Johann Wolfgang von Goethe
Briefwechsel mit seiner Frau. Band 2
Johann Wolfgang von Goethe

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1811

512. Goethe

Der Ziegenhainer Botanicus geht nach Weimar und überbringt dieses Päcktchen früher, als es durch die Boten gekommen wäre. Thut ihm etwas zu Gute, erwärmt und erquickt ihn. Wir sind glücklich hier angekommen, haben nur wenig gefroren und bei Herrn von Hendrich eine gute Mahlzeit gefunden. Die Zimmer sind auch nun ziemlich durchgeheizt, und wir werden uns bald eingerichtet haben, obgleich die ersten Tage immer mancherlei Unbequemlichkeiten gefühlt werden. Der Herr Obrist und August haben zusammen einen Rathkauf von einem Fäßchen Pricken gemacht, welches zwei Schock enthält, die jeder zur Hälfte verzehren will. Ich dachte eine Mandel für Dich zu erhalten; sie sind aber nicht geneigt, sie abzugeben. So viel für dießmal.

Jena, den 10. Januar 1811.

G.

513. Goethe

Jena, den 11. Januar 1811.

Durch den Botanicus von ZiegenhainZiegenhan werdet ihr heute ein Packet erhalten und die Inlagen wohl besorgt haben. Hierbei folgt nur ein Brief an Hofrath Meyer, den ich gleich zu bestellen bitte.

Ferner wünschte ich das Zeichenbrett herüber zu haben, das in Deinen Zimmern in irgend einer Ecke stehen muß. Die alte Ruine von Graupen in Böhmen ist darauf gezogen. Man kann ein andres Papier mit einigen Stecknadeln drüber stecken und den Botenfrauen anempfehlen, daß es nicht gerieben wird.

Briefe und Packete wünsche ich hieher zu erhalten, auch sonstige Nachricht, ob etwas vorgefallen ist. Weiter weiß ich nichts zu sagen, als daß ich wohl zu leben wünsche. Das Wetter wird bei euch so schön sein wie hier. Freilich ist es der Schlittenfahrt nicht günstig.

G.

 

514. Christiane

[Weimar, 13. Januar 1811.]

Mittwoch nach Deiner Abreise fuhren wir etwas Schlitten und gingen Abends ins Theater, wo ›Lorenz Stark‹ so gut gegeben wurde, daß würklich aus diesem Stück etwas wurde; besonders aber hat Madame Lortzing die Schmeichelscenen mit dem Vater so schön und gut gespielt, daß sie bei jeder Scene hat applaudirt bekommen.

Donnerstags früh ist unsere Singstunde von allen Mitgliedern besucht worden, und alles ist gut von Statten gegangen. Im Deckenzimmer speisten 12 Personen, wo außer den gewöhnlichen Sängern sich niemand als Fräulein Barisch befand. Zehn Chorschüler waren in meinem Zimmer bei Tische, welche sehr vergnügt waren, Deine und meine Gesundheit, jedoch mit dem größten Anstand, tranken; nach Tische reichte ich ihnen ihre Packetchen, und mit dankbaren Herzen eilten sie nach Hause.

Deny, welcher sich Dir zu Genaden empfehlen läßt, hat mir aufgetragen, Dir zu melden, daß seine Frau mit einem Sohn glücklich entbunden ist. Graf Krokow, welcher sich hat bei Hof vorstellen lassen, machte mir gestern seine Visite, er wollte auch Dich gern sehen und bittet um die Erlaubniß bei Deiner Zurückkunft.

Das wilde Schwein, welches Du in Jena erwartest, ist von Hummelshain gerade hierher gekommen; es kam gerade, als wir bei Tische waren, und aus Versehen hat der Bote nur sein Botenlohn bekommen, und wie ich aus beifolgendem Zettel sehe, muß das Schwein noch in Hummelshain bezahlt werden, welches Du wohl besorgen wirst. Ich hätte Dir gern durch den Mundkoch WeiseWeiße den Kopf gleich zurechte machen lassen, wenn nicht das Schwein, weil es zu sehr gefroren war, erst einige Tage im Keller liegen müßte. Mittwoch Abend aber sollst Du ihn, recht schön zurechte gemacht, hinüber bekommen; und da August so neidisch mit seinen Bricken ist, so laß ihm auch von diesen Wohlthaten nichts zu Theil werden.

