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Die Sprachpedanten

Pfeiffers Germania. II. 1857.

Pedanten und Puristen, was eigentlich eine Brut ist, sind mir oft so vorgekommen wie Maulwürfe, die dem Landmann zu Ärger auf Feld und Wiese ihre Hügel aufwerfen und blind in der Oberfläche der Sprache herumreuten und wühlen.

Als ich neulich in unserer Akademie über das Pedantische in der deutschen Sprache gelesen und mit einer Erwägung geschlossen hatte, inwiefern es im Vermögen der Akademie früher lag, noch liegt und künftig liegen kann, über unserer Sprache zu wachen (wobei der bescheidenste Anspruch erhoben und gestanden wurde, daß jetzt die Zeit noch unerschienen sei, ihn einmal geltend zu machen), fiel es einem der Leute, mit deren Aufsätzen Berliner Zeitungen in die Gelehrsamkeit streifen, ein, den öffentlich bekanntgemachten Bericht der Akademie geradezu eines Sprachfehlers zu zeihn. Das war doch unmittelbar nach solchem Anlaß zu arg. Dem pedantischen Gefühl mochte vorschweben, daß es heiße »deine Augen wachen über mich« und damit jede andere Fügung verurteilt sei: ich ließ bei Namensunterschrift folgendes einrücken, von dem ich nur tilge, was nicht hierhergehört.

Ein ungenannter Pedant hat aufgeworfen, daß bei Anzeige meiner Vorlesung über deutsche Pedanterie und Barbarei durch ein eignes Spiel des Zufalls stehe »über der deutschen Sprache wachen«. O nein, es soll so heißen. Von der Welt die bekannteste Sache ist, daß manche Präpositionen doppelten Kasus, oft nach leiser Verschiedenheit des Sinns, bei sich haben, unter andern über: der Schmetterling flattert über den Blumen oder über die Blumen, die Fahne weht über dem Land oder über das Land, das Schwert hängt über dem Nacken oder über den Nacken, der Unverstand krittelt über solchen Worten oder über solche Worte, ich bin über dem Buch eingeschlafen oder über das Buch, die Sonne leuchtet über mir oder über mich, der Geizhals wacht über dem Gold oder über das Gold, die Freunde wachten über der Leiche oder über die Leiche. Beim Einschlafen über dem Buch fällt der Nachdruck auf den Lesenden, bei über das Buch fällt er auf das einschläfernde Werk, beim Wachen über der Leiche auf die Wachenden, bei über die Leiche auf den bewachten Gegenstand. Über der Sprache wachen heißt bei der Sprache wachen, abstinere a dormiendo, wie ein wachendes Gestirn über der Sprache leuchten, das schien hier besser gesagt, als mit Rücksicht auf den Gegenstand: die Sprache behüten, beschützen.


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