Stefan Großmann
Die Partei
Stefan Großmann

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Neuntes Kapitel

Zur Erinnerung! Sonntag in meinem Schloß, Döbling, Hofzeile 74, nach dem Mittagessen, drei Uhr – Wisgrill.« Diese Einladung auf einer Rohrpostkarte erhielten die Gäste Samstag abends.

Helferich und Weiner stolperten über die steile, schlecht gepflasterte Gasse. Dörfliche Stille, Gras, das zwischen den Steinen emporschießt, hinter Gärten versteckte Häuschen.

»Passen Sie auf,« brummt Helferich, »der Kerl hat einen livrierten Diener! Wie ein ernster Mensch so kindlich sein kann . . .«

»Von wem hat er denn das Schloß?«

»Weiß der Teufel, mit seiner Familie, die sehr viel Geld hat, ist er zerkriegt. Am Ende hat ihm gar sein Fürst ein altes Schlössel überlassen. Unvorsichtig genug ist er in solchen Dingen . . . Wo ist denn eigentlich das Schloß? Hier ist schon Hofzeile 84 . . . Wir sind vorbeigegangen.«

Weiner wird logisch: »Dann ist es gar kein Schloß!«

An einem kleinen niedrigen Häuschen, das man von der Gasse aus übersieht, weil Flieder und Jasminsträuche es verdecken, entdecken sie endlich die Nummer 74 und läuten.

»Ich hätte eine rote Fahne ausstecken sollen,« sagt Wisgrill, am Eingang, »aber das paßt nicht zu einem alten 155 Biedermeierhäusel, und dann hätten mich die Weinbauer in der Umgegend erschlagen. Übrigens gehört das Haus nicht mir, ich wohne droben im ersten Stock.«

»Gibt's denn das?« fragt Weiner.

»Steigen Sie nur hinauf. Hier diese Holztreppe! Fallen Sie nicht, Achtung, poesielose Leute nennen das eine Bodenstiege, glauben Sie aber nicht, daß ich in einer Dachkammer wohne.«

Uff, da war man hinaufgeklettert. Ein halbfinsterer Dachraum.

»Öffnen Sie nur die Tür, Weiner.«

Weiner klinkt eine Brettertür auf.

Ah, da stehen sie in einem sonnenüberhellten Raum . . .

»Sehen Sie,« sagt Wisgrill, »auf dieses ›Ah‹ bin ich stolz, wer hier eintritt, sagt dieses erstaunte Ah! . . . Sie müssen wissen, das war vor einem Jahr hier ein richtiger Dachboden. Da hab' ich diesen Balkon hinausgebaut, spazieren Sie nur heraus, wir sind hier dem Kahlenberg gegenüber, und dann ließ ich diese zwei großen Glasfenster einfügen. Nun, was sagen Sie, wie gefällt Ihnen mein Schloß?«

Auf der weiten Veranda stehen vier breite, bequeme Sommerfauteuils.

»Lassen Sie sich nieder, meine Herren. Wollen Sie gleich wissen, was ich für mein Schloß Zins zahle? Fünfundzwanzig Gulden monatlich, das darf ein Proletarier, was? Das ist noch nicht zu üppig? Ich überlasse mein Heim Ihnen, Helferich, wenn ich ausziehe, denn eigentlich gehöre ich dort hinunter. Sehen Sie das kleine Barockschloß? Das steht 156 leer. Das schönste Haus in Döbling! Das hat die Maria Theresia für sich eingerichtet, als ihr nach Schönbrunn zuviel Leute kamen und sie mit ihrem Gatten irgendwo allein sein wollte, um die Herstellung ihrer siebzehn Kinder zu besorgen . . . Dorthin zieh' ich, wenn wir mit dem Kaiser gut stehen, nach der Wahlreform muß er mir das überlassen.« Weiner schaut auf Helferich, man weiß ja nie, ob Wisgrill sein Geflunker nicht wirklich glaubt.