Weiter weiß ich heute nichts zu sagen, als daß ich wünsche, daß es Dir recht wohl und nach Deinem Willen in Jena gehen möchte. Wir sind hier recht fleißig und mit Wäsche beschäftigt. Mit nächster Post erhältst Du einen ausführlichen Brief über die ›Teufelsmühle‹. Lebe recht wohl. Und wenn Dir so ein Fäßchen Bricken vorkommt, so schicke uns welche.

Lebe wohl und denke mein.

 

515. Christiane

[Weimar, 13. Januar 1811.]

Da soeben Herr Raabe mir bei der Frau Hofräthin Schopenhauer sagt, daß er morgen zu Dir ging', so ergreife ich die Feder, um Dir etwas von der ›Teufelsmühle‹ zu schreiben. Das Stück ist eine zweite ›Saalnixe‹, nur noch etwas dümmer; doch haben sich unsere Schauspieler alle mögliche Mühe gegeben, etwas daraus zu machen, doch wollte ihre Declamation gar nicht zu dem Unsinn passen. Herr Uhlich hat aber allgemein gefallen, und ich glaube auch nach meinem Urtheil, daß er als Buffon viel besser als Frey wäre. Das Mädchen wäre ganz leidlich gewesen, wenn sie nicht eine so unausstehliche Sprache hätte. Von unsern Schauspielern war am liebenswürdigsten die Genast und Unzelmann. Unserm verwöhnten Publicum hat es gar nicht gefallen wollen, doch schien es die Herrschaft zu amüsiren, denn es wurde in der Loge viel gelacht; so schien es auch dem Herzog sehr zu gefallen, und die Gallerie applaudirte und lachte; besonders aber hätte man dem Maschinenmeister applaudiren sollen, denn es ging alles sehr gut. Neues weiß ich weiter nichts, als daß Seyffarth hier gewesen ist und hat wollen seine Aufwartung als Hof-Secretär machengemacht.

Daß wir Hoffnung haben, daß in Deiner Anwesenheit in Jena Ball sein soll, und wir Dich also wohl auf einen Tag besuchen, aber uns bloß zu Tische einladen werden.

Madame Beck, welche eben hier, empfiehlt sich diesem edlen, großen Mann zu Genaden.

Bis dahin lebe wohl und denke mein.

C. v. Goethe.

 

516. Goethe

Vor allen Dingen will ich zuerst mein nächstes Bedürfniß melden, und dieses ist um Wein von meiner Sorte, denn Herr von Hendrich hat leider keinen von dieser Art, und ich habe mich die Zeit her theuer und unbequem behelfen müssen, weil ich vergaß, früher darum zu schreiben.

Wenn ihr mir den zugerichteten Schweinskopf schickt, so vergeßt die Sauce nicht: denn hier ist dergleichen schwer zu haben; wie denn auch unser gewöhnliches Essen so wenig erfreulich ist als sonst. Die Freunde geben uns manchmal etwas zum besten.

Da ihr uns nicht wolltet der Pferde genießen lassen, so haben euch die Götter gestraft, indem sie nicht allein keinen neuen Schnee gesendet, sondern sogar den alten recht langsam, nach und nach, vor euren Augen in Wasser und Schmutz verwandelt.

Der gute Raabe ist hier. Ich wünsche, daß ihm mein Bild gelinge; die Stunden will ich ihm gern gewähren. Wir thun zwar hier nicht viel Bedeutendes, aber doch immer viel mehr als zu Hause, und ich werde manches Alte und Stockende los, wodurch sich aufs Frühjahr ein neues Leben hoffen läßt.

Heute ist Karl Knebels Geburtstag. Er wird 15 Jahr alt, und ist als Studiosus inscribirt worden. Dieses denkt er sich heute als eine besondre Lust, wird aber schon in der nächsten Woche ihm und seinen lieben Eltern zu mancher Verwicklung und Verwirrung gereichen. August zeigt sich bei dieser Gelegenheit recht brav, indem er diesem einheimischen Fuchs eine Richtung gibt, die ihm vortheilhaft sein kann.

