Anastasius Grün
Pfaff vom Kahlenberg
Anastasius Grün

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Eine Bauernhochzeit.

            Die Wandrer ziehn auf Thalesstegen,
Schon gastlich blinkt von fern entgegen
Der Kirchenthurm, des Städtleins Dächer,
Das ihnen füllt den Abendbecher.
Desselben Weges keucht ein Greis
Mit schwankem Tritt und bleicher Wange!
»Wohin, o Greis, in solchem Drange?«
»»Ihr wohnt wohl hoch im ewigen Eis,
Daß ihr's nicht wißt; des Fürsten Fuß
Bewandelt jener Mauern Stätte;
Da rafft' ich mich vom Krankenbette,
Mein Knie zu beugen, ihm zum Gruß.««
»Und dann,« spricht Wigand, »dann zu fallen
Zur Grube noch vor deiner Stunde.«

Nun sie des Weges weiter wallen,
Nur Schweigen, Trauern in der Runde!
Verstümmelte Bäume ohne Aeste
Gleich Mördern, denen abgeschlagen
Ein blut'ger Spruch die Hände; sie ragen
Zum Prunk am Zinnenrand der Veste!
Es steigt kein Rauch aus feurigen Essen,
Kein Schlag der Hämmer klingt zu Ohren,
Die Mühlen stehn wie eingefroren,
Und Pflug und Sense ruhn vergessen.
Graunvoll, als ob an diesem Tage
Kein Brod auf Erden zu wachsen wage.
Ein unterbrochenes Gebet
Liegt dort das Feld, erst halb besät,
Noch liegt des Sämanns Korb am Hage,
Er hat zum Fest sich fortgestohlen.
»Jetzt ernten vor der Zeit die Dohlen,«
Spricht Wigand bitter: »Auf allen Wegen
Der Fürstenreise welch ein Segen!«
Doch Otto drauf: »Nicht wollt verklagen
Allein den Fürsten, vor dessen Wagen
Ihr selbst zwei lahme Gäule spannt:
Die Demut und den Unverstand!
Sprich, ist zu schwer die Ladung dann,
Wie, oder zu elend das Gespann?
Und wenn bei jedem Schritt durchs Land
Die eine Mähre den Schädel nickt,
Die andere sich zum Kniefall schickt,
Sprich, will das Paar aus Ehrfurcht nicken?
Will's unter eigner Schwäche knicken?«
Sie ziehn durchs Thor, Festranken winken,
Es läuten Glocken, Fähnlein blinken.
Am Rathhaus ist ein Thron errichtet,
Drauf Nithart sitzt, matt, abgespannt;
Als ob der Purpur ihn erdrücke,
Scheint Aug' und Körper wie vernichtet,
Erschöpft stützt er die müde Hand
Aufs Zepter, wie auf eine Krücke.
Am Throne wallt ein Zug vorbei,
Landleute, Bürger, Klerisei;
Zur Kirche geht's; langsam bewegt
Ein Karren sich, der allerlei
Hausrathes und ein Wieglein trägt.
Ein neues Bild den Fürsten labe:
Der Bauernhochzeit fröhlich Wesen.
Da ward ein armes Paar erlesen,
Das Städtlein steuert die Hochzeitgabe.
Ein Pfeifer schreitet vor dem Reigen,
Die Schwegelpfeife kreischt mit Macht,
Ein Pfeifer ist's, gar seltsam, eigen,
In stattlich schwarzer Manteltracht.
Aufs schwarze Sammtwamms niederrollt
Die Kette mit dem Pfennig von Gold,
Das Haupt geschirmt vom schwarzen Barette;
Doch wer ihn hört, dem raset die Schneide
Des Schmerzes durch die Eingeweide!
Ein Zaubrer scheint's, der von der Kette
Gelöst des Mißlauts böse Geister;
Doch sühnt er's selbst – sein Blut ist Eis,
Auf seiner Stirne perlt der Schweiß.
Das ist des Städtleins Bürgermeister;
Er kann sich's heute nicht versagen,
Ins Fürstenherz sich einzupfeifen;
Ach, wenn zur Flöte Schöffen greifen,
Wenn auf dem Rathhaus Pfeifer tagen,
Ist's gleiche Musik und gleich Behagen!
Das Brautpaar naht, – welch herrlich Paar!
Der Strauß am Hut wirft böse Schatten
Aufs Antlitz doch des künftigen Gatten.
Ist in des Bräutchens Lockenhaar
Der Kranz so schwer, daß seine Schwere
Ihr schönes Haupt zu Boden kehre?
Am Busenstrauß die Perlen rein,
Sind's nur der Morgenthau allein,
Der Heimatfluren Abschiedszähre?
Ein Balkenbau ragt auf der Straße,
Da tröpfelt Wein aus hohem Fasse,
Da ruft die Inschrift; »Kommt, die dürsten!
Reich quillt der Gnadenborn des Fürsten.«
Doch die da kamen, dran zu nippen,
Verziehn vom herben Trank die Lippen.
Am Marktplatz nur Sankt Florian
Ist heiter und thut wohl daran,
Sein blechern Fähnlein ist neu geglänzt,
In blanken Panzer ist er gethan,
Mit neuem Heiligenschein umkränzt;
Zu Fürstenehr' die Bürgerlade
Staffirt' ihn neu vom Haupt zur Wade.
Herr Otto sah schier nicken den Blanken,
Wie um zu grüßen und zu danken.

