Anastasius Grün
Pfaff vom Kahlenberg
Anastasius Grün

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Die Fürstenburg.

                »Laß, Pfaffe, sehn, wie du gebaut,
Mit Kunst vollführt, was dir vertraut,
Neu ausgeschmückt Gemach und Hallen,
Fürstlichem Sinne zu gefallen!«
Herr Otto an Frau Elsbeths Seite
Schritt durch des Fürstenschlosses Thor,
Die neubehauenen Stufen empor;
Wigand, der Pfaff, gab das Geleite.
Schön hat ein Meister aus Byzanz
Den Bau geführt; es wohnt sich traut,
Wo Ostens Kunst das Haus gebaut;
Der Südensonne tiefern Glanz,
Den Würzhauch fast, den Dämmerschein
Weiß sie zu gießen in den Stein;
Bis in die Quader tief im Grunde
Haucht sie die heitre Lebenskunde
Und rankt sie auf durch Wand und Dach.
Durch Haine luftiger Arkaden
Hinschritten sie zum Frauengaden.
Ein ganzer Thurm ward zum Gemach,
Da schimmert kostbar Frauengeräth,
Venedigerspiegel, bunte Schreine,
Spinnräder auch vom Elfenbeine,
Sammtstühle, kunstreich ausgenäht.
Der Fuß zagt auf dem Teppich bunt,
Der Estrich ward zum Blumengrund.
Im Eck die goldne Harfe steht,
Die Vöglein schlummern noch in den Saiten,
Die einst um jene Blumen gleiten.
Ob auch kein Schmuck, kein Prunkstück fehle,
Ein Frauengemach empfängt doch nur
Die Schönheit von der Frauenseele,
Liebreiz durch ihres Wirkens Spur.

Drei Fenster gießen in den Saal
Den Morgen-, Mittag-, Abendstrahl.
Zum ersten führt die Herzogin
Der Pfaff Wigand: »Spinnt euer Sinn
Der Liebe selige Phantasie,
O holde Frau, dann sitzet hie,
Den Blick aufs Gärtlein euch zu Füßen,
Es wird das Träumen euch versüßen.
Prachtblumen sprühn in Farbenwogen,
Von Südlands heißer Sonn' erzogen;
Ein Wandrer, der zu Ostens Pfaden
Das Kreuz einst trug nach Pilgerbrauch,
Hat süße Rückfracht dort geladen
Von Jericho den Rosenstrauch.
Springbrunnen steigen, Blüthen schauern,
Sangvögel schlagen in goldnen Bauern;
Aus Einsamkeit der Schatten quillt
Entgegen euch ein geliebtes Bild.
Ein Märchen selbst! Ihr wißt es kaum,
Träumt ihr das Leben, lebt ihr den Traum?«
Zum zweiten Fenster führt er sie:
»Will mahnend euch zu Herzen beben
Ernst und Beruf von Fürstenleben,
Frau Herzogin, dann sitzet hie,
Die Aussicht auf dieß schöne Land,
Von duftigen Bergen blau umspannt,
Vom mächtigen Silberstrom verschönt,
Von Städten und Burgen blank bekrönt.
Befragt das Land, das feiernd schweigt:
»Brauchst du zur Fürsprach meinen Mund?«
Befragt den Rauch, der einsam steigt:
»Wohnt dort vielleicht ein Herz, das wund?«
Zum dritten Fenster führt er sie:
»Wenn euch des Lebens Leid und Gram,
Trostloser Schmerz euch überkam,
Christliche Fürstin, sitzet hie.«
Vor ihrem Blick das Münster steht
Und weist, ein schweigender Prophet
Mit straff empor gereckter Hand,
Hinauf ins dunkle Sternenland.

