Johann Wolfgang von Goethe
Briefwechsel mit seiner Frau. Band 2
Johann Wolfgang von Goethe

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1812

522. Goethe

Da ich durch Frau von Schiller Gelegenheit habe, so will ich Dir, mein liebes Kind, Nachricht von mir geben und Dir anzeigen, daß ich meinen Vorsatz, sogleich von hier wegzugehen, geändert habe. Das Wetter will sich nicht herstellen, die Wege sind abscheulich; doch würde mich das nicht abhalten, wenn nicht noch ein anderer Umstand dazu käme.

Der Kaiser von Frankreich, der über Bayreuth und Hof geht, ist noch nicht durch, ja, es ist noch ungewiß, wenn er kommt, und da wäre es sehr unangenehm, der großen Masse zu begegnen, die vor ihm her, hinter ihm drein und ihm zur Seite geht. Ich will mich also noch etwa acht Tage länger aufhalten, und das um so lieber, als ich glaube, hier etwas thun zu können. Du erfährst nächstens das Weitere, und ich schicke auf alle Fälle den Wagen, um euch noch einmal zu sehen. August verzieht auch noch so lange.

Hier schicke ich: Reseda-Same in Menge,

Stiefmütterchensamen sehr wenig, weil er selten ist. Laßt also den Raum unter dem Steine gegen der Gartenthür über graben, von Unkraut reinigen und recht sauber zurechte machen, und besäet ihn weitläuftig mit dem Wenigen; kann ich mehr schicken, so könnt ihr immer noch einmal aufsäen. Finde ich keinen weiter, so hat es auch nichts zu sagen, denn im Herbste säet er sich selbst aus, und übers Jahr ist der ganze Raum dicht voll.

Beikommende Paquete sende an die Herrn Meyer und Kruse. Gegen das beiliegende Blättchen erhältst Du die 200 Thaler von dem letzteren, hebe sie auf, bringe sie mit. Indessen lebet recht wohl!

Jena, den 23. April 1812

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523. Goethe

Ausführliche Relation
der Reise von Jena nach Karlsbad.

Donnerstag, den 30. April.

Früh halb 6 Uhr von Jena, beim schönsten Wetter; die Nebel sanken und stiegen, der Himmel überzog sich nach und nach, im Orlathale war es drückend heiß. Um ein Uhr langten wir in PodelwitzPudelwitz an, es donnerte von fern. Gegen 2 Uhr begann ein sehr starker, allgemeiner Landregen, der ¾ Stunden lang dauerte; hernach regnete es ab. Um 4 Uhr aufgebrochen, der Himmel war noch ganz bedeckt; das Wetter schien sich wieder zu setzen. Der Regen hatte sich bis Schleiz erstreckt, wo wir ein Viertel auf 9 Uhr ankamen.

 

Freitag, den 1. Mai.

Früh halb 8 Uhr von Schleiz ab. Sehr schöner Morgen. Gegen 11 Uhr nach Gfäll. Nach halb 12 Uhr wieder von da weg. Gewitterregen, doch ohne Donner. Artiger Mauthinspector zu Töpen. – Um 2 Uhr in Hof angelangt und im ›Hirsche‹ eingekehrt. – Promenade auf die Höhe über Hof, wo wir die Stadt übersahen, die sich zertheilenden Gewitterwolken betrachteten, mit einem säenden Mädchen uns unterhielten und um 6 Uhr in den Gasthof zurückkehrten. Das Wetter klärte sich vor Sonnenuntergang völlig auf, so, daß der Himmel fast ganz rein ward. – Hübsche Lage des Gasthofs zum ›Hirsch‹ auf der Höhe vor dem Oberthor, große Lebendigkeit, hübsche Mädchen, muntere Kinder, viel Beweglichkeit, italienische Truppen, bei der günstigen Witterung alles mit ackern und säen auf den umliegenden Feldern beschäftigt. Die Truppen hatten Dunkelbraun und Gelb. – Der vielen Fuhren nicht zu vergessen, die uns, schwer beladen, theils entgegenkamen, theils in Hof an uns vorbei fuhren. Unzählige Kinderkütschchen. – Durchaus Wohlhäbigkeit.

 

Sonnabend, den 2. Mai.

Halb 5 Uhr aufgestanden; Nebel über der ganzen Gegend, doch helle im Zenith, man sah den Mond. Die schon längst aufgegangene Sonne erschien endlich, als Mond, ohne Strahlen; der Rauch der Össen stieg gerade in die Höhe, die Nebel sanken immer mehr. 150 Wagen, jeder mit 2 Ochsen bespannt, zogen vorbei; die Wagen, wie man sie in Italien sieht, die Räder und Gestelle schwer und alterthümlich; oben waren Bretterkasten, groß, aber flach aufgesetzt; die Ochsen graulich, falb, gesprengelt; mehrere wurden lahm nebenher geführt, und ihr Mangel, an den letzten Wagen, durch Vorspanne ersetzt. Es waren auch Feldschmieden dabei; das Ganze wurde von den braunen Soldaten escortirt. – Dreiviertel auf 6 Uhr abgefahren; nach und nach reinigte sich der Himmel ganz, die sämmtlichen, leicht zu übersehenden Bergäcker waren mit eifrig Pflügenden und Säenden belebt; der helle Sonnenschein gar erfreulich; der Weg von sehr verschiedener Art, aber nicht schlimmer, als er bei trockener Jahreszeit sein würde.

Zu Neuhaus gefüttert; einiges gezeichnet. Die Straße war frequenter an Wanderern, als sie sonst zu sein pflegt; die Vögel sangen in den Fichtenwäldern, und alles war gutes Muths. Der Anblick ins Eger-Thal war herrlich, die ganze Gegend, bis auf die entferntesten Gebirge, nach Karlsbad zu, konnte man deutlich sehen; so war auch, bei reinem Himmel, alles Übrige klar. In Franzensbrunn, wo wir halb 6 Uhr anlangten, fanden wir die Kastanienknospen aufgebrochen, ingleichen die Lärchenbäume, und mußten die Einsicht und die Sorgfalt loben, mit der man einen Canal, von der Brücke an, diagonal durchs Ried gezogen und dadurch dem Wasser einen sehr schnellen Ablauf verschafft hat; man sieht dessen nur sehr wenig noch auf dieser großen Fläche. Das Dampfbad ist auch mit einem Häuschen überbaut, und, gleich neben dem Badebrunnen, noch eine stärkere Quelle weiter gefaßt, die höher gespannt ist, durch eine Röhre abläuft, so daß man die Gefäße bequemer füllen kann. An den Wegen von Hof bis hierher ist wenig oder nichts gebessert, einige haben sich sehr verschlimmert, wie der von Neuhaus auf Asch. Dieser Ort ist noch der abscheulichste in der ganzen Christenheit. Auf der Seite von Franzensbrunn nach dem Lande zu macht man große Anstalten zum bauen; wahrscheinlich haben die ungeheueren Miethen, vom vorigen Jahr, den Egeranern Lust gemacht. – Die Luft ist vollkommen rein und klar und mild.

