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Achtes Kapitel

Steffen kriegt selbst schreiende Bedürfnisse

Aber das Ding brachte ihm doch keinen Segen. Trieb er auch zuweilen Leute zusammen, blieben auch seine Leute so lange sie wollten, das Geld kam ihm nicht mehr durch ein Stiefelrohr herab, die Fünfunddreißiger fanden sich seltener, die Batzen ließen sich zählen, füllten jedenfalls die zwei Abgründe, welche in seinem Hause waren, seine faule Sinnlichkeit und seiner Frau beschränkten Hochmut, nicht aus, die verschlangen alles, ohne daß sie eigentlich darüber kamen, wo es fehle. Sie hatten es auch noch wie andere Majestäten, sie sahen es nicht, daß ihr größter Feind in ihnen selbst lag, und hätte auch jemand gewagt, es ihnen zu sagen, so wäre es ihm gegangen wie dem Alt-Landammann von Bern, als er vom wahren Punkte reden wollte, er wäre unterbrochen worden.

Steffen kam in Verlegenheiten, ward unwirsch darüber, hatte seine trüben Stunden, in welchen er über alles schimpfte, über die Bauern, die Regierung, versteht sich vor allem über die nach ihm entstandenen Wirtschaften. Über Eisi muckelte er nur, denn während er in seiner Sinnlichkeit träger wurde, entwickelte Eisis Hochmut Energie, daher er unter den Pantoffel kam, dem er nichts als stillschweigenden Eigensinn entgegensetzte. Freilich hatte er auch seinen Kyb im Leibe, den er nicht bloß mit Reden, sondern auch tatsächlich auslassen mußte, was auch in Prozessen geschah. Wer Kyb im Lyb hat und alle Tage einen Rechtsagenten oder sonst was sogenannt Rechtskundiges im Hause hat, der müßte von Gott besonders behütet sein, wenn er nicht in Prozesse geraten sollte.

Steffen apart zu behüten, hatte Gott nicht Ursache, und war er einmal hineingeflismet, so war seine Frau ein Utüfel von Hartnäckigkeit, wollte nichts von Nachgeben wissen, es mußte ausgetrieben werden bis vor e Hag use. Das sei ihm gleich, verspiel oder gwinn mes, aber die Dolders Fötzelhüng müßten wissen, daß man sie nicht fürchte und Geld habe mehr als sie. Und wenn es ihns ankam, so lief Eisi selbst den Herren nach: eine Frau bschüß meh bi de Herre als son e Gstabi vo Löhl, sagte es. Die Prozesse beschlugen allerlei, manchmal Marchen, manchmal Waldrechte, später oft erhaltene Lieferungen von diesem oder jenem, wobei Versender und Empfänger nicht einerlei Meinung waren. Die Prozesse hängen nicht ab vom Stoff, es gibt keinen Hof, es gibt kein Haus, wo nicht Stoff zu wenigstens zehn Prozessen zu finden wäre. Die Prozesse hängen ab vom Sinn der Leute, da entstehen sie, die Äußerlichkeit gibt bloß den Vorwand dazu, so in den meisten Fällen. Wo dann zu einem störrischen Sinn noch sogenannte rechtskundige Aufweisung kömmt und große Unordnung herrscht oder vielmehr gar keine Ordnung, so wundert es einen, wenn es nicht alle Tage einen neuen Prozeß gibt. Wer Unordnung hat in seinem Geschäft und dazu zu wenig Geld, der glaubt beständig, er sei beeinträchtigt, betrogen, und wie unrecht er Andern tut, wie sehr er sie beeinträchtigt, das sieht er nicht ein und seine Bücher mahnen ihn nicht daran. Doch dieses nur im Vorbeigehen, das Kapitel vom Prozedieren wollen wir diesmal nicht abhandeln, so wichtig es ist, wir wollten nur auf einen Schlund deuten, welcher auch viel von Steffens Geld verschlang.

