Ferdinand Gregorovius
Lucrezia Borgia
Ferdinand Gregorovius

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XXI

Lucrezia war ungeduldig, Rom zu verlassen, welches ihr, wie sie den Gesandten Ferraras sagte, als ein Gefängnis erschien; der Herzog nicht minder ungeduldig, diesen Handel abgeschlossen zu sehen. Aber die Ausfertigung der neuen Investiturbulle ließ auf sich warten, und die Abtretung von Cento und Pieve konnte nicht ohne die Einwilligung des in Frankreich lebenden Kardinals Julian Rovere geschehen, welcher Erzbischof von Bologna war. Ercole hielt deshalb mit der Absendung des Brautgeleits zurück, obwohl die zum Winter vorrückende Jahreszeit für eine so beschwerliche Reise immer ungünstiger wurde. So oft Lucrezia die Gesandten Ferraras sah, fragte sie dieselben, wann das Geleite kommen werde, sie abzuholen. Sie bemühte sich, die Hindernisse wegzuräumen. Die Kardinäle zitterten zwar vor dem Papst und vor Cesar, aber sie zauderten, jene Bulle zu unterschreiben, welche den Lehnszins Ferraras der Kirche entfremdete, und am wenigsten wollten sie diesen Erlaß auf die ganze Nachkommenschaft von Alfonso und Lucrezia ausdehnen, höchstens ihn bis zur dritten Generation bewilligen. Der Herzog schrieb dringend an den Kardinal von Modena und an Lucrezia, welche endlich im Oktober diese Sache durchsetzte und deshalb das höchste Lob ihres Schwiegervaters empfing. Gerade aus der ersten Hälfte des Oktober sind mehrere Briefe von ihr an den Herzog und von diesem an jene erhalten. Sie zeigen eine wachsende Vertraulichkeit beider. Offenbar begann Ercole sich mit dieser Mißheirat auszusöhnen, weil er in seiner Schwiegertochter mehr Verstand erkannte, als er vorausgesetzt hatte. Sie selbst schrieb ihm Briefe voll Schmeichelei, zumal als sie hörte, daß der Herzog unpäßlich sei, und Ercole dankte ihr, daß sie ihm eigenhändig geschrieben habe, worin er einen besonderen Beweis von Zuneigung sehe.

Die Gesandten berichteten ihm: »Als wir der Erlauchten Herzogin von Ew. Exzellenz Krankheit Mitteilung machten, zeigte Ihre Herrlichkeit den größten Kummer; sie erblaßte und stand eine Weile in Gedanken. Sie bedauerte es sehr, daß sie sich nicht in Ferrara befand, um mit ihren Händen Ew. Exzellenz zu pflegen, wenn Sie das genehmigt hätten. So hat sie auch damals, als der vatikanische Saal einstürzte, vierzehn Tage lang Se. Heiligkeit gepflegt und ist in dieser Zeit nicht zur Ruhe gekommen, da der Papst nur von ihren Händen behandelt sein wollte.«

Wohl mochte die Erkrankung ihres Schwiegervaters Lucrezia erschrecken; denn sein Tod würde, wenn nicht ihre Verbindung mit Alfonso aufgehoben, so doch sicherlich verzögert haben. Und noch hatte sie keine Beweise, daß der Widerwille ihres künftigen Gemahls sich gelegt hatte. Aus dieser ganzen Zeit gibt es keinen Brief Alfonsos an sie noch einen Lucrezias an diesen, und dies gänzliche Schweigen ist zum mindesten auffallend. Noch aufregender mußte für Lucrezia der Gedanke sein, daß ihr Vater sterben könnte; denn sein Tod würde unfehlbar ihre Verbindung mit Alfonso aufgelöst haben. Alexander erkrankte bald nachdem Ercole krank geworden war. Er hatte sich eine Erkältung zugezogen und verlor einen Zahn. Um zu verhüten, daß übertriebene Gerüchte nach Ferrara gelangten, ließ er den Gesandten des Herzogs rufen und befahl ihm, seinem Herrn zu schreiben, daß seine Unpäßlichkeit nichts bedeute. Wenn der Herzog hier anwesend wäre, sagte der Papst, so wollte ich, obwohl ich ein verbundenes Gesicht habe, ihn einladen, mit mir ein wildes Schwein zu jagen, und der Gesandte bemerkte in seiner Depesche, daß der Papst aus Rücksicht auf seine Gesundheit besser täte, nicht vor Tagesanbruch den Palast zu verlassen und dann erst bei Nachtzeit zurückzukommen. Denn dies sei so seine üble Angewohnheit, und man habe ihm das auch in liebevoller Weise vorgestellt.