Sonntag, den 3. Mai.

Gleichfalls der klarste und schönste Tag, wir fuhren um 6 Uhr weg, hielten einen Augenblick in Mariakulm an, fuhren vergnügt weiter fort, wozu einige Späße des Kutschers nicht wenig beitrugen. Um 2 Uhr waren wir in Karlsbad; unsere Frau Wirthin, die nach Dallwitz gehen wollte, begegnete uns unfern der Egerbrücke; in dem engen Thale von Karlsbad war es wirklich heiß, und nun, da wir in der oberen Etage wohnen, glüht uns das Schindeldach der ›Drei Lerchen‹ wirklich an, wenn wir zum Fenster hinaussehen. Es wäre ein völliger Juli, wenn die dürren Bäume uns nicht erinnerten, wie früh es noch ist. Nun lebet wohl, in acht Tagen schreiben wir ein Mehreres. Karlsbad, den 3. Mai 1812.

G.

 

524. Goethe

Das Wetter ist fürtrefflich und für uns, wie für den Feldbau wünschenswerth. Die Castanien auf der Wiese geben schon Schatten, die Blüthen brechen hervor, und in kurzer Zeit wird kein dürrer Zweig mehr zu sehen sein. Mein Befinden ist gut, und die Arbeiten gehen von Statten.

Deßhalb lassen wir uns nicht anfechten, wenn uns die ökonomische Seite unseres Aufenthalts etwas Bedenken macht. Das Silber ist seit einigen Tagen sehr gefallen; wir haben es nur noch zur Noth mit 100 gegen 1000 alte Banknoten, d. h. Einlösungsscheine 200, verwechseln können. Da nun die Leute nach den letzten rechnen und von den vorjährigen Preisen wenig heruntergehetVon Goethe geändert aus heruntergehen, so sehet ihr die ungeheuere Differenz.

Wir suchen sie durch Ökonomie auszugleichen. Ich wohne im dritten Stock und spare also die Hälfte der Miethe. Durch die Gefälligkeit des Postmeisters, den ich mit der neuen Zuckerfabrication bekannt machte, haben wir noch kurz vor Thorschluß 80Von Goethe geändert aus 8 Bouteillen OfnerVon Goethe über der Zeile nachgetragen (leider klein Gemäß) um billigen Preis bezogen und sind also wegen dieses Hauptpunctes sicher. Andere Menagen sind auch beliebt, und so stehen wir, sowohl in der Hauptsache, als in der Casse, sehr gut.

Wollt ihr nun auch dieses Jahr der Gesundheit wegen hier sein und dabei noch manches unschätzbare Vergnügen der Gegend genießen, auf allen Saus und Braus des vorigen Jahres aber Verzicht thun, so seid ihr den 21. Juni willkommen und werdet in fünf Wochen das Hauptgeschäft abthun und Ende Juli erquickt und froh nach Hause zurückkehren.

Zu einer solchen veränderten Lebensart wird der heurige Zustand von Karlsbad das Seinige genugsam beitragen. Nicht allein sind wenig Quartiere bestellt, sondern mehrere und bedeutende Personen haben wieder abgeschrieben, woraus erhellet, daß an eine brillante Gesellschaft nicht zu denken ist. Demohngeachtet werden sich im Juli wahrscheinlich so viele Personen einfinden, als nöthig sind, um hier eines angenehmen Umgangs zu pflegen. Vor allem aber rathe ich Dir, Deinen Weinbedarf mitzubringen, weil dieser Artikel dieses Jahr, wegen des zu unserem Nachtheil schwankenden Curses, unerträglich theuer werden müßte. Ein sehr mäßiger Melniker kostet jetzt schon die Flasche 13 Groschen 6 ₰ Sächsisch. Einen starken und edlen Wein zu schaffen, würde, nach diesem Maaßstabe, theuer genug zu stehen kommen.

Ich habe einen Brief von Herrn Hofkammerrath erhalten, auf den eine offene Antwort beiliegt. August wird sehen, ob er das Manuscript findet. Laß allenfalls Pollak rufen, der es kennt und vielleicht ausspürt. Ich höre mit Vergnügen, daß die ›Sühne‹ gute Wirkung gethan hat. Der Brief des Herrn Hofkammerraths ist acht Tage gegangen. Wenn auch dieser hinauswärts etwas geschwinder geht, so hoffe ich doch kaum, vor Trinitatis etwas von euch zu hören. Sage mir Deine Gedanken, und ich will alsdann den letzten Entschluß melden, wie es werden kann und soll; denn bei diesem Postgange ist des Hin- und Herschreibens nicht viel zu unternehmen. Was ich wünsche, daß ihr mitbringt, schreibe ich alsdann. Vergiß aber ja ein Fläschchen Kartoffelsyrup und Kartoffelzucker nicht; man ist hier sehr neugierig darauf.

Von Wehediz ist auch nicht viel Erfreuliches zu erzählen; wir waren draußen und haben das hübsche Kind nicht einmal gesehen. Die Übrigen erheiterten kaum ihre Gesichter, als sie mich wiedersahen und nach Dir fragten: so sind die Menschen alle durch Erhöhung des Curses gedruckt, wodurch ihnen alles noch theurer vorkommen muß als uns, die wir denn doch unsere hiesigen Ausgaben mit den thüringischen vergleichen können. Alles Fuhrwesen stockt mit dem Handel, an wohlfeilen Weineinkauf ist nicht zu denken, und deßwegen der so oft besuchte Keller völlig leer. Und so ist auch das Wehedizer Paradies verschwunden, und man muß sich nach etwas Anderem umsehen.

Kutsch und Pferde werden freilich die ganze Sache weit lustiger machen, und die guten Thiere sollen den theueren Hafer schon wieder abverdienen. Jetzt machen wir weite Fußpromenaden von mehreren Stunden, kommen sehr müde nach Hause, befinden uns aber sehr wohl dabei, welches wir euch auch wünschen und uns baldige, hübsch umständliche Antwort erbitten.

Ich hoffe, daß der Brief durch den Kutscher, wie die Kiste Egerwasser glücklich angelangt ist.

                              Herzlich grüßend

Karlsbad, den 13. Mai 1812.

G.