Helferich versinkt in einem der Liegestühle: »Kommt denn Ihr Fürst?«

»Natürlich.«

»Weiß er, was für Plebejer ihn erwarten? Wird er sich's nicht überlegen?«

»Lieber Freund,« sagt Wisgrill aus seinem Sessel, die Beine spreizend, die Hände breit in den lichten Hosen, »er überlegt sich's, wenn ich mir's überlege.«

Weiner stottert: »Hudalek würde jetzt etwas sagen!«

»Na, was denn? Nur heraus damit!«

Es wird Weiner nicht ganz leicht, er errötet sogar, dann läßt er – mit einem Anlauf – seinen Einfall los: »Hudalek würde sagen: ›Unser Franzl wird's schon machen!‹«

»Bravo,« ruft Wisgrill, »Weiner legt sich das Wienerische bei! Bravo! Ich bin unbedingt für die Assimilierung, aber nur nicht gar zu rapid, sonst hält sie nicht, begnügen Sie sich einstweilen mit einer leichtwienerischen Patina.«

Die Hausglocke läutet.

Helferich rüstet sich: »Der Fürst kann heut was hören!«

»Die Behörde ist da,« ruft Wisgrill aus dem Garten.

Hudalek und Stransky treten ein: »Ah . . .«

»Daß Sie Ihre schwarze Tasche nicht mitgenommen haben, Stransky?« sagt Wisgrill, »können Sie denn ausgehen ohne Ihre Aktenmappe? Sie kommen einem ja ganz nackt vor ohne die Ledertasche!«

Stransky reicht bis an das Dachgewölbe: »Ihr Schloß ist mir zu niedrig.«

Hudalek keucht noch von dieser »lebensgefährlichen Treppe«.

Während sie sich auf dem Balkon niederlassen, läutet es wieder. Wisgrill verschwindet.

»Können Sie sehen, wer es ist, Stransky? Sie sind ja ein Aussichtsturm!«

»Ein großer magerer Herr.«

»Mit Taille?« fragt Helferich, »das wird er schon sein.«

»Jedenfalls stehe ich nicht auf,« sagt Hudalek, der mit gewölbtem Bauch in seinem Sessel liegt. »Ich bin Demokrat.«

Der Fürst tritt ein.

Weiner geht an den Rand des Balkons, legt die Hand über die Augen und tut, als suche er etwas weit in der Landschaft.

Helferich steht auf, grüßt.

Wisgrill führt den Angekommenen zu Hudaleks Sessel.

»Fürst Schwarzenstein – Sekretär Hudalek.«

Hudalek versucht stöhnend sich aufzurichten. Vergebens. »Darf ich Ihnen helfen?« fragt der Fürst mit seiner Fistelstimme.

»Danke, es geht schon.«

»Wir haben uns im Parlament getroffen,« sagt Stransky, den Kopf neigend, denn er ist noch länger als der Fürst.

158 Weiner kann sich von der Landschaft nicht trennen.

Wisgrill tritt zu ihm, faßt ihn an den Schultern und wendet ihn sanft um: »Herr Redakteur Weiner – Fürst Schwarzenstein.«

Weiner schaut mit melancholischen Augen auf und sagt kurz. ^Habe die Ehre . . .«

In diesem Augenblick murmelt ihm Wisgrill ins Ohr: »Ihr Hosenbandl.«

Weiner blickt verstört zu seinen Schuhen. Nichts . . . Es war einer von Wisgrills blöden Witzen.

»Setzen wir uns! . . . Mein Diener wird sofort Kaffee servieren.«

Dabei sieht Wisgrill Weiner an. Der schaut verständnisvoll zu Helferich hinüber: Diener! . . .

Da kommt Wisgrill wieder herein, in den Händen einen Kaffeekocher mit sechs kleinen Porzellanschalen.

»Zigarren bringt der andere Diener,« wieder sieht er mit verstecktem Lachen zu Weiner, verschwindet und kommt mit der Zigarrenkiste wieder.

Der letzte Gast ist Schauer. Er trägt eine weiße Weste, sieht frisch, wie aus dem Bad gestiegen, aus. Er tritt auf den Balkon und sagt, noch einmal auf die übersonnten Weinberge schauend: »Ah!«

»Das siebente Ah!« konstatiert Wisgrill, »ich bin zufrieden!«

Der Fürst sitzt neben Helferich, der seine stinkende Zigarre raucht. Vergebens bietet ihm der Fürst seine Zigarrentasche an.

159 »Danke, ich bin versorgt.«

Nun, das sind die Opfer, denkt Durchlaucht, die man der politischen Karriere bringen muß.

»Sie kennen den Ministerpräsidenten?« fragt Schauer geradezu.

