Franz Grillparzer
Libussa
Franz Grillparzer

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Libussa. Ich sehe dich bekehrt zu meiner Meinung.

Primislaus. Ich bin es, ja, und war es immerdar.
Schlecht ist der Ackersmann, der seine Frucht
Von Pflug und Karst, von seinem Mühn erwartet
Und Licht und Sonne, was von oben kommt,
Nicht als die Krone achtet seines Tuns.
Es wirkt der Mensch, der Himmel aber segnet.

Und also vorbereitet, wirst du uns
Versagen nicht die Huld um die wir flehn.

Libussa. Was ist es Primislaus was ihr begehrt?

Primislaus. Ich wünsche dieses Werk als Götterwille,
Als einen Wink von oben angesehn.
Wir haben einen Altar aufgerichtet
Und Opfer sollen weihen unsern Platz.
Wär's dir genehm, nach deinem höhern Wissen,
Der Feier vorzustehn in Priesterart?
Vielleicht, daß die Betrachtung ferner Zukunft
Ein Wort dir eingibt, das den Mut befeuert
Und des Gelingens Hoffnung uns belebt.

Libussa. Es schweigt der Geist seit lang in meiner Brust.
Ich bin nicht wie die Schwestern, deren Ausspruch
Aus strengbewiesnen, sichern Quellen rinnt;
Nur manchmal, wenn ich meines Vaters dachte
Und meiner edlen Mutter, die, ein Rätsel,
Wie höhern Ursprungs, unter uns geweilt,
Da kam mich an ein unerklärtes Schauen,
Ich fühlte: also muß es, werd' es sein,
Und siehe da! es war; ich weiß nicht wie.
Doch scheint's, nicht nur des Körpers rauhe Gaben,
Die edeln auch des Geistes brauchen Übung,
Sonst schlummern sie auf weichen Kissen ein.
Seitdem ich angewohnt, mich deiner Weisheit,
Mich deinem tiefen Sinne zu vertraun,
Entsteht kein Bild mir mehr in meinem Innern,
Des Schauens edle Gabe scheint verwirkt.

Primislaus. Die Götter geben nicht auf daß sie nehmen
Und was du warst das bleibst du ewiglich.

Libussa. Auch bin ich schwach von meinem letzten Siechtum.
Müßt' ich mich zwingen, steigern mit Gewalt,
Der Leib ertrüg' es nicht, glaub, ich erläge.
Obwohl's mich lockte, noch einmal, zum letzten,
Hinanzuklimmen auf des Schauens Höhn,
In Bild zu kleiden – schwerer Ahnung Träume
Und zu verkörpern was noch wesenlos.
Doch glaub ich, Primislaus, mehr als die Seh'rin
Liebst du dein Weib. Ich will sie dir erhalten.

Primislaus. Du lehnst es ab, braucht's da noch weitern Grund?
Und unsers Werkes Absicht auch mißfällt dir.
Du bist die Frau in diesem weiten Land
Und ich der erste deiner Untertanen.
(Zu einem Begleiter.)
Bestellt die Feier ab und sagt den Männern
Das Weitere erfahren sie demnächst.
(Der Angesprochene geht. – Primislaus zu Wlasta.)
Und nun zu dir!

(Libussa hat Dobromila einen Wink gegeben und entfernt sich während des folgenden, nur von dieser gefolgt, unbemerkt durch die Seitentüre rechts.)

        Ich kenne deine Sendung.
Ich weiß, daß deine Frauen, nur sich selbst
Und ihres Ursprungs dunklen Quell betrachtend,
In unfruchtbares Sinnen tief versenkt,
Mit Feindesaugen all mein Tun betrachten.
Daß die Vermengung mit dem Menschenschicksal,
Daß alles was gemeinsam sie verletzt
Mich aber widert's an, als schlauer Hirte
Zu weiden einer Herde gleich das Volk,
Nur hoch, weil andre niedrig und beschränkt.
Belästigt sie die laute Menschenmenge,
Wir haben andre Schlösser noch im Land,
Dort mögen sie mit ihrer Jungfraun Schar
In unnahbarer Abgetrenntheit weilen,
Und das Gewohnte, weil es doch bequem,
Starr wie sie selbst, für ew'ge Zeit bewahren.
Wir wollen weiter, weiter in der Bahn,
Ich und mein Volk, als Bürger und als Menschen.