 

525. Goethe

Heute, Freitag, den 22., erhalten wir euer freundliches Schreiben vom 15., welches sich auf die erste Sendung durch den Kutscher bezieht; indessen werdet ihr erhalten haben einen eigenhändigen Brief vom 10. und einen anderen, umständlicheren, vom 13.

Da nun hieraus zu ersehen ist, daß die Briefe hin und her jedesmal ohngefähr acht Tage laufen, so muß man im Wechsel schreiben, wenn man einigermaßen in Verbindung bleiben will.

Vor allen Dingen wollen wir also die näheren Umstände unseres hiesigen Aufenthalts vermelden. Seit unserem letzten haben sich die Aspecten eher verbessert, als verschlimmert, und wir haben uns durch eine gute Ökonomie mit dem vorigen Jahre ins Gleiche zu setzen gesucht.

Der Werth des Silbers ist wieder gestiegen, es steht ohngefähr auf 220. Ich habe mich mit Prag in Connexion gesetzt, um nicht immer in den Händen der hiesigen Juden zu sein.

Nach dem Gelde ist wohl der Wein am ersten werth, daß man sein gedenke. Wir haben unseren Bedarf bis Ende Juni im Keller; alles aber wohl überlegt, mußt Du Dir nothwendig, was Du zu brauchen glaubst, mitbringen.

Das fruchtbare, den Wiesen und dem Sommergetraide ersprießliche Wetter erniedrigt vielleicht auch den Preis der Fourage, und das Essen ist auf alle Fälle besser und wohlfeiler, als bei Herrn Steiner in Jena.

Die Wehedizer, durch unsere Ankunft erfreut, bringen schon wieder die köstlichste Butter. Wenn August einmal seine Schenkhosen anziehen sollte, so siehe, daß Du einen Goldpfennig für Rösen erwischest. Sie haben uns für den Juli nicht ganz ohne Hoffnung von lustigem Wein gelassen; vor einem Jahre, sagen sie, hätten sie hundert Eimer verschenkt, doch nicht mit dem größten Vortheil. Die Herren Fremden wären artig gewesen und hätten bezahlt, die aus dem Lande hätten sich betrunken, tumultuirt und wären schuldig geblieben.

Seit einigen Tagen haben wir abwechselnd Gewitter und Regen, welches uns aber in unserem schönen, hohen Zimmerchen nicht rührt. Ich finde immer so viel Zeit, um mir im Trocknen eine artige Skizze zu holen, die ich nachher zu Hause ausführe.

Der Sprudel rast gewaltiger als jemals. Am Neubrunn ist der Aufenthalt ganz abscheulich, weil gebaut wird. Wenns regnet, weiß man nicht, wohin zu treten, geschweige wohin zu gehen.

Kein Blatt von der Liste ist noch nicht ausgegeben, indessen kommt doch täglich etwa eine Partie. Herr von Rönne ist der einzige ältere Bekannte. Zu Deiner größten Zufriedenheit aber kann ich Dir melden, daß Frau von Recke bald hier eintreffen wird. Sie ist schon in Töplitz und hat mich durch Doctor Mitterbacher grüßen lassen. Ich werde durch ein freundliches Betragen euch einen freundlichen Empfang vorbereiten.

Dem Herrn Hofrath Meyer vermelde meinen schönsten Gruß und sage ihm, er möchte sich nicht abwendig machen lassen, nach Karlsbad zu kommen; wer ordentlich leben wolle, lebe hier noch immer wohlfeil genug.

Sodann wünschte ich denn doch auch zu hören, wie es mit Professor Riemer geht, ob er sich bei euch sehen läßt, und, wenn nicht, ob ihr sonst etwas von ihm vernehmt. Es ist mir gar zu viel daran gelegen, zu wissen, wie er sich in seinem neuen Zustande befindet.

Grüßt mir alle Freunde, besonders die, die euch freundlich besuchen. Ich hoffe, daß ihr mir eine Radirung von Wolf mitbringen werdet.

Für die Theaternachrichten danke ich; es ist recht gut, daß Du Dich der Lefevre annimmst. Siehe zu, daß Du sie für den Sommer gut unterbringst.

Noch ist zu vermelden, daß euere vorjährige Gönner und Freunde, der Graf Zichy in den ›Drei Lerchen‹, Herr Kreishauptmann von Nitzschwitz aus Leipzig in der ›Harfe‹ angekommen, und daß also immer mehr Gäste zu hoffen sind.

Wollt ihr mir von Zeit zu Zeit schreiben, wie es euch geht, so ist es wohlgethan; ich werde noch manches von mir hören lassen und meinen letzten Brief an August adressiren.

Lebet nun recht wohl, die Anlage bitte ich zu beherzigen; den 21. soll alles zu euerem Empfang bereitetAus bereit sein.

Karlsbad, den 24. Mai 1812.

G.

 

[Nachschrift: John an Goethes Sohn]

Lange schon, lieber Assessor, hast Du kein Wörtchen von Dir hören lassen, und wenn es gleich löblich ist, daß Du Dich der Kammerangelegenheiten, die freilich, wie mir sehr wohl bekannt ist, in jetziger Jahreszeit sich etwas zu häufen pflegen, so ernstlich annimmst, so mußt Du doch auch bedenken, daß Dein Herr Vater sowohl, als meine Wenigkeit recht sehr wünschen, bald so ausführlich, als nur möglich, Nachricht zu erhalten, wie es seither in Weimar gegangen.

– Wir leben hier ungestört, fleißig und vergnügt. Der Herr Geh. Rath ist wohl; auf sein gütiges Anrathen trinke ich jetzt den Neubrunnen, der mir vortrefflich bekommt.

Eine kleine Mineraliensammlung, die wir angefangen, ist schon bis zu etlichen und achtzig Stück angewachsen und soll hoffentlich bald complett sein.

Nächstens werden wir auch einen Versuch der Stärkezuckerbereitung machen; die Gefäße sind schon bestellt.

An Unterhaltung fehlt es auf keine Weise. Hinlänglich gewähren solche die Geschäfte und die Spaziergänge in der herrlichen Gegend, so wie durch die Stadt, wo man sich an den zierlichen, schlanken Gestalten, den munteren Gesichtern, dem glattgeflochtenen Haar und großen, schwarzen Augen der artigen Karlsbaderinnen erfreut. – Das schöne Wehedizer Röschen habe ich noch nicht zu sehen bekommen können. Laß Dich mit dem Goldpfennig ja nicht faul finden!

Der schöne Tag rückt immer näher, an dem die Schimmelchen angetrappelt kommen und unserem Kreis fröhlichen Zuwachs bringen werden. Könntest Du doch Deine Frau Mutter begleiten und die Nachtigallen des Weimarischen Parks mitbringen, dann wäre Karlsbad vollkommen schön; letztere fehlen leider.

