Die Fieberkurve
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Pater Matthias

Der Gründer unseres Ordens, Kardinal Lavigerie«, sagte Pater Matthias und fuhr fort, seinem verpfuschten Blumentopf, den sie drüben in Afrika Scheschia nannten, kleine Stöße zu geben, »unser großer Kardinal soll einmal geäußert haben: ›Ein wahrer Christ kommt nie zu spät.‹ Ganz sicher ist dieser Ausspruch nur in übertragener Bedeutung richtig, denn auf unser Erdenleben angewandt, kann er nicht stimmen. Dieses ist abhängig von menschlichen Einrichtungen, als da sind: Eisenbahnzüge, Dampfboote, Automobile... Meine Nichte Marie, die ich gestern abend noch traf, erzählte mir, was in Basel vorgefallen ist. Ich habe darum schleunigst ein Taxi gemietet und bin nach Bern gefahren, denn es fuhr kein Zug mehr. Unterwegs hatten wir eine Panne – auch das kommt vor. Und so bin ich erst jetzt hier angekommen, die Tür war aufgebrochen, das Schloß lag am Boden – es roch noch ganz leicht nach Gas... Und dann hörte ich Schritte in der Wohnung. ›Ist vielleicht‹, dachte ich bei mir selbst, ›jener sympathische Inspektor anwesend, dessen Bekanntschaft zu machen ich in Paris die Ehre und das Vergnügen hatte? Das wäre eine wahrhaft göttliche Fügung!‹ Es stimmte...«

Zuerst hatte Studer überhaupt nicht zugehört, sondern mehr dem Klange der Rede gelauscht und ihn mit dem Tonfall jener anderen Stimme verglichen, die ihn am Telephon ausgelacht hatte. Der Pater sprach ein ausgezeichnetes Hochdeutsch, nur hin und wieder, bei Worten wie »gedacht« und »leicht« klang das »ch« gaumig-schweizerisch... Die Stimme war eine richtige Kanzelstimme, tief, orgelnd, und sie paßte eigentlich nicht recht zu dem dürftigen Körper. Aber Stimmen kann man verstellen, nicht wahr? In der kleinen Pariser Beize hatte die Stimme etwas anders geklungen, ein wenig höher vielleicht. War die französische Sprache, die der Pater damals gebraucht hatte, an dieser Verschiedenheit schuld?

Studer bückte sich plötzlich und hob das Schloß vom Boden auf. Er betrachtete es aufmerksam, sah dann in die Höhe und seine Blicke suchten nach dem Gaszähler. Er war nicht in der Küche. Gerade über der Flurtür hockte er und sah genau so grün und feist und grimassierend aus wie sein Bruder in Basel...

Und der Hebel, der als Haupthahn funktionierte, stand schief. Er stand schief und bildete einen Winkel von fünfundvierzig Grad...

Studer betrachtete wieder das Schloß in seiner Hand. Da hörte er die Kanzelstimme sagen:

»Falls Sie eine Lupe brauchen sollten, Inspektor, so kann ich mit einer solchen dienen. Ich beschäftige mich nämlich mit Botanik und Geologie und trage darum immer ein Vergrößerungsglas in der Tasche...«

Der Wachtmeister blickte nicht auf, er hörte die Federn des Klubsessels ächzen, dann wurde ihm etwas in die Hand geschoben – er hielt das Glas vors Auge...

Kein Zweifel, rund um das Schlüsselloch waren graue Fäserchen zu sehen, besonders am vorstehenden, oberen Rand, so, als habe sich ein Schnürlein an der scharfen Kante gewetzt.

... Und der Haupthahn bildete einen Winkel von fünfundvierzig Grad!

Verrückt!... Angenommen, die alte Frau hatte ein Schlafmittel genommen und war darauf in ihrem ledernen Klubsessel eingenickt – wäre es da für den mutmaßlichen Mörder nicht einfacher gewesen, im Vorbeigehen den Haupthahn zu öffnen und sich dann still zu entfernen?... Wenn nämlich ein Mord vorlag...

Warum unnötig komplizieren? Eine Schnur am Haupthahn anbringen, sie oben über die Gasröhre führen, das Ende der Schnur durchs Schlüsselloch stecken und dann von außen ziehen, ziehen, bis die Schlinge vom eisernen Hebelschlüssel abrutschte und man die Schnur hinausziehen konnte?...

»Alte Frauen haben einen leisen Schlaf...«, sagte Pater Matthias. Lächelte er? Es war schwer festzustellen, trotz der spärlichen Schnurrbarthaare, die über seinen Mund fielen wie ein feingehäkelter Spitzenvorhang. Aber er hielt den Kopf gesenkt und ließ seine rote Mütze kreisen. Ein Sonnenstrahl fiel durchs Küchenfenster und um die Tonsur am Hinterkopf glitzerten die kurzen Haare wie Eis...

