Ferdinand Gregorovius
Lucrezia Borgia
Ferdinand Gregorovius

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VII

Für Lucrezia hatte Alexander eine Wohnung einrichten lassen, ganz in der Nähe des Vatikans. Es war das ein Haus, welches der Kardinal Battista Zeno im Jahre 1483 erbaut hatte; von ihm oder von seiner Titelkirche hieß es der Palast von S. Maria in Porticu. Es stand an der linken Seite der Peterstreppe, etwa gegenüber dem Palast der Inquisition. Die Bauten der Kolonnaden Berninis haben das dortige Lokal vollkommen unkenntlich gemacht.

In ihrem Palast hielt die junge Lucrezia bereits einen eigenen Hof, dessen Vorsteherin als mütterliche Ehrendame ihre Erzieherin war, Adriana Ursina. Alexander hatte wohl diese seine Verwandte bewogen, zugleich mit Lucrezia den Palast Orsini zu verlassen und in jenen von S. Maria in Porticu zu ziehen, wo wir sie und noch eine andere, dem Papst nur zu nahe stehende Dame bald werden auftreten sehen.

Vannozza blieb in ihrem eigenen Hause in der Regola. Ihr Gatte wurde zum Soldan oder Hauptmann der Torre di Nona gemacht, wo Alexander VI. bald eines ihm ergebenen Kerkervogts bedurfte. Und auch zu diesem angesehenen und einträglichen Amt gab sich Canale mit Freuden her. Seit dieser Zeit trat eine größere Entfernung, wenn auch nicht eine völlige Trennung zwischen Vannozza und ihren Kindern ein. Sie blieben im Verkehr miteinander, aber nur mittelbar durfte jene an dem Glück und der Größe dieser Anteil nehmen. Nie erlaubte sich Vannozza, oder niemals gestattete ihr Alexander einen Einfluß im Vatikan. Nur sehr selten erscheint ihr Name in den Berichten jener Zeit.

In ihrem Palast lernte jetzt Donna Lucrezia als angehende Fürstin sich zu bewegen. Sie nahm dort die Besuche der zahlreichen Verwandten ihres Hauses entgegen, wie der Freunde und Schmeichler der jetzt herrschenden Borgia. Merkwürdigerweise erschien daselbst, in derselben Zeit als ihre Verbindung mit Sforza im Werke war, aber noch durch die Ansprüche Don Gasparos bestritten wurde, auch derjenige Mann, welcher sie einst nach schrecklichen Lebensstürmen in den Ruhehafen retten sollte.

Unter den Fürsten Italiens, die damals Gesandte nach Rom schickten oder in Person kamen, dem neuen Papst zu huldigen, befand sich auch der Erbprinz von Ferrara. Kein italienisches Haus glänzte so hell, als das Ercoles von Este und seiner Gemahlin Eleonora von Aragon, einer Tochter des Königs Ferdinand von Neapel – sie starb bald nach dieser Zeit, am 11. Oktober 1493. Von ihren Kindern war Beatrice im Dezember 1490 mit Ludovico dem Mohren vermählt worden, dem geistvollen und frevelhaften Regenten Mailands für seinen Neffen Giangaleazzo. Die andere Tochter Isabella, eine der schönsten und ausgezeichnetsten Frauen ihrer Zeit, war im Februar 1490, sechzehn Jahre alt, die Gemahlin des Markgrafen Francesco Gonzaga von Mantua geworden. Alfonso war Erbprinz: er hatte sich im Alter von fünfzehn Jahren, am 12. Februar 1491 mit Anna Sforza vermählt, der Schwester jenes Giangaleazzo.

Sein Vater schickte ihn im November 1492 nach Rom, dem Papst seine Staaten zu empfehlen, und mit hohen Ehren empfing dieser den jungen Verwandten des Hauses Sforza, in welches seine eigene Tochter eintreten sollte. Don Alfonso wohnte im Vatikan; bei seinem Aufenthalt daselbst von mehreren Wochen hatte er nicht allein Gelegenheit, sondern es war auch seine Pflicht, Donna Lucrezia zu besuchen. So sah er voll Neugierde zum erstenmal dieses schöne Kind mit dem goldfarbigen Haar und den klugen blauen Augen, und nichts lag ihm ferner als die Ahnung, daß diese Verlobte Sforzas nach neun Jahren in das Schloß der Este zu Ferrara als seine eigene Gemahlin einziehen werde.