Bist Du vielleicht in den unteren Garten gezogen?

Ist die Partie nach Dornburg schon vor sich gegangen?

Warst Du noch, wie Du zu thun Lust hattest, in Ilmenau?

Hast Du die Güte gehabt, die bewußten Bücher zu Reichel zu senden?

Werde nicht böse über die mancherlei Fragen, empfiehl mich gehorsamst Deiner Frau Mutter (deren Auftrag ich bei dem Nadler bestens besorgt habe), der Demoiselle Ulrich, Engels und Wolffs, und antworte bald

Deinem

C. John.

 

526. Goethe

Karlsbad, den 3. Juni 1812.

Heute wollen wir nicht mehr als das Nöthige sagen, da wir dem Tag entgegensehen, an welchem wir hoffen können, euch hier zu empfangen. Wenn es im Ilmthale schön ist, so könnt ihr gewiß denken, daß es im Töpel- und Egerthale gleichfalls herrlich aussehe. Zu gewissen Stunden wünscht man sich mehr Augen, damit man nur alles recht einnehmen könne. Bis jetzt sind sechs und vierzig Familien hier; der Erbprinz von Mecklenburg ist gestern hier angekommen, welches Du in Weimar verkündigen kannst.

Den 21. sollt ihr eine wohl eingerichtete Haushaltung finden und es euch darin recht wohl sein lassen. Mich abzuholen, wird kein Wagen bestellt; ich will euere Ankunft erst abwarten und mich nachher entschließen. Lebet recht wohl! grüßet alle Freunde.

Hier folgen nun einige Commissionen.

  1. Einige Buch Papier von dem, auf welches gegenwärtiger Brief geschrieben ist. Es liegt davon in meiner untersten Schublade rechts des großen Schreibtisches. Wäre es ja ausgegangen, so verschaffst Du solches wohl von der Geheimen Canzelei.
  2. Ein Stange gut Siegellack.
  3. Ein Exemplar der ›Wahlverwandtschaften.‹ Sie liegen in derselben Schublade, die oben bezeichnet ist, aber ganz hinten.
  4. Da der Zucker hier so theuer ist wie der Caffee, so bringe Dir auch welchen mit.
  5. Unter den angekommenen Briefen wird ein Brief von Magister Stimmel in Leipzig sein (ich lege ein Blättchen von seiner Hand mit bei). Diesen macht August auf, und wenn er, wie wahrscheinlich, Nachricht enthält, wie es mit der Hackertischen Verloosung abgelaufen, so wird er solchen an Hofrath Meyer übergeben, welcher die Gefälligkeit haben wird, Durchlaucht die Herzogin und Erbprinzessin mit dem Inhalt bekannt zu machen. Beide Damen haben eingelegt.
  6. Fragt Herrn Hofrath Meyer, ob er an mich etwas zu bestellen hat?

G.


Nunmehr wüßte ich weiter nichts zu sagen; sollte mir noch etwas einfallen, so habe ich noch zwei Posttage, an denen ich Briefe absenden kann, die ihr erhalten könnt.

Frau von Recke hat mir von Töplitz geschrieben und läßt Dich schönstens grüßen; sie wird in diesen Tagen erwartet. Graf Zichy hat auch nach Dir gefragt.

Nun lebet schönstens wohl! wenn ihr nach Ankunft dieses Briefs noch einmal schreibt, so kann ich den Brief vor dem 21. erhalten.

*

 

 

 

*

527. Goethe

So muß ich denn wohl auch vermelden, wie es mir bisher gegangen. Bei gutem Wetter und leidlichem Wege, war ich Dienstag Mittage hier und wurde aufs beste und freundlichste empfangen. Es würde sehr anmaßlich aussehen, wenn ich schriftlich erzählen wollte, mit wie viel Gnade und Auszeichnung man mich hier beglückt; das soll also aufs mündliche verspart sein. Durchlaucht der Herzog ist wohl und munter, Fürst Lichnowsky immer der alte. Prinzeß Marianne von Sachsen hat nach Dir gefragt und einen Gruß an Dich mir aufgetragen. Die Abschrift der Gedichte ist, durch unglaubliche Saumseligkeit der Post, erst gestern, den 18., angekommen, und ist also 14 Tage unterwegs gewesen. Das ist aber auch zum Glück ausgeschlagen. Der Herzog schickte sie gleich Ihrer Majestät und nach Tafel befahl die Kaiserin auf die anmuthigste Weise, daß ich sie vorlesen sollte, welches wohl das sicherste Zeichen der Zufriedenheit war. Darauf erfuhr ich noch das Angenehme, daß einer der ersten Staatsmänner gegen mich vertraulich äußerte: er kenne garNachträglich über der Zeile wohl die Schwierigkeit der Aufgabe und sehe mit Vergnügen, wie glücklich sie gelöst sei. Dieß wird besonders Johnen freuen, welcher am besten weiß, wie bedenklich mir die Sache gewesen. Fast alle Morgen habe ich das Glück gehabt, der Kaiserin vorzulesen. Sie spricht meistens dazwischen und äußert sich über die bedeutendsten Gegenstände mit außerordentlichem Geist und Originalität. Man kann sich kaum einen Begriff von ihren Vorzügen machen. Ihr werdet über gewisse Dinge, die ich zu erzählen habe, erstaunen, beinahe erschrecken.

Schon dreimal war ich zur Tafel geladen. Da ist sie denn, wo möglich, noch heitrer und anmuthiger als sonst; sie neckt diesen oder jenen von den Gästen und reizt ihn zum Widerspruch, und weiß der Sache zuletzt immer eine angenehme Wendung zu geben.

Und so müßtAus muß ich noch immer fort erzählen, ob ich mir gleich vornahm, alles auf meine Rückkunft zu versparen. Gestern zeigte sie uns nach der Tafel eine sogenannte Toilette, ein kostbar verziertes Kistchen, worin alle denkbare Bedürfnisse einer Reisewirthschaft enthalten sind. Die Kaiserin von Frankreich hat sie mitgebracht. Jedes einzelne Stück kann als ein Kunstwerk und Meisterstück betrachtet werden.

