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XIII.
Die Iserlohner Dressuranstalt für Polizeihunde.

Von Hans Gross.

In der kurzen Zeit von 1½ Jahrzehnten, die seit der ersten Anregung über die Verwendung von Polizeihunden Im »Jahrbuch für die österreichische Gendarmerie« für das Jahr 1897. vergangen ist, hat sich diese Frage theoretisch und praktisch überraschend kräftig entwickelt. Eine Anzahl begabter und für die fragliche Arbeit geeigneter Männer hat sich mit dankenswertem Eifer, aber auch mit ungeahnten Erfolgen in die Dienste der Sache gestellt, Fachblätter und besondere Werke haben sich bemüht, Leuten, welche Interesse, aber nicht genügende Kenntnisse besaßen, Unterricht zu geben, und so sehen wir heute kaum glaubliche Leistungen von Polizeihunden, die sie als unentbehrlich in der modernen Polizeitechnik erscheinen lassen. Abgesehen von einigen kenntnislosen Leuten, welche ihre Unwissenheit in törichten Scherzen über die Polizeihunde zu verbergen suchen, findet die Sache allgemeine Anerkennung und dankbare Aufnahme.

Die Bemühungen einzelner Männer, welchen der Aufschwung der ganzen Sache zu danken ist, wurden dadurch beeinträchtigt, daß die Schulung von Polizeihunden Privatsache blieb, somit zu sehr im kleinen betrieben wurde, und auf alle Einrichtungen verzichten mußte, die nur geboten werden können, wenn alles aus dem großen heraus gearbeitet wird, wo also weites Gelände zur Verfügung steht, wo man die Leistungen vieler Hunde miteinander vergleichen, die Erfahrungen der Führer austauschen und endlich auch sachgemäße Zucht im Größeren betreiben kann. Es war daher ein äußerst glücklicher Gedanke, daß die im gewerbfleißigsten Teile von Westfalen gelegene Stadt Iserlohn es übernommen hat, dort eine städtische Schule für Polizeihundführer und Polizeihunde einzurichten, welche nach wissenschaftlichen Grundsätzen und erprobten Erfahrungen unter Leitung des vortrefflichen Kenners, Polizeikommissar Fritz Jurisch, ausgezeichnete Erfolge und besonders gutes Kundenmaterial mit bester Ausbildung erzielt. Diese Iserlohner Schule ist heute in der Frage tonangebend und hoffentlich auch vorbildlich für ähnliche Anstalten, die über ganz Deutschland und Österreich im gleichen Sinne verbreitet werden sollten. Dann kann der Grundgedanke erreicht werden: »Jedem Gendarmen, jedem Schutzmann einen treuen Gehilfen, Begleiter und Schützer in Gestalt eines braven Polizeihundes«.

Vorerst wollen wir hoffen, daß sich die Iserlohner Anstalt zu einer Art Zentralschule ausbildet, wo gute Polizeihundführer gründlich nach wissenschaftlichen Grundsätzen, und was sehr wichtig ist, zwar nicht eigensinnig uniform, aber einheitlich ausgebildet werden.

Ich will einige Beispiele für die erstaunlichen Leistungen von Iserlohner Polizeihunden anführen; sie wurden mir vom Herrn Direktor Gersbach in Berlin (Herausgeber der bekannten Zeitschriften »Die Polizei«, »Der Gendarm«, »Der Polizeihund« usw.) mitgeteilt, die Darstellungen sind also völlig zuverlässig.

1. In einer Wirtschaft in Iserlohn war ein Einbruchsdiebstahl verübt worden. »Kurt von der Mark« nahm nach aufgenommener Witterung vom Tatort seinen Weg durchs Fenster. Er verfolgte dann eine Fährte etwa 3000 Meter bis zu einem Hause, in das er hineinlief. Dort jagte er die Treppe hinauf bis in eine Schlafkammer. Hier sprang er in eins der dort stehenden Betten und verbellte. Dann kroch er unter das Bett und apportierte Seidenpapier, in das gestohlene kurze Tabakspfeifen eingewickelt worden waren. Hierdurch wurde die Tat bewiesen. Die Täter waren nicht anwesend.

