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Zweites Kapitel

Der Leser vernimmt, wer begraben worden, und wie derselbe seinerzeit zu einer Frau gekommen

Der Wirt, der begraben worden war, war eines angesehenen Mannes Sohn, welcher bei der alten Regierung viel gegolten, daher mit manchem Pöstlein beehrt worden war. Diese Pöstlein hatten ihn jedoch nicht reich gemacht, wenn er gleich ein Schönes daraus zog. Er hatte viel Land und viele Kinder; der Pöstlein wegen mußte er viel von Hause weg sein, da weiß jeder, wie es geht, besonders wenn daheim keine Frau waltet, welche Hosen anhat und die Hand am Arm. Eine solche hatte er aber nicht. Wenn der Vater ein vornehmer Mann ist, so meinen die Kinder gerne, sie müßten dem Vater zLieb und zEhr großen Staat machen, und der Vater ist oft Gäuggels genug und meint, es sei so. Wenn dabei viel gebraucht und wenig gearbeitet wird, so denkt er, das mögs wohl erleiden; so ein paar hundert Franken jährlich vom Himmel obenaben, man wisse nicht wie, glichen alles wieder aus. An eins aber denkt er nicht, obgleich er eigentlich seiner vielen Ämter wegen mehr Verstand hätte haben sollen als gemeine Leute. Er dachte nicht daran, daß seine Kinder an viel Brauchen und wenig Werchen sich gewöhnten. Und wenn er auch Land und Heustöcke rechnen konnte wie Schnupf, mit und ohne Krümpe, mit und ohne Träm oder Fußwege, so konnte er doch den Unterschied nicht herausrechnen, welcher entsteht, wenn ein Kind wöchentlich zwei Fünfunddreißiger vertut und keinen verdient, oder wenn es wöchentlich zwei Fünfunddreißiger verdient und keinen vertut. Wer zum Rechnen nicht ganz dumm ist, der bringt mit Gottes Hülfe heraus, daß das einen Unterschied von zweihundert Fünfunddreißigern macht per Jahr; und wenn er recht anwendet, so bringt er vielleicht noch heraus, daß siebenhundert Franken den Zins eines Kapitals von siebenzehntausendfünfhundert Franken ausmachen. Eine schöne Summe, Viele werden sagen ein schön Vermögen. Also wer alle Wochen zwei Fünfunddreißiger vertut, muß den Zins von achttausendsiebenhundertfünfzig Franken haben, und wer alle Wochen zwei Fünfunddreißiger verdient, statt zwei zu vertun, trägt ein Vermögen in sich, welches ihm den Zins von achttausendsiebenhundertfünfzig Franken abträgt, während er zu gleicher Zeit den Zins von achttausendsiebenhundertfünfzig Franken erspart.