Ich wohne im ›Goldnen Schiff‹, in der alten Ecke, der Herzog in den Zimmern des Königs von Holland. Die Aussicht ist sehr schön, ich wünschte wohl, euch einen Mittag bewirthen und einen Abend mit euch ausfahrenAus ausführen zu können. Die Pferde kommen mir sehr zu Gute, besonders da ich nach dem Bade fahren muß, welches eine kleine Viertelstunde entfernt liegt. Fräulein von Stetten hat mir das Paquet sogleich zugeschickt, und ich habe daraus nicht viel, aber doch einiges von Weimar vernommen. Gar wunderlich ists hier mit den Preisen der Dinge, einiges wohlfeiler, andres theurerandres theurer nachträglich über der Zeile, im Ganzen würde es sich vielleicht gleichstellen.

Was meine Rückkunft betrifft, kann ich so viel sagen: daß meine Absicht sei, Sonntag, den 26., hier abzureisen und also Montag Mittag bei euch zu sein. Es ist mir auch ganz wahrscheinlich, daß das die rechte Zeit sein werde. Gewiß kann ich nichts sagen. Ändert sichs, so schreib ich. Dabei wünsche ich nur, daß ihr auch vergnügt eure Tage zubringt und mit Ernst die Cur gebraucht.

Empfehlet mich allen Gönnern und Freunden. Sage Prinz Friedrich Durchlaucht, daß ich nicht mit Beethoven sein kann, ohne zu wünschen, daß es im ›Goldnen Strauß‹ geschehen möge; zusammengefaßter, energischer, inniger habe ich noch keinen Künstler gesehen. Ich begreife recht gut, wie er gegen die Welt wunderlich stehn muß. Unserm trefflichen Meyer tausend Grüße. Euch alles Gute!

[Teplitz,] Sonntag, den 19. Julius 1812.

G.

 

528. Goethe

In diesen Tagen dachte ich, mein liebes Kind, bei Dir zu sein, jetzt aber muß ich vermelden, daß ich noch so bald nicht kommen kann. Die Kaiserin geht erst den 10. August, und so werde ich nicht vor dem 12. wieder in Karlsbad eintreffen. Würde Dir das zu lange, so dürftest Du nur gleich an Herrn von Hendrich schreiben, der schickte Dir Timlers Wagen, Du nähmst den großen Koffer und packtest auf, was Du könntest, ließest mir aber den kleinen stehen, in den ich alsdenn packen würde, was mir zu schwer ist, und ihn auf die Post geben würde. Johns Steine, in ein Kästchen gepackt, nähmst Du auch mit.

Solltest Du Dich aber in Karlsbad gefallen, so ist es mir ganz lieb, wenn Du bleibst und meine Ankunft abwartest. Da der Magenkrampf sich leider wieder eingestellt hat, so wäre es wohl gut, wenn Du die Cur verlängertest, besonders wenn Du fleißig badetest. Hierüber müßtest Du mit Dr. Mitterbacher hübsch ordentlich sprechen. Doch vielleicht hast Du das schon gethan. Wenn Du Geld brauchst, so wird John schon verwechseln.

Mir geht es hier sehr gut. Der Kaiserin Gnade scheint täglich zuzunehmen, indem sie sich immer gleich bleibt; auch ihre Umgebungen sind mir günstig, und ich kann nicht mehr und nichts Bessers wünschen. Das Baden bekommt mir sehr wohl. Der Herzog ist wohl und vergnügt, das Wetter schön, und ich hoffe, daß ihr auch der guten Tage so viel möglich genießen werdet.

Grüße Hofrath Meyer schönstens und sage ihm: ich habe eine Nachbildung des Moses von Michelangelo in Bronze gekauft, die sehr schön und wahrscheinlich aus dem 16. Jahrhundert ist. Wie er sitzt, ist die Figur 13 Weimarische Zoll hoch. Also eine schöne Größe. Das Nackte ist wohl verstanden. Bart und Gewänder von der größten Ausführung.

Es ist Herr von Beethoven von hier auf einige Tage nach Karlsbad gegangen: wenn ihr ihn finden könnt, so brächte mir der am schnellsten einen Brief. Wäre er schon wieder fort, so geht Fürst Moritz von Liechtenstein in einigen Tagen hierher; durch diesen wünschte ich eine umständliche Nachricht zu erhalten, wie es euch geht, und was ihr beschließet. Bleibt ihr in Karlsbad, so ziehet, wie verabredet, hinauf, wenn Meyer abreist. Weiter wüßt ich nichts zu sagen. Lebe recht wohl, grüße Carolinchen und John. Dieser soll mir auch mit jener Gelegenheit schreiben. Schickt mir auch, was an mich vielleicht angekommen ist. Nun Adieu! Meine besten Wünsche auf ein fröhliches, liebevolles Wiedersehn!

Töplitz, den 27. Juli 1812.

G.

 

529. Goethe

Töplitz, den 1. August.

Dein lieber Brief ist gestern Abend angekommen, und so will ich denn gleich wieder etwas vermelden. Das Baden bekommt mir sehr wohl, ob ich es gleich weder ordentlich, noch mit Ruhe brauchen kann. Meine Stunde ist Morgens von Fünf bis Sechs, da ich denn ganz gewiß ein frisches Bad finde, den übrigen ist nicht zu trauen. Die Kaiserin sehe ich täglich bei ihr selbst; auf Spaziergängen und Fahrten, bei Tafel und immer ist sie sich gleich, heiter, geistreich, anmuthig, verbindlich, und dabei kann man sagen, daß sie sich immer von neuen Seiten zeigt und jedermann in Verwunderung setzt. Sie hat ein klein Theaterstück in diesen Tagen geschrieben, das ich ein wenig zurecht gerückt habe. Es soll gespielt werden die nächste Woche. Hievon sagst Du niemanden. Ich lese täglich vor, heute waren Fürst Moritz und seine Gemahlin gegenwärtig. Sie brachten mir einige Nachricht von Dir. Die Churprinzeß von Hessen ist gar eine liebe Dame. Es freut mich, daß Du sie gesehen und gesprochen hast. Den 10., Abends, geht hier alles fort, womit ich bisher gelebt; ich denke den 12. bei euch zu sein, erwartet mich aber nicht zu bestimmt, man weiß nicht, was vorkommt. Es ist ganz recht, daß ihr bleibt, der andre Vorschlag brachte keinen Vortheil, noch Zeitgewinn.

Was Du mir wegen der Haushaltung sagen wirst, soll mir sehr willkommen sein, so wie auch, daß ich in Jena besser leben kann. Zwar diesen Herbst werde ich wenig drüben sein können. Richte nur vorläufig unser Weimarisches Wesen gut ein. Da ich den Wagen hier habe, bin ich viel in der Gegend umhergefahren; auch war ich in Aussig, wo die Elbe vorbeifließt und eine sehr angenehme, abwechselnde Gegend belebt.