Mit welcher Auszeichnung Alexander den Erbprinzen behandelte, geht aus dem Dankschreiben hervor, welches dessen Vater an den Papst richtete. Der Herzog schrieb ihm:

»Heiligster Vater und Herr, mein hochzuverehrender Herr, ich küsse zuvor Eurer Seligkeit Füße und empfehle mich in Demut. Wie Eure Heiligkeit mit dem höchsten Lobe zu verherrlichen sei, habe ich schon längst erkannt und nun sagen es mir auch die Briefe des Bischofs von Modena, meines Gesandten bei Ew. Heiligkeit, und andere nicht allein meines geliebten Erstgeborenen Alfonso, sondern auch aller derer, die seine Begleiter waren. Sie berichteten mir, wie Ew. Heiligkeit uns alle, zumal mich und die Meinigen, mit Güte, Freigebigkeit, Gnade, Humanität und unaussprechlicher Liebe umfaßt haben, während der Ankunft meines Sohnes und der Dauer seines Aufenthalts in Rom. Deshalb bekenne ich mich, wie ich schon längst mit allem was ich vermag Ew. Heiligkeit Schuldner bin, ganz besonders auch in diesem und in mehr als ich zu leisten vermag, zu solchem, und ich sage Ew. Heiligkeit ewigen Dank und so viel als die ganze Welt umfassen kann, als Euer ergebenster und zu Allem was Ew. Heiligkeit lieb und genehm ist bereiter Diener, und ich empfehle mich und alle Meinigen in tiefster Demut (Ferrara am 3. Januar 1493) als Ew. Heiligkeit Sohn und Diener Hercules, Herzog von Ferrara.«

Der Brief zeigt, wie viel es dem Herzog darum zu tun war, mit dem Papst gut zu stehen. Er war Lehnsmann der römischen Kirche für Ferrara, und diese strebte danach, sich in eine Monarchie zu verwandeln. Die Fürsten und Republiken Italiens, so viele deren der Machtsphäre des Heiligen Stuhles nahelagen, oder im Lehnsverbande mit ihm standen, blickten daher mit Argwohn und Furcht auf jeden neuen Papst und die Richtung, welche das Nepotenwesen unter ihm nahm. Wie leicht konnte Alexander VI. die Pläne des Hauses Borgia dort wieder aufnehmen, wo sie der Tod seines Oheims Calixtus abgebrochen hatte und in die Fußstapfen Sixtus' IV. treten.

Es waren auch nur zehn Jahre her, seit dieser Papst im Bunde mit Venedig Ferrara bekriegt hatte.

Ercole hatte mit Alexander VI., als dieser noch Kardinal war, freundliche Beziehungen unterhalten; selbst bei der Taufe seines Sohnes Alfonso war Rodrigo Borgia Gevatter gewesen. Für seinen anderen Sohn Hippolyt bewarb sich der Herzog um den Kardinalspurpur, und für diesen Zweck bemühte sich sein Gesandter in Rom, Gianandrea Boccaccio. Derselbe wandte sich an die einflußreichsten Vertrauten Alexanders, an Ascanio Sforza, an den geheimen Kämmerer Marades und an Madonna Adriana. Der Papst wollte seinen Sohn Cesar zum Kardinal machen, und Boccaccio hoffte, daß der junge Hippolyt dessen Glücksgenosse sein würde. Der Gesandte gab Marades zu verstehen, daß beide Jünglinge, von denen der eine Erzbischof von Valencia, der andere von Gran seien, gut zueinander paßten. »Das Lebensalter beider ist wenig verschieden; ich glaube, daß Valencia nicht sechzehn Jahre überschritten hat, während unser Strigonia (Gran) solchem Alter nahe ist.« Marades erwiderte, daß dies nicht ganz richtig sei, denn Hippolyt habe nicht das vierzehnte Jahr überschritten, während der Erzbischof von Valencia sich im achtzehnten befinde.

In dem jungen Cesar regten sich andere Triebe, als die nach geistlichen Würden. Nur auf Befehl seines Vaters trug er das ihm verhaßte Priesterkleid. Obwohl er Erzbischof war, hatte er doch nur die erste Tonsur. Er lebte ganz weltlich. Man sprach sogar davon, daß ihm der König von Neapel eine natürliche Tochter zur Gemahlin geben wolle, und daß er dann in den Laienstand zurücktreten werde. Der Gesandte Ferraras besuchte ihn am 17. März 1493 in seinem Hause in Trastevere, worunter er vielleicht den Borgo meinte. Die Schilderung, welche Boccaccio bei dieser Gelegenheit dem Herzog Ercole von dem Wesen dieses jungen Menschen von siebzehn Jahren machte, ist ein wichtiges und merkwürdiges Porträt, und das erste von Cesar Borgia überhaupt.