»Er hat eine Schwarzenstein zur Frau, meine Kusine.«

»Richtig. Unsereins behält das nicht im Kopf. Na, was ist er denn eigentlich für ein Mensch? Wir kennen ihn ja nur von zwei, drei Reden im Abgeordnetenhaus, da hat er noch ein bißchen gestottert . . .«

»Gestottert? . . .«

»Nein, nein, nicht richtig gestottert, ich meine politisch gestottert. Da ist er noch unsicher wie auf Glatteis gegangen.«

»O,« sagt der Fürst, während er einen Smaragdring an seinem langen Finger dreht, »Sie brauchen ihn nicht etwa mir zuliebe zu loben . . . Wir überschätzen ihn auch nicht. unsere Familie nämlich, aber ich muß zugeben, er ist eifrig, er ist gelehrig, er bemüht sich, er will einen guten Rat annehmen.« Die Worte kommen langsam aus dem Mund des Fürsten, und durch Pausen, während er mit dem grünen Ring spielt, wird die Bedeutung der Worte gehoben.

»Das ist das Beste,« antwortet Schauer, »ein Ministerpräsident, der weiß, daß er nichts weiß, ist mir lieber als einer, der die Weisheit mit dem Löffel gefressen hat. Er macht übrigens im Büro, wenn er seinen Präsidialisten neben sich hat, eine ganz gute Figur. Er kann zuhören und mitgehen.«

160 Der Fürst beugt sich nach vorn, die freundlichen Worte über seinen Vetter freuen ihn: »O, Sie werden noch Ihre Wunder an ihm erleben. Er ist ein wirklich fortschrittlicher Mann. Wir haben beispielsweise beim Grafen Thurn eine kleine Abendgesellschaft, die sich mit der Arbeiterfrage befaßt . . .«

Helferich unterbricht: »Einen aristokratischen Bildungsverein?«

Der Fürst erwidert, durch den Zwischenruf ein wenig irritiert, dennoch zuvorkommend: »Wie Sie das nennen wollen . . . Da hat er sehr oft durch die radikalsten Bemerkungen verblüfft. Einmal hat einer der Herren den Abgeordneten Furtmüller mitgebracht.«

Helferich unterbricht schon wieder: »Als Lehrer?«

Der Fürst fühlt, daß er sich verschnappt hat, er dreht sich nicht ohne Absicht von Helferich weg, zu Schauer, der auf der anderen Seite des Balkons sitzt: ». . . Wir wissen ja alle, daß der Furtmüller ein bissel rückständig ist, aber er ist ein Original, nicht? Er hat so was Urwüchsiges, nicht? Jedenfalls ist er ein populärer Redner, nicht?«

Schauer fühlt, daß er dem Fürsten ein bißchen heraushelfen soll: »Ja, er ist so ein alter Wiener Vorstadtkomiker.«

»Ausgezeichnet,« sagt der Fürst erleichtert, »ja, er hat was vom Guschelbauer. Na also, den hat der Windischgrätz mitgenommen, aber Sie hätten hören sollen, wie ihn der Ministerpräsident, richtig, damals war er's noch gar nicht, hergenommen hat. Der arme Furtmüller hat einem förmlich leid getan . . . Übrigens, wissen Sie, seit der Zeit ist der Furtmüller auch für das allgemeine Wahlrecht.«

161 Hudalek nimmt alle Kraft zusammen, um sich in seinem Liegestuhl aufzurichten, den Freund Furtmüllers muß er sich doch ansehen. Weiner, der noch am Balkongitter steht, zwinkert zu Stransky hinüber, Wisgrill fühlt, daß er einschreiten muß:

»Na, auf Furtmüllers Wahlreform möchte ich mich nicht verlassen!«

»Es ist ja alles noch so im ungewissen,« sagt Schauer, »übrigens, Durchlaucht, Doktor Wisgrill wird Ihnen unsere Bitte mitgeteilt haben. Wir hätten gern, wenn sie schon existiert, ein Exemplar der Wahlreformvorlage gesehen. Ganz vertraulich natürlich.«

»Jaaa,« antwortete der Fürst gedehnt, »ich wäre Ihnen riesig gern entgegengekommen, ich hab's auch gestern abend, wir waren wieder beim Grafen Thurn, den ja Doktor Wisgrill auch kennt, ein sehr aufgeklärter Mensch, ich hab's auch gestern abend dem Ministerpräsidenten durch die Blume gesagt, ich hab' ihm natürlich nicht verraten, für wen ich die Vorlage brauche – die Unterhaltungen bleiben doch unter uns, meine Herren –, aber leider, leider habe ich einen ungünstigen Bescheid bekommen. Die Wahlreform ist nämlich noch lange nicht fertig . . .«

Weiner in seiner Erregung bekommt einen plumpen Hustenanfall.

