Anastasius Grün
Spaziergänge eines Wiener Poeten
Anastasius Grün

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An den Kaiser.

                Vor den Thron des Hochgewalt'gen tritt nun frei und kühn mein Lied,
Vor den Herrscher, dem ein dreifach Kronenband die Stirn umzieht:
Jene alte goldne Krone, deren Glanz, bevor sie sein,
Durchgewallt von Haupt zu Haupte seiner Ahnen lange Reihn;

Jene schöne Silberkrone, deren schützend Zauberband
Um des Greises Haupt das Alter weiß und rein und heilig wand;
Und die dritte, schönste Krone, die ihm milde Güte flicht,
Segensreich wie Frühlingshimmel, hehr wie leuchtend Mondenlicht!

Scheu und fern den Königssälen keimt' und wuchs und blüht' mein Lied,
Weil das Kind des freien Äthers bang des Zwanges Wohnung flieht;
Aber Kronen, so wie diese, bannen, schrecken es wohl nicht,
Nein, sie winken mild und freundlich, und so tritt's vor ihn und spricht:

»Herr, du warst einst bang und traurig, und gebrochen war dein Herz,
Da erschlossen unsre Herzen reich und warm sich deinem Schmerz!
Lasse jenes Hochgewitters gern dich mahnen immerdar,
Da es hell den Regenbogen unsrer Liebe dir gebar!

Herr, du standst beraubt des Schildes, waffenlos und unbewehrt,
Da erstand die Kraft des Volkes, Mann an Mann, und Schwert an Schwert!
Rings um dich sahst du's im Kreise wie ein Feld voll Garben stehn,
Das der nächste Lenz erneute, wenn im Herbst du's ließest mähn!

Herr, du warst einst arm und dürftig! Sieh, da boten freudig dir
Väter ihrer Kinder Erbe, Jungfraun ihre goldne Zier;
Alles gab das Volk dir gerne und behielt nur jenes Gold,
Drin sich seine Berge sonnen, das in seinen Herzen rollt.

Jetzt sind wir verarmt und dürftig, wehrlos und gebeugt von Schmerz!
O erschließe warm und freudig du dem Volke jetzt dein Herz!
Gib ihm Waffen, helle, scharfe: offnes Wort in Schrift und Mund!
Gib ihm Gold, gediegnes, reines: Freiheit und Gesetz im Bund!

Deine Lande stehn voll Segen, reich und schön wohl ringsumher,
Frei und reich in goldnen Wogen rollt der Saaten weites Meer,
Sieh, wie stolz die Wälder rauschen, wie die Reben saftig glühn,
Voll Metall die Berge ragen, segelreich die Ströme ziehn!

Und dein Volk, wie ganz dem Boden, nur an Freiheit, ach, nicht gleich!
Sieh die edlen Keim' und Blüten, so gesund, so schön und reich!
Herr, sei du der Frühlingsodem, welcher frei sie wachsen heißt!
Sei die Sonne, die sie reifet und darüber segnend kreist!

O dann wird das Volk auch blühen, wie die Fluren ringsumher,
Und sein Geist wird Ähren tragen, innren Marks und Kernes schwer,
Wie die Rebe wird er sprießen, die sich frei und fröhlich schlingt,
Und wohl auch als Hochwald grünen, der manch Blatt zum Kranz dir bringt!

Herr, gib frei uns die Gefangnen: den Gedanken und das Wort! –
Sieh, es gleicht der Mensch dem Baume, schlicht und schmucklos grünt er fort;
Doch wie schön, wenn der Gedanke dran als bunte Blüte hängt,
Und hervor das Wort, das freie, reif als goldne Frucht sich drängt!

Und es gleicht der Mensch dem Strome, unbelebt und öde nur
Eine tote Wasserheide dehnt er flach sich durch die Flur;
Doch wie herrlich, wenn darüber frei und fröhlich her und hin,
Die Gedanken gleichwie Schifflein und wie Silberschwäne ziehn! –

Herr, es strahlt vor deinen Augen eines Doms gewalt'ger Bau,
Dessen Turm, ein frommer Riese, hoch durchragt des Himmels Blau!
Und dein Volk war's, das ihn baute! Welches mag die Deutung sein?
Ei, wir finden in den Himmel selber wohl den Weg hinein!

Deiner Kaiserstadt nicht ferne liegt ein Schlachtfeld, weit und groß,
Wo für dich, für Land und Freiheit deines Volkes Blut einst floß;
O beim Himmel, wessen Herzen für dich bluten du gesehn,
Dessen Geist wird wahrlich nimmer gegen dich in Waffen stehn!

Freies Blut düngt jene Fluren; Herr, wie mocht' es denn geschehn,
Daß sie nicht schon längst voll Rosen heil'ger Freiheit üppig stehn?
Einem Meer gleicht jene Ebene; welch ein seltner Sternenlauf,
Daß das Morgenrot der Freiheit draus nicht längst schon stieg herauf?

O gib frei uns den Gedanken und auch seinen Freund: das Wort!
Denn es sind gar wackre Gärtner für die Rosenkeime dort;
Zu den Lorbeern und den Palmen, die dein greises Haupt umwehn,
Müßten gut und schön die Rosen jugendlicher Freiheit stehn!

Frei das Wort, frei der Gedanke! Wackre Schiffer sind es schier;
Will nicht aus dem Meer die Sonne, segeln sie entgegen ihr!
Bald dann flammt die Morgenröte, und es klingt in ihrem Schein
Mehr als eine Memnonssäule hell durchs Land, und voll und rein!« –

Also spricht das Lied, das freie. Vater Franz, du zürnest nicht,
Daß dir's nahte ungemeldet, ungefragt es zu dir spricht;
Sieh, es ist die Frühlingsschwalbe, die an deine Fenster pickt,
Und auch ungefragt dich mahnet, wie die Freiheit hoch beglückt!


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