Anastasius Grün
Pfaff vom Kahlenberg
Anastasius Grün

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Ein Lied, das ihn nicht nennt.

                      Johannisnacht ist's, Sonnenwende,
Auf Bergesspitzen flammen die Brände,
Als wären Stücke zerbrochener Sonnen
Herabgefallen, auf Erden verglühend,
Als quöllen brennende Naphtabronnen,
Zum göttlichen Ursprung brünstig sprühend.

Am Hügel dort mit seiner Schaar
Schürt einen Holzstoß Engelmar,
Sie schleppen Reisig und mächtige Scheiter,
Aufprasselt die Flamme hoch und hell;
Da werfen in die Gluthen schnell
Die Weiber Nesseln und Wermutkräuter
Und singen, nun die in Asche verzehrt:
»So schwind' all Unheil unserem Herd!«
Von Knaben eine muntere Schaar
Springt durch die Flammen auf und nieder.
»So bleiben uns durchs ganze Jahr
Gesunde Herzen, gesunde Glieder!«
Das blaue Blümchen Rittersporn
Reicht einem Burschen ein Mägdlein dar;
»Sieh durch die Blum' in den Feuerborn,
Du schaust dann Liebes nur im Jahr.«
Er nimmt und schielt nach ihr daneben,
So auch erfüllt der Wunsch sich eben.
Die Greise sinnen und schauen verstohlen
Der Brände mähliches Verkohlen.
Der Sonnengröße gilt die Feier,
Die Sonne fehlt allein dabei;
Echtgroß entflohn der Schmeichelei,
Wallt sie durch ferne Lande freier.

Am Feuer neben Engelmar
Lauscht still ein junger Jägersmann,
Ein grünes Jagdkleid hat er an,
Mit Armbrust, grünem Hut im Haar,
Den Waidmannssack doch wildesleer;
Ein Wild vor'm Schusse scheint fast er,
Auf das des Bauers Auge sticht.
Der Engelmar zum Jäger spricht:
»Ei, schmucker Waidmann, trotz der Haube
Nehm' ich den Falken für keine Taube;
Wenn Lieder wären Bolzen fein,
Dann könnt' ein Jäger Nithart sein;
Das Täublein doch, würd' es verrathen,
Mir bangt, hier müßt's im Feuer braten,
Manch Fäustchen fände sich, es zu rupfen,
Manch Spieß, ins Feuer es zu lupfen.
Doch seid nicht bang, ich bleibe still,
Verrath' euch den Genossen nicht,
So ihr gelobt, daß euer Gedicht
Nie meinen Namen nennen will;
Denn euer Lied vom Engelmar
Das macht noch grauer fast mein Haar,
Wenn ab auch euer Bolzen prallte
Von meiner Brust, aufrafft alsbald
Ihn jeder Narr, der des Weges wallte,
Und schießt ans Ziel mit neuer Gewalt;
Ein tollgewordner Bienenschwarm
Umbraust's mein Haupt, daß Gott erbarm'!
Und wo ich wandle, schallt's mir nach,
Und aus dem Schlafe pfeift's mich wach,
Im Chor, anstatt des Psalms, erhuben
Das Lied muthwillige Sängerbuben,
Von Amselkehlen im Weinberg klingt's,
Gar meine Sense, glaub' ich, singt's.
Nun stimmt, daß man mich nicht erkennt,
Zur Sühn' ein Lied, das mich nicht nennt!«
Antwortet Nithart: »Wohl, es sei!
Behagt der Namen euch Philemon?
Im Lied doch sticht noch mancherlei
Und weckt in eurer Brust den Dämon;
Drum, hört ihr etwas ungewogen,
So stupst mich mit dem Ellenbogen,
Daß den Verstoß ich lösen kann.«

Der Bauer nickt und ruft mit Klang:
»Ihr Männer, horcht! Der Jägersmann
Hebt ein neu Lied von Nithart an!«
Der Waidmann drauf begann den Sang:

»Philemon wohnt im Marchfeldbann,
Ein rauh ungastlicher Kumpan.«
Der Bauer stößt, bis der Sänger es löst:
»Ein gastfrei milder Bauersmann.«