Schauer sieht dem Fürsten voll ins Gesicht: »Das haben wir uns gleich gedacht. Nichts wäre dümmer, als so einen unreifen, ersten Einfall gleich in Paragraphen zu pressen und drucken zu lassen.«

162 »Stimmt, stimmt!« erwidert der Fürst, weit in die übersonnte Landschaft schauend, dann sinkt seine hohe Stimme zum Geflüster hinab, er sieht die Herren der Reihe nach an: »Sie können sich denken, meine Herren, daß es sich vor allem darum handelt, eine sehr, sehr hohe Stelle über das ganze Problem zu orientieren. Wir haben ja . . . ich darf wohl sagen: wir, denn ich bin, wie Ihnen Doktor Wisgrill bestätigen wird, ein enragierter Freund des Volkes, ich bin quasi Sozialist . . . wir haben ja natürlich mit einer Gegenströmung zu rechnen, die in erster Linie von den reichen Juden ausgeht . . .«

Der Fürst unterbricht sich: »Verzeihung, ich will den Herren Israeliten durchaus nicht nahetreten . . .«

Helferich: »Ach was, der Rothschild ist mit Ihnen verwandter als mit uns.«

Der Fürst beißt sich in die Lippen, schaut auf seine magere lange Hand, dreht den Smaragdring und sagt wieder sehr langsam: »Ich weiß allerdings nicht, inwiefern ich, ich kann ja nur für mein Haus sprechen, mit dem Rothschild verwandt sein soll . . .«

»Durchlaucht,« Wisgrill fühlt, daß jetzt der Augenblick zu einer Vermittlung gekommen ist, »das dürfen Sie nicht mißverstehen. Sie müssen zugeben: viele aristokratische Geschlechter sind der Wahlreform ebenso abgeneigt wie die Rothschilds, das war wahrscheinlich der Sinn der eingestreuten Bemerkung, denk' ich.«

Der Fürst ist noch ein wenig verdrossen:

»Mag sein . . . Leider . . . Aber wo blieben wir stehen?«

163 »Daß die Regierung keine Wahlreformvorlage drucken ließ.«

»Ganz richtig! Wie gesagt, wegen jener Gegenströmung aus plutokratischen Kreisen . . . Wenn die Herren einem quasi Mitkämpfer eine Bemerkung gestatten wollen, so möchte ich Ihnen empfehlen, in den Zeitungen und Versammlungen keinen Angriff auf jene hohe Stelle zu unternehmen. Wie ich schon zu Herrn Doktor Schauer gesagt habe: Schießen Sie, wohin Sie wollen, aber nicht zu hoch hinauf, wenn ich bitten darf, denn ich versichere Ihnen, ich bin über die Vorgänge an sehr hoher Stelle außerordentlich genau informiert, und ich kann Ihnen nur sagen, ich weiß aus einem Munde . . .« Der Fürst sucht nach einem exakteren Ausdruck, pausiert, spielt mit seinem Ring . . . ». . . aus einem Munde, der . . . nun, nicht erst von einem Zwischenträger . . . daß der Kaiser durchaus kein Freund jener . . . wie soll ich nur sagen? . . . uns gar nicht verwandten Kreise ist, in denen Ihre eigentlichen Todfeinde sind! Ich selbst habe einmal mit meinen eigenen Ohren einen nahen Verwandten des Kaisers sagen gehört: ›Mir ist‹, verzeihen Sie den Ausdruck, ›der schmutzigste Arbeiter lieber als diese ekelhaften Parvenüs.‹ Und von diesem Standpunkt aus wird die Wahlreform gemacht werden!«

Durchlaucht hat sich bei seinen Worten erhitzt.

Helferich, im Begriffe etwas zu sagen, wird durch eine Berührung am Arm irritiert. Er gewahrt, daß Schauer ihm ein Zeichen gibt, und schweigt.

Weiner muß vor Aufregung spazierengehen.