Raabe hat uns manche Weimarische Geschichten erzählt, und wir sehen daraus, daß es weder auf Redouten, noch Jagden sehr geziemend hergeht. Daß der Teufels-Müller kein recht feines Mehl liefern würde, sah ich wohl voraus. Ich bin zufrieden, daß es nur nothdürftig durchgegangen ist, und doch sagen immer die Leute: »Warum gibt man dieß und das Stück nicht? Es ist ja auf allen Theatern gespielt worden.«

Das beikommende Zeichenbüchlein erbitte ich mir wieder zurück. Es sollte euch nur die Silhouetten überbringen, die der jetzt anwesende Silhouetteur ausgefertigt hat. Stoßt euch nicht an die weißen Läppchen und barbarischen Uniformen. Das kann nun einmal nicht anders gemacht werden. Der Silhouetteur hat hier viel zu thun, und wenn er nach Weimar kommt, wird ihn Frau von Schopenhauer, hoffen wir, auch beschützen. Laßt das Stammbuch einigen Personen sehen. Saget dieser Freundin zugleich, daß sie den Aufsatz, wegen des Ausspielens des Barduaschen Gemäldes, nächstens erhalten soll.

Schreibe mir, was euch sonst begegnet, wie die Theater-Vorstellungen ablaufen. Meine Absicht ist, heute über acht Tage, Dienstags, den 22., zu Mittag bei euch zu sein. Auf alle Fälle könnt ihr in der Zwischenzeit, auf mehr als Einem Wege, das Nähere vernehmen.

Sende auch von dem andern Wein mit herüber: denn der hiesige geht zu Ende; und da wir nicht ohne Gäste sind, so erneut sich dieses Bedürfniß immer wieder.

Von einem Balle habe ich nichts vernommen. Freilich komme ich auch nicht leicht in Verhältniß mit Balllustigen. Doch wollen wir auch dieses dem Schicksal und seinen Dienern, den Studenten, überlassen. Lebet recht wohl.

Jena, den 15. Januar 1811.

G.

 

517. Christiane

[Weimar, 16. Januar 1811.]

Zuerst müssen wir Dir melden, wie sehr uns die schöne und ähnliche Silhouette erfreut hat; es gefällt mir besser als alle Gemälde von Dir, weil es so sehr ähnlich ist. Und wenn es möglich ist, so bitten wir noch um zwei Silhouetten von Dir, denn eine ist für mich und eine für die Ulrich, nun wünscht aber auch AteAthe und noch jemand eine.

Mit der Jagd-Partie ist es leider wahr; doch hat Stromeyer den armen Teufel Deny dazu verführt. Letzterer hat zum Glück keine Flinte gehabt, Stromeyer seine ist von dem Jäger zerschlagen worden, und weil sie nicht sein eigen war, so muß er sie bezahlen. Durchlauchter Herzog hat die Genade gehabt, die Strafe in Geld verwandeln zu lassen, so daß Deny 6 und Stromeyer 15 Thaler zahlen muß.

Pippo, welcher schon im Park sich so sehr vergangen hat wegen der Schlägerei und zuletzt auf der Redoute dem Faß den Boden ausgestoßen hat, ist gestern in Begleitung von zwei Gendarmen und zwei Husaren mit einer Schrift von der Policei, daß er in solcher Gesellschaft von jedem Ort über die Grenze gebracht wird, bis er an Ort und Stelle ist und nie das Weimarische Land wieder betreten darf. Herr von Gemeiner hat als erweichter Oncle ihm 40 Thaler noch mit auf die Reise gegeben.

Die Freude über die Zerschmelzung des Schnees kam gewiß nur von Herrn Riemer; doch die Götter, welche uns immer beschützen, haben uns die Nacht schon wieder einen kleinen Schnee gegeben, und jetzt, indem wir schreiben, fallen auch schon wieder einige Flöckchen vom Himmel, und Herr Haberle, welchen wir am Sonntag bei der Schopenhauer haben kennen lernen, hat uns noch zwei große Schneee prophezeit, einen in diesem und einen im folgenden Monat.