Ein deutscher Meister war's vom Rhein,
Der christlichen Sinn hier formt in Stein.
In Tempelhallen fühlst du beben
Der Völker tiefstes Seelenleben.
In stolzen Säulen rafft empor
Vom Erdengrund sich der Hellene,
Doch ob er bald zurück sich sehne,
Ans Ziel den Glauben bald verlor,
Rasch brach er ab, zog zwischen sich
Und jene Höhen einen Strich,
Sein Quergebälk, um sich hienieden
Ganz abzuschließen in heitrem Frieden,
Umsäumend mit engem Säulenraum
Den vollsten, reichsten Göttertraum.
Der Römer wirft den runden Bogen
Empor in anmutvollem Schwung,
Doch mählich scheint's zur Niederung
Hat irdische Wucht ihn rückgezogen;
Hier stieg er, daß auf jener Seite
Er dann in Anmut niedergleite.
Den Himmel stürmt in tapfrer Hast
Der deutsche Christ, der beide Theile
Des spitzen Bogens zusammenfaßt
Und aufwärts schießt gleich einem Pfeile.
Das Münster mit dem steilen Dach,
Dringt in den Himmel allgemach
Gleich eingetriebnem mächtigen Keile;
Und wie er auch den Ernst des Ganzen
Mit Ast- und Blumenschmuck umrändert,
Die Giebel sind erhobne Lanzen,
Wenn auch bekränzt und reich bebändert.
Doch deutsche Kunst ist's, die's vollbringt,
Daß Anmut der Gewalt nicht fehle;
Der Thurm von Stein scheint eine Seele,
Die christlich fromm nach aufwärts ringt.
Mühvoll aus rauhen Erdenmassen
Hebt sich die gottgeweihte Quader;
Jetzt strömt ihr Leben in die Ader,
Beginnt in Formen sich zu fassen.
In rohen Stämmen klimmt's zum Licht,
In Stufen nur mit steiler Wendung,
Bis zwischendurch ein Strahl jetzt bricht,
Das Leuchten künftiger Vollendung;
Und freier, kühner wird das Klettern
Und schießt in Zweigen, quillt in Blättern,
Durchbrochnes Laub mit zarten Rippen
Will Morgenthau im Aether nippen,
In Fluthen strömt der Tag darein,
Verklärt, vergeistigt wird der Stein
Und treibt so lustig leichte Ranken,
Dir bangt, daß sie im Winde schwanken.
Jetzt faßt zusammen sich's zum Kerne,
Zur Rose wird der Giebelstein
Und mündet all sein irdisch Sein
Verduftend in die ewigen Sterne.

Kannst du den Blick vom Ganzen lenken
Und in die Einzeltheile senken,
Hart an der Seele Himmelspfaden
Läßt sich der Künstlerschalk belauschen;
Du siehst empor am Baum der Gnaden
Manch irdisch Ungeziefer rauschen,
In Steingezweigen versteinte Schlangen,
Eidechsen gar und Kröten hangen,
Als mahn' es, wie noch Irdisches klebe
An Allem, was da aufwärts strebe.
Da scheint in Stämmen und in Mauern
Unthier und Mißgestalt zu lauern,
Am Säulenschaft sich Drachen ringeln,
Ums Kapitäl Basilisken züngeln.
Dort liest ein Affe im Breviere,
Hier trägt ein Wehrwolf Bischofszeichen,
In Nonnenschleiern Kätzlein schleichen,
Mit Kron' und Zepter reißende Thiere;
Satan als Wirth die Kannen füllend,
Ein lüstern Meerweib reizenthüllend.
So klimmen zwischen Himmelsranken
Gar weltlich sündige Gedanken,
Die Künstlerlaune in Stein geschmiegt
Und scharfgemeißelt, festgemauert
Steinmetzenwitz, der Centner wiegt
Und das Jahrtausend überdauert.
Willst du ums Beiwerk naschend schwirren,
Wirst dich im Labyrinth verirren;
Doch kann dein Blick das Ganze fassen,
Dann stört dich selbst das Zerrbild nie,
Denn, schmelzend, in die Harmonie
Verschwindet's der granitnen Massen,
Und unabwendbar mußt du lauschen
Des Gottesbaumes seligem Rauschen.


