Anastasius Grün
Pfaff vom Kahlenberg
Anastasius Grün

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Die neue Fahne.

                  »O haltet das Symbol mir werth,
So ihr das Wesen selber ehrt!
Drum läßt die Braut im Ehrenkranz
Nur auserlesene Blüthen prangen,
Weil er der Wonnen Widerglanz,
Die sie will geben und empfangen.
Drum wallt das Reichspanier zum Streit
Im reichsten Schmuck des Fahnenbandes,
Weil in ihm rauscht gesammten Landes
Gewalt und Ruhm und Herrlichkeit.
So flatt're über euren Bahnen
Der Flügelschlag der Kirchenfahnen,
Als rühre Schwingen euer Glaube,
Des Paradieses lichte Taube.
O denkt daran und laßt euch mahnen,
Daß euer Täublein flügellos;
Der Fahnenschaft ist kahl und bloß,
O kauft der Kirche neue Fahnen!«
Pfaff Wigand predigt's der Gemeine,
Doch spricht er nur ans Ohr des Winds;
Der Richter denkt beim Abendweine:
»Wie Gold, geschmolzen, funkelnd rinnt's,
Die schönsten Fahnenbräme sind's!«
Im Tanz der Bursch die Dirne wiegt,
Die Bänder flattern, die Schürze fliegt:
»Heisa, wie lustig rauschen und wallen
Die Fahnen, die mir die liebsten von allen.«
Zinsmeister meint: »Wenn Pfaff Wigand,
Der Blumenfreund, der Sohn des Lichts,
Zum Schaft ein Blüthensträußlein band
Und dann es segnet mit frommer Hand,
Läßt's auch ganz schön und kostet nichts!«
So kam's, daß in den Kirchenmauern
Noch fahnenlos die Schäfte trauern.

Auch Wigand trauert grambefallen,
Selbst durch sein Träumen geht bei Nacht
Ein unstät Flattern, Wehn und Wallen,
Das ihn wie Zugwind kalt umfacht;
Wie fahnenlose Lanzenstangen
Durchbohrt sein Herz ein stechend Bangen,
Bis er am Morgenstrahl erwacht.
Ha, noch am Tag Dämonenhaftes!
Das erste Kleidstück, das er suche,
Dort hängt's am Kreuz des Ständerschaftes,
Ein Fahngespenst von schwarzem Tuche!
Nach Bannerart zweispaltig geschnitten,
Ragt's dunkel in des Fensters Mitten,
Will's wallend, flatternd sich entrollen,
Vom Glorienschein des Tags umquollen.
Die derbe Wahrheit gibt's zu lesen:
Der Pfaff ist ein zweibeinig Wesen.

's ist Osterzeit; Lenzlüfte locken
Die Kirche selbst zu grünen Bahnen,
Sie flieht die düst'ren Hallen erschrocken,
Es faßt sie ihres Dunkels ein Ahnen.
In langem Festzug trägt sie Fahnen,
Monstranzen, Priesterkleider, Glocken
Und Kreuze selbst hinaus ins Freie,
Daß Lenz ihr die Kleinode weihe;
Singt, ihm zu huldigen, Bundespsalme
Und trägt als Schmuck sein Zeichen, die Palme.
Wann der Verjüngung Hauch berührt
Die Blüthenseele, das Lerchenherz,
Das Knospenaug', – die Kirche spürt
Mitklingen auch ihr heilig Erz.
Sie möchte wie die Blumen sein,
Drum streut sie lieblich in die Luft
Des Weihrauchharzes milden Duft,
Den Balsamhauch der Spezerei'n
Und öffnet freudig Kelch und Schalen;
Sie möchte sein dem Lichtstrahl gleich,
Drum läßt in allen Händen reich
Sie Fackeln flammen, Kerzen strahlen;
Sie möchte wie der Vogel sein,
Drum stimmt sie mit Gesängen ein,
Mit Orgelschall und Glockenklingen
Und rührt der Fahnen bunte Schwingen!