Das wilde Schwein habe ich schön eingepeizt und hoffe, Dir künftigen Dienstag etwas davon vorzusetzen.

Bei Deny ist morgen Kindtaufe, wozu ich eingeladen bin. Die Gevattern sind folgende: die Gräfin Fritsch, Fräulein Baumbach, Herr Hofmarschall Ende und Kammerherr BielkePülke. Am Montag wurde ›Haß den Frauen‹ von Wolffs sehr gut dargestellt, auch gingen ›Die Blinden von Toledo‹ sehr gut, die Häßler hat wieder recht schön gesungen. Von ›Lorenz Stark‹ hatte ich Dir geschrieben, daß es so gut gegeben worden ist; die Hoheit hat es so gefreut, daß sie dem alten Malcolmi zur Belohnung seines schönen Spiels 10 Louisd'or geschickt hat, welcher darüber ganz außer sich vor Freude und sehr gerührt gewesen ist. Die Lortzing hätte ebenso viel verdient, doch gönne ich es dem Alten. August sage aber, daß wir beide sehr böse auf ihn wären, daß er nicht einmal den Kasten schicke, wenn er uns auch keines Briefs würdigen wollte; ich hätte heute recht gut den Kopf hinein thun können. Bitte mir also die Schachtel und Flasche wieder aus.

 

[Beilage]

Den Schweinskopf betreffend.

Der Kopf liegt in der Schachtel; die Sauce, in welche der Kopf gleich gelegt werden muß, und so lange bis er aufgegessen ist, muß er drinnen liegen bleiben; die Senf-Sauce, welche dazu gemacht wird, sagte der Mundkoch Weise, sollst Du nur gleich bei dem Mundkoch Steinert bestellen lassen, dieser wisse schon, wie er sie machen sollte. Wir hätten sie hier machen lassen, er sagte aber: es wäre besser, wenn sie gleich auf der Stelle gemacht würde. Dieß läßt Dir ja Hendrich wohl gleich machen.

 

518. Goethe

Herr Raabe fährt nach Weimar, und es wäre mir angenehm, durch den rückkehrenden Kutscher einige Flaschen Wein zu erhalten, weil wir alles das Überschickte schon von der Erde weggetrunken haben. Künftighin muß ich mir einen größeren Keller hier anlegen. Der vortreffliche Juvenil versäumt auch nicht, seinen Theil von der hellen Sorte zu trinken, und so weiß man gar nicht, wo dieses Gewächs des Weinstocks alles hinkommt. Lebet recht wohl, nur laßt euch nicht von einem Ball verführen, den man, wie ich höre, vielleicht auf den Dienstag ansetzen will. Es wäre mir sehr schrecklich, euch im Mühlthal zu begegnen. Auf fröhliches Wiedersehen.

Jena, den 18. Januar 1811.

G.

 

519. Christiane

[Weimar, 19. Januar 1811.]

Erstlich, da wir gestern geschlachtet haben, folgen hier 2 Leber-Würste, eine Blutwurst und ein kleines Preßköpfchen.

Herr von Wrisberg, welcher von Leipzig zurückgekommen ist, hat uns allerlei Späße mitgebracht. Dafür haben wir ihn auch gestern zur Schlachtschüssel eingeladen, wie auch Herrn von Poseck, Herrn von Lewandowski, Herrn Hofmedicus Schwabe, Herrn Strobe, Herrn Unzelmann, die Mamsell Engels und Mamsell Müller. Wir waren sehr vergnügt, es ist bis 1 Uhr gesungen und Guitarre gespielt worden; Herr von Wrisberg versicherte mir, daß er in ganz Weimar keinen solchen vergnügten Abend gehabt hätte; er empfiehlt sich Dir zu Genaden und läßt Dir melden, daß die Dienstags-Gesellschaft künftigen Dienstag und für immer im Palais-Saal gehalten wird; die Abonnenten haben sich vermehrt, wie auch die Liebhaber, und man hofft, daß es künftig recht brillant werden wird.