Nun hört man so oft: «Das ist ein reiches Meitschi, es hat so und so viel tausend Kronen und noch dazu Verfalles», oder: «Das ist es Arms, keinen Kreuzer hats.» Ganz gut, aber was braucht das Eine, was verdient das Andere? Das muß noch dazu gerechnet werden; erst dann kann man das Vergleichen anfangen, und wenn man eine Subtraktion ansetzen will, so frägt es sich, ob das Mädchen, welches keinen Kreuzer hat, nicht die reichere Frau wäre als das andere mit seinen paar tausend Krönchen. So manches Herrentöchterchen heißt reich, fünfzigtausend Franken habe es wie einen Batzen. Wenn es aber nun nichts kann als Kontos machen bei Schneiderinnen, Putzmacherinnen, Zuckerbäckläden usw., vom Kammermeitli sich muß anziehen lassen und von der Köchin betrügen, rechne man nur doch, wie reich ist die? Und dann erst so ein Bauerntöchterchen mit zwanzigtausend Pfund und meinethalben noch mit einem Halbdutzend zentnerigen Dackbetten, siebzehn Fassene, einem schönen Schaft, einer französischen Bettstatt und einem zwölfdublönige Schwarzkleb, das einem großen Haushalt vorstehen soll und kann nichts als Pantöffeli brodiere, «merci» sagen, ds Mul büschele und dLüt usgränne hinterm Rücken, gixt: «Herr Jeses, pfi tusig!», wenn es den kleinen Finger in eine Säumelchtere tunchen sollte, steyht am nüni uf, schlärplet um ds Hus u geyht am eilfi u seit: «Mädi, was hey mr hüt z'esse, mach is fry öppis Guets, öppe es Tätschli u viel Zucker dry u brav Zimmet druf,» u über Kopfweh schreyt u Zahngweh, wenn es einist Bohne rüste sött oder afüre, u nüt erlyde ma as uszryte un öppe Gotte z'sy oder z'tanze u das je länger je lieber, wo dKrone nit zählt, wenns um e Kittel geht oder um eine Kappe oder gar um Göllerketteli, aber dann anstatt Kabis Erdäpfelkraut einmachen will, das gang sust zschange, u einist heyg es neue ghört, das gäb ds best Surkrut. Was meint ihr wohl, wie reich ist ein solch Meitschi und was helfen die zwanzigtausend Pfund dem Bauer husen mit einer solchen Frau? Ja, wird man sagen, das sei eine dumme Rechnung, die Rechnung eines Zaunstecklers, der das Leben nur nach dem Ersparten setze und wo das Geld die Hauptsache sei. Heutzutage lebe man gottlob in andern Zeiten, in aufgeklärtern, und da sei die Bildung die Hauptsache. So ein gebildet Frauenzimmer, das sei das Wahre, das sei ein einzig Kleinod, ein Gut, von dem man nicht wisse, oh, oh, oh, oh, oh wie herrlich. Und wenn man dann erstaunt nach dieser Bildung frägt, wenn man frägt, in welchem Verhältnis das Meitschi zu seinen Eltern gestanden und anderen Menschen, wie es sich in Leiden und Verdrießlichkeiten schicken könne, in Entbehrungen usw., so zuckt man die Achsel und sieht einen verächtlich an und sagt, dMuetter sei eine ungebildete Frau, mit der sei nicht nachzukommen, mit gebildeten Leuten vertrage es sich trefflich, aber zuzumuten sei es so einer gebildeten Person gar nicht, daß sie sich nach rohem und gemeinem Pack richte, reizbare Nerven hätte sie und möge nicht viel ertragen. Das sei aber so bei gebildeten Leuten, die seien ganz anders gnatürt als so die gemeinen, wo seien wie Holzböck oder steinig Türlistöck. Wenn man dann noch einmal das Herz in beide Hände nimmt und frägt, worin denn eigentlich die Bildung bestehe, wenn sie nicht die Kraft sei, Leben und Menschen zu ertragen, weil man beide erkannt und seine eigene Bestimmung, so werden die Augen noch verächtlicher und spöttisch verzieht sich der Mund und man hört endlich: «Das begreifst du nicht, aber weil du es bist, so will ich es dir sagen, damit du doch einmal vernimmst, was Bildung ist:

«Sie hat verflucht gute Schulen genossen und alles Mögliche darin gelernt; es hat Tage gä, wo si füfzehner Gattig gha hey. Da lehrt me angers as da so i de ordinäri Schuele, wo me geng am Glyche lyret. Si hey vo dr Gschicht gha und vo dr Erdkugle, vo zvorderist bis hingerus, u wie mänger Gattig Affe es git, hets Punktum gwüßt, u wie si lebe u wie si tue. Si hey ds selbisch e grusam e gschichte Lehrer gha, er het ne alles u bsungerbar dAffe chönne so bigryflich mache, daß es eim düecht het, mi hey fry eine vor dr Nase. U du ists im Weltschlang gsi u het brav glehrt; gäb wie liecht es sih bsinne cha, su chas no alles säge, und wenns scho nit geng weltschet, su wird men ihms am manierlich Rede syr Lebtig amerke, a «merci» u «si vous plaît» und «pas du tout». Es tanzet höllisch guet und het Konversation; es ist einist auf dem Dampfschiff gfahre, und das erzählt es einem, so oft man will und recht kurzwylig; und arbeiten kanns auch und zwar schön, brodiere, Kindskäppeli mache, und lue, dä Geldseckel het es mr glismet; das ist öppis angers als so gradane e wullige Strumpf. Du glaubst nicht, was das für ein Unterschied ist zwischen einer gebildeten Person und einem groben Mensch, auf hundert Schritt sieht man ihn. Selb ist Bildung.»