Von allen Seiten erhielten Ercole und der Papst Glückwünsche. Kardinäle und Gesandte verherrlichten in diesen Briefen die Schönheit und Klugheit Lucrezias. Der spanische Botschafter in Rom pries sie in überschwenglichen Ausdrücken, und Ercole dankte ihm für dies seiner Schwiegertochter ausgestellte Zeugnis ihrer Tugenden. Selbst der König von Frankreich gab seine außerordentliche Freude über ein Ereignis zu erkennen, welches, wie er jetzt herausfand, dem Staate Ferrara zum höchsten Vorteil gereichen werde. Im Konsistorium las der Papst freudestrahlend einen von diesem Monarchen und seiner Gemahlin an ihn gerichteten Glückwunsch vor. Ludwig XII. hatte sich sogar herabgelassen, einen Brief an Madonna Lucrezia zu richten, an dessen Ende er eigenhändig zwei Worte geschrieben hatte; Alexander war darüber so entzückt, daß er eine Abschrift des Schreibens nach Ferrara schickte. Nur vom Hofe Maximilians traf nichts Ähnliches ein. Der Kaiser zeigte sich vielmehr so sehr aufgebracht, daß Ercole darüber in Unruhe geriet, wie dieser Brief an seine beiden Bevollmächtigten in Rom lehrt:

Der Herzog von Ferrara usw.

»Unsere Geliebtesten. Wir haben Sr. Heiligkeit Unserem Herrn nichts weiter über die Stimmung des Erlauchtesten Königs der Römer gegen ihn mitgeteilt, seitdem Messer Michele Remolines von hier abreiste. Denn Wir hatten nichts Sicheres darüber; jetzt aber sind Wir durch eine glaubwürdige Person, mit welcher der genannte König gesprochen hat, davon unterrichtet, wie Se. Majestät mißgestimmt ist und sich sehr vorwurfsvoll über Se. Heiligkeit ausläßt und die Verschwägerung tadelt, die wir mit Derselben geschlossen haben, was er auch in an uns gerichteten Briefen vor Abschluß der Heirat getan hat, indem er uns abriet, diese Verbindung einzugehen, wie Ihr aus den Abschriften jener Briefe ersehen werdet. Wir schicken sie Euch hier beiliegend. Sie wurden den hiesigen Gesandten Sr. Heiligkeit gezeigt und vorgelesen. Obwohl wir nun, was Uns selbst betrifft, nicht viel Wesens von dieser Meinung Sr. Majestät machen, da wir aus Gründen der Vernunft gehandelt haben und darüber täglich mehr Befriedigung empfinden, so scheint es uns dennoch passend, aus Rücksicht unserer Verbindung mit Sr. Heiligkeit und damit Dieselbe Ihrer Weisheit gemäß über diese Demonstration sich ein Urteil bilde, Derselben unsere Meinung darüber mitzuteilen. Wir sind überzeugt, daß Se. Heiligkeit mit Ihrer Weisheit prüfen und erkennen werde, inwieweit die genannte Mißstimmung Sr. Majestät ihr von Bedeutung sein könne.

Ihr werdet Derselben demnach alles mitteilen und auch die Abschriften sehen lassen, wenn es Euch passend erscheint; aber ihr sollt Dieselbe in Unserem Namen ersuchen, Uns nicht die Urheberschaft davon beizumessen, auch nicht in dem Falle, daß Wir die genannten Abschriften dringender Gründe wegen in andere Hände gelangen lassen. Ferrara, 23. Oktober 1501.«

Der Herzog ließ sich nicht mehr wankend machen. Schon am Anfange des Oktober hatte er das Brautgeleit ausgewählt, dessen Abreise von Ferrara er freilich noch von dem Fortgange seiner Unterhandlungen mit dem Papst abhängig machte. Es war eine hochwichtige Frage, aus welchen Personen sowohl das ferrarische, als das römische Hochzeitsgeleit bestehen sollte; und darüber gibt eine Depesche Gerardis Aufschluß.