»Ich traf Cesar vorgestern zu Hause in Trastevere; er ging gerade auf die Jagd in einer ganz weltlichen Kleidung, d. h. in Seide und bewaffnet, nur mit einer kleinen Clerica wie ein einfacher Kleriker der Tonsur. Indem ich mit ihm ritt, unterhielt ich mich eine Weile mit ihm. Meine Bekanntschaft mit ihm ist sehr familiär. Er ist von großem und ausgezeichnetem Genie und von vornehmem Naturell; er trägt die Art eines großen Fürstensohnes zur Schau; er ist ganz besonders heiter und fröhlich, ganz und gar Festlichkeit. Bei einer großen Bescheidenheit macht er eine viel bessere und vorzüglichere Erscheinung als sein Bruder, der Herzog von Gandìa. Auch dieser ist gut begabt. Der Erzbischof hatte niemals Neigung zum geistlichen Stande. Aber sein Benefizium trägt ihm mehr als 16 000 Dukaten ein. Wenn jenes Projekt der Vermählung zustande kommt, so werden seine Pfründen einem anderen seiner Brüder (Jofré) zufallen, welcher etwa dreizehn Jahre alt ist.«

Man wird bemerken, daß der Gesandte die Heiterkeit des Wesens Cesars besonders hervorhebt; sie war ein Grundzug in der Natur Alexanders, und von ihm hatten sie Cesar und Lucrezia geerbt; denn auch an dieser wird noch in späteren Zeiten die immer klare und heitere Erscheinung als eine hervortretende Eigenschaft gerühmt. Was die Bescheidenheit betrifft, so rühmte dieselbe Tugend an Cesar sechs Jahre später kein geringerer Mann als Julian Rovere, der nachmalige Julius II.

Der Herzog von Gandìa befand sich damals in Rom, sollte aber zu seiner Gemahlin nach Spanien abreisen, sobald Sforza seine Hochzeit mit Lucrezia gefeiert hatte. Diese war auf den Tag S. Georg angesetzt worden, aber sie verzögerte sich, weil der Bräutigam nicht zur Zeit eintreffen konnte. Alexander betrieb die Ausstattung seiner Tochter mit großer Freude; ihr Glück oder was dasselbe für ihn war, ihre Größe lag ihm sehr am Herzen. Er liebte sie leidenschaftlich, im Superlativ, wie der ferrarische Gesandte seinem Herrn schrieb. Auf dessen Mahnung schickte der Herzog von Ferrara ein Hochzeitsgeschenk, ein Paar großer silberner Waschbecken mit dazu gehörigen Gefäßen von der feinsten Arbeit. Zwei Wohnungen wurden für das junge Paar in Aussicht genommen: der Palast von S. Maria in Porticu, und jener des am 4. Februar 1493 verstorbenen Kardinals Domenicus Porta von Aleria an der Engelsburg. Man wählte den ersteren, in welchem Lucrezia bereits wohnte.

Endlich kam Sforza: am 9. Juni hielt er seinen Einzug durch die Porta del Popolo, eingeholt von der ganzen Kurie, von seinen Schwägern und den Gesandten der Mächte. In einer Loge ihres Palastes hatte Lucrezia mit vielen Ehrendamen Platz genommen, um von dort den Zug ihres Bräutigams nach dem Vatikan anzusehen. Im Vorüberreiten grüßte sie Sforza mit vieler Galanterie, was seine Braut erwiderte. Gnädig wurde er von seinem Schwiegervater aufgenommen.

Sforza war ein Mann von wohlgefälliger Erscheinung. Diese können wir freilich nur nach einer Medaille beurteilen, die er zehn Jahre später prägen ließ. Sie stellt ihn dar mit lang herabwallendem Haar und vollbärtig; der Mund ist fein, die Unterlippe etwas eingezogen; die Nase leicht gebogen, die Stirn frei und gewölbt. Die Verhältnisse des Gesichts sind edel, aber nicht bedeutend zu nennen.

Drei Tage nach seiner Ankunft, am 12. Juni, wurde die Vermählung im Vatikan mit geräuschvoller Öffentlichkeit gefeiert.

Alexander hatte dazu den Adel, die Magistrate Roms und die fremden Gesandten eingeladen. Es fand ein Bankett und die Aufführung von Komödien statt, in ganz weltlicher und lasziver Weise, wie das Infessura beschrieben hat.