's ist schön, diese Bildung, verflümeret schön. Wenn dann diese Gebildete zu einer Hausfrau gerät, so hats diese Bildung nicht selten wie schlechte Indienne, wo nach ein paar Wochen e Uflat wird, den man gar nicht mehr ansehen mag. 's ist aber kurios, nach dieser Bildung wird hauptsächlich beim weiblichen Geschlecht gebrüllt wie bei einer Feuersbrunst nach Wasser. Beim männlichen Geschlecht, versteht sich Ausnahmen abgerechnet, fordert man bloß, daß einer sich recht lustig machen, schwatzen und flattieren könne, und Einige sind, die sich am liebsten von Schnäuzen flattieren lassen. Die Sache, von der wir ausgegangen, bleibt die gleiche; der Unterschied vom Vertun und Verdienen wird nicht bemerkt. Wenn einer sich recht lustig machen und gut flattieren kann, ein Schübeli Geld hat, aber keines zu verdienen weiß, so meint so ein Meitschi, was es erobert, wenn es so ein lüftig Bürschli erzappelt hat, zieht ihn hundertmal einem fleißigen Gstabi vor, der gut arbeitet, aber schlecht tanzt, es ehrlich meint, aber nicht zu flattieren weiß.

Unseres Mannes Kinder waren teils gebildet, das heißt die Töchter, und waren lüftig und lustig, die Söhne nämlich. Unter ihnen machte sich besonders Stephan bemerkbar, ein gescheuter Bursche mit Kruselhaar und heitern Augen. Wo es lustig ging, war er der Erste und Letzte, ob er aber der Erste oder Letzte zum Mähen auf die Matte kam, dessen achtete sich der Vater nicht, und wenn er dem Vater von den andern Geschwistern verklagt wurde, er wolle nicht hacken, nicht helfen hier oder dort, so redete ihm die Mutter z'best.

Da man ihn zu Hause recht gut entbehren konnte, so wurde beschlossen, er solle das Metzgen lernen. Das ist auf dem Lande das adeliche Handwerk, wie in den Städten der Weinhandel der adeliche Handel war. Stephan ließ sich das recht gerne gefallen. Er lernte das Metzgen, so wie es ein junger Sohn lernt, der Geld im Sack hat und Muggen im Kopf. Daheim machte er, was er gerne wollte, und wenn er über Land mußte dem Veh nach, so kam er heim, wann es ihm gefiel. Daneben geriet er zum Scharfschütz, und wenn irgendwo ein Schießet war, so fehlte Stephan nicht, und wenn er in Garnison mußte, so kam seinen Vater allemal das Seufzen an.

Die Lehrzeit dauerte nicht lange. Metzgerknecht sein, sich binden wollte er begreiflich nicht, das wäre seinen Ehren ein Abbruch gewesen. Er ging also wieder heim, sollte im Sommer wieder werchen, im Winter dann auf gut Schick passen, ob irgend ein Vetter oder einer, der sich beim Vater in Gunst setzen wollte, sich seiner erbarme und ihn anstelle, um seine Sau oder zwei zu schlachten, oder ob irgend eine ihrer Kühe so gefällig sei, ein Kalb zu gebären, das man nicht abbrechen, nicht wohl verkaufen konnte, sondern es am besten war, dasselbe selbst zu schlachten und das Fleisch zu verhausieren. Das erleidete ihm aber auch; es trug wenig ein, und doch wurde er je länger je mehr darauf verwiesen, wenn er Geld wollte.

Da kam die neue Ordnung der Dinge, und bald darauf wurden die Konzessionen zu Wirtshäusern so häufig erteilt, daß allenthalben das Gelüsten entstund, zu wirten, um ring reich zu werden. Das kam unsern Stephan auch an, und sein Vater, der es so zu drehen gewußt hatte, daß er um seinen Kredit nicht gekommen war, hatte nichts darwider, sondern meinte, man müsse dGlegeheit profitiere und nusse, wenn Nuß syge. Zu einem Wirtshaus wolle er ihm schon helfen. Dazu aber, sagte er, gehöre eine Frau, welche Geld habe, viel könne er ihm nicht geben, öppe es kuraschierts Mönsch, das der Sach wisse vorzustehn und den Leuten anständig sei, nit öppe son es Tschaggeli, son es Kuderbützi, wo me nit wüß, was hinger oder vorfert syg.

