Johann Wilhelm Ludwig Gleim
Fabeln
Johann Wilhelm Ludwig Gleim

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Das alte Pferd und der arme Mann.

      Ein vortrefflich schönes Pferd,
Wegen seiner Kraft und Tugend
Tausend goldne Thaler werth,
That in seiner muntern Jugend
Eines großen Königs Sohn
Manchen Dienst; aus mancher Schlacht
Hatt' es ihn gesund gebracht.

Was dann aber war der Lohn,
Als es alt war? Füllte man
Etwa täglich seine Krippe
Dankbar noch mit Futter an?

Nein. Ein mageres Gerippe
Dient' es einem armen Mann,
Der mit ihm sein Brod gewann.

Als es da in seiner Krippe
Wenig magres Futter fraß,
Und sein Herr ihm nahe saß,
Voll Empfindung seiner Noth,
Und ein Bischen trocknes Brod
Aus der Hand zum Mittag aß,
Da, da sprach's mit ernster Miene:

»Lieber Mann, dem ich itzt diene,
Der mir itzt mein Futter reicht,
Wärst du reicher, ach! vielleicht
Gäbst du wohl bis an den Tod
Mir ein wenig Gnadenbrod!«

 


 


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