»Erlauchter Herr usw. Heute, am sechsten, waren Wir, Hector und ich, allein beim Papst mit den Briefen Ew. Herrlichkeit vom 26. des vergangenen Monats, vom ersten des gegenwärtigen und mit der Liste des Brautgeleits. Diese gefiel Sr. Heiligkeit sehr; sie erschien Derselben ehrenvoll und reich, besonders weil darin Stand und Qualität der Personen genau bezeichnet waren. Wie ich aus bester Quelle weiß, hat Ew. Exzellenz die Erwartung des Papstes übertroffen. Nachdem wir eine Weile mit Sr. Heiligkeit im Gespräch gewesen waren, ließ Dieselbe den Erlauchten Herzog der Romagna und den Kardinal Orsini rufen; es waren auch zugegen Monsignor Elna, Monsignor Troche und Messer Adriano. Der Papst wollte, daß die Liste nochmals gelesen werde, und sie wurde noch mehr gelobt, besonders vom Herzog, welcher sagte, daß er mit mehreren darin genannten Personen bekannt sei. Er behielt auch die Liste und dankte mir gar sehr, als ich sie ihm wieder gab, da er sie mir zurückstellen wollte.

Wir bemühten uns, die Liste desjenigen Ehrengeleits zu haben, welches mit der Erlauchten Herzogin kommen wird; doch sie ist noch nicht in Ordnung. Se. Heiligkeit sagt, daß sich wenige Damen darunter befinden werden, denn diese Römerinnen seien etwas wild und ungeschickt zu Pferde. Bis jetzt hat die Herzogin im Hause fünf oder sechs Fräulein, vier sehr junge Mädchen und drei bejahrte Damen, welche bei Ihrer Herrlichkeit bleiben werden. Vielleicht wird eine und die andere hinzukommen. Man hat ihr mit Geschick davon abgeraten, indem man ihr sagte, daß sich ihr zahllose Ehrendamen in Ferrara darbieten würden. Bei ihr ist auch eine Madonna Hieronyma, die Schwester des Kardinals Borgia, welche mit einem Orsini vermählt ist. Dieselbe wird sie mit drei Frauen begleiten. Andere Ehrendamen haben sie bisher nicht. Ich glaube, sie werden solche bis in Neapel aufzutreiben suchen, wie ich gehört habe; doch glaubt man, daß sie deren wenige bekommen werden, und dies nur, um die Herzogin zu begleiten. Die Herzogin von Urbino hat sagen lassen, daß sie mit fünfzig Pferden kommen wolle. Was die Männer betrifft, so sagte Se. Heiligkeit, daß auch sie mangeln, da in Rom keine anderen Herren vom Adel übrig sind, als die Orsini, und diese befinden sich meist draußen. Doch hofft er eine genügende Anzahl auftreiben zu können, zumal wenn der Herzog der Romagna nicht ins Feld zieht, denn im Gefolge Sr. Herrlichkeit befinden sich viele Edelleute. Se. Heiligkeit sagt, daß man von Priestern und gelehrten Leuten genug mitschicken könne, doch nicht solche Personen, die dazu geeignet wären; indes werde das Geleit Ew. Herrlichkeit für das eine und das andere Ersatz geben, um so mehr als es, nach der Behauptung Sr. Heiligkeit, Sitte sei, daß das große Geleit vom Bräutigam geschickt werde, die Braut aber nur mit wenigen komme. Jedoch glaube ich, daß sie nicht weniger als zweihundert Personen zu Pferde bei sich haben wird. Über die Straße, auf welcher Ihre Herrlichkeit reisen sollte, ist der Papst im Zweifel; er meint, sie solle über Bologna gehen, und sagt, daß auch die Florentiner sie eingeladen hätten. Obwohl Se. Heiligkeit darüber noch keinen Entschluß gefaßt hat, so sagte doch die Herzogin, welche uns mitgeteilt hatte, daß sie durch die Marken reisen werde, der Papst habe ebendies beschlossen. Vielleicht wünscht er, daß sie aus den Ländern des Herzogs der Romagna nach Bologna gehe.