»Danke«, sagte Studer und gab die Lupe zurück. Der Pater ließ sie in seiner grundlosen Kuttentasche verschwinden, zog die Tabaksdose hervor, schnupfte ausgiebig und sagte dann:

»Damals, in Paris, als mir die Ehre zuteil wurde, Ihre Bekanntschaft zu machen, mußte ich so plötzlich aufbrechen, daß es mir versagt geblieben ist, Ihnen andere wichtige Details zu erzählen...« Stocken... »... über meinen Bruder, meinen zu Fez verstorbenen Bruder.«

»Wichtiges?« fragte Studer und hielt den angebrannten Strohhalm unter die Brissago.

»Wie man's nimmt.« Der Pater schwieg, spielte mit seiner Scheschia, schien plötzlich einen Entschluß gefaßt zu haben, denn er stand auf, die vertätschte Kappe ließ er auf dem Stuhl liegen und sagte:

»Ich werde Ihnen einen Kaffee brauen...«

»Mira...«, murmelte Studer. Er saß auf einem weißgescheuerten Küchenhockerli neben der Tür und hatte die Augen bis auf einen schmalen Spalt geschlossen. Nur die Verwunderung verbergen, dachte er, und besonders die Neugierde! Der Mann dort hatte es darauf abgesehen, ihn zu verwirren. Denn: Tatsache war, daß in dieser Küche vor nicht langer Zeit eine alte Frau ums Leben gekommen war. Aber der Pater schien nicht einen Augenblick an diese Tatsache zu denken, er nahm eine Pfanne, füllte sie am Wasserhahn, stellte sie auf einen Brenner. Dann scheuchte er den Wachtmeister von seinem Hockerli auf, bestieg den Schemel, um den Haupthahn ganz aufzudrehen, nun stand er senkrecht, kletterte herab und sagte zerstreut: »Wo mag wohl der Kaffee sein?«

Und Studer sah das Holzgestell über dem Gasréchaud in der Küche am Spalenberg und die Blechdosen mit der abgestoßenen Emailglasur: »Kaffee«, »Salz«, »Mehl«. Hier gab es nichts dergleichen. Im Küchenschaft ein roter Papiersack mit Kaffeepulver.

Ein leiser Knall – der Pater hatte die Flamme unter der Pfanne angezündet. Nun ging er mit weitausholenden Schritten in der Küche auf und ab, die Falten an seiner Kutte zersplitterten, formten sich wieder, und bisweilen, sekundenlang nur, traf den weißen Stoff ein Sonnenstrahl: dann leuchtete die Stelle wie ein frischgeprägter Silberling...

»Er hat es prophezeit, mein Hellseherkorporal«, sagte Pater Matthias. »Er hat es gewußt... Zuerst die in Basel, dann die in Bern. Und wir beide haben die beiden alten Frauen nicht mehr retten können. Ich nicht, weil ich jedesmal zu spät gekommen bin. Sie nicht, Inspektor, weil Sie ungläubig waren.«

Schweigen. Die Gasflamme schlug zurück, es pfiff sonderbar dumpf und höhnisch; Pater Matthias behob die Störung.

»Ich hatte den beiden Frauen geschrieben, sie möchten sich in acht nehmen, es drohe ihnen Gefahr. Ich habe Josepha in Basel besucht, gleich nach meiner Ankunft, das war vorgestern – vorgestern morgen. Am Abend wollte ich noch einmal zu ihr, aber es war spät geworden. Um elf Uhr läutete ich an ihrer Wohnung. Alles war dunkel, niemand öffnete mir.«

»Roch es nicht nach Gas?« fragte Studer und auch er sprach Schriftdeutsch.

»Nein.« Pater Matthias beschäftigte sich mit der Pfanne auf dem Herd. Er hatte dem Wachtmeister den Rücken zugekehrt. Das Wasser kochte. Pater Matthias schüttete das Kaffeepulver darein, ließ die Mischung aufkochen, drehte das Gas ab und schüttete mit einer Kelle ein wenig kaltes Wasser in die Brühe. Dann nahm er Tassen aus dem Schaft, murmelte: »Wo hat die alte Frau ihren Schnaps verwahrt? Wo? – Im untern Küchenschrank! – Wollen Sie wetten, Inspektor, daß er im untern Küchenschrank steht?... Sehen Sie!«

Er füllte die Tassen, tat geschäftig mit: »Bleiben Sie nur sitzen! Lassen Sie sich nicht stören!« Und brachte den Kaffee, den er tapfer mit Kirsch verdünnt hatte, dem Wachtmeister. Es war gespenstisch, fand Studer, das Kaffeetrinken um zehn Uhr morgens in der leeren Wohnung. Es kam ihm vor, als hocke die alte Frau, deren Gesichtszüge ihm unbekannt waren, in dem ledernen Klubsessel und sage: »Servieret-ech ungscheniert, Wachtmeischter, aber denn suechet myn Mörder!«

Und es war wie ein Weiterspinnen dieser Vision, als Studer fragte:

»Wie sah sie eigentlich aus, die Sophie Hornuss?«

Pater Matthias, der wieder seine Wanderung durch die Küche aufgenommen hatte, blieb stehen. Seine Hand fuhr in die unergründliche Tasche seiner Kutte und brachte ein kleines Ding aus rotem Leder zum Vorschein, das wie ein Taschenspiegel aussah. Aber statt des Spiegels sah man beim Aufklappen zwei Photographien.