In Wigands Kirche sammelt sich,
Dem Zug sich ordnend, die Gemeine;
Spielleute stimmen mit scharfem Strich
Die Fiedeln erst zum Klangvereine,
Chorknaben schwingen keck im Kreise
Rauchbecken loh zum Funkentanze,
Der Pfarrer faßt in Linnen leise
Und prüft die Schwere der Monstranze,
Fahnträger fügt zum heißen Gange
Ins Tragband fest die Fahnenstange;
Ein neues Banner hängt am Schaft,
Doch dunkel schwankt es, schattenhaft
Im Düster noch der Kirchenhallen.
Ein Fragen und Sagen beginnt zu wallen:
»Ist's über Nacht vom Himmel gefallen
Nach der Prophetenmäntel Art?«
»Wer ist der Geber fromm und zart?«
»Wohl Wigand selbst! Sein eignes Sparen
Will uns vor Schmach der Kargheit wahren.«
Der Tadel auch sich leise regt:
»Zu dunkelfarb scheint der Damast,
Auch fehlt von Gold noch Saum und Quast.«
Jetzt tönt Gesang. Der Zug bewegt
Ins Freie sich, paarweis ergossen,
Der Mann, der hoch das Banner trägt,
Zieht durch die Pforten, weit erschlossen,
Durch die von außen Tageslicht
In Strömen hellsten Glanzes bricht.
Da schwebt am Schaft im Lichtportale,
Erkennbar jedem Augenstrahle,
Das Ungethüm paniergestaltig,
Aus schwarzem Tuche, doppelspaltig
Und läßt die derbe Wahrheit lesen:
Der Pfaff ist ein zweibeinig Wesen!
Ein Grollen braust durchs Volk gewaltig:
»Seht, Meister, euren Kranz von Rosen!
O seht des Pfarrers schwarze – –« »Stille!«
Gebot des Richters strenger Wille,
Beschwichtigend das Zornestosen.
»Doch ihr, Herr Pfaff, gedenkt ihr wohl
Noch eurer Predigt vom Symbol,
Von Taube, Kranz und Landesfahnen?
Soll uns daran auch dieses mahnen?«
Doch Wigand lacht: »Schwebt dort am Stabe
Kein Täubchen, nun, so ist's ein Rabe;
Und ist's kein Kranz in lichter Zier,
So ist's ein dunkler Trauerschleier;
Ist's nicht das helle Reichspanier,
So ist's sein schwarzer Wappengeier!
Wie euer Glaube karg und hohl,
So wählt' ich ihm auch das Symbol;
Zieht hin und laßt es besser werden.
Das merkt: die leergewordne Stelle,
Wo einst das Heilige wohnt' auf Erden,
Besetze Heiliges, Edles schnelle,
Daß nie das Gemeine, Niederträcht'ge
Verlassenen Heiligtums sich bemächt'ge.«
Zinsmeister drauf begann die Fehde
Mit rauhem Ton und scharfer Rede:
»Ei, Freund der Blumen und des Lichts,
In diesem Schmuck des Fahnenschaftes,
Wie sehr ich suche, find' ich nichts
Lichtfreundliches und Blumenhaftes!«
Doch ernst sprach Wigand: »Wenn ihr kränkt
Traumhafte, weiche Seelen, denkt:
Solch eine Seele gleicht dem Schwerte,
Das Edens Pförtner einst bewehrte.
Lichtgeister haben statt aus Stahle
Die leichte, körperlose Klinge
Geschmiedet blank aus luftigem Strahle,
Den schmucken Griff, der leicht sie schwinge,
Kunstreich aus Sternengold getrieben;
Und Bienenschwärme, Vöglein stieben
Gefahrlos durch die lustige Schneide,
Sie mäht kein Blümlein auf der Haide
Und mit ihr, unbeschadet, spielen
Die muntern Himmelskinder frei;
Doch wenn des Schwertes Hiebe fielen
Auf ird'schen Leib, gab's irdische Schwielen.«

Begütigend doch fügt er bei:
»Will euch die Fahne nicht behagen,
Kann ich getrost sie selber tragen.«


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