So sagt' ich dir, wenn nicht Libussa selber
Mit ihren Schwestern diesmal einig dächte.
Sie billigt's nicht, damit zerrinnt mein Vorsatz,
Und deine Frauen mögen ruhig hausen
Von mir und von der Wohlfahrt ungestört.

Wlasta. Die Kunde wird die Schwestern hoch erfreun,
Zumal als Zeichen, daß Libussa frei
Und Herrin noch von ihrem Tun und Wollen.

Primislaus. Wer zweifelt dran? Ist nicht das Land,
Bin ich nicht selbst ihr dienend zu Gebot?

Wlasta. Sie liebt und fügt sich, nennst du das wohl frei?

Primislaus. Wer frei sich fügt den nenn ich nicht gezwungen.

Wlasta. Wer seinem innern Wesen widerspricht
Der ist gezwungen, ob durch sich, durch andre.
Glaubst du, Libussa sei Libussa noch
Als Ordnerin des Hauses, als die Herrin
Von Mägden die die laute Spindel drehn?
Hat darum Krokus unser hoher Herr
Sich einer göttergleichen Frau vermählt,
Daß seine Töchter mit gemeiner Sorge,
Mit engem Treiben um ein Nichts bemüht?
Sie fühlt es nicht, allein ihr Wesen fühlt's.
Wo ist der Blitz des Augs, das adlergleich
Die Zukunft maß wie eine Gegenwart?
Wo ist die Kraft, die hebend ihre Brust,
Zu sich erhob was nah und was entfernt?
Sie sehnt sich nach den Schwestern, glaube mir,
Dort ist ihr Platz, hier ist nur ihre Stätte.

Primislaus. Und doch flieht sie der Schwestern Gegenwart.

Wlasta. Weil sie sich scheut vor ihren eignen Wünschen.
Schon einmal sandte sie mich auf ihr Schloß
Und bat um Rückkehr in den Kreis der Ihren.

Primislaus. War später das als unsrer Ehe Bund?

Wlasta. Es war vorher.

Primislaus.         Du sprichst dir selbst die Antwort.
Umgeben ist sie hier mit aller Ehrfurcht,
Vor ihrem Willen beugt sich jedermann.
Selbst unsre Stadt, die wir schon Praga nannten,
Wir gaben sie mit schwerem Herzen auf,
Weil ihr die Absicht nicht, das Werk, gefiel.
Sie ist Gebieterin.

Wlasta.         Hier meine Antwort.

(Libussa kommt schwarz gekleidet, von zwei Dienerinnen gefolgt, aus der Seitentüre.)

Primislaus. Libussa, du, in Trauerart gekleidet?
Wahrhaftig, du bist bleich.

Libussa.         Wohl nur der Abstich
Der dunkeln Kleider, dir seit lang entwohnt.
So ging ich einst an meines Vaters Seite,
So ging die Mutter, gehen meine Schwestern,
Und soll ich sammeln mich wie sonst im Geist,
Muß ich mich auch umgeben so wie sonst.
Die Gabe, wenn sie frisch, braucht keine Hilfe,
Doch wird sie schwach, so ist ihr selbst das Äußre
Ein Notbehelf, ein Anker der sie hält.
Und nun laß uns hinaus nur zu den Männern.

Primislaus. Was willst du?

Libussa.         Euren Platz, die Stätte weihn.

Primislaus. Wir haben's abbestellt und aufgegeben.

Libussa. Um meinetwillen soll kein Reifbedachtes
Und vielen Nützliches zugrunde gehn.
Die Sorge für das Volk ist meine Pflicht,
Da schweigen billig kindische Bedenken.