So kam es, daß er in mancherlei Verlegenheit kam, Advokaten bezahlen sollte, Weinhändler, Käshändler, Kerzen- und andere Lieferanten und sagen mußte, es schicke sich ihm diesen Augenblick nicht, es hätte ihm ungsinnet etwas gegeben, wo ihm dSäck grumt heyg. «Ungsinnet» ist ein fatal Wort, und eben es spielte eine große Rolle in Steffens Leben. Da er keine Übersicht hatte von dem, was er schuldig war, so kamen ihm seine Lieferanten meist ungsinnet über den Hals. Wenn ihm dann einer sagte: «Säg los, ih ha dih welle frage, ob de mr nit ds letzt Käsli oder ds letzt Kistli Likör zahlen könntest, ih han e großi Zahlung z'mache und es geht i Gotts Name ke Geld y», so sagte Steffen oft: «Das wird öppe zahlt sy, he längste, bsinn dih!» Aber der wollte sich nicht besinne, demonstrierte Steffen, daß er ihm wohl einmal einst eins bezahlt habe, das letzte aber ausstehe, und Steffen mußte darankommen, gern oder ungern, und er mochte es glauben oder nicht. Wenn er endlich anekneue mußte, so mußte er wohl auch sagen: «Aber jetz chas dr nit gä, aber i vier, füf Wuche mueßts ha, selb vrsprich dr, vrla dih druf». Und doch zahlte Steffen oft in fünf Wochen nicht, es war ungsinnet ein anderer Lieferant noch früher gekommen, hatte noch nötlicher getan, so daß Steffen Geld schwitzen mußte. Oder er war mit Eisi ungsinnet ausgefahren, sie hatten ungsinnet dies oder jenes gesehen, das ihnen so gefallen, daß sie es kramen mußte, oder es hatte ungsinnet eine Partie gegeben in einer obern Stube und Steffen Haare gelassen für hundert Franken oder mehr. Wer kann für solche ungsinnete Sachen was? Wir fragen.

Indessen eigentliche Angst machte das alles Steffen nicht und Eisi nicht, sie betrachteten diese Lage als eine vorübergehende Klemme, entstanden hauptsächlich durch den verfluchten Speisewirt, aber wenn der einmal zBode syg, u lang gang das nit, so werds scho wieder angers cho. Der Haupttrost war jedoch das Erbe, welches Steffen noch von seinem Vater erwartete. Wenn er einmal da nehmen könne, sagte er, dann käme es besser, dann wolle er ganz anders fahren, dann wolle er zeigen, wer Meister sei. Dieses Erbe war sein Trost, dieses Erbe war auch sein Schild, denn solange es zu erwarten war, deckte es ihn vor der allzu großen Zudringlichkeit seiner Schuldner. Da ist nichts zu verlieren, dachten sie, und tun wir zu wüst, so setzen wir nichts mehr bei ihm ab. Freilich dachten sie beim allfälligen Absatz auch an die zu opfernden Prozente und schlugen, was sich tun ließ, auf die Preise, und wie oben gesagt, halfen sie auch mit der Qualität nach, denn was einige Querköpfe auch sagen mögen über den Gewinn, welcher aus dem Hinhalten der Zahlungen entstehen soll, es ist nichts als Täuschung, entweder ein Zeichen, daß sie nicht rechnen können, oder eine verkappte, wenigstens augenblickliche Zahlungsunfähigkeit. Wer Geld hat und das Rechnen versteht, weiß wohl, was Barzahlungen für vielfachen Vorteil bringen.

Trotzdem kam Steffen in die Klemme, denn es gibt immer Leute, welche nicht warten mögen, Käshändler, welche das Salz bar zahlen müssen, Advokaten, welche alle Wochen das Kostgeld zahlen müssen, weil niemand ihnen länger traut als eine Woche und niemand Bürg sein will für vierzehn Tage. Wenn Steffen so in der Klemme war zwischen einem Käshändler, der Salz haben mußte, oder einem Advokaten, der das wöchentliche Kostgeld bezahlen sollte, oder zwischen zweien Gumene, von denen jeder sagte: «Entweder – oder, entweder, Steffen, zahlst du mich aus oder nimmst künftig den Wein alleine bei mir», so wußte er oft nichts anzufangen, als sein Ketzers Byggerli anspannen zu lassen, zu seinem Vater zu reiten und zu sagen: «Vater, gib Geld, ih mueß ha!» Da, wie gesagt, Steffens Vater vornehmer war als reich, dessen Ansehen größer als der Geldseckel, so gab er ihm wohl einige Male Geld, später aber versiegte diese Quelle.