2. Eine andere nicht minder glänzende Leistung desselben Tieres: Ein Iserlohner Schutzmann wurde bei Durchführung einer Festnahme von Italienern überfallen, bedroht und mit großen Pflastersteinen bombardiert. Der Beamte gab das Notsignal. Der Hund »Kurt von der Mark« lag gerade bei seinem Führer in dessen etwa 200 Meter entfernten Wohnung im ersten Stock. Der Hund sprang, wie er das Notsignal hörte, auf seinen im Bette liegenden und festschlafenden Führer und weckte ihn. Dieser ließ sofort den Hund heraus, während er sich ankleidete. Als der Schutzmann dann selbst dem Tatorte zueilte, kam der Hund ihm schon mit den Resten von zwei Spazierstöcken entgegen. Dem Schutzmann, der sich in Not befunden hatte, war, wie er dem Kollegen dann erzählte, »Kurt von der Mark« gerade im kritischen Momente zu Hilfe gekommen. Drei der Angreifer riß er sofort nieder, so daß der Angegriffene sie festnehmen konnte. Die übrigen ergriffen die Flucht.

3. Nicht minder geschickt arbeitete »Greif von der Horst« gelegentlich eines schweren Einbruchsdiebstahls in einer Maschinenfabrik in Iserlohn. Die Arbeit wurde etwa 43 Stunden nach Begehung der Tat aufgenommen. Nach Aufnahme der Fährte im Gießsande des Fabrikhofes stellte und verbellte der Hund einen Mann. Dieser gestand die Tat sofort ein.

4. Ebenso tüchtig erwies sich der »Teil von der Höhe«. Auf einer Chaussee vor Iserlohn gingen Pferde mit einem Wagen durch. »Tell« kam gerade mit seinem Führer des Weges. Losgelassen eilte das Tier den Pferden voraus, sprang an ihnen in die Höhe und biß das eine in die Nase, so daß es erschreckt stehen blieb.

5. Sodann hat »Tell« in zahlreichen Fällen bei Menschenaufläufen, tatsächlichen Widerstandes usw. höchst wirksam eingegriffen, so daß in allen Fällen der Beamte ungeschädigt davon kam, wie auch die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit in jedem einzelnen Falle schnell wieder hergestellt wurde.

6. Geradezu verblüffend war die Arbeit eines anderen Iserlohner Polizeihundes. Es handelte sich um einen Hammeldiebstahl bei einem Gutsbesitzer im Hönnetal. Ein Hammel war abgeschlachtet, ihm das Fell abgezogen und in einen Hafersack in der Flutröhre der Straße zum Hönnetal verborgen worden.

»York genannt Schnurry« begann seine Arbeit 39 Stunden nach begangener Tat. Der Hund erhielt vorerst Witterung an dem Sack, von wo er eine Fährte die Chaussee längs etwa 350 Meter bis zu einem Bauernhofe ausarbeitete. Hier witterte »York« aus 4 Personen den Knecht heraus und verbellte ihn. Der Knecht beteuerte seine Unschuld, auch wies er einwandsfrei nach, daß er überhaupt während der ganzen Tage nicht vom Hofe fortgewesen sei. Gleichzeitig aber wurde festgestellt, daß der Hafersack von diesem Hofe stammte. Mithin mußte der Knecht den Sack an den vermeintlichen Täter abgegeben haben. »York« erhielt nunmehr Witterung an dem Hammelfelle. Er verfolgte eine Fährte etwa 1700 Meter bis zu den Steinbrüchen im Hönnetal. Da zwischen den hier arbeitenden 300 Steinbrucharbeitern der Täter wahrscheinlich zu suchen war, wurden sämtliche Leute in Gruppen in den drei hintereinanderliegenden Steinbrüchen aufgestellt. »York« nahm nach nochmals erhaltener Witterung seinen Weg von Gruppe zu Gruppe, jeden einzelnen eingehend anwitternd. Im dritten Steinbruch witterte er einen Arbeiter mitten aus einer Gruppe heraus, ergriff ihn am Handgelenk und zerrte ihn vollends hervor. Der Arbeiter wurde bleich und derart erschrocken, daß er vorerst kein Wort herauszubringen imstande war, dann gestand er die Tat ein.

Von dem Verbleib des Fleisches wollte er nichts wissen. »York« wurde nochmals angesetzt, nachdem er nunmehr an dem Arbeiter Witterung erhielt. Der Hund arbeitete auf der Chaussee eine Fährte etwa 1200 Meter aus. Er ging in ein Haus, drang in die Wohnung ein, nahm seinen Weg von der Küche in die Schlafkammer, kroch unter das Bett und verbellte. Es wurde hier das Fleisch in Gefäßen in Essig liegend vorgefunden.