Ein lüftiger Bursche wie Stephan hatte begreiflich schon manche Liebschaft gehabt, aber die einen waren erkaltet und aus andern hatte es sonst nichts gegeben, so daß er in diesem Augenblick wirklich nichts angesponnen hatte, also das Herz frei war und nirgends weder Schleiftrog noch Kette. Nun hätte man denken sollen, die Familie sei zu Rate gesessen, hätte eine Landkarte zur Hand genommen, worauf die Wirtshäuser verzeichnet gewesen, und nun nachgedacht und nachgefragt, wo ledige Töchter seien, die dSach verstünden und Geld hätten. Aber daran dachte man nicht von ferne. Im Kanton Bern herrscht der Glaube, und selbst auf der Hochschule (damals florierte sie jedoch nicht wie jetzt) wird ihm nicht widersprochen, daß man eigentlich dSach nicht zu lernen brauche, sondern wer Couraschi hätte, sie auch könnte, zwar nicht aus Gottes Gnaden, sondern von Rechts wegen; denn die Aristokratie des Wissens soll ja abgeschafft sein im Kanton Bern, wie ein verdächtig gewordener Schulmeister gesagt hat. Das ist übrigens ein Glaube, welcher alt ist im Kanton Bern, welcher mit der Verfassung nicht bloß nicht abgeschafft, sondern, wie es scheint, noch dupliert worden ist, so daß jeder Gugag meint, er sei gut genug in jedem Rat. Es wäre wohl gut, es stünde mit dem rechten Glauben im Kanton Bern so gut als mit diesem Glauben.

In diesem Glauben war unsere Familie auch recht stark. Sie dachte nicht daran, daß man das Wirten und alles damit Verbundene lernen müsse; sie meinte, das verstehe sich von selbst. Wer wirte, der nehme das Geld. Die Gäste sehen begreiflich nur, was der Wirt einnimmt. Wenn er was ausgibt, so sieht es nicht der Hundertste. Und was man nicht wisse, das könne man fragen oder es sei bald gelernt, es wisse öppe ein jedere Löhl, wie es in einem Wirtshaus gehe und was für Ürtene man machen müsse. So hätte die Familie geantwortet, wenn man ihr von so etwas gesprochen oder eine Wirtstochter oder gar ein Stubenmeitschi in Vorschlag gebracht hätte als Frau für Steffen. Ja sie hätte sich ordentlich erschüttet ob diesem Vorschlag, sie hätte geglaubt, man meine, es sei im Schoße ihrer Familie nicht Verstand genug zu jeder Sache, sie mangle noch was anderes als Geld. Es saß also die Familie nicht an der Landkarte und studierte die Wirtstöchter. Aber die Mutter war eine gute Frau, hatte also viele Weiber, welche bei ihr aus- und eingingen, so gleichsam ihre Adjutanten, welche für sie in der Welt agierten und ihr Kundschaft brachten aus der Welt Getümmel. Diesen vertraute sie ihr Vorhaben und wie es ihnen anständig wäre, wenn sie für den Steffen ein aufgeheitertes Mädchen wüßten mit einem schönen Schübeli Geld.

