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Auf der Rast.

Als manches Wanderjahr verflogen,
Kam ich zu einem Brunnen klar,
Daran ich einst vorbeigezogen,
Noch nicht enttäuscht und nicht betrogen,
Noch da ich munt'rer Jüngling war. –
Wohl hielt ich eine lange Weil'
Im Wandern,
Zog aus der Seele einen Pfeil
Still um den andern,
Und hatt' im Weiterziehen keine Eil'.

Fern drüben um die Alpenspitzen
Die gold'ne Abendsonne lag;
Der ew'ge Schnee hing in den Ritzen
Den starren Firn sah ich erblitzen,
Ganz wie dereinst an jenem Tag.
Mir war zum Wandern wenig Mut
Und wieder,
Wo ich auch einst im Gras geruht,
Streckt' ich mich nieder
Und blickte nach der Berge Abendglut.

Mir war's, als sei kein Tag entschwunden,
Als sei's gewesen nur ein Traum,
Als hätt' ich jene Leidenswunden,
All jene Pfeile nicht empfunden,
Als blühten fort noch Strauch und Baum.
Bis ich allmählich mich besann,
Wie lange
Ich schon, ein müder Wandersmann,
Nach Ruh' verlange,
Und doch des Fahrens nie ein End' gewann.

Das Wasser sah ich weiter eilen
Wie vormals ohne Rast und Ruh',
Und nimmer konnt' ich länger weilen,
Mir dort die kranke Brust zu heilen:
Strebt' ich den weiten Bergen zu,
Das Brünnlein war schon übertäubt
Vom Tosen
Des Gießbachs, der im Sturz zerstäubt,
Im ruhelosen,
Und den dabei doch an kein Ziel es treibt.


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