In betreff dessen, daß nach dem Wunsch Ew. Herrlichkeit ein Kardinal die Herzogin begleiten solle, entgegnete Se. Heiligkeit, daß es Ihr nicht geziemend scheine, daß irgendein Kardinal von Rom aus sie begleite; daß er aber an den Kardinal von Salerno, den Legaten in der Mark, geschrieben habe, seinen Weg gegen die Länder des Herzogs der Romagna hinzunehmen und dort zu warten, um sie nachher nach Ferrara zu begleiten und die Hochzeitsmesse zu lesen. Er glaubte, daß der Kardinal dies tun werde, wenn ihn nicht seine Kränklichkeit verhindert. Sollte aber das der Fall sein, so wolle Se. Heiligkeit für einen anderen sorgen. – – –

Als der Papst während dieser unserer Unterredung vernahm, daß wir keine Audienz beim Erlauchtesten Herzog hatten erhalten können, so zeigte er sich darüber sehr mißgestimmt und sagte, daß Se. Herrlichkeit diesen Fehler an sich habe, und daß die Gesandten von Rimini schon seit zwei Monaten hier seien, ohne je mit ihm sprechen zu können; daß er aus dem Tage Nacht und aus der Nacht Tag mache. Er beklage diese Lebensweise sehr und wisse nicht, ob er so das Erworbene werde behaupten können. Dagegen lobte er die Erlauchte Herzogin, da sie klug sei und ohne Schwierigkeit Audienz gebe, und wo es Not sei, zu liebkosen wisse. Er rühmte sie hoch, und daß sie das Herzogtum Spoleto zu aller Welt Freuden regiert habe. Gar sehr erhob er sie und sagte, daß Ihre Herrlichkeit auch dann, wenn sie mit ihm, dem Papst, etwas zu verhandeln habe, ihre Partie sehr wohl zu gewinnen wisse. Ich glaube, Se. Heiligkeit redete so mehr in der Absicht, Gutes von ihr zu sprechen (wie sie das nach meinem Dafürhalten verdient) als um jenem Übles nachzusagen, wenn Dieselbe auch das Gegenteil zu erkennen gab. Ew. Herrlichkeit sei ich immerdar empfohlen. Rom, 6. Oktober.«

 

Der Papst ließ selten eine Gelegenheit vorübergehen, ohne die Schönheit und die Klugheit seiner Tochter zu preisen. Er stellte zwischen ihr und den damals berühmtesten Frauen Italiens, der Markgräfin von Mantua und der Herzogin von Urbino, Vergleiche an. Eines Tages sprach er zu den Gesandten Ferraras auch über ihr Alter und bemerkte, daß sie im April (1502) das zweiundzwanzigste Lebensjahr vollende, während Cesar in derselben Zeit das sechsundzwanzigste erreichen werde.

Er fühlte sich durch die Auswahl des Brautgeleits sehr befriedigt, denn die Personen, welche es bilden sollten, waren Fürsten des Hauses Este und die vornehmsten Männer Ferraras. Er genehmigte auch, daß sich Annibale Bentivoglio, der Sohn des Herrn von Bologna, dazu gesellte, und lachend sagte er dem Gesandten Ferraras: wenn sein Herr selbst Türken zur Einholung der Braut nach Rom schicken wollte, so sollten sie ihm willkommen sein.

Die Florentiner schickten, aus Furcht vor Cesar, Gesandte an Lucrezia, sie zu ersuchen, auf ihrer Reise nach Ferrara durch ihr Land den Weg zu nehmen; doch der Papst stellte fest, daß sie ihn durch die Romagna zu machen habe. Nach der barbarischen Willkür jener Zeit waren die Landschaften, durch welche ein solcher Reisezug sich fortbewegte, gehalten, ihn zu ernähren. Um nun die Romagna nicht zu sehr zu belasten, wurde bestimmt, daß das ferrarische Geleit den Hinweg nach Rom durch Toscana nehmen solle; aber die Republik Florenz weigerte sich, dasselbe überall in ihrem Gebiete freizuhalten; sie wollte es nur in der Stadt Florenz bewirten oder durch ein Geschenk ehren.