Für solche Freundinnen ist ein solcher Auftrag fast, was himmlisches Manna, wenigstens eine der größten irdischen Wonnen. Wie die davonstoben, dann wieder daherstoben, zu brichten hatten und die Hände verwarfen und nötlich taten! Wenn man sie hörte, so hätte man glauben sollen, es hätte über Nacht reiche, aufgeheiterte Mädchen geschneit ganz Hüfe. Steffen hätte Tag und Nacht auf den Beinen sein müssen, wenn er alle Mädchen hätte gschauen wollen, welche ihm angegeben wurden als wie gemacht für ihn. Wenn er auch nur dem zehnten nachlief, so magerte er doch sichtbarlich ab und klagte der Mutter, das Ding erleide ihm afe und entweder nehme er jetzt das erst Best, oder er schlage ds Wirte aus dem Sinn. Die besten der Mädchen hatten schon einen Liebern und wollten nichts von ihm, einige, die Geld hatten, hatten dazu Gesichter wie ungewaschene Pfanne, andere, die für eine Wirtin nicht unzweckmäßige Gesichter hatten, besaßen eigentlich kein Vermögen, hatten bloß starke Hoffnung auf ein großes Erbe. Zum Beispiel ihrer Großmutter Halbschwester Tochter hätte bloß ein Kind und zwar gar es leids, das ds Manne kum erlebe werd, und wenn das sterbe und der Großmutter Halbschwester ihren Mann überlebe, so lasse die eine Verordnung machen, und dann könne sie den bessern Teil nehmen. Gesagt hätte sie es zwar nicht, aber merken hätte man es schon manchmal können.

Eben als Steffen am Abstehen oder Ertauben war, eins von beiden, vernahm man es Tüfels es ufgheiterts Meitschi mit einem schönen Schübeli Geld, wos nüt bruch as es z'näh, wo me ke Stung druf warte müeß, we me einist kupeliert syg. Und dazu sei die Familie bsunderbar huslig und zum Werche abgrichtet wie keine so. Das schlach vom Morgen bis am Abe dry, daß es eim fry übel grus. Grad so eine, dachte alsobald die ganze Familie, mangle Steffen; was er nicht möge, mache die, und es werde ihr wohl kommen, wenn sie recht viel möge, von wegen, er werde an sie lassen je mehr dest lieber. Eisi hieß sie und ihr Vater war ein großer Bauer gewesen u hungsgytig, ihre Mutter eine Werchadere wie keine. Keine ihrer Töchter machte ihr das geringste Ding recht, darum machte sie am liebsten alles alleine, und ihre Töchter waren am besten hinter Mutters Rücken oder wenigstens zehn Schritt vom Leibe. Geld für Kleider gab der Vater so wenig als möglich und für Lustbarkeiten gar nichts, wollten sie was Besseres oder was Lustiges, so mußten sie es erlistelen oder erstehlen; sie übten sich in beidem, so gut sie konnten. Werchen mußten sie wie dRoß. Dusse werche, gradane dryschla konnten sie, daß es einem fry drab grusete. Aber daheim war keine dressiert; sie konnten kaum den Schweinen kochen, geschweige den Menschen. Nähen konnten sie so viel, für im Notfall die Fetzen am Fürfuß vernähen zu können, wenn sie ihnen über die Schuhe hinaushangen wollten. In einem halben Tag brachten sie so einen Fürfuß zur Ordnung im Schweiße ihres Angesichtes, den andern Tag ruhten sie von ihrer Arbeit, und am dritten Tage nahmen sie erst den zweiten Fürfuß übers Knie mit Angst und Seufzen. Von Lismen war keine Rede, ward dasselbe dringlich, so nahm man ein Solothurner Mönschli auf die Stör oder gar zwei. Die Leute waren bsunderbar berühmt von wegen der Hauslichkeit und von wegen der Brävi, und was die Leute nicht sahen, das wußte die Mutter ihnen aufs Brot zu streichen, damit sie es auf die Dromme brächten.

Kurz nach einander starben die Eltern am Nervenfieber, und wirklich war da Geld unter die Kinder gekommen. Die Töchter hatten ein artig Schübeli abgekriegt. Da fand Steffen, was er wollte, und zudem sehr freundliche Aufnahme; er war in Verlegenheit, wie wehren, es hätten ihn alle drei Schwestern gerne gehabt und er konnte doch nur eine nehmen. Wir wollen ihnen nicht nachreden, daß sie lieber als andere Meitscheni Männer gehabt hätten. Aber so z'leerem, für nichts und wieder nichts, arbeiten viele Schwestern nicht gerne bei den Brüdern, haben bös, müssen Jungfrauen vorstellen und am Ende in der Vogtsrechnung noch sehen, daß sie nicht einmal das Essen verdient, sondern noch ein ordentlich Tischgeld schuldig geworden. Darum stellen sie lieber was für sich selbsten an, wo sie, wenn es gewerchet sein muß, doch wissen, für wen sie werchen. Steffen entschied sich bald. Er wollte Eisi, die Lüftigst und Lustigst von allen, die läuferlen konnte, daß einem düechte, sie rühre den Boden nicht an, und ein Mundstück hatte wie ein Schlängli. Die andern Schwestern ließen, als sie das merkten, anfänglich den Trümel hängen, indessen trösteten sie sich bald, weil jede einen Tröster fand. Es gab Hochzeit über Hochzeit und Glück über Glück, und alle meinten, ihnen sei das leibhaftige Glück zugefallen. Aber die Töchter fielen ganz anders aus, als man erwartet hatte. Bei ihnen erfuhr man, was Huslichkeit und Arbeitsamkeit in einem Hause helfen, wenn der rechte Boden fehlt. Wo der rechte Boden fehlt, da artet das Schönste aus und Tugenden verwandeln in Laster sich.