»Sein Weiblein Baucis war ihm gleich,
Wer ihr begegnet, wurde bleich.«
Der Bauer stößt, bis der Sänger es löst:
»Jed' Antlitz grüßt sie freudenreich.«

»Der Pfarrer und Meßner des Weges kamen,
Philemon denkt: »Mögt ihr erlahmen!«
Der Bauer stößt, bis der Sänger es löst;
»Er grüßt; Gelobt sei des Heilands Namen!«

»Er birgt sich in einen verhangenen Schrein,
Doch unten guckt hervor sein Bein.«
Der Bauer stößt, bis der Sänger es löst;
»Für die Gäste will er sich kleiden fein.«

»Die Wandrer lechzen: »»O Müdigkeit!««
Frau Baucis drauf: »Die Schenk' ist nicht weit!«
Der Bauer stößt, bis der Sänger es löst:
»O thut mir in meinem Haus Bescheid!«

»Und weiter sprach sie: »Mein Mann ist fern,
Auch schlug uns Hagel in bösem Stern.«
Der Bauer stößt, bis der Sänger es löst:
»Doch was das Haus bringt, biet' ich gern.«

»Den Gästen trägt das Weib herein
Verschimmelt Brod und kahmigen Wein.«
Der Bauer stößt, bis der Sänger es löst:
»Weißkuchen und jungen Osterwein.«

Das Tischlein wankt, ihm fehlt ein Bein,
Sie denkt: Mag's auch zum Tort so sein!«
Der Bauer stößt, bis der Sänger es löst.
»Sie stellt es fest mit dem eigenen Bein.«

»»Wir sind,«« so sprachen sie dankentglommen,
»»Zwei Teufel, euch zu holen gekommen.««
Der Bauer stößt, bis der Sänger es löst:
»»Sankt Peter und Sankt Johann, die Frommen.««

»»Wir geben frei dir eine Bitte.«« –
»Nehmt meinen Mann in eure Mitte!«
Der Bauer stößt, bis der Sänger es löst:
»Gebt uns ein Sterben nach Blumensitte!«

»»Wohlan, geht einst als Pflanzen zur Ruh!
Er sprieß' als Distel, als Klette du!««
Der Bauer stößt, bis der Sänger es löst:
»»Als Eichbaum er und als Linde du!««

»»Und geht dein Gespons einst wieder aus,
Nicht lass' er, wie heut', die Füße zu Haus!««
Der Bauer stößt, bis der Sänger es löst:
»»So komm' er recht balde wieder nach Haus!««

»Wer sang dieß Lied? Ein Vögelein
Pickt's aus dem Distelstrauch am Rain.«
Der Bauer stößt, bis der Sänger es löst:
»Berauscht vom Lindenduft im Frei'n.«

Verhallt ist schon des Liedes Hauch,
Doch nicht verflüchtigt ist's wie Rauch;
Erst knistern die Klänge noch verstohlen,
Wie einzelne Funken in den Kohlen,
Der merkt ein Verslein, Jener eins,
Bis sich die Funken zusammengefunden,
Auflodernd, zur Flammensäul' entzunden;
Aufjauchzt der Chor des Stimmenvereins,
Frei klingt's und macht zu Spott die Schliche,
Des Ellenbogens Censorstriche.
O Engelmar, du wärst bewundert,
Geboren in späterem Jahrhundert!
Es hat zuerst ein wund Gewissen
Das Wort in Fesselzwang gerissen.
Singt, daß die Sonne schwarz und kalt,
Daß euch ein weißer Rabe sprach;
Singt, daß der Frühling welk und alt,
Es singt euch's keine Seele nach!
Durch Bollwerk kommt die Wahrheit geflogen
Trotz Strich und Scheer' und Ellenbogen!

Der Sang von Philemon macht das Haar
Noch grauer fast dem Engelmar,
Und wo er wallt und fährt, da rennt
Das Lied ihm nach, das ihn nicht nennt,
Von Amselkehlen klingt's im Wald,
Selbst seine Sense lernt es bald.


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