Anastasius Grün
Pfaff vom Kahlenberg
Anastasius Grün

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Im Pfarrhause.

Nachtgedanken.

            Die Nacht ist hell; im stillen Raume
Ist nur der Sterne Flimmern rege,
Als ob am schattigen Himmelsbaume
Das goldne Laub sich leis bewege.
Am Fenster noch Pfaff Wigand wacht
Und blickt hinaus zur Sternennacht
Und auf sein Kirchlein, hart am Wege,
In Schweigen ruhn die Weg' und Stege,
Nur hörbar ist der Donau Gleiten,
Zu rauschen scheint der Strom der Zeiten.

Schwarz zeichnen sich im Lichtgefild
Der Kirche dunkle, harte Massen,
Draus nur der karge Strahl des blassen,
Einsamen Lämpchens spärlich quillt.
»Erlisch, o Lampe, da dein Funkeln
Doch nicht erhellt die ewige Nacht,
Dein peinlich Kämpfen mit dem Dunkeln
Nur mehrt des Dunkels Uebermacht!
Schließt euch, ihr Pforten, daß verfallen
Ich fürder nicht dem finstern Bann,
Zu lehren in den Gotteshallen,
Was selber ich nicht glauben kann.
Je mehr ich mich in Gott versenke,
So wilder schwingt des Zweifels Welle,
Mein Senkblei, das ins Meer ich lenke,
Erreicht nicht seine tiefste Stelle.
Doch muß ich stolzen Trost's mir künden:
Ein bessrer Faden wird's ergründen!
Wo wohnst du, Herr? Die Priester sagen:
Im Wonnehain Unendlichkeit!
Und dehn' ich auch die Räume weit
Zu endlos ungemess'nen Hagen,
Doch find' ich Ort noch für die Planke;
Und wieder rück' ich keine Schranke
So fern hinaus, die der Gedanke
In keckem Schwung nicht überspringe!
Ein Ring ohn' End' und Anbeginn
In sich begrenzt endlose Schlinge!
Doch selbst im Ring ist Doppelsinn;
Ist er der goldne Reif dem Finger,
Ein himmlisches Verlöbniß reifend,
Der eh'rne Ring der Kette, schleifend?
In Knechtschaft allzudreiste Ringer?
Bist du der Schmerz, bist du die Nacht?
Bist du die Freude, bist du das Tagen?
Verschwendest du die Weltenpracht
Zum Selbstertödten und Entsagen?
Bist du der Arzt, der alle Wunden
Am glüh'nden Eisen meint gesunden?
Heilt Schmerz den Schmerz und Tod den Tod?
Schämst du des Tages dich, der loht?
Und ist der Tod die Schlummernacht,
Die zwischen zweien Tagen liegt,
Vom Abendrothe eingewiegt,
Vom Morgenroth zu Häuptern bewacht?
Gehört sie einem nur, nicht Beiden?
Dem frühern, daß sie seine Leiden
Verhüll' in liebliches Vergessen?
Dem künft'gen, daß für sein Beginnen
Die Schläfer frische Kraft gewinnen?
Doch ist, wie wir's gelehrt vermessen,
Nur Tod das Tagen, Nacht das Leben,
Laß süßen Traum die Nacht umschweben!
Wie soll zu künftigen Tageswerken
Schlaflose Kummernacht mich stärken?
Und um der Kirche Qualgebote,
Verneint vom Leben, frag' ich Todte;
Die Blumenwacht am Grab doch ruft:
Ergründ' erst mich und meinen Duft!
Ins tiefste Dunkel dieser Nacht
Will meine Seele fragend dringen
Und taucht und ringt empor mit Macht,
Ein Wandervogel auf Sehnsuchtschwingen;
Doch ist sein Flug zur düstern Ferne
Umstellt vom Strahlennetz der Sterne!
Drin hat das Vöglein sich verfangen
Und sitzt auf goldnen Kerkerstangen,
Die rings die Welt umgittern dicht,
Und singt: »Im Anfang war das Licht!«

Pfaff Wigand spricht's im Sternenschein,
Mit sich und seiner Seel' allein.
Vor ihm auf lichtem Sterngefild
Stehn schwarz der Kirche dunkle Massen,
Draus nur der karge Strahl des blassen,
Einsamen Lämpchens spärlich quillt.
Da sieht er aus dem Kirchlein wallen
Verspätet fromm ein Mütterlein;
Ihr hat das blasse Lämpchen allein
Mit Glanz erfüllt die düstern Hallen,
Daß selbst das helle Sterngefunkel
Vor seinem milden Leuchten schwand
Und vor den Bogenfenstern stand
Als undurchdringlich schwarzes Dunkel.
Und mildern Sinnes denkt Wigand:
»Ich will doch nicht die Pforten schließen,
Ich will doch Oel ins Lämpchen gießen.«


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