Anastasius Grün
Pfaff vom Kahlenberg
Anastasius Grün

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Ein Winzerfest.

Herbstgefühle.

          »O Herbst, in deinen lichteren Tagen,
In deinem sonnigen Behagen,
In deiner stillen, tiefen Klarheit,
Mir bist du Bild und Zeit der Wahrheit;
Zeigst scharf wie sie, bist mild und weich
Und doch erbarmungslos zugleich!
Daß seine Nacktheit sichtbar werde,
Entschleierst du den Leib der Erde,
Entreißest ihm den Kranz von Dolden,
Des Mummenprunks grünsammtne Fetzen,
Die Stickerei'n von Aehren golden,
Fast Wonnen wandelnd in Entsetzen.
Hinfällig deinem Hauch zerfallen
Das Laubgetändel, die Blüthenspiele,
Wie rauhe Wahrheit weist er Allen
Die nackten Stämme, dürren Stiele;
Und so verwehn in Herzen auch
Scheinfreuden an der Wahrheit Hauch.
Nach Süden Wandervögel streichen,
Die aus den Büschen du gestoben,
Wie liebe Täuschungen entweichen,
Wenn rauhere Zeit sie will erproben.
Durch allen Raum geht ängstlich Beben,
Ein Niederflattern und Entschweben;
Dahin ist all das Tongemenge,
Das Blüthengewirr, das Keimgedränge,
Denn bleiben darf nur Echtes, Wahres,
Die schwere Erntefrucht des Jahres,
Du speicherst sie in Tennenräumen;
So aus zerstob'nen Lebensträumen
Gewinnt das Herz einst eine Aehre,
Ein Körnlein Wahrheit, dran es zehre.«

Pfaff Wigand denkt's, im Gartenbette
Zur Rast gelehnt auf seinen Spaten,
Mit rüstigem Werk den künftigen Saaten
Bereitet er die linde Stätte.
Die Linnenärmel aufgeschürzt,
Hat er die Schollen umgestürzt,
Vorpflückend seines Taglohns Zoll
Füllt er den Korb mit Trauben voll;
Des schwarzen Priesterrocks Gewicht
Hängt er auf einen Baum, daß nicht
Welttreiben den Geweihten gräme,
Der Heilige irdischen Werkfleiß lähme.
Der Ast scheint nicht so fromm gesinnt,
Er schwankt, bemüht ihn abzuschütteln;
Nicht also gläubig denkt der Wind,
Der nicht ermüdet, ihn zu rütteln;
Die Sonne hat, nicht gleich verschämt,
Sein Schwarz mit rothem Gold verbrämt,
Als ob es die Natur empöre,
Daß ihren Glanz ein Dunkel störe.

Dem Spiel sieht Wigand zu und spricht:
»Ein Wettkampf will das All' ergreifen,
Unholdes von sich abzustreifen;
Natur ist Freude, Glanz und Licht!
Dem Tod tritt sie mit Blühn entgegen,
Der Trauer mit dreifachem Segen,
Mißtönen mit des Wohllauts Beben,
Dem Welken mit urewigem Leben;
Schönheit ist selber ihr Schmerzenskrampf,
Ein Lächeln selbst ihr Todeskampf.
Hier auf dem Plan in meinem Garten
Stirbt jede Blume cäsargleich,
In ihren Blüthenmantel weich
Sich hüllend, ruhig zu erwarten,
Bis ihr ins Herz die Todesklingen,
Der Sonne Strahlendolche, dringen.
Die Erde, wund vom Pflügererz,
Strömt aus den Wunden göttlichhelle
Ihr goldnes Blut, die Garbenwelle;
Und bohrst du tiefer in ihr Herz,
Dich überschüttet ihr sprudelnder Zorn
Ein klarer, frischer, lebendiger Born,
Als räche sie ein munterer Scherz.
Sangmeister ist dem Schwan der Tod,
Und allen Zauber, alle Flammen
Fasst in den Scheideblick zusammen
Die Sonne, in ihr Abendroth.
Getret'ne Blumen strömen ihr Weh
In Düften süßer aus als je;
Ein Schlag macht stummes Erz erklingen,
Wie um dafür den Dank zu singen;
Der mächtige Strom geht mit Gesang
Durch Klippen seinen Todesgang.
Wer wird so göttergleich bestattet
Wie fern im Wald die dürre Eiche?
Ein grüner Schrein umschließt die Leiche,
Der Epheukranz, der sie umschattet;
Den Tod verschließt Natur vollständig
In einem Sarge, der lebendig.
Kein Räthsel ist, das sie nicht lichte,
Kein Leid, dem sie nicht Balsam trage.
O suche nur, o Herz, und frage
Um ihre lieblichen Berichte!
Unscheinbar lag die Reb' am Hang,
Wie Knochen und Gebein von Todten,
Ein dürres Zweiggeripp voll Knoten;
Doch Vater Noah schlich so bang
Um sie, bis aus der scheinbar todten
Der Feuerborn des Lebens sprang!
Und hat das Glück, die schöne Spröde,
Dem Freier ihren Korb gesandt,
Die Welt ringsum ist keine Oede,
Mit Blumen füll' er ihn zum Rand!
Du unerforscht, unnennbar Wesen,
Deß Priester und deß Kind ich bin,
Preist dich kein Blühn, nur das Verwesen?
Soll ich von deinen Büchern lesen
Nur jenes mit dem dunklen Sinn,
Nur jenes voll der Schmerzenskunde,
Doch dieses mit den lichten Lettern,
Voll Freudenbotschaft auf den Blättern,
Versiegeln meinem Sehermunde?«

Er hüllt die Brust, die blüthenvolle,
Ins Priesterkleid, als ob er wolle,
Daß auf die dreisten Lustgedanken,
Auf des Gefühls zu üppige Ranken
Ein schwarzes Bahrtuch dämpfend rolle;
Doch Herzen, die da glauben, sehen
Die Eingesargten einst erstehen.


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