Der Vater gab ihm den Rat, noch ein Stücklein Land zu kaufen, welches an sein Besitztum stieß und zu irgend einem Unternehmen tauglich schien, da ein Bach an selbem vorbeifloß, sich zu stellen, als wolle er da was Neues machen, und daraufhin auf sein ganzes Besitztum Geld aufzunehmen. Einen Schein fällen zu lassen zur Aufnahme von Geld, tut man sonst nicht gerne, es liegt immer was Verdächtiges darin, daher man gerne was vorschiebt, um der Sache ein unverdächtig Ansehen zu geben und der Gemeinde Sand in die Augen zu streuen, wenn sie etwa die Sache näher untersuchen lassen wollte. Dieses Sandstreuen übernahm der Vater und vollbrachte es glücklich. Eisi erklärte bei der Geldaufnahme sehr bereitwillig mit seinem Weibergut den Nachgang, von wegen, es hätte schon lange gerne mit der Donnstigs More, der Speisewirtin nämlich, einen Prozeß angefangen wegem Südeltrögli beim Brunnen, zu welchem die Andere kein Recht hätte, wie Eisi behauptete. Steffen hatte so satt abgewehrt, weil er das Geld nötiger hätte und diesen Handel z'prozedieren fast nichts abtrage; jetzt aber wusch eine Hand die andere, Eisi erklärte den Nachgang und Steffen willigte in den Prozeß.

Ein neues Unternehmen, eine Öle oder sonst ein Räderwerk, wurde nicht angefangen, bloß alte Löcher verstopft, und der Wagen, neu gesalbet, lief wieder, ohne zu gixen und zu gaxen, daß man stundenweit davon redete.

Einige Zeit darauf starb Steffens Vater, aber das Erbe fiel nicht aus, wie Steffen immer gerühmt hatte. Wenn einmal sein Alter die Nase untere hätte, dann bessere es ihm, dann wolle er es rutschen lassen, nicht fünfzehntausend Pfund nähmte er, wenn es ihm jemand schon gleich jetzt bar auf die Hand legen wollte. Es wäre Steffen wohl gekommen, wenn er den Handel für fünfzehntausend Pfund hätte abschließen können, denn sein Vater war nicht halb so reich, eine Menge Schulden, von denen man nichts gewußt, kamen zum Vorschein. Zudem war alles aufgeschrieben, was Steffen empfangen und längst vergessen hatte, und begreiflich wurde es ihm, wie er sich dagegen sträubte, unerbittlich angerechnet. Wie er später auch pülvern und aufbegehren mochte, wie er betrogen und angeführt worden, wie die, wo daheim gewesen, das Beste hinteregepackt hätten, wie er wenigstens ds Halb mehr hätte bekommen sollen, deswegen bekam er es doch nicht, und Steffen erfuhr es, wie es Fälle geben könne, wo man zehnmal besser daran ist, wenn man ein Erbe vorständs, als wenn man es wirklich verfallen hat.

Wer hat nicht schon gesehen, wie, wenn im Herbste spät ein Säemann Samen ausgestreut hatte auf seinen einsamen Acker, Krähen dahergeflogen kamen von allen Seiten, aus dem Boden zu wachsen schienen, schwarz der Acker ward, die Vögel den Acker vom Samen leerten, so daß am andern Tage kein Körnlein mehr da war, das hätte keimen und aufwachsen können.

Wer hat nicht schon erfahren, wie Gläubiger sich in Geduld fassen und sagen: «Jetzt ist nichts zu machen; wenn man ihn überstürzt, so kriegt man nichts, wartet man aber, so ist keine Gefahr, sein Vater lebt noch, oder seine Mutter, oder ein reicher Vetter; tun die einmal die Augen zu, dann kann er erben, und wer sich dann rührt zu rechter Zeit, dem kann es nicht fehlen, der wird bezahlt.» Und wenn dann endlich der ersehnte Tod kömmt, das Erbe fällt, wie es da die Gläubiger herbeischneit, wie sie geflogen kommen aus allen Enden der Welt wie auf den Acker die Krähen; und wie die Krähen nicht weichen, bis das letzte Körnlein verzehrt ist, so die Gläubiger nicht, bis der letzte Heller bezahlt ist.

