Anastasius Grün
Spaziergänge eines Wiener Poeten
Anastasius Grün

 << zurück 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Epilog.

(März 1835.)

              Frühlingsluft weht allbelebend!
Frühlingsschwalb' ist heimgereist,
Hat, ob Wiens Palästen schwebend,
Schon die Kaiserburg umkreist;

Pickt die Spiegelscheibe leise,
Da sie einmal schon gepickt,
Draus der Kaiser sonst, der greise,
Auf sein Volk und sie geblickt.

Doch sie sieht dies Antlitz nimmer
Mit des Munds schalkhaftem Scherz,
Mit des Augs gutmüt'gem Schimmer, –
Oft doch hart und kalt wie Erz.

Stumm des Jubels Hochgewitter,
Dieses Mannes stet Geleit!
Stumm doch hinter manchem Gitter
Auch das Murren böser Zeit!

Frühlingsschwalbe sei kein Richter,
Urtel nicht ihr Frühlingsgruß;
Doch sie ist Prophet und Dichter,
Der versöhnen, warnen muß.

Zu des Grabgewölbes Hallen,
Das des Greises Asche barg,
Läßt sie ihre Schwingen wallen,
Zu dem ehrnen Kaisersarg.

Frühlingsgruß will sie ihm bringen;
Doch, gestreift vom Flügelschlag,
Tönt von einem Lenz sein Klingen,
Den sie selbst nur ahnen mag.

Nicht der Schlaf des Kaisersprossen,
Höhres heiligt diesen Raum:
In dem Katafalk verschlossen
Ruht der deutschen Einheit Traum.

Denn in dieses Greises Haaren
Lag zuletzt der Reif von Gold,
Der die deutschen Fürstenscharen
In ein Volk verbrüdern sollt'.

Und in diesem ehrnen Bette
Schläft der Mann, des Herz allein
Deutschlands Herz war, oder hätte
Deutschlands Herz doch sollen sein.

O daß bei den Leichenkerzen
Fürsten all im deutschen Land
Über diesem heil'gen Herzen
Sich zum Bund gereicht die Hand!

Laßt in diesem Sarg verschlossen
Deutscher Einheit alten Traum;
Wahrer Einheit, ihr Genossen,
Breitet sich ein größrer Raum!

Denn als Herold mit dem Stabe,
Der das Wappenschild zerbrach,
An des letzten Kaisers Grabe
Ein Jahrtausend stand und sprach:

»Lernt, daß euer Heil geschmiedet
An ein einzeln Haupt nicht sei!
Daß ihr Schein vom Wesen schiedet,
Brach ich das Symbol entzwei.

Um des Reichs Kleinode lodre
Nimmer Aachens, Nürnbergs Zank:
Stol' und Gurt im Schreine modre,
Karols Degen rost' im Schrank.

Denn ein schönres Schwert gezogen
Hat der freien Männer Hand;
Aller Schultern soll umwogen
Deutscher Herrlichkeit Gewand.

Euer Hoffen, euer Sehnen
Hat kein einzler ganz vollbracht;
Drum euch all will ich belehnen
Mit des Reiches Glanz und Macht.

Denn in allen deutschen Adern
Flammt der Purpur, der nie bleicht;
Eure Herzen sei'n die Quadern
Jenes Baus, des Grund nicht weicht.

Und ihr alle seid berufen
Mitzubaun am großen Bau,
Ihr am Thron, ihr an den Stufen,
Ob das Röcklein weiß, ob blau.

Und ihr Priester, Redner, Lehrer,
Streut die Saat mit kluger Hand,
Pflanzt, des Reiches wahre Mehrer,
Lieb' und Recht fürs deutsche Land!

Daß die Größen eurer Helden
Nie auf deutschen Nacken stehn,
Daß von deutscher Schmach nie melden
Eure deutschen Siegstrophän.

Daß nicht Krämerellen messen,
Was ein großes Herz nur mißt;
Und nicht Fürsten leicht vergessen,
Was ihr Bürger schwer vergißt;

Nicht den Wandrer Pfahl und Schranke,
Wie so klein die Ländchen, mahnt,
Daß sein einziger Gedanke:
Wie so groß das deutsche Land.

Daß wo euch der Glauben schiede,
Euch vereine Deutschlands Schild;
So verschmilzt ein Liebesfriede
Blond und Schwarz, und Streng und Mild.

Daß der Baum der freien Rede
Frucht im Nord und Süden bringt;
Rheingott nicht bedroht mit Fehde,
Was die Donaunymphe singt.

Bund und Eintracht erst vereine
Eure tausend Schulzen fein,
Dann ein Leichtes wird's, ich meine,
Mit den dreißig Fürsten sein.« –

Doch zur Gruft hinab selbst dringen
Frühlingsstimmen, Frühlingsduft;
Wundervolle Lieder klingen
Grüßend, hoffend durch die Luft.

Doch auch niegehörte Töne
Jauchzt ein kühnres Sanggeschlecht;
Das ist eben Frühlings Schöne!
Freiheit ist des Lenzes Recht.

Schwalbe sagt Lebwohl dem Toten,
Schwingt sich in das Blau hinein;
Wo es lenzt, wird sie entboten,
Mit dem Frühling muß sie sein.


 << zurück