Da naht dem Bräutchen Otto leise.
»Ist's hier zu Land der Bräute Weise,
Den feuchten Blick zum Grund zu schlagen,
Wie bangend vor den Wonnetagen?«
Dem Aug' der Maid entstürzen Thränen:
»Herr, nur das schönste Brautpaar tauge,
So sprachen sie, vors Fürstenauge!
Sie wählten mich und mir dann – Jenen;
Sie wählten nicht, die blinden Thoren,
Den Liebsten, den mein Herz erkoren,
Den Schönsten, den dieß Thal geboren!
Auch konnt' er nicht ins Kleid sich pressen,
Dem sie zu knapp das Tuch gemessen;
Ein Bürschlein ist's so wunderprächtig,
Doch schulterbreit, von eurem Maße, –
Ach, wem der Wohlthat Röcklein passe,
Der muß von Wuchse sein gar schmächtig!
So ward mir dieser fremde Mann,
Und, ach, vier Herzen bluten dran.«
Herr Otto spricht: »O bittres Scherzen!
Bei andern Blumen, die sie heut
Dem Fürsten auf den Weg gestreut,
Sind auch, ich seh's, geknickte Herzen;
Sie sollen blühn, erfrischt, erneut!
Gleicht mir dein Liebster, scheint gemacht
Mein Röcklein ihm zur Hochzeittracht;
Dünkt's wem zu schlicht, dem mag er sagen:
Mein Landesfürst hat's selbst getragen,
Ihr mögt den dort zu Throne fragen.
Du, Bräutigam mit der finstern Stirne,
Dort, seh' ich, weint noch eine Dirne;
Wohl glänzte, wenn sie wieder lachte,
Im Widerschein dein Antlitz sachte.
Dem Dirnlein such' ich einen Freier,
Aussteuern will ich selbst die Feier,
Ein hellroth Röcklein soll sie kleiden,
Ein flimmernd Mieder, Bänder von Seiden,
Der Schneider karge nicht im Maße,
Daß noch das Kleid nach Monden passe.
Doch daß ich selbst nicht ganz entbehre
Des Hochzeitsstaats, o Fürst, gewähre
Mir mild von deinem Uebermaße! –
Nur euren Spielmann müßt ihr tauschen;
Ich weiß den Mann, dem süß zu lauschen,
Der euren Socken Flügel bringe,
Daß Euch des Wohllauts Woge schwinge,
Und Stern' und Mond sich drehn im Ringe!«

Da springt vom Thron Nithart behende
Und reißt vom Haupt den Herzogshut,
Vom Leib den Purpur, als ob Gluth
Ihm lodre sengend um die Lende:
»Fort, unbequeme Maskentracht,
Du Nessushemd, wenn nicht die Macht
Des rechten Herzens drunter schlägt!
O wonnig Heimatland der Lieder,
Du rufst, du winkst, dein bin ich wieder!«

Pfaff Wigand meint; »So frohbewegt
Ward noch kein Purpur abgelegt.«


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