So ging es jetzt Steffen auch. Er war wie ein Aas, um das die Geier sich streiten, und wer sein treuster Freund geschienen hatte, der wollte jetzt am uverschantesten sein Geld, und alle waren auf einmal so geldnötig, so ganz ernüchtert und auf dem Hund, daß man hätte glauben sollen, es stünde vor lauter schrecklichem Geldmangel ein allgemeiner Geltstag vor der Türe. Da Steffens Erbe nicht alsobald flüssig war, kein Gläubiger aber warten wollte, aus Furcht, er komme dann hintenab und kriege nichts, so kam Steffen in arge Nöten, und da unter seinen Halbschoppenfreunden keiner war, der kernhaft und gutmeinend genug war, ihm durch die Not zu helfen, im Gegenteil bei jedem der Grundsatz herrschte, es müsse jeder zu sich sehen, es sehe sonst niemand anders zu ihm, so kam er in Wuchererhände. Man hat heutzutage, in den sogenannten industriellen Zeiten, einen sehr schweren Stand, wenn man etwas gegen den Wucher sagen will; jedermann, heißt es, könne sein Geld rentieren machen, wie er könne und möge, solange er sich keines eigentlichen Betruges schuldig mache. Die Prozente, welche man ziehe in dieser oder jener Form, entweder als Zins oder daß man sie gleich aufs Kapital schlage, so daß, wo dreihundert Franken gegeben wurden, man vierhundert sich verschreiben lasse usw., stünden im Verhältnis mit der Gefahr, welcher man das Kapital aussetze. Das sei ein großer Unterschied, ob man auf solides Unterpfand leihe oder aber sein Geld in die Luft hinaus stelle. Wenn einer bei sicherem Kapital vier Prozent ziehe, so ziehe er mehr als der, welcher auf die Hoffnung leihe, zehn Prozent zu kriegen, aber ebenso leicht Kapital samt Zinsen verlieren könne; es müßte daher durchaus die Solidität des Kapitals mit dem Zinsfuße in Verbindung stehen.

Wir kennen zu wenig die richtigen Grundsätze der Staatswirtschaft, welche, beiläufig gesagt, uns noch so im Nebel scheinen, daß mit gleicher Bestimmtheit das Gegenteil behauptet wird, um zu beurteilen, ob dadurch das Staatswohl gefördert oder gefährdet werde, wenn gegen hohen Zinsfuß mit Leichtigkeit Geld zu erhalten, Unternehmungen zu beginnen sind. Bloß das scheint uns, daß im hohen Zinsfuße der Stein des Anstoßes für neue Unternehmen liege, daß der Geist des Schwindels von Staats wegen nicht zu nähren sei, daß mißglückte Unternehmungen den Staatskredit und den Privatkredit eines Landes nicht fördern. Der Gegenstand hat aber eine noch ganz andere Seite, nämlich eine christliche, und der Wucher eine ganz andere Ausdehnung, als gewöhnlich angenommen wird, eine so große, daß er wirklich nicht durch das Gesetz beschlagen, sondern bloß durch den christlichen Sinn gerichtet werden kann.