Nun kommt aber eine curiose Geschichte, nämlich: Herr von Bülow hat uns sagen lassen, daß künftigen Dienstag Ball sein würde, und er heute selbst herüber käme, um uns einzuladen; wir möchten es zum zweiten Mal nicht gern dem Mecklenburger abschlagen, thun Dir also einen Vorschlag, daß Du bis Mittwoch drüben bleibst oder Montag nach Tische herüber kömmst. Wenn Du drüben bleibst, so wollen wir, ich, Caroline und Mamsell Müller, in der ›Sonne‹ absteigen; solltest Du aber herüber müssen, so gingen wir in Dein Logis, doch wäre es freilich lieber, wenn Du drüben bleiben könntest. Da wir von Deiner großen Güte überzeugt sind, so wirst Du alles zum besten einrichten. Freilich könntest Du vielleicht einen Brief mit der Post oder sonst durch jemand, der herüber kömmt, schicken, damit wir Deinen Rath und Willen vernähmen. Freilich möchten wir gern hinüber, und die Müller freut sich auch schon darauf. Wenn es nicht anders ist, und Du just den Dienstag herüber mußt, so bist Du den Mittag 1 Uhr bestimmt da; und wir führen erst um 2 oder 3 und wären noch zeitig genug zum Ball da. Wenn Du uns nichts schreibst, so soll es bei dem letzten Vorschlag bleiben, und wir wollen uns so darauf einrichten.

Wegen des Weines habe ich Dir nicht mehr schicken können, weil die Botenfrau nicht mehr tragen konnte; heute sollst Du wieder ebenso viel haben.

Von Herrn Raabe haben wir weder von ihm, noch von seinem Schätzchen etwas vernommen.

Soeben erfahre ich, daß Haide sehr krank an einem bösen Hals ist, so daß er bestimmt bis Mittwoch nicht spielen kann, und ›Johanna von Montfaucon‹ wohl nicht wird sein können. Also wäre es wohl das Beste, Du entschlössest Dich und bliebst bis Donnerstag früh in Jena. Oder aber, daß wir aus aller Noth kommen, so sei so gut und wende 2 Kopfstück an uns und schicke uns morgen einen expressen Boten, wie Du alles halten willst. Auf alle Fälle fahren wir erst den Dienstag nach Tische weg und steigen entweder bei Frommanns oder in der ›Sonne‹ ab.

 

520. Goethe

Nach reiflicher Überlegung aller Umstände haben wir uns entschlossen, Montags früh bei guter Zeit von hier abzufahren und bei euch zu Tische zu sein. Kämen wir auch nach Eins, so laßt euch nicht irren: denn ich weiß doch nicht, wann wir hier wegkommen. Auf diese Weise findet ihr das Nest Dienstags rein, habt eure Bequemlichkeit, und wir gewinnen unsre Stunden in Weimar, und somit ist allen geholfen.

Die schönen Würste haben ein gar gutes Ansehen, und so ist alles in der besten Ordnung. Gegenwärtiges sende ich durch den guten jungen Stark dem Du etwas Freundliches erzeigen magst. Lebe recht wohl bis auf frohes Wiedersehen.

Jena, den 19. Januar 1811.

G.

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521. Christiane

Karlsbad, den 30. Juni 1811.

Daß Du auch siehest, wie es uns in Deiner Abwesenheit gehet, so schreiben wir gleich. Freitag früh, als Du weg warst, beschäftigten wir uns gleich mit aus- und einräumen, besuchten Frau von der Recke, welche nicht zu Hause war. Frau von Flies trafen wir zu Hause an und überbrachten ihr das bewußte Buch, wo sie sich über das versprochne Blättchen sehr freute und Dir tausend Dank sagen läßt. Vor Tische machte uns Frau von der Recke einen Besuch, mit dem Worte, daß ich sehe, daß mir dieser ganz allein gelte, und ladete uns zugleich ein, um 4 Uhr zu ihr zu kommen. Wir speisten zu Hause, gingen um 4 Uhr zur Frau von der Recke, fanden da Frau von Flies, Frau von Oppenheimer, Mamsell SaalingSahlin, Herrn von Rönne und die Frau Generalin von Dresden. Um 6 Uhr fuhren wir mit Frau von der Recke spazieren, ich mit der Frau von der Recke in einem Wagen, und Uli mit Frau Seebald; um 7 Uhr kamen wir wieder zurück, speisten kalte Ente, tranken um 8 Uhr beim läuten Deine Gesundheit, eilten alsdenn zur kleinen Capelle, um unsere Gebete für Dich zum Himmel zu schicken, kehrten vergnügt zurück.