Den Herzog führt des Pfaffen Hand
Zum Fürstensaale hoch und klar,
Umfahn von schlanker Säulenschaar,
Von leichter Wölbung überspannt.
Der Boden gleißt wie Spiegel rein,
Die Scheiben sprühn in buntem Schein,
Standbilder stehen in schmucken Nischen,
Sinnreich vom Meißel ausgeprägt,
Indeß die glatte Wand dazwischen
Manch farbenreich Gemälde trägt.
Des Fürsten Auge drüber gleitet:
»Laß sehn, Herr Pfaff, wie du geleitet
Die Künstlerhand in Farb' und Stein!
Hier stärkt mich wohl in farbigen Schildern
Fürstlicher Tugend Widerschein,
Hier grüßen mich in Marmorbildern
Rudolf und Habsburgs Ahnenreihn?«
Wigand der Pfaffe lächelnd spricht:
»Rudolf, der werthe Mann, ist's nicht,
Doch manch ein Andrer mag euch mahnen
An Kampf und Zeiten jener Ahnen.
Hier die Gestalt im mönchischen Rock,
Ein tüchtig Stück vom Marmorblock,
Ist Berchthold, Abbas von Sankt Gallen,
Der älteste Habsburgsfeind von Allen.
Ein Andrer winkt euch nebenan,
Mit Stab und Inful angethan,
Der Bischof Basels, noch den Spott,
Durch Rudolfs Kaiserwahl entpreßt,
Auf seinem Mund: »Nun, Herre Gott,
Nimm dich zusamm' und sitze fest!«
Dort ragt, vom Königsmantel umwallt,
Mit Kron' und Schwert die Heldengestalt
Des großen Ottokar. Nicht immer
Ist, wer erlag, der kleinere Held;
Die Axt wird darum größer nimmer
Als jener Baum, weil sie ihn fällt.
Adolf von Nassau, seht, ist dieß;
Wohl doppelt zierlich, doppelt reich
Schnitt diese Krone der Meißelstreich,
Die einen Habsburg nicht schlafen ließ!
Unfern drei Bauern mit Schweizermützen,
Sich mit der Linken fest umschlingend,
Die Rechte hoch zum Eidschwur ringend,
Ein Alpenberg mit dreien Spitzen,
Der Schweizerfelsen im Gewitter,
Dran Habsburgs Schwert sich stieß in Splitter!
Dort droht im Stein die Seelenherbe
Johanns, des finsteren Nepoten;
Der Meuchler fordert vom Despoten
Noch hier sein vorenthalt'nes Erbe,
Und durch die lichten Freudenhallen
Fühlt ihr des dunklen Schattens Wallen.
Ein sanftres Bild; den Arm euch streckt
Ludwig der Baier jetzt entgegen,
Der erst das Schlachtschwert eingesteckt,
Ergreifend einen bessern Degen,
Die Freundeshand, die ihn bewehre
Zu Schutz und Trutz, zu Sieg und Ehre!«

Zu Wigand spricht der Fürst verdrossen:
»Was ludest du, mein Aug' zu quälen,
Nur Habsburgs Feinde meinen Sälen
Und gabst mir Haß zum Hausgenossen?«

Nicht bleibt Wigand zur Antwort träge:
»O geh dem Haß nicht aus dem Wege!
Er müht sich sorglicher um dich,
Mit schärferm Auge selbst, als Liebe;
Was ewig unbemerkt ihr bliebe,
Er bringt's zu Tage sicherlich.
Er duldet an dir keine Makel,
Horch auf sein Wort; vom Feindesmund
Erlausche dir des Hasses Grund!
So leuchte dir die grelle Fackel,
Auf daß Erkenntniß deiner Fehle
Dich zur Vollendung männlich stähle;
Denn Haß ist wie der Zahn der Feile,
Die von dir streift die rauhen Theile,
Wie Demantstaub, durch dessen Schärfe
Der Demant helleres Feuer werfe.
Ehrst du den Feind, der ehrenwerth,
Du lähmst in seiner Hand das Schwert;
Am großen Feind dein Auge weide,
Dein Maß sollst du an seines rücken:
Er wird sich dir zu Lieb' nicht bücken,
Du mußt dich strecken ihm zu Leide!
Ich lud euch Feinde in die Hallen,
Auf daß ihr doppelt glücklich seid,
So ihr in ruhiger Freudigkeit
Vermögt durch ihre Reihen zu wallen.«