7. Eine andere Tat desselben Tieres wird durch folgenden Fall illustriert. Ein Fabrikant aus Olpe bat um Übersendung eines Beamten mit Hund, da ihm ein wertvoller Zierbaum – Ulme – in seinem Garten abgebrochen worden war; auch andere Bäume waren in gleicher Weise beschädigt. Schutzmann Goerz mit Hund genannt »Schnurry« traf 4½ Uhr Nachmittag auf dem Tatorte ein. Der Hund nahm Fährte vom Tatort, eine Chaussee entlang, auf eine Entfernung von 1,2 Kilometer. Er nahm dann seinen Weg zum Hause eines Wirtes über den Hof durch das Fenster einer Viehküche. Diese war verschlossen. Der Hund nahm darauf seinen Weg zurück zur Haustüre herein, die Treppen hinauf zur oberen Etage. Hier witterte er erst mehrere Türen ab (5-6 Stuben), blieb vor einer Tür stehen und verbellte. Nach Öffnung witterte er 3 dort stehende Betten ab, sprang in eines und verbellte auch hier. Nach Feststellung des Bettinhabers stellte sich heraus, daß er der Sohn des Wirtes war, der sich auf dem Felde befand. Während der Sohn vom Felde geholt wurde, ging der Führer mit dem Hund zum Tatort zurück. Der Hund nahm wiederum die gleiche Fährte. Er lief auf den Hof und apportierte eine Hose, die dem Sohne, als dem Bettinhaber im Zimmer des ersten Stockes gehörte. Inzwischen traf der Sohn in der Nähe des Hauses ein. »York« nahm die Fährte auf und verbellte den auf der Chaussee sich befindlichen Sohn des Wirtes. Es wurde festgestellt, daß der Verdächtige beim Nachhausekommen in der Nacht vorher den Weg durch das Fenster zur Viehküche genommen hatte, Beginn der Arbeit etwa 17 Stunden nach Ausführung der Tat um 4½ Uhr nachmittags, Beendigung 6¾ Uhr.

8. Schließlich sei noch »Schnurrys« Tüchtigkeit gelegentlich eines Einbruchsdiebstahls im Amte Werl (Westf.) erwähnt. 200 Pfund Mettwurst waren aus einer verschlossenen Fleischkammer gestohlen worden. »Schnurrys« Arbeit begann etwa 18 Stunden nach der Tat und zwar um 5 Uhr nachmittags. Nach eingehender Augenscheinnahme am Tatort konnte der Täter nur unter dem Personal des Besitzers gesucht werden. Verdachtsgründe: Die Fleischkammer mußte mit einem eigenen Schlüssel geöffnet und wieder abgeschlossen sein. Der Schlüssel hatte seinen Platz in der Küche. Die Türe zur Küche konnte nur von den mit den Verhältnissen vertrauten Personen geöffnet werden. Es hat sich der sehr wachsame, draußen an der Kette liegende Hofhund nicht gemeldet, trotzdem der Besitzer erklärte, daß der Hund bei jeder Annäherung von Personen anhaltend laut belle. Die Ehefrau des Besitzers hat in der Nacht etwa 5 Stunden wach gelegen. Sie hat weder ein Anschlagen des Hundes, noch sonst ein Geräusch vernommen.

Die Wurst mußte mithin z. B. in einen Sack gepackt und durch das Fenster der Fleischkammer auf den Hof geworfen worden sein. Der Hund hielt unter dem fraglichen Fenster Witterung. Sämtliche Personen, auch der Besitzer mit Frau, waren vorher auf dem Hofe aufgestellt worden. Der Hund nahm nun seinen Weg zum Viehstalle, als den Beschäftigungsort des Schweizers. Von da aus verfolgte er die Fährte über den Hof zu der dort aufgestellten Menschengruppe. Nachdem er jeden einzelnen angewittert hatte, faßte er den Schweizer am Handgelenk, zog ihn heraus und verbellte ihn fortgesetzt. Dieser wurde sehr bleich, bestritt aber, der Täter zu sein. Es wird vermutet, daß der Schweizer Helfershelfer gehabt hat, die die Wurst mittelst Wagen fortgeschafft haben. Der Schweizer wurde vom Besitzer als Liebhaber von Mettwürsten bezeichnet, und es scheint, daß er die Wurst aufbewahren wollte, um sie nach und nach mit seinen Helfern zu verzehren. Sämtliche andere Wurstsorten, sowie Schinken und Speck waren nicht berührt worden.


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