Wenn ein arm Kind des Abends mit drei Strangen Garn, welche die Mutter und das Kind selben Tags erjastet haben, ins Dorf geht, um sie zu verkaufen, weil sie Öl haben sollten und Milch und Brot, und der Händler gibt ihm bloß viereinhalb Batzen dafür, er weiß, sie müssen Geld haben und diesen Abend noch, und niemand in der Nähe kauft noch Garn, einem Reichen, der warten oder weiterkönnte, würde er sechs Batzen geben, so nenne ich dieses Wucher, welchen das Gesetz nicht beschlagen kann. Ich nenne diese Handlungsweise Wucher, denn Wucher ist, wenn einer aus seines Nächsten Not seinen Vorteil zieht. Ich nenne dieses einen himmelschreienden Wucher, denn er nährt sich von der Armen Schweiß, und wie heillos und verflucht, dem Reichen mehr geben als dem Armen! Dem Reichen sechs Kreuzer zulegen, dem Armen sie abziehen, während sechs Kreuzer dem Reichen nichts sind, während sie für den Armen einen zehnfach höheren Wert hätten als für den Reichen! Das ist aber noch nicht alles; der Arme muß auch teurer zahlen, wenn er etwas kauft, als der Reiche, und zwar bedeutend teurer, und wenn man sich darüber ärgert, wenn man findet, es sei ungerecht und es sollte umgekehrt sein, so heißt es, das komme daher, weil man die Sache nicht verstehe, den Armen müsse man so oft dings verkaufen, wisse nicht, ob man je was kriege, müsse ihnen in kleinen Quantitäten verkaufen, wo man so viel vermesse und verwäge. Ganz gut, aber wenn man einem Armen was abkauft, da vermißt man nichts, da verwiegt man nichts, da riskiert man nichts, da treibt man halt einfach Wucher und schindet den Armen, weil man ihn in seiner Gewalt hat, und das ist unchristlich. Dahin gehört auch aller Wucher mit Lebensmitteln, durch welchen wiederum niemand beschlagen wird als wiederum hauptsächlich der Arme, der in die schrecklichste Pein gerät, ds Halb mehr arbeiten zu sollen und ds Halb weniger und ds Halb schlechter zu essen zu kriegen.

Wenn es dem Reichern schon etwas gnüger geht, seine Bilanz nicht brillant aussieht, er leidet doch nicht Pein an seinem Leibe, er braucht seine Kinder nicht hungern zu lassen. Wir müssen sagen, wir kennen kaum eine schrecklichere Versündigung als diesen Wucher, und wenn in solchen Fällen der Arme zur Selbsthülfe greift, so halten wir seine Sünde nicht für so groß. Bloß wenn dieses Gefühl, der Drang zur Selbsthülfe, andauernd und bleibend zum Kommunismus wird, der nehmen will, wo er findet, dann halten wir es für eine Krebswunde an der Menschheit, für ein alles zersetzendes Element. Der Kommunismus aber so wenig als der Radikalismus können etwas anders als zerstören; ist der Bestand zerstört, dann schlagen sie um in Despotie und Habsucht; was Andern genommen ward angeblich für das Allgemeine, das will am Ende doch jeder ausschließlich für sich.

Wir geben gerne zu, daß im Wechselhandel das Diskontieren am Orte ist, ein Kaufmann einige Prozente einschlagen kann, um bar Geld zu kriegen, welches von Rechts wegen ihm sonst erst in einigen Monaten zukäme; allein so, wie es jetzt im gemeinen Leben getrieben wird, ist es wirklich eine heillose Betrügerei, obgleich eine Art von Freiwilligkeit obzuwalten scheint. Da werden arme Mannli gedrängt bis in die Not hinein, dann wird ihnen alles, was sie haben, Geld oder Schriften, verleidet, verunwertet, als nichts dargestellt, sie werden in Angst gewerchet und mit Wein getränkt, bis sie etwas Ungeschicktes gemacht haben. In Beziehung auf das Land tut das Gesetz Vorsorge, welches vorschreibt, daß kein Kauf gültig sei, ehe darüber gelobt worden. Sonst hatte man auch Beispiele, daß ein Bruder dem andern Brönz im Walde aufnötete, bis er ihm seinen Hof um einen Spottpreis abgekauft hatte. Das geschieht nicht mehr, aber mit Abtretung von Schriften, Holzkäufen usw. wird noch immer die gleiche Schurkerei getrieben, und was man da so einem armen Stöffel von Mannli alles zu sagen und in was für einen Katzenjammer man ihn zu arbeiten weiß, man stellt es sich nicht vor. Bei solchen Abtretungen handelt es sich nicht um einige Prozente, sondern um einen Drittel oder Viertel der Summe, um einige hundert Franken, da lohnt es sich der Mühe.