Eisis Eltern, ds Bure ufem Gugger, waren sogenannte ehrbare Raggerleute, sie galten für brav, aber daß sie es in Mein und Dein besonders exakt nahmen, selb war nicht; sie hatten nicht großen Verkehr mit der Welt, weil sie immer von der Welt fürchteten betrogen zu werden; aber wenn sie eine Sau oder ein Kalb bei der Gewicht verkauften, so sparten sie das Füttern und Stopfen nicht, es bringe immer sövli, meinten sie, und der Metzger hätte allweg ds Bessere.

Sie lebten karg in Kleidern und Essen, besonders soweit der Vater es zwingen konnte, und wenn die Kinder an eine Lustbarkeit wollten, so setzte es allemal Händel ab. Aller sogenannten Freude war der Vater feind und hielt die Kinder davon ab. Aber der Kinder Sinn so zu lenken, daß sie an etwas anderm Freude kriegten, das tat er nicht. Der Kinder Auge nach etwas Höherm zu lenken, das ihnen ein Genügen geben konnte, tat er ebenfalls nicht; der Kinder Herz durch Liebe und Gemütlichkeit so zu fesseln, daß sein Sinn ihr Sinn wurde, sie mit Freuden ihm zur Hand sprangen, das tat er wiederum nicht. Er haßte alles Lesen, es trage nichts ab, sagte er. Er brummte oft über das Kirchengehen, besonders bei schlechtem Wetter; man mach dSchueh dure u heyg nüt drvo, man sei ja unterwiesen worden und sött öppe wüsse, was me z'tue und z'glaube heyg, meinte er. Auch führte er keine geistlichen Gespräche mit seinen Kindern, außer wenn ein Nachbar, den er haßte, ins Unglück kam. Dann sagte er: Es sei notti gut, daß zuweilen so einem etwas auf die Nase werde, sonst würd zletzt niemand mehr glauben, daß ein Gott im Himmel sei. Freundliche Worte gab er das Jahr durch wenige. Sauersehn war seine Freundlichkeit. Klagte jemand über etwas, so sagte er: «He, es ist sih doch dr wert, so z'gruchse; wed schwygst, su wirds scho bessere.» Wenn das Gruchsen sich so steigerte, daß der Fehlbare nicht mehr arbeitete und nebetzi lag, so sagte er, das sei nur Fantast und Fulket. Die Mutter war darin gleich, daß sie ebenfalls nichts Besseres pflanzte in die Kinder, daß das Raggern auch ihre Gewohnheit war, daß sie also ziemlich einträchtig mit ihrem Manne einem Ziele zulief. Aber sehr getäuscht würde man sich haben, wenn man geglaubt hätte, sie hätte ihren Mann geliebt. Sie liebten beide bloß den Mammon, keine lebendige Seele, die Frau höchstens ihre Mastschweine von Martistag bis Ostern, wenn sie recht gut taten. Aber eben weil sie sich nicht liebten, kam zuweilen der Frau der Widerspruchsgeist an, dr Alt müeß doch de nit meine, daß er alles zwängen wolle. Dann half sie den Töchtern hinter dem Rücken des Mannes zu allerlei, zu Kleidern und Schleckereien. Wenn er den Rücken kehrte, so wurde geiertätschelt oder geküchelt oder ein Abendsitz angestellt oder sie rissen sonst aus, und wenn dann der Alte das Korn nachgemessen hätte oder das Gespinst nachgewogen oder die Eier gezählt, so hätte er zuweilen was merken können. Indessen geschah das selten genug. Durst und Drang nach der Welt und ihren Genüssen ward nicht gestillt, nicht ausgetrieben, nur aufgestaucht. Da saßen sie auf ihrem Gugger oben und mußten immer denken: O hätt ich doch, o könnt ich doch! Wenn Markt, Musterung, Tanzsonntage waren und alles zottelte, sie aber bleiben mußten, so wollte das sie fast versprengen, und was es für einen Unwillen gab, kann man sich denken.