Um die Genauigkeit des kurzen Berichts dieses Römers zu prüfen und ihn zugleich zu ergänzen, stellen wir ihm den wesentlichen Inhalt einer Depesche des ferrarischen Gesandten wörtlich zur Seite. Am 13. Juni schrieb Boccaccio seinem Herrn:

»Gestern am 12. dieses wurde die Trauung im Palast öffentlich und mit dem größten Pomp und Aufwand gefeiert. Geladen waren dazu alle römische Matronen, auch die angesehensten Bürger, und viele Kardinale, zwölf an Zahl, wohnten ihr bei, während der Papst auf dem Thron der Majestät in ihrer Mitte saß. Palast und Gemächer waren überall von Menschen erfüllt, die dieses große Wesen anstaunten. Der genannte Herr von Pesaro vermählte sich feierlich mit seiner Gattin, und sofort hielt der Bischof von Concordia eine würdige Rede. Übrigens waren von Gesandten zugegen nur der venezianische, der mailändische und ich, und zuletzt einer von denen des Königs von Frankreich.

Der Kardinal Ascanio war der Meinung, daß ich das Geschenk während der Trauung überreichen sollte, und darüber ließ ich den Papst befragen, dem ich bemerkte, daß ich das nicht für passend hielt, und daß mir ein möglichst geringes Aufsehen als das beste erschien. Alle stimmten mir bei, und so rief mich hierauf der Papst und sagte mir: mir scheint, es ist so gut wie du es gesagt hast; und so wurde angeordnet, daß ich abends spät mich im Palast mit dem Geschenk einfinden solle. Se. Heiligkeit gab dort ein häusliches Mahl zu Ehren des Bräutigams und der Braut; es erschienen dabei die Kardinäle Ascanio, S. Anastasia und Colonna, dann die Braut, hierauf der Bräutigam, hinter ihm der Graf von Pitigliano, Kapitän der Kirche, Herr Julius Orsini, sodann Madonna Julia Farnese, von der so viel geredet wird (de qua est tantus sermo), Madonna Teodorina mit ihrer Tochter, der Marchesana von Gerazo, eine Tochter des genannten Kapitäns, Gemahlin des Herrn Angelo Farnese, Bruders der genannten Madonna Julia. Es folgte ein junger Bruder des Kardinals Colonna und Madonna Adriana Ursina. Diese ist die Schwiegermutter der genannten Madonna Julia; sie hat die Braut stets in ihrem eigenen Hause erzogen, da sie die Stellung einer Nichte des Papstes einnimmt. Sie ist die Tochter des leiblichen Vetters des Papstes, des verstorbenen Herrn Pedro de Milla, welcher Ew. Exzellenz bekannt ist.

Nach Aufhebung der Tafel, was etwa zwischen drei und vier Uhr in der Nacht geschah, wurde der Braut das Geschenk des erlauchten Herzogs von Mailand überreicht. Dasselbe bestand in fünf verschiedenen Stücken Goldbrokats und zweien Ringen, einem Diamant und einem Rubin. Das Ganze wurde auf 1000 Dukaten geschätzt. Hierauf übergab ich das Geschenk Ew. Herrlichkeit, mit angemessenen Worten deren Glückwünsche und Freude über die Vermählung und deren Diensterbietung ausdrückend. Das Geschenk gefiel dem Papste sehr. Derselbe drückte neben der Braut und dem Bräutigam Ew. Exzellenz seine unbegrenzte Dankbarkeit aus. Hierauf bot Ascanio sein Geschenk dar, bestehend in einem vollständigen Trinkgeschirr aus vergoldetem Silber, etwa 1000 Dukaten an Wert. Der Kardinal Monreale schenkte zwei Ringe, einen Saphir und einen Diamant, sehr schön und etwa 3000 Dukaten im Wert; der Protonotar Cesarini ein Becken mit Pokal dazu, wohl 800 Dukaten wert; der Herzog von Gandìa ein Gefäß, im Betrag etwa 70 Dukaten; der Protonotar Lunate ein ähnliches in Form eines Diaspro, von vergoldetem Silber, welches 70 bis 80 Dukaten wert sein mochte. Andere Geschenke wurden nicht gemacht; bei der Hochzeitsfeier werden die übrigen, Kardinäle, Gesandte usw. das Fehlende nachholen, und auch ich werde das Mögliche tun. Man wird sie, wie ich glaube, nächsten Sonntag begehen, doch ist das nicht gewiß.

Zum Schluß tanzten die Frauen, und als Zwischenspiel wurde eine gute Komödie aufgeführt mit viel Gesang und Musik. Der Papst und alle anderen waren zugegen. Was soll ich mehr davon sagen? Des Schreibens würde kein Ende sein. So verbrachten wir die ganze Nacht; ob gut oder übel, das möge Ew. Herrlichkeit beurteilen.«


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