So ungefähr ging es auch unserm Steffen; sein Erbe war nicht bloß kleiner, als er geglaubt, sondern er erhielt nicht einmal, was ihm zufiel; er mußte einschlagen, mußte abtreten, und je mehr Rechtskundige er zu Freunden hatte, desto mehrere halfen einander, bis sie den Steffen da hatten, wo sie ihn haben wollten. Steffen klagte oft, wie er nicht geglaubt, daß Erben einen Menschen arm machen oder ihm wenigstens zum größten Schaden sein könnte.

Am übelsten ging das bei Eisi, es hatte geglaubt, einen reichen Mann zu haben, sehr oft gesagt: «Wart die Donners Täsche da äne ume, bis Steffes Alte dNase ungere het, de wey mr de deres zeige, key Vierteljahr solls gah, su grännet mih de die Donnstigs Krähye nimme a, wenn ih vors Hus usestoh, die mueß mr de da dänne.» Das konnte nun nicht geschehen, und darum mußte Steffen bei jedem Anlaß hören, wie wenig er geerbt und wie man angeführt werden könne beim Heiraten. Bis dahin war das so ziemlich einig gegangen, jedes hatte das Andere gewähren, das Ganze schlitten lassen, und wenn sie einander zuweilen auch rauh anfuhren, so war es doch nicht böse gemeint und griff nicht tief. Jetzt sahen sie, daß zur Sache gesehen werden müsse. Obgleich keins von ihnen dafür hielt, daß sie eigentlich bös ständen – sie schlugen alles, was sie hatten, sehr hoch an und hofften, die bessere Zeit stehe bereits vor der Türe –, so dachten sie doch, es sollte besser gehen, zum Gelde mehr gesehen, die Sache genauer genommen werden.

Steffen meinte, Eisi sollte etwas weniger hoffärtig sein, alle Augenblicke ein neu seiden Fürtuch wäre nicht nötig und allemal die Näherin und eine neue Kappe, wenn es zMärit wollte oder Gotte sein mußte, ebenfalls nicht. Auch die Kinder könnte man einfacher halten und etwas mehr zum Werchen, und allbeeinist weniger Leute am Taglohn, so meinte er. Potz Blitz, so meinte es aber Eisi nicht. Es brauche noch lange nicht, was es ihm ziehen möchte; von wem dSach herchömm und wer doch immer dabei sei von früh bis spät? Nicht einmal Zeit nehmte es sich für z'kindbette, und ehe die Sache halb vorbei sei, müsse es schon wieder füre un uf dBey. Was er denn mache? Nichts mache er, hell nichts, z'fule sei er z'metzge, und längs Stück müsse es den Leuten Fleisch geben; z'fule sei er, in Keller zu gehen, lieber vrspreng er ds Hus mit Brülle, bis er eins hätte, als daß er einem Menschen einen Schoppen hole, und wenn man ihn nicht allbeeinist mit einem Hälsig abeschleifte, su luegte er ds Jahr us und y nie mit em Wy, schüttete öppe zsäme, was zEssig grate well, oder miech sust neuis, kratzeti öppe dr Dreck us de Fässere, daß dr Wy, wo me drytüey, nit steich wien e Hung. U de mit em Bruche söll er ihm bim – nichts vorhalten. Er solle zusammenzählen, was er ds Jahr aus, ds Jahr ein vrfress u vrsuf u was die keibe Schießete bruche, u was de gang i dr obere Stube un ob er gwinn oder vrspiel, das merk es neue afe, bim Wetter. Wohl, so solle er ihm nicht kommen, sonst wolle es ihms zeigen, woher dSach chömm u wer ds Recht hätt, Meister z'sy, jawolle.

Wenn einmal solch Vorrechnen angehet, so hält es sich selten still, gutet selten wieder. Es ist traurig, wenn Leute, die im Glück sind, es haben könnten, wie sie wollten, stößig werden unter einander, das Unglück mit Gewalt und mutwillig über sich hereinziehen und nun, da Gott sie glücklich gemacht hatte, sich selbst expreß unglücklich machen, alle Tage unglücklicher, sich die schönen Gaben Gottes gegenseitig verbittern, die Tage sich vergiften, die Gott über sie aufgehen läßt. Aber doch noch trauriger und schlimmer in seinen Folgen ists, wenn Eheleute mit beginnendem Unglück auch den Streit beginnen.


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