So schienen sie wohl eingezogen, konnten mit Recht dafür gelten, aber die Eingezogenheit war nicht ihr Sinn, war Zwang, inwendig sah es ganz anders aus. Sie glichen Äpfeln, gesund und ganz von Ansehn, die unter der Rinde aber ganz anders sich zeigen. So waren aber nicht bloß sie, so würden auch noch viele Andere erfunden werden und sind bereits erfunden worden, wenn es zum Fecken kam. Ähnlich verhielt es sich mit ihrer Arbeitsamkeit, die hatte auch nicht ihre Wurzel inwendig in dem Sinne, der Freude hat an treuem Benutzen seiner Gaben, am treuen Beschicken seines Tagewerks, in der Liebe, welche Freude machen will dem irdischen Vater und das Wohlgefallen des himmlischen sucht, sondern sie wurde getrieben und erzeugt durch einen äußern Zwang; hörte der Zwang auf, sank die Arbeitsamkeit auch in sich selbst zusammen. Zudem war dieses Arbeiten eigentlich nicht weit her, sondern eigentlich bloß so ein allgemeines Dreinschlagen. Vom Hauswesen verstunden sie hell nichts, achteten sich aller Welt nichts, hatten nur immer zu sinnen und zu denken, wie es doch lustig wäre, wenn sie machen könnten, was ihnen wohl gefiele, und wie es doch verflucht sei, daß sie machen müßten, was sie nicht gerne mochten. Sie waren weder im Stall noch in der Küche daheim, und was das Spinnen anbelangt, so fluchte der Weber immer grenzenlos, wenn er dem Garn vom Gugger nicht entrinnen konnte.

So war die Arbeitsamkeit und Eingezogenheit der gepriesenen Töchter beschaffen, und wie viel sie wert waren und wie häblig, erfuhr auch bald die Welt. Das hätte man doch afe nicht gedacht, hieß es dann, wie doch die Menschen sich ändern könnten u drzue no so kurzum! Bäbi, die Älteste, ward alsbald liederlich, begann zu essen und zu trinken, was das Herz gelüstete, so gut und so viel, als es zwegbringen mochte, dem Mann dagegen gönnte es nichts, am liebsten hätte es ihm nur Erdäpfelschindti gegeben oder Treber, wenn es welche gehabt hätte. Es ging nicht viele Jahre, so starb der Mann an der Auszehrung, Bäbi aber an der Wassersucht. Mädi, die zweite Tochter, ward eine grenzenlose Schlampe und Dampe, schwatzen war seine Seligkeit, und bal laufe, bal höckle kam ihm grad nache; die Kinder ließ es verhudelt laufen, manchmal hatte es längst Mittag geläutet und Mädi hatte noch kein Feuer angemacht, keine Erdäpfel gewaschen. Einmal hätte es bald das Haus verbrannt. Es hatte Anken ob dem Feuer zum Auslassen, eine Nachbarin ging vorüber, Mädi schoß hinaus. «Du, du, los doch neuis!» rief es, und wenn es einmal diesen Haken eingehängt hatte, so kriegte es ihn nicht wieder los; so dampete es, bis der Anken im Feuer war; da wohl hatte das Dampen ein Ende, und wenn die Nachbarin nicht gewesen wäre, Mädi hätte sich nicht zu helfen gewußt. Kommod kam es ihm, daß die Schweine nicht reden konnten; wohl, die hätten ihm Sachen ausgebracht, daß Gott erbarm! Wie es Eisi erging, dem aufgeheiterten, welches den lüftigen Steffen kriegte, das wollen wir nun auch sehen.


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