen des Tieres mit einigen großen Flecken zu betupfen. Und als denn das zum drittenmal dargebrachte Opfer keuchend und schnaufend im Klosterhofe stand und gnädig angenommen worden war, mußte Johann der Zweite seine guten Bopparder noch trösten, weil sie aus Zerknirschung darüber schier vergehen wollten, daß sie des kurtrierischen Kommandos zu Salzig bisher gänzlich vergessen hätten und Seiner Gnaden darum ein drittesmal mit ihrer Bitte lästig zu fallen gezwungen gewesen seien.

Dann aber nahm der alte Herr seinen Kanzler beiseite und sagte zu ihm:

Uns dünkt, Enschringer, Ihr seid schlecht berichtet gewesen, als Ihr uns von der Not der Städtischen des langen und breiten vorgeredet. Ein andermal bedient Euch besserer Kundschafter und laßt Euch kein Märlein aufbinden. Ihr seht ja selbst: zu Boppard haben sie mehr Rindvieh, denn sie zu füttern vermögen. Sonst würden sie sich seiner nicht so leichtlich entledigen.

So ging der Tag und mit ihm der Waffenstillstand zu Ende. Er hatte des lauten Jubels genug gebracht, aber ganz froh – so ganz von Herzen froh – waren an diesem Abend nur drei Menschen: Regina, Junker Wygant und Nickel Langhenne.

Bei den beiden ersten braucht der Chronist den Grund nicht erst anzuführen, bei Nickel Langhenne jedoch möchte ein erläuterndes Wörtlein wohl am Platze sein.

Als er mit der kleinen Besatzung wieder in die Burg zurückgekehrt war, galt seine erste Sorge dem braunen Schutzbefohlenen. Er fand ihn auf das Stroh hingestreckt in so festem Schlafe, daß er zuerst glaubte, das gute Tier sei aus diesem irdischen Jammertale abgeschieden. Als er ihn betastete, fühlte er jedoch etwas wie gesunde Lebenswärme und zugleich eine seltsame Feuchtigkeit, die er sich anfangs nicht recht erklären konnte. Aber einem so pfiffigen Kopf wie Nickel Langhenne blieb das Rätsel nicht lange ungelöst. Er ging hinaus in das Herrengemach und erstattete dem Amtmann über seine Wahrnehmung Bericht.

Ich hab' es ja immer gesagt, schloß er, so eine unvernünftige Kreatur hat mehr Herz im Leibe als unsereiner. Der Braune hat sich gegrämt, daß er allein hat daheim bleiben müssen, und hat sich um uns gesorgt, daß ihm der Angstschweiß aus allen Poren gekommen ist. Und fressen hat er auch nit mögen, und darum hat er auch nit gemistet, also daß er mir die Mühe erspart hat, frisch Stroh zu streuen. Und wenn Ihr mich noch einmal einen Ochsen nennet, Herr Amtmann, dann will ich kein Maul mehr ziehen, sondern den Titul als eine sonderliche Ehre hinnehmen, denn so ein Ochse ist besser denn ein Mensch, und was ihm fehlet, das ist nur die Sprache und das Christentum.


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