Zum Sechsten wünsche ich das beste Glück; es thut mir recht leid, ihn nicht gegenwärtig mit feiern zu können, ich will es in der Ferne thun. Laßt es euch zusammen wohl sein. Grüße Uli zum schönsten. Danke John für seinen Brief. Wenn ich die Sendung durch Beethoven erhalte, schreibe ich noch einmal; dann wirds nicht mehr nöthig sein. Lebe recht wohl und liebe mich.

Abgesendet den 2. August 1812.

G.

 

530. Goethe

Von Dir zu hören, hat mich sehr gefreut; es bleibt aber beim Alten. Die Kaiserin geht den 10. Abends, und so kann ich den 12. bei euch sein. Wir besprechen noch alles, und ihr geht, ich folge. Jedes andre Arrangement führt zu weit, und wir wollen sehen, daß wir abschließen.

Mir geht es täglich besser. Es ist nicht zu berechnen, was dieß Verhältniß für Folgen haben kann.

Die Briefe und Packete durch Beyer und die Leute des Prinzen August erwarte ich, sende aber nichts weiter. Denn ich komme, wie gesagt.

Wegen des Curses fügt euch in die Zeit, es ist nicht anders. Bade nur fleißig.

Von Arnims nehme ich nicht die mindeste Notiz, ich bin sehr froh, daß ich die Tollhäusler los bin.

Lebet recht wohl und gedenket mein in Liebe.

Teplitz, den 5. August 1812.

G.

Grüßet alles nach gehöriger Art und Weise.

 

531. Goethe

[Teplitz,] den 5. August 1812.

Viel Glück zum sechsten!

Durch Gefälligkeit des Grafen Corneillan nur ein paar Worte. Alles bleibt, wie schon geschrieben. So herrlich und köstlich aber alles ist, so soll mirs doch lieb sein, wieder bei den ›Drei Mohren‹ einzukehren. In dem Stücke der Kaiserin habe ich zuletzt noch die Hauptrollen übernehmen müssen, wenn es zu Stande kommen sollte. Nun kannst Du wohl denken, daß es Zeit ist, zu enden. Da es ihr aber den größten Spaß macht, und sie über alle Begriffe gut, klug und teilnehmend ist, so thut jederman das Letzte. Lebe wohl. Bis auf fröhliches Wiedersehn.

G.

532. Goethe

Karlsbad, den 27. August 1812.

Da euere Briefe mir so bald Nachricht gaben, wie es um euch steht, so ist es billig, daß ich auch wieder etwas von mir vernehmen lasse. Seit euerer Abreise sind nun schon vierzehn Tage vergangen, und ich sehe mit Betrübniß, daß nun auch mein Scheiden bald heranruckt. Bei dem sehr schönen Wetter und denen fast ganz im Freien genießbaren Tagen wird Karlsbad immer anmuthiger, ob es gleich ganz von Fremden verlassen ist, und bei den Wenigen, die sich hier befinden, aus mehreren Ursachen keine besondere Heiterkeit wohnt. Meine fortgesetzten Beschäftigungen, der Umgang mit Staatsrath Langermann, ein wenig Zeichnen und Lectüre lassen mir die Zeit unvermerkt hinfließen, und die große Ruhe im Haus und sonst macht mir den Aufenthalt sehr erquicklich. Nun wäre es erst die rechte Zeit, sich der Equipage zu bedienen und sich das Land umher noch einmal zu besehn.

Der alte Müller ist noch immer fleißig und dienstfertig und hört nicht auf, von allen Ecken und Enden Steine zusammenzuschleppen, wenn man nur einigermaßen einen Wink gibt, was man wünsche. Dieser Alte ist aber auch beinahe das einzige Lebenszeichen von Karlsbad. Madame Mayer ist fort, ein Fremder nach dem andern schließt den Laden, und die Einwohner, die immer noch zufriedener sein können, als es Anschein hatte, sind alle gedrückt und traurig. Der Werth des Silbers fällt noch immer, sie wollen jetzt nur hundert und fünf und vierzig für 100 geben. In Prag und den übrigen Theilen des Erblandes fallen die Preise wegen der herrlichen Ernte. In Karlsbad ist alles beim Alten und die Einwohner so übel dran als die Fremden. Ich bin höchst neugierig, wie sich dieses Wesen in einem halben Jahre wird eingerichtet haben.

Grüße Augusten schönstens; ich freue mich über seinen Geschäftsgang, seine Reise und seine Aussichten. Wir sprechen uns nun bald selbst, und da, denke ich, solls vergnüglich vorwärts gehn.

Die Sache wegen Frankfurt muß wohl ruhen, bis ich wiederkomme; denn ohne Schlossers Mitwissen dürfen wir keinen Schritt thun. Daß eine Freundin die Sache indessen hat einleiten wollen, ist des besten Dankes werth.

Grüßet alle Freunde. Euere schnelle Reise hat mir sehr wohl gefallen; ich will sehn, ob ich nicht ein Gleiches thun kann. Ergetzt euch beim Vogelschießen, so gut es sich thun läßt, und gedenket mein.

G.

 

533. Goethe

Da euer lieber Brief vom 31. August zu rechter Zeit angelangt ist, so hoffe ich, der gegenwärtige soll auch einige Tage vor mir ankommen.

Die Nachrichten von dem gnädigen und freundlichen Empfang, den Du erfahren, so wie die mehrere Nachfrage nach mir, machen mir nun auch Lust und Muth, wieder zurückzukehren. Karlsbad ist nun wirklich wie ausgestorben, alle fremde Läden sind zu, und selbst die von Karlsbadern besetzten kleinen Boutiquen werden nach und nach geschlossen. Alle Tage geht von den letzten einer fort, und es bleiben nur wenige Nordländer, die wegen ihres gemeinschaftlichen Interesses im Stillen zusammenhalten. Das Wetter hingegen ist seit einigen Tagen so angenehm, als man sichs wünschen kann. Besonders weil der Sommer so feucht war, sind alle Bäume noch über die Maaßen grün, die Kastanien, Akazien, Pappeln zeichnen sich vorzüglich aus.

Sollte es etwa jemand interessiren, so kannst Du erzählen, daß es in Töplitz sehr brillant hergeht, daß sehr viele Feste gegeben werden, sowohl durch die Prinzen, als den König selbst, der sich sehr aufgeheitert haben soll, und dieses soll noch bis in die Hälfte des Septembers währen.

Indessen wird es an euerem Vogelschießen auch nicht an guten Tagen gefehlt haben; und nun, da gar das Schauspiel wieder zurück ist, so sind wohl alle Wünsche vorläufig erfüllt. Grüße mir die Mitglieder, die sich bei Dir präsentiren, und horche, ob sie nicht etwa selbst Vorschläge zu neuen Stücken mitbringen: denn mir ist sehr wenig Brauchbares vorgekommen. Bemerke übrigens, wie die Verhältnisse stehen, damit ich mich bei meiner Ankunft gleich darnach richten kann.