Verlassend jetzt die Marmorbilder
Erklärt Wigand die farbigen Schilder:
»Hier hebt der Tugendspiegel an,
Fürstlichen Ehren aufgethan!
Das erste Bild; im Hintergrund
Ein Bettlein weiß wie Flaum der Taube;
Wohl als vergessene Schlummerhaube
Liegt auf dem Kissen ein Krönlein rund.
Im Vordergrund ein Römerweib
Lukrezia, den Dolch im Leib;
Der Gatte weint, der Vater flucht, –
Benennt's; Fürstliche Ehrenzucht.
Im zweiten Bild ein fröhlich Leben
Zu Weingelag und Würfelspielen,
Das trunkne Haupt bekränzt mit Reben,
Buhldirnen, Gauklervolk beisammen,
Umlagernd einer Bühne Dielen.
Nero schlägt seine Laute munter,
Rückwärts brennt Rom in rothen Flammen;
Fürstlicher Minnesang steht drunter.
Hier sitzt beim Lampenlicht ein Weiser,
Von mächtigen Büchern rings umreiht,
Es baut Justinian, der Kaiser,
Des Rechts Grundfesten aller Zeit;
Doch steht als Themis mit der Binde
Daneben Belisar der Blinde;
Die Inschrift heißt: Gerechtigkeit.
Nun kommt ein Doppelbild; das eine
Zeigt Jagdgebraus durch Waldesreiser,
Zur Wette läuft Basil der Kaiser,
So scheint's, mit einem wilden Schweine;
Ein Mann springt rettend zwischen sie,
Den Keuler spießt sein Schwert am Knie.
Im zweiten hält Gericht Basil;
Desselben Mannes Haupt verfiel
Dem Beil des Henkers, der es mäht,
Weil Jener vor der Majestät
Damals entblößt die Waffe blank;
Die Inschrift lautet: Fürstendank.
Im nächsten Bild vor euch nur steht
Ein Ochse, der durchs Feuer geht,
Ein ehern Kunstwerk, das man nennt
Nach Phalaris von Agrigent;
Thier ist's zugleich, Wohnhaus für Fremde,
Auch fester Käfig, warmes Hemde
Und musikalisch Instrument.
Doch könnt das Vöglein ihr im Bauer
Nicht sehn, Perillus den Erbauer,
Drum scheint das Bild fast mangelhaft;
Darunter steht: Kunstgönnerschaft.
Dieß Bild« – doch Wigand plötzlich schweigt;
Vor Otto's Aug' ein Schlachtbild steigt:
Siegreich die Leuen Böhmens wallen,
In wilder Flucht die Feinde rennen,
Ihr Führer weitvoraus vor Allen!
Die eigne Flucht muß er erkennen,
Das eigene Bild aus früherer Zeit, –
Darunter liest er: Tapferkeit.

Da zürnt der Fürst: »Statt daß mich stähle
Der Anblick heitrer Tugendbilder,
Durchs Aug' mir schneiden in die Seele
Nur fremde Sünden, eigne Fehle!«

Der Pfaffe drauf erwidert milder:
»Wer sich umbaut mit Tugend ganz,
Ist wohl zumeist von Tugend ferne,
Vom Strahl geblendet hält er gerne
Das fremde Licht für eignen Glanz.
Es ist ein weichlich feig Gebaren,
Nur stille Frommheit um sich schaaren;
Sieh tapfer in des Lasters Auge,
Daß Muth dein Herz zum Kampfe sauge!
Im Frau'ngemach stehn Spiegel zart,
Daß Schönheit drin ihr Abbild habe
Und sich am eignen Zauber labe;
Auch Spiegel, doch verkehrter Art,
Sind hier die Bilder, seltsam, eigen,
Die Mannesschönheit scharf zu zeigen;
Blickst du hinein, dann soll dich's laben,
Wenn sie dir nicht dein Abbild gaben.
Das Sündendunkel wird nur heben,
Verklären schön'ren Daseins Kern;
Du pflanze mit dem eignen Leben
Ins Nachtgewölk den hellen Stern!«


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