Sonnabend ging ich wie gewöhnlich am Brunnen und badete; um 11 Uhr fuhren wir mit DiakonusDiakus (so auch weiterhin) nach Wehediz, wo sich dieselben 6 und wir 2 Bouteillen Ruster mitnahmen; wir tranken zwar nur zusammen 3 Nößel, doch hätte beinah Deine Prophezeiung eingetroffen, wir kamen alle 4 sehr froh und lustig nach Hause und wurden von der Frau von Flies zu einer Partie nach Fischern eingeladen, aßen Forellen und Krebse. Wir fuhren mit ihr allein dahin, doch kamen von Hans Heiling zurück eine Partie von unsere Leut, welche sich auch an unsere Gesellschaft anschlossen, es waren nämlich folgende: Mademoiselle SaalingSohlen, Frau von Oppenheimer und die kleine unbekannte Dame, der bekannte Herr und ein Rittmeister aus Wien. Das Schönste war, daß wir uns in dieser Gesellschaft so amüsirt haben, als wir vorher nicht glaubten, und uns die schönen Forellen und Krebse nichts kosteten. Wir kamen erst Abends um 10 Uhr zurück. Heute sind wir von Herrn von NitzschwitzNitwitz zu Bolza eingeladen und morgen von dem Herrn von Loeben, auf dem Hammer. Diesen Morgen am Brunnen habe ich viel Bekannte und Unbekannte gesprochen, bin auch lange mit Frau von der Recke und der Herzogin von Acerenza auf- und abgegangen, und alles grüßt Dich herzlich. Jetzt werden die Kleider zum Ball und Diner zurecht gelegt, dann fahren wir spazieren. In unserm neuen Logis gefällt es uns recht wohl, und wenn ich einmal allein herginge, würde ich mir kein bessers wünschen. Nun wünschen wir weiter nichts, als Dich bei unserer Ankunft recht gesund und wohl anzutreffen. Bis dahin lebe recht wohl und behalte mich recht lieb und grüße meinen lieben August.

C. v. Goethe.

Es kommen alle Tage mehr Fremde.

 

521a. Christianens Brief-Tagebuch

[30. Juni bis 15. Juli 1811.]

Sonntag Mittag speisten wir in Gesellschaft von 27 Personen bei Bolza, das Essen war sehr gut, wir zahlten à Person 10 Gulden und tranken etwas Ruster dazu. Um 7 Uhr holte uns Frau von der Recke zum Ball ab; der Ball war dieses Mal nicht so voll, aber weit angenehmer zum tanzen, die Ulrich hat Schuh' und Strümpfe durchgetanzt; sogar die Frau von der Recke tanzte Polonaise. Alle Prinzessinnen trugen mir viele Grüße an Dich auf, die Hohenzollern hat mir besonders viel Schönes an Dich aufgetragen; auch haben wir mit den Prinzessinnen OblatenObelaten gespeist.

Gräfin von der Recke erzählte eine merkwürdige Geschichte von Frau von Wedel. Wir blieben bis nach 10 Uhr auf dem Ball und gingen vergnügt nach Hause.

Montag früh wie gewöhnlich getrunken und gebadet. Um halb Eins fuhren wir in Gesellschaft des Kammerherrn Skribenski nach dem Hammer, wo wir aßen. Nach Tische gingen wir nach der nahen Porcelainfabrique; bei unserer Rückkehr hatte sich die Gesellschaft vermehrt, und alle Prinzessinnen waren da; wir fuhren aber unsern gewöhnlichen Spazierweg auf der neuen Chaussee; zu Hause fanden wir den Herrn Boisserée, welchen wir mit Gietzhübler [?] Wasser und Weine erquickten; wir blieben zusammen.