164 Endlich sagt Schauer: »Durchlaucht, Sie haben uns in einem wichtigen Punkt beruhigt. Uns war von vertrauenswürdigster Seite erzählt worden, die Wahlreform sei schon fertig, und zwar eine unglaublich schlechte, mit hundert Beschränkungen, mit Doppelstimmen und dergleichen Entstellungen des Prinzips. Als wir das hörten, rüsteten wir zum Generalstreik, zu . . . Gott weiß was. Ich hab' das alles gleich nicht glauben wollen, das würde zu dem Bilde des Ministerpräsidenten nicht passen und, ich darf das offen hinzufügen, auch zu Ihnen, Durchlaucht, nicht. Der Fall ist ja wohl ausgeschlossen, daß eine solche Vorlage verfaßt und gedruckt würde, ohne daß Sie davon erführen . . .«

Durchlaucht denkt nun eine Weile nach: »Gott . . . ein Elaborat . . . möglicherweise . . . aber jedenfalls nichts Definitives, nur so ein Vorschlag von hunderten.«

Helferich explodiert: »Gott sei Dank, denn dieser Stumpfsinn . . . nein, da hätte man hoch hinaufzielen müssen

»Machen wir einen Spaziergang,« schlägt Wisgrill vor, während er vom Balkon die Landschaft überschaut, »an meinem Schlössel vorbei . . . Sehen Sie, Durchlaucht, das ist das schönste Haus in Döbling, dieses Maria-Theresien-Schlössel . . . Das werden Sie zugeben, Helferich, bauen haben sie können, die Herrschaften droben.«

»Bauen lassen! Bestellt haben sie's!« brummt Helferich.

»Das ist dasselbe. Zeigen Sie mir einen Rothschild oder Pollack, der ein Schönbrunner Schloß ›bestellen‹ kann, nicht eine heutige Imitation, sondern ein funkelnagelneues Schönbrunn, aus dem Gefühl der Zeit heraus. Da, das da 165 bringen sie zusammen, diese elende altdeutsch-gotische Kiste!« Er zeigt auf ein Protzenschloß am Fuße des Kahlenbergs, »aber, da schicken wir noch Anarchisten hin! Wenn Sie erlauben, Durchlaucht . . . Das muß noch in die Luft gehen.«

Die Herren klettern über die Bodenstiege hinunter. Dann stapft man zu zweien durch die schon herbstroten Weinberge, schmale steinige Pfade.

Wisgrill geht neben Schauer.

»Nun, sind Sie zufrieden?«

»Gar nicht,« antwortet Schauer, »ich habe gedacht, daß Sie schon weiter im Kursus halten, das ist ja ein unwissender Amateur oder gar ein Filou. Er wußte von der Vorlage! Haben Sie das bemerkt?«

»Ja, aber . . .«

»Sehen Sie! Vielleicht ist sie wirklich kein Definitivum, das wollen wir gern annehmen, aber ich glaube nicht an seine Macht, Wisgrill. Er flunkert! Der Ministerpräsident hat ihn, nicht er den Präsidenten! . . . Übrigens ist das kein Geschäft für mich, dieses Hin- und Herraten, dieses Vorsichtigsein und Frechsein, Zurückhalten und Losgehen, nein, diese Politik der Finessen ist nichts für mich!«

Wisgrill lacht: »Aber gehn S'! Grad' das ist lustig!«

Schauer sieht ihn an: »Passen Sie auf, Wisgrill, auch Ihnen kann was Menschliches passieren.«

Hudalek stolpert mit Helferich und Weiner hinter dem Fürsten, den Stransky begleitet.

Helferich murmelt:

»Eines muß ich ihm noch sagen!«

166 Hudalek ist voll Verachtung: »Durch Reden imponieren wir diesen Herren ja doch nicht!«

»Aber das muß ich dem Fürsten noch sagen! Wissen Sie, daß gegen Schauer ein Prozeß wegen Majestätsbeleidigung eingeleitet wurde? Und wissen Sie, wer die Untersuchung führt? Der Landesgerichtsrat Scheibl, der Gefährlichste! Das soll er noch hören, der Quasigönner! . . . Auch diese Herren sollen nicht nach oben zielen!« Und Helferich stolpert schneller über den steinigen Weg, es ist ihm ganz recht, daß Stransky als Zeuge da ist, wenn er das jetzt dem Fürsten sagt. Sie sollen an den Schauer nicht rühren, sonst . . .! 167



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