Primislaus. Ich duld es nimmermehr.

Libussa (mit dem Fuße auftretend).
        Ich aber will es. –
Verzeih mein Primislaus! Der alte Geist
Er kam zurück mit diesen dunkeln Kleidern.
Du mußt dich fügen, wie du dich gefügt
Als wir noch kämpften – zwar ich ward besiegt.
(Zu Dobromila.)
Der Gürtel drückt, bind ihn mir loser.

Dobromila.         Herrin,
Er liegt schon locker jetzt.

Libussa (zu Primislaus).
        Kennst du den Gürtel?

Primislaus. Leg ihn von dir wenn er die Brust beengt.

Libussa. Er folgt mir bis ins Grab. Und dann, mein Gatte,
Er bringt mir das Gedächtnis meines Vaters
Und meiner Schwestern vor den dunkeln Sinn.
Da wachen Bilder auf und gehn und kommen,
Ich seh in ihrem Geist was trüb in mir.
Nur jetzt! – Doch sind sie traurig. Fort mit ihnen!

Wlasta. Und glaubst du dich berechtigt ihn zu tragen?

Libussa. Mein Vater gab ihn mir, so wie den Schwestern.

Wlasta. Er gab ihn euch als Jungfraun, Unvermählten,
Als unberührt von dieser Erde Harm,
Als Zeichen eines höhern Stamms und Ursprungs.
Du hast vermengt dich mit dem Irdischen,
Bist ausgetreten aus dem Kreis der Deinen.
Die Steigerung, die heilige Begeistrung,
Dir sonst natürlich, ist nur noch ertrotzt,
Erzwungen. Wag's nicht, du erträgst es nicht.

Libussa. Ich will nicht nutzlos sein im Kreis der Dinge.
Kann ich nicht wirken in der Zeit, die neu,
So will ich segnen – euch, das Volk und mich.
Darum ans Werk! Bringt dunkles Harz
Und Bilsenkraut, Stechapfelsamen
Und werft es in die Glut. Wir wollen's schlürfen,
Mit Rauch umnebeln unsern matten Sinn,
Daß er im Schlafe wacht und schläft im Wachen.
(Da Primislaus sich ihr nähert.)
Ich will's, ich will's! Schon hab ich euch's gesagt.
Und endlich freut's dich doch, dient deiner Absicht.
Hinaus, hinaus!
(An der Türe stehenbleibend.)
        Und kehren wir zurück,
So bin ich wieder dein gehorsam Weib. (Ab.)

Primislaus. Ich duld es nicht!
(Er eilt ihr nach.)

Wlasta.         Du wirst, du mußt dich fügen,
Der Wurf geworfen, fällt das Los – und trifft.
(Sie folgt.)

Freier Platz mit Bäumen umgeben. Im Mittelgrunde, gegen die rechte Seite zu, ein Hügel mit einem Opferaltare auf dem ein Feuer brennt; daneben ein goldener Stuhl. Volk füllt den Hintergrund, darunter die Wladiken.

Lapak (nach vorn kommend).
Das Fest ist abgestellt.

Domaslav.         Um so viel besser!
(Halblaut.)
Was ist auch diese schlauentworfne Stadt
Als Schwächung unsers Ansehns, unsrer Macht?
Wenn erst das Volk in großer Zahl vereint,
Ist von uns jeder minder als er war,
Der Mächt'ge kaum gewachsen so viel Kleinen.

Biwoy. Es bleibt der Mann ein Mann, das Schwert ein Schwert.

Lapak. Laßt uns nach Haus.

Domaslav.         Doch seht, dort kommt die Fürstin.
So will man doch –

Lapak (sich zurückziehend).
        Erwarten wir's in Demut.

(Libussa mit starken Schritten voraus. Hinter ihr Primislaus, Wlasta und Gefolge.)

Libussa. Hier ist der Ort und dort ist meine Stelle.
(Gegen den Altar gewendet.)

Primislaus. Noch einmal bitt ich dich: Laß ab Libussa!


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