Man betrieb unterdes in Ferrara die Zurüstungen zu den Hochzeitsfesten. Der Herzog schickte Einladungen an ihm befreundete Fürsten. Er hatte sogar an die Rede gedacht, die bei der Übergabe Lucrezias an ihren Gemahl in Ferrara gehalten werden sollte; denn solche Deklamationen galten in der Renaissance als der wichtigste Moment eines Festes, und jene Rede sollte ein wahres Prachtstück werden. Deshalb hatte Ercole seine Gesandten in Rom beauftragt, ihm Notizen über das Haus Borgia einzuschicken, damit der Festredner sich ihrer bedienen könne. Die Gesandten vollzogen den Auftrag ihres Herrn mit Gewissenhaftigkeit, und sie antworteten ihm, wie folgt:

»Erlauchtester Fürst und unser besonderster Herr. Wir haben keinen Fleiß und kein Studium gespart, um alles über die Taten dieses Erlauchtesten Hauses Borgia aufzufinden, wie dies Ew. Exzellenz uns befohlen hat; wir hielten deshalb überall Nachforschungen und ebenso waren die Unsrigen hier in Rom geschäftig, nicht nur die Gelehrten, sondern auch solche, von denen wir glaubten, daß dergleichen ihre Liebhaberei sei. Obwohl wir nun endlich herausgefunden haben, daß dieses Haus in spanischen Landen sehr edel und sehr alt ist, so finden wir doch nicht, daß dessen Vorfahren etwas Ausgezeichnetes getan haben, weil man in jenem Lande ein sehr ziviles und delikates Leben führt, und Ew. Exzellenz weiß, daß dies so in Spanien und namentlich in Valencia Sitte ist.

Nur von Calixtus bis auf unsere Zeit läßt sich Bemerkenswertes melden, und besonders von den eigenen Taten Calixts, von denen Platina genug berichtet. Was alles aber dieser Papst getan hat, das ist allgemein bekannt. Wer daher die Rede zu halten haben wird, der findet ein weites Feld vor sich. Demnach haben wir, Erlauchtester Herr, über das Haus nichts mehr gefunden, als Sie schon wissen, sondern nur über die Personen der Päpste aus demselben und die an sie gerichteten Obedienzreden. Was aber die Päpste getan haben, zeigt alles dasjenige an, was von ihnen gesagt werden kann. Sollten wir mehr auffinden, so werden wir Ew. Exzellenz davon Mitteilung machen, welcher wir uns in Demut empfehlen. Rom, 18. Okt. 1501.«

Als der Herzog vom alten Haus der Este diese lakonische Depesche las, mochte er lächeln, und ihre Aufrichtigkeit so wenig diplomatisch finden, daß sie fast wie Ironie erschien. Die wackeren Gesandten scheinen sich übrigens nicht an die rechte Quelle gewendet zu haben, denn wenn sie die intimsten Höflinge der Borgia, etwa die Porcari um Rat gefragt hätten, so würden sie von ihnen einen Stammbaum erhalten haben, welcher die Abkunft der Borgia von den alten Königen Aragons, wenn nicht von Herkules dartat.

Unterdes stieg die Ungeduld des Papstes und Lucrezias mit jedem Tage, denn die Absendung des Brautgeleites verzögerte sich, und schon begannen die Feinde der Borgia darüber zu spotten. Der Herzog erklärte, daß er nicht daran denken könne, Madonna Lucrezia einholen zu lassen, wenn ihm nicht die Investiturbulle übergeben sei. Er beschwerte sich über die Langsamkeit, mit welcher man in Rom an die Ausführung der Versprechungen ging. Er forderte die bare Auszahlung der Mitgift, welche durch Bankhäuser in Venedig, Bologna und anderen Orten betrieben wurde, mindestens beim Eintreffen des Ehrengeleites in Rom, und drohte, dieses ohne die Braut wieder nach Ferrara zurückkehren zu lassen, wenn die Summe nicht vollständig gezahlt sei. Da sich die Übergabe von Cento und Pieve nicht so schnell bewerkstelligen ließ, so begehrte er ein Pfand dafür vom Papst, entweder das Bistum Bologna für seinen Sohn Hippolyt, oder eine Kaution. Er stellte Forderungen von Benefizien für seinen Bastard Don Giulio und für seinen Botschafter Gianluca Pozzi, und diesem wußte Lucrezia das Bistum Reggio zu verschaffen, wie sie auch für die ferrarischen Gesandten ein Haus in Rom vom Papst erlangte.