Dienstag früh ging Boisserée mit mir an [den] Brunnen und machte Bekanntschaft mit Mamsell Saaling. Zu Mittag speisten wir im Kleinen Versailles, wo wir Gäste von Frau von Flies waren. Nach Tische fuhren wir spazieren, Abends speisten wir zu Hause. Die neu angekommene Dame wurde als Leiche aus dem Hause getragen, welches mich so angriff, daß ich bis 11 Uhr aufblieb und die ganze Nacht nicht schlafen konnte. Das größte Unglück war noch dazu, daß wir unsern guten Diakonus sehr krank zu Hause fanden.

Mittwoch früh bekam mir das Trinken sehr übel, am Sprudel wurde ich so krank, daß mich Boisserée nach Hause bringen mußte; doch nach einem Frühstück, welches wir in der Puppschen Allee genossen, wurde es mir wieder besser. Zu Mittag hatte uns der Kammerherr Skribenski bei Bolza eingeladen; es war eine Gesellschaft von 20 Personen, wir speisten im Freien sehr gut. Nach Tische fuhren wir spazieren. Abends waren wir bei Himmel, welcher sehr schön spielte; von da gingen wir mit Boisserée und dem Kammerherrn nach dem Posthof, wo wir die Saaling antrafen mit ihrer Gesellschaft und einen jungen Baron von Wickman aus Liefland kennen lernten. Wir gingen zusammen nach Hause.

Donnerstag früh wurde getrunken und gebadet; ich machte Bekanntschaft mit einem Graf Zichy. Zu Mittag speisten wir im Sächsischen Saal. Nach Tische besuchte uns der Kammerherr und Poskowski. Den Abend gingen wir auf den Ball; der Ball war besser als sonst, wir tanzten beide sehr viel, besonders mit Herrn von Riedesel, Esterhazi und einem jungen Curländer.

Freitag früh getrunken und gebadet, ich machte Bekanntschaft mit dem Prinz Louis Liechtenstein. Früh besuchte uns Körner, gegen Mittag machten wir einen Gegenbesuch; sie nahmen uns freundlich auf, doch war der Sohn sehr krank. Wir fuhren noch vor Tische mit Diakonus nach Wehediz; speisten zu Hause. Nach Tische mit einer Gesellschaft nach Dallwitz; wir kamen bald zurück und waren Abends in der Capelle.

Sonnabend früh am Brunnen; mit Rönne spazieren gefahren; den Mittag speisten wir auf dem Posthof. Eine spaßhafte Geschichte von Frau von Bocksdorf ist zu bemerken. Wir fuhren mit dem Herrn von Skribenski nach der neuen Chaussée, und von da gingen wir zusammen ins Theater. Den Abend waren wir bei der Gräfin von der Recke.

Sonntag, den 7. Juli, früh am Brunnen und bei Frau von Flies und Frau von der Recke; wir speisten zu Hause; nach Tische mit Diakonus spazieren gefahren; Abends nach der Capelle.

Montag Morgens am Brunnen, Bekanntschaft gemacht mit einem Baron Wickman aus Curland; alsdann zu Körners und zur Generalin. Den Mittag zu Hause; nach Tische mit Rönne die neue Chaussée über Eich zum ersten Mal gefahren. Gegen Abend nahm Herr von Skribenski Abschied. Wir gingen zur Capelle.

Dienstag getrunken und gebadet, Bekanntschaft gemacht mit einem Graf WartenslebenWardesleben; wir gingen in Gesellschaft von dem und Baron Wickman bis an [den] Posthof, frühstückten und fuhren mit der Stock und Mamsell Körner spazieren, verloren unterwegs eine Schraube, bekamen sie aber glücklicher Weise wieder.

Den Mittag speisten wir in Gesellschaft der Gräfin von der Recke bei Himmel, wo wir ganz vortrefflich aßen und uns sehr amüsirten. Abends kam der Oberforstmeister Fritsch von Weimar; um 8 Uhr gingen wir nach der Capelle und legten uns beruhigt zu Bette.

