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Mont Cenis.

Siehe die hohe
Himmlische Bergwand,
Wolkigen Hauptes
Steigt sie empor;
Aber ihr wilder,
Schrecklicher Gipfel
Reicht in den heitern
Äther hinein.

Rings ist es stille;
Nur aus dem Abgrund
Sprechen die lauten
Bäche herauf.
Manchmal erwidert
Ihnen von oben
Einer Lawine
Rasender Fall.

Wehe dem Wand'rer,
Der auf der Straße
Einsam des Weges
Spuren verliert.
Jäh in der Tiefe
Liegt er zerschmettert,
Ewig begraben
Unter dem Schnee.

Aber die Menschen
Wandeln gesellig,
Und sie verbrüdert
Eng die Gefahr.
Rüstige Treiber
Hinter dem Maultier
Klimmen zusammen
Kräftig hinan.

Güter und Waren
Führen sie kundig
Über des Joches
Schaurigen Kamm,
Heute wie gestern
Üben sie wahllos
Immer das gleiche
Harte Gewerb'.

Freilich auch manchmal
Füllten den Bergpaß
Stockende Scharen
Reisigen Volks,
Aber mit allen
Drohenden Häuptern
Ragender Führer
Schwanden sie hin. –

Alles verweht hier;
Starr in die Traumwelt
Blickt nur das stumme,
Öde Gebirg.
Nimmer erschüttert
wird ihm der alte
Steinerne Busen,
Nimmer bewegt. –

Aber, o Wunder,
Heute bewölkt sich
Qualmig des Ferners
Finsterer Fuß!
Horch, es erdonnert
Schon in den Klüften,
Horch, in des Berges
Innerstem Grund! –

Jauchzend im Chore
Stehen die Bergreih'n,
Herrlicher Jugend
Wieder gedenk.
Selbst von der Firnen
Ewigem Schneekranz
Kommen des Echos
Stimmen herab.

Wand aus den Fesseln
Sich der Titanen
Götterverwandtes
Riesengeschlecht?
Künden die Stöße
Wieder den Anbruch
Einer gewaltig
Schaffenden Zeit?

Ja, sie bedeuten
Siege der Urkraft,
Aber gebändigt
Ward sie zugleich:
Riesige Lasten
Schleppt sie geduldig
Mitten den Berg durch
Keuchend ans Ziel.

Nimmer erfreue
Herrschender Obmacht
Über den Menschen
Sich die Natur!
Aber sie ringe,
Dienend dem Starken,
Kühn aus den eig'nen
Banden sich los!


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