Eine wichtige Angelegenheit war auch der Schmuck von Pretiosen, mit welchem Lucrezia ausgestattet werden sollte. Die Leidenschaft dafür ist noch heute in Rom groß, wo die Frauen edler Häuser keine Gelegenheit versäumen, in Diamanten zu strahlen, und wo bisher solches Besitztum in der Regel ein Fideikommiß war. In der Renaissancezeit hatte diese Leidenschaft den Grad einer förmlichen Manie erreicht. Ercole ließ seiner Schwiegertochter sagen, daß sie ihre Juwelen mit sich bringen und nicht veräußern möchte; er werde ihr jedoch durch das Brautgeleit einen reichen Schmuck übersenden, denn da sie selbst, so fügte er voll Galanterie hinzu, das kostbarste Juwel sei, so verdiene sie mehr und schönere Edelsteine zu haben, als er selbst und seine eigene Gemahlin sie besessen haben; er sei zwar nicht ein so großer Mann, wie der Herzog von Savoyen, aber dennoch wohl imstande, ihr nicht minder schöne Juwelen zu senden, als dieser besitze.

Das Verhältnis zwischen Ercole und seiner Schwiegertochter war das freundlichste, welches sich wünschen ließ, denn Lucrezia ermüdete nicht, seinen Forderungen beim Papst Gehör zu verschaffen, aber dieser selbst war über das Verfahren des Herzogs tief aufgebracht. Er ließ ihn dringend bitten, das Geleit nach Rom zu schicken, und versicherte ihn, daß die beiden Kastelle der Romagna ausgeliefert sein würden, ehe noch Lucrezia in Ferrara anlangte. Wenn sie erst dort sei, so werde sie alles, was sie begehre, von ihm erreichen, denn so groß sei seine Liebe zu ihr, daß er sogar daran denke, im Frühjahr ihr einen Besuch in Ferrara zu machen. Er argwöhnte sogar, daß die Verzögerung des Brautgeleites durch eine Intrige des Kaisers veranlaßt sei. Maximilian schickte noch im November seinen Sekretär Agostino Semenza an den Herzog mit der Mahnung, jenes Geleit nicht nach Rom abgehen zu lassen, und er versprach Ercole dafür erkenntlich zu sein. Der Herzog erließ am 22. November ein Schreiben an diesen kaiserlichen Bevollmächtigten, worin er ihm erklärte, er habe sofort einen Kurier an seine Gesandten in Rom geschickt; es sei bald Winter, die Zeit zur Einholung Lucrezias daher ungünstig; wenn der Papst einwillige, wolle er jene aufschieben, ohne jedoch mit ihm zu brechen. Se. Majestät möge bedenken, daß der Papst sein Feind werden müsse, wenn er dies täte; er würde dann eine ewige Verfolgung und sogar einen Krieg von ihm zu erwarten haben. Und gerade, um diese Gefahren zu vermeiden, habe er sich herbeigelassen, sich mit Sr. Heiligkeit zu verschwägern. Er vertraute deshalb auf Se. Majestät, welche ihn solcher Gefahr nicht aussetzen, sondern mit gewohnter Gerechtigkeit seine Entschuldigung gelten lassen werde.

Zugleich trug Ercole seinem Gesandten in Rom auf, dem Papst von den Drohungen des Kaisers Kunde zu geben, und ihm zu erklären, daß er bei seinen Verpflichtungen bleibe, um so dringender aber die Ausfertigung der Bullen verlangen müsse, weil jede weitere Zögerung Gefahr bringe.

Alexander geriet darüber in den heftigsten Zorn; er überhäufte den Gesandten mit Vorwürfen und nannte den Herzog selber einen »Krämer«. Ercole erklärte hierauf dem Boten des Kaisers am 1. Dezember, daß er die Absendung des Brautgeleits nicht länger verzögern könne, ohne offen mit dem Papst zu brechen. An demselben Tage schrieb er an seinen Gesandten in Rom und beklagte sich über den Titel des »Kaufmanns«, den ihm der Papst gegeben hatte. Diesen aber beruhigte er durch die Versicherung, daß er die Abreise des Brautgeleits von Ferrara auf den 9. oder 10. Dezember festgesetzt habe.


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