Mittwoch früh getrunken und gebadet; frühstückten in der Allee, gingen mit Prinz Louis den Choteckschen Weg nach Hause, beschäftigten uns mit Kleinigkeiten einzupacken. Doctor Schütz nahm Abschied, auch besuchten uns Körners und Baron von Wickman. Den Mittag speisten wir zu Hause, fuhren mit Körners nach dem Hammer. Den Abend waren wir bei Himmel, in Gesellschaft der Gräfin Recke, der Fürstin Hohenzollern, der Gräfin      Die Handschrift hat hier eine Lücke für den vergessenen Namen, welche beide wegen langer Bekanntschaft am Brunnen sehr artig gegen uns waren. Die Hohenzollern ladete uns ein, morgen mit ihr auf den Ball zu gehen. Übrigens war die Gesellschaft sehr groß, und Himmel spielte himmlisch.

Donnerstag in der Allee gefrühstückt, wo wir viel Bekannte antrafen, auch setzte sich der Graf Wartensleben und Prinz Louis zu uns; es waren diesen Morgen sehr viel Tische, wo Damen frühstückten. Körners holten uns von da zum spazierengehen ab; alsdann besuchten wir Frau von Flies und OppenheimerOffenheimer. Der Hofrath Meyer besuchte uns. Den Mittag speisten wir zu Hause. Nach Tische fuhren wir beide spazieren; es begegnete uns Herr von Riedesel, mit welchem die Pferde durchgegangen waren, in einem traurigen Zustande. Wir putzten uns sehr schön zum Ball, die Fürstin von Hohenzollern holte uns ab; bei unserer Ankunft war der Ball schon ganz brillant. Die Fürstin und ich wurden beide der Prinzeß von Sachsen vorgestellt. Wir tanzten viel und fanden auch einen neu erstandenen [?] Bekannten, den schönen Graf von Schulenburg, welcher sich auch gleich engagirte. Wir fuhren mit Frau Seebald und dem Baron SieversSiefert nach Hause.

Freitag früh nicht getrunken und gebadet. In der Puppschen Allee gefrühstückt. Um 11 Uhr zu Himmel, wo nichts wie Prinzen und Fürstinnen waren, und ich mit Prinz Moritz sehr viel vom Geheimerath gesprochen habe; das Concert dauerte bis 1 Uhr. Wir speisten im Sächsischen Saal, der Minister von Nostitz war mein Nachbar, und ich habe mich sehr gut mit ihm unterhalten. Nach Tische fuhren wir den gewöhnlichen Weg nach dem Hammer. Abends waren wir in der Capelle, zu Hause begleiteten uns Prinz Moritz und Louis von Liechtenstein.

Sonnabend frühstückten wir in der Allee, gingen in Geleitung einiger Herren bis zum Posthof. Von da machten wir alle unsere Abschiedsbesuche; bei der Gräfin Recke lernten wir den Herrn von Thümmel kennen. Am leidesten that uns der Abschied von Frau Gräfin Recke. Auch waren wir bei der Herzogin von Hohenzollern.

Den Mittag aß Fräulein Seebald bei uns. Nach Tische fuhren wir, Fräulein Seebald, Oberforstmeister Fritsch, Baron Sievers und Baron Wickman nach Elbogen, und waren da bis 8 Uhr sehr vergnügt.

Sonntag früh packten wir ein und machten noch viele Abschiedsbesuche. Uns besuchte Baron von Wickman, Fraulein von Hendrich und Körners. Den Mittag aßen wir zu Hause. Nach Tische war Herr und Frau Diakonus und Doctor MitterbacherMittenbach bei uns. Gegen Abend kam Fritsch und Himmel. Wir gingen um 7 Uhr zur Capelle zurück; begleiteten uns die beiden Prinzen Liechtenstein und Graf Schulenburg, nahmen Abschied, und wir gingen zu Hause.

Montag früh 8 Uhr reisten wir von Karlsbad ab; vorher besuchten uns noch Herr und Frau von Nitzschwitz, und viele Bekannte versammelten sich noch vor unserer Thüre. Mittag um 2 Uhr kamen wir mit Frau von Flies in Franzenbrunn an. Ich bekam aber so das Heimweh, daß ich gleich beschloß, morgen früh um 4 Uhr abzureisen.

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