Von uns kann ich noch hinzufügen, daß wir in voriger Woche zwei sehr große Promenaden mit dem alten Müller gemacht haben, eine vier- und eine sechsstündige. Dabei sind viele Steine geklopft und nach Hause geschafft worden; wie sich denn überhaupt, zu Müllers großer Freude, noch zuletzt mehrere Personen für diese Dinge interessirt und von seinen Collectionen gekauft haben. Übrigens wird ein wenig gezeichnet, viel geschrieben und abgeschrieben, so daß wir auch von dieser Seite ziemlich beruhigt nach Hause gehen werden.

Weiter wüßte ich nun nichts hinzuzufügen, als daß ich Dich ersuche, überall viel Empfehlungen auszurichten und meiner in Liebe zu gedenken, bis ich selbst wieder erscheine. Auf die Pisangblüthen freue ich mich; ich erinnere mich zwar derselben noch von Alters her, aber nicht ganz deutlich. Zur Ordnung im Haus gratulire, so wie zu der reichlichen Kartoffelernte.

Karlsbad, den 7. September 1812.

G.

 

NB. Es wäre sehr schön, wenn ihr euch nach Krebsen umthätet; diese habe ich den ganzen Sommer entbehrt, und möchte nun noch zuletzt, ehe die R. gar zu sehr über Hand nehmen, einmal eine Schüssel vor mir sehen.

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534. Goethe

Ich schreibe Dir, mein liebes Kind, in einem eignen Falle. Seitdem mir der leichte rothe Wein nicht mehr schmeckt, bekommt er mir nicht. Siehe doch zu, ob die letzten Flaschen noch vom vorigen sind oder vom neuen. Wenn Du noch nicht an Ramann geschrieben hast, so bestelle nur von dem Deinigen; oder contremandire den Auftrag. Ich trinke die Johnischen Nößel, er von meinem Wein. Sende also nur Languedoc, bis man sieht, wo es hinaus will. Nicht mehr. Lebe wohl.

[Jena,] den 4. November 1812.

G.

 

535. Goethe

Da man euch liebenswürdige, unruhige Ungethüme doch einmal nicht los wird, man mag sich stellen, wie man will, so soll es mir recht angenehm sein, zu hören, daß ihr in der ›Sonne‹ glücklich angekommen seid. Laßt mir es melden, und wenn es schön Wetter ist, so kann der Morgen noch zu Spaziergängen und Besuchen, ist es häßlich, zu Revision meiner kleinen Haushaltung angewendet werden. Ich bin sehr zufrieden mit Heinrichen und der Köchin; ja, der Ernst, womit wir die Sache treiben, ist eine Lust und Spaß. Um nicht aus dem Gleise zu kommen, habe ich einen Karpen von Winzerle für mein Geld kommen lassen und die polnische Sauce gleich aus der Tasche bezahlt. Das dient zur Unterhaltung, will aber zugleich so viel sagen, daß ihr hoffentlich so viel mitbringen werdet, um die genaue Wirthschaft für das herrliche Gastmahl zu entschädigen, welches euch bereitet ist, und das ich soeben mit der Köchin verabredet habe.

Ein Brief, den Du inzwischen erhalten hast, hat Dir gesagt, daß ich mich wenigstens für den Augenblick an den Languedoc halten muß. Bringe also von diesem ein halb Dutzend Flaschen mit, von dem Elsasser dagegen können wir einige mit zurücknehmen.

Es ist mir sehr angenehm, daß wir gerade am Ende von diesen acht Tagen alles besprechen können. Wenn es sich fortsetzen läßt, wie es angefangen ist, so kann es von den schönsten Folgen sein. Nur bedaure ich euch freilich, daß ihr in Absicht auf die Küche nunÜber gestrichenem auch leidet; doch kann es euch in diesem Puncte niemals so schlimm ergehn, als es mirNach gestrichenem euch ergangen ist.

Ein herzliches Lebewohl, auf baldiges Wiedersehn.

Jena, den 6. November 1812.

G.

 

Nachschrift.

Gestern Abend habe ich auch Minchen wiedergesehn. Ich überließ es dem Zufall, wie ich mit ihr zusammenkommen sollte. Der hat sich auch recht artig erwiesen, und es war eben recht. Sie ist nun eben um ein paar Jahre älter. An Gestalt und Betragen u. s. w. aber immer noch so hübsch und so artig, daß ich mir gar nicht übelDurch Lösen des Siegels in Verlust geraten nehme, sie einmal mehr als billig geliebtDie letzten 5 Buchstaben durch Lösen des Siegels verloren zu haben.

Überhaupt kommt mir dießmal in Jena alles völlig wie vor mehreren Jahren vor. Knebel ist ganz allerliebst, und eine gewisse vernünftige Thätigkeit und Denkweise scheint wieder aufzutauchen, da wir bisher unter Bestialitäten mancherlei Art gelitten haben. Wenn des guten Voigts Coffre nicht wäre, so wüßte ich nichts zu wünschen, denn was meine Arbeiten betrifft, so ist für die kurze Zeit genug geschehn.

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536. Goethe

Nach der Abfahrt der lieben und lustigen Frauen hat sich der gute und lobenswürdige Fleiß wieder eingefunden, es ist aber demohngeachtet eine gewisse Lücke entstanden. Ich glaube, es würde am besten sein, wenn ihr wieder gelegentlich in den Klippsteinischen Garten zögt; und wenn ihr euch auch daselbst wieNach gestrichenem gelegentlich der selige Geheimderath Sternberg vorkommen solltet, so würde euch doch immer eine Kalbsbrust an die guten, alten Zeiten erinnern können.

Da ihr indessen bis dahin, daß diese goldne Zeit eintritt, durch meine Entfernung ziemlich leidet und sehr gut empfindet, daß die Stelle der Köchin in euerem Hause unbesetzt ist, so will ich nur zu einigem Ersatz versichern, daß hier alles vortrefflich geht. Heute früh gab es große Händel über ein Feldhuhn, welches Heinrich, ohne anzufragen, vom Rentbeamten für 6 Groschen angenommen hatte. Diesen Proceß schlichtete ich salomonisch dadurch, daß ich bezahlte und mir dieses Huhn außerordentlich zum Frühstück vorbehielt. Ferner hat die Köchin mir den morgendlichen Weinschaum für heute abdisputirt und mir dafür ein ganz vortreffliches Zwischenessen, welches sie künftig auf gleiche Bedingungen wiederholen soll, bereitet. Genug, es ist an dem ganzen Zustand nichts auszusetzen.

