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Herbstlieder.

Des Herbstes Nähe läßt sich spüren
Tagtäglich mehr und allerwärts,
Doch die verhangnen Berge rühren
Zumal mir das erschrockne Herz.

Ich weiß nicht, ist's erwachte Trauer,
Die mich an lang Verlornes mahnt,
Erfüllen mich geheime Schauer,
Vor dem, was erst der Seele ahnt?

*

Wenn das Laub zur Erde gleitet,
Fängt es herbstlich an zu wehn,
Ob das Herz auch widerstreitet,
Muß es doch sich eingestehn:

Nichts mehr winkt ihm von der Fülle,
Die es ahnend sprossen sah,
Und beraubt der Zauberhülle
Liegt das Leben vor ihm da.

Seufzen meint es zu vernehmen,
Wo ihm Wonneschall erklang,
Und es ziehn der Liebe Schemen
Stumm mit ihm den Pfad entlang.

*

Der Wind durchfährt die geräumte Flur,
Entschwungen hat sich die Lerche,
Heimwandernde Schafe blöken nur
Und drängen sich eng im Pferche.

Die Bäume stehen schon halb entlaubt,
Die Blätter sind im Verfärben –
O Herz, dem lebend die Hoffnung geraubt,
Was hält dich noch ab zu sterben?

*

Vor des Jahres letzten Blüten
Bleib' ich oft wie träumend stehn,
Und ich kann es kaum verhüten,
Sie mit Tränen anzusehn.

Zeigen sie in ihrem Weben
Alle doch ein gleich Geschick,
Da nur währen soll ihr Leben
Einen kurzen Augenblick.

*

Trübe Nebel spinnen
Um mich fern und nah:
Immer muß ich sinnen,
Daß der Herbst schon da.

In den Duft verloren,
Dehnt sich hin die Flur:
Alles scheint geboren,
Um zu sterben nur.

*

Was macht den späten Herbst so trübe,
Auch wenn die Tage sonnenklar?
Kommt's daher, daß das Laub verblichen,
Nachdem die Sommerzeit verstrichen,
Das wiederkehrt doch jedes Jahr?
Gedenkt das Herz vergangner Liebe,
Die, eh' ein Zagen es beschlichen,
Mit allen Freuden ihm entwichen,
Für immer ihm verloren war?

*

Der Mond umseufzt den kahlen Baum,
Das Laub zerstiebt im Scheiden,
Wo bist du hin, o Sommertraum,
Wohin mit deinen Freuden?

Wohl sah ich auch im Frühlingslicht
Manch Blütenblatt schon fallen,
Doch stimmte mich so traurig nicht
Wie heut' solch' Niederwallen.


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