Anastasius Grün
Spaziergänge eines Wiener Poeten
Anastasius Grün

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»Naderer da!«

            In des Wirtes Gartenlaube saß ich sinnend ganz allein,
Rings um mich des Dörfleins Giebel blinkten hell im Sonnenschein,
Frühlingswind zog übers Saatfeld, daß es grüne Wogen rollt',
Und die nahen Rebenhügel standen glänzend ganz in Gold.

Wie das Auge jener Holden, die ich einst so heiß geliebt,
Blaute drüber hin der Himmel, wolkenlos und ungetrübt,
Und er sah auch mir ins Auge, drang mir bis ins Herz hinein,
Daß auch drin es Himmel wurde, heiter, wolkenlos und rein!

Übers Haupt mir spannten kühlend dichte Zweig' ihr grünes Zelt,
Sorgsam hat mit edler Labung mir den Tisch der Wirt bestellt;
Weißes Brot, das jene Saaten dargebracht als reichen Zoll,
Süßer goldner Wein, der saftig einst von jenen Hügeln quoll!

Und des Waldes duft'ge Beeren, runde Kirschen, purpurrot,
Die mich fast wie Küsse mahnten, die das schöne Land mir bot,
Wenn nicht eine süßre Botin eben dort trät' aus dem Haus;
Doch die schöne Schelmin richtet ihre Botschaft mir nicht aus!

Selig wie des Frühlings Rosen warst du da, mein Herz, erblüht,
Heiter, wie des Frühlings Sonne, warst du, Auge, aufgeglüht!
Sieh, da tritt ein Mann, ein fremder, durch die offne Gartentür,
Wallt heran zu meiner Laube, setzt sich an den Tisch zu mir.

O ihr fernen, sel'gen Brüder, die ihr wohnt in freierm Land,
Rasch und froh dem neuen Gaste hättet ihr gedrückt die Hand,
Und willkommen ihn geheißen, mitzutrinken euern Wein,
Festgenosse all des Glanzes rings und Reichtums euch zu sein!

Aber ach, ich dachte bange, als der fremde Mann genaht:
Ist es nicht vielleicht ein Diener unsrer finstern Hermandad,
Der da lauert auf Gedanken, wie im Forst der Wilddieb lauscht,
Ob kein Hirsch, kein allzu freier, arglos aus dem Busch nicht rauscht?

Der da spähet, was für Blätter meines Geistes Rebe treibt?
Ob des Sprößlings lust'ge Ranke fein am alten Stocke bleibt?
Der da die geheimsten Perlen meines Herzens wühlt empor,
Daß er dann die hellsten werfe den gefräß'gen Schweinen vor?

Also dacht' ich und verwandelt war mein Wein in Galle schier,
Und des Frühlings Purpurküsse mundeten nun nimmer mir,
Meines Herzens heitre Rosen dorrten ab, verwelkt alsbald,
Und ich sprang empor und stürzte in den öden finstern Wald!

Meine Stirne lehnt' am Baumstamm, und des Auges Träne rann:
Ach, vielleicht mit bittrem Unrecht kränkt' ich jenen fremden Mann!
Und vielleicht wohl ist er würdig, daß Vertraun ins Aug' ihm blickt,
Und des besten Mannes Liebe treu und warm die Hand ihm drückt!

O ihr Mächt'gen, die mit Arglist Brüder ihr auf Brüder hetzt,
Und dem edelsten der Völker Mißtraun in die Herzen setzt,
Könnt ihr diesem blauen Himmel frei ins freie Auge sehn?
Könnt ihr jenen lichten Fluren, jenen Bergen Rede stehn?

Rings ist Glanz und Tageshelle, aber Nacht ist eure Tat!
Rings ist Offenheit und Freiheit, aber Mißtraun eure Saat!
Wollt ihr unsre Herzen wandeln, o verwandelt erst das Land!
Nimmermehr dann will ich murren, Wunsch und Träne sei verbannt.

Laßt die frischen grünen Felder öde fahle Heiden sein,
Drauf statt reicher, goldner Saaten Dorn und Unkraut nur gedeihn!
Setzt ein Volk auf diese Fluren, zwergig, träg und ungestalt,
Statt des starken, schönen, heitren, das sie blühend jetzt durchwallt!

Starr zu kahlem Krüppelholze sei der Hochwald eingeschrumpft,
Und der Strom, der blaue schnelle, sei zur Pfütze träg versumpft!
Jene Kette stolzer Berge sei ein Haufe Schutt und Sand,
Und die graue Distel krieche, wo die Rebe glorreich stand!

Es verhüll ein ew'ger Nebel unsern Himmel, blau und licht!
Solchem Land paßt eure Satzung, doch dem unsern paßt sie nicht!
Dann trompete euer Herold sie in Nebelnacht hinaus!
Dann entsendet eure Späher hündisch auf die Lauer aus!

Ob kein Hirsch, kein allzu dreister über euren Kirchhof springt?
Ob nicht allzu freie Ranken in dem Schutt ein Sprößling schlingt?
Ob nicht allzu helle Perlen jene trübe Pfütze hegt?
Allzuschwer wird er nicht schleppen, an dem Funde, den erträgt!

Doch, solang das Land noch blühend, saatenreich und frühlingsgrün,
Und das Volk gesund und fröhlich, kräftig noch und jugendkühn,
Mögt ihr nicht sein Brot vergiften, seine grüne Flur entweihn,
Seinen blauen Himmel trüben und vergällen seinen Wein!


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