Mit größtem Schrecken werdet ihr jedoch bemerkt haben, daß Karten und Spielmarquen zurückgeblieben sind. Sie folgen hiebei um so lieber, als sie mir kein Glück gebracht, ja mich vielmehr um einen Karpfen mit polnischer Sauce gebracht haben. – Nun lebet recht wohl und sendet durch die Botenfrauen wenigstens einiges, daß wir wieder einigermaßen wenigstens zu unserem Schaden kommen.

Jena, den 10. November 1812.

G.

 

537. Goethe

Wenn Du Dich, mein liebes Kind, in der Küche plagst, und ihr demohngeachtet mit dem Mittags-Essen manchmal nicht ganz zufrieden seid, so denkt, daß es mir inzwischen ganz wohl geht, und daß ich mich auch wieder einmal plage, wenn ihr euch gut befindet. Die Haushaltung geht immer ordentlich und zugleich spaßhaft fort. Was ich außerordentlich genießen will, bezahle ich baar, und so ist alles im Gleichen. Nur will der Wein immer nicht auslangen: denn wir selbst und einige Freunde nach Tische consumiren immer etwas mehr, als ausgesetzt ist. Sende deßwegen immer noch etwas Languedoc und Würzburger; der Elsasser wird wohl reichen. Seit ihr weg seid, habe ich außer Knebeln und den bekannten Haus- und Studienfreunden niemand gesehen.

Meine Geschäfte gehen gut. Wenn ich auch irgend etwas zu erinnern finde, so gibt es doch nichts Fatales, und ich denke, in acht Tagen alles so zu stellen, daß ich vor Februar nicht wieder herüber zu gehen brauche. Meine eignen Arbeiten machen sich auch recht hübsch; und ich brauche nach meiner Berechnung hier nicht viel mehr dafür zu thun. Wenn ihr also Sonnabend, den 21., anlangen wollt, so habe ich nichts dagegen einzuwenden. Meldet mir das Nähere und bringet gute Gaben mit, damit wir einmal wieder etwas Neues erleben. Grüßet alle Freunde und besorget die Inlagen aufs allerbeste: denn es sind lauter bedeutende Dinge.

Und somit Lebewohl! Weiter wüßte ich nichts zu sagen, als daß ich mich an der Hoffnung eines frohen Wiedersehens ergehe.

Jena, den 13. November 1812.

G.

 

538. Goethe

Wir können nicht anders sagen, als daß vor wie nach alles sehr gut geht; die Köchin sowohl, als Heinrich gehen in ihrer Regel fort, und so weiß man täglich und wöchentlich, woran man ist, worauf denn doch am Ende alles ankommt. Meine Geschäfte und Ausarbeitungen machen sich auch gut, ja es thut sich sogar noch manches unerwartet Angenehme hervor.

Karl hat auf seiner Durchreise nach Karlsbad Abschied genommen, und ich habe ihm das noch zugesagte Vierteljahr ausgezahlt. Es ist mir sehr lieb, daß ein Verhältniß, das so lange gedauert und das doch zuletzt nicht mehr haltbar war, sich noch so leidlich auflöste. Ich habe ihn mit einigen Ermahnungen und Hoffnungen entlassen.

Wir vernehmen, daß große Bewegungen in Jena waren, wegen Tag und Stunde des Tanzens, auch sind uns die allerverschiedensten Nachrichten davon zugekommen. Nun aber scheint es gewiß, daß Sonntag ein Thé dansant sein soll, und ich erwarte daher die so liebe, als unruhige Nachbarschaft Sonntags früh, damit ja nicht die Weimaraner in Nichtachtung des Theaters den Jenensern ein böses Beispiel geben.

Wie es hernach zu halten sei wird sich besprechen lassen; vorzüglich aber will ich anrathen, daß an Victualien und sonst allem Guten ein hinreichender Transport mit herüberkomme, damit nicht, wie schon mehr geschehn, mein Ende das Mittel und den Anfang aufzehre.

Denn bis jetzt haben wir uns löblich gehalten, und nach diesem Anschnitt kann ich künftig in Jena einen recht zufriedenen Aufenthalt haben. Verzeihe mir aber, wenn ich, um künftig einem verdrüßlichen, allgemeinen Aufwaschen vorzubeugen, im Einzelnen nörgele, wie ich es jetzt mit Heinrichen um die Lichtstümpfchen thue. Karl reiste nicht als ein selbstständiger Herr von uns ab, wenn wir selbstständige Herrn gewesen wären.

Denn übrigens wollen wir an unserm Leibe und Gaumen nicht sparen, noch auch sonst knickern; deßwegen sende und bringe noch etwas Languedoc, welcher nun einmal an der Tagesordnung ist.

Hiermit wollen wir denn abgeschlossen haben; denn ich wüßte nichts hinweiter hinzuzuthun. Sehr angenehm würde es mir sein, zu vernehmen, wie ›Romeo und Julie‹ reüssirt, wie es mit dem ›Herbsttag‹ abgelaufen. Ich weiß recht wohl, daß ihr ein so rasches Leben habt, daß ihr an Abwesende nicht denken könnt; aber daß ihr, so wie der Assessor, von den unendlich langen Tagen auch nicht einmal eine Viertelstunde abmüßigen könnt, um mich in den unendlich langen Jenaischen Winterabenden einigermaßen zu unterhalten, kann ich nicht gut finden. Ihr solltet bedenken, daß es mit den Äugelchen nicht mehr gehn will, die man denn doch am Ende zu Hülfe rufen müßte, wenn ihr gar zu sorglos seid. Mit dieser Drohung empfehle ich mich zum schönsten.

Jena, den 17. November 1812.

G.

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539. Christiane

[Jena, 6. December 1812]

Lieber Geheimerath!

Da ich überzeugt bin, daß Du uns kein Vergnügen störst, so will ich nur mit ein paar Worten melden, daß wir erst den Dienstag früh in Weimar ankommen können. Der Ball war sehr brillant, und heute haben Sturms, Döbereiners, Gruners und mehrere eine Partie nach Zwätzen arrangirt, wo wir auch wieder bis jetzt getanzt haben. Und morgen sind wir zu Knebels eingeladen; die Knebel hat es uns als einen Beweis unserer Freundschaft angerechnet, wenn ich bleiben würde. Laß es nur gleich der Köchin wissen, die sich in allem helfen kann. Ich und Uli empfehlen uns zu fernerer Genade und Wohlwollen.

Abends um 8 Uhr in Eile.

C. v. Goethe.

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