Studer betrachtete die Bilder. Das eine stellte die Josepha dar: denn nicht zu verkennen war die Warze neben dem linken Nasenflügel. Nur war das Bild aufgenommen worden, als die Frau noch jung war. Viel Güte lag um den Mund, um die Augen...

Das andere Bild – Studer wußte gar nicht, daß er sich räusperte, daß er auf die Photographie starrte und starrte...

Die Augen vor allem: verschlagene, stechende Augen. Ein schmaler Mund – nur ein Strich waren die Lippen in dem jugendlichen Gesicht. Jugendlich? Warum nicht gar! Gewiß, die Photographie stellte eine Frau dar, Mitte der Zwanzigerjahre, aber es war eines jener Gesichter, die nie altern – oder nie jung sind. Beides war richtig. Und noch etwas ließ sich aus dem Bild begreifen: daß der Schweizer Geologe Cleman Alois Victor die Scheidung verlangt hatte. Mit solch einer Frau war nicht gut zusammenspannen!... – Eine hochgeschlossene Bluse, ein Stehkragen mit Stäbli, der das spitze Kinn trug... Und Studer konnte es nicht verhindern, daß ihm ein Frösteln über den Rücken lief...

Die Augen! Sie waren geladen mit Hohn, mit höhnischem Wissen. Sie schrieen es dem Beschauer entgegen: »Ich weiß, ich weiß viel! Aber ich sage nichts!«

Was wußte die Frau?

»Wann hat sich Ihr Bruder scheiden lassen?« fragte Studer und seine Stimme war ein wenig heiser.

»1908. Und im nächsten Jahr heiratete er wieder. 1910 wurde Marie geboren...«

»Und 1917 ist Ihr Bruder gestorben?«

»Ja.«

Pause.

Pater Matthias blieb stehen, blickte zu Boden – und dann begann er seine Wanderung aufs neue.

»Es ist da eine Merkwürdigkeit, die ich vergessen habe, ihnen mitzuteilen. Mein Hellseherkorporal Collani hat sich 1920 in Oran anwerben lassen – schon das ist sonderbar, daß er auf afrikanischem Boden engagiert hat – und während des großen Krieges soll er sich, Angaben zufolge, die bei seinen Personalakten lagen, als Krankenpfleger in Marokko betätigt haben – in Fez. In Fez ist mein Bruder gestorben, das wissen Sie wohl, Inspektor. Ich war damals auch im Land, ich zog in der Gegend von Rabat herum und wußte nichts davon, daß Victor im Sterben lag...«

Er gibt also zu, im Lande gewesen zu sein, dachte Studer. Auch er trägt einen Bart. Gekräuselt kann man ihn zwar nicht nennen, es ist ein Schneiderbart. Aber eine Ähnlichkeit mit der Photographie über dem Bette der Sophie ist unverkennbar – wie komm' ich nur auf so verrückte Gedanken? Der Geologe und der Pater ein und dieselbe Person? – Er starrte wieder auf die beiden Frauenbilder, die auf seinem Knie lagen.

»Nicht einmal zum Leichenbegängnis meines Bruders habe ich kommen können... Als ich nach einem Monat Fez erreichte, war Victor schon unter der Erde. Nicht einmal sein Grab habe ich besuchen können. Man hatte ihn ins Massengrab geworfen, sagte man mir, eine Blatternepidemie wütete damals gerade...«

Studer zog sein Ringbuch, um dem Absatz über »Cleman Alois Victor« einen Nachtrag zu geben – da flatterte ein zusammengefaltetes Blatt Papier zu Boden. Der Pater war flinker, er hob es auf und gab es dem Wachtmeister zurück – einen kurzen Augenblick behielt er es in der Hand und betrachtete es aufmerksam... »Danke«, sagte Studer und beobachtete zwischen den Wimpern den Weißen Vater. Er trug, gerade jetzt, seinen Namen nicht mit vollem Recht. Denn seine Gesichtshaut, von der Sonne gebräunt, war grau gefleckt. Und der Wachtmeister hätte jede Wette eingegangen, daß der Mann mit dem Schneiderbärtchen bleich geworden war...

Warum? Studer steckte das gefaltete Blatt scheinbar achtlos in seine Busentasche. Wie dick sich das Papier anfühlte! Das war ihm in Basel nicht aufgefallen, als er vor der Nase des rosigen Sanitätspolizisten die Fieberkurve kaltblütig eingesackt hatte...

Pater Matthias hatte also die Fieberkurve wiedererkannt? Wo hatte er sie gesehen? Bei seinem »Hellseherkorporal«?

Und zum ersten Male stieg in Wachtmeister Studer die Vermutung auf, daß die Geschichte vom Hellseherkorporal, die er als Märchen abgetan hatte, eine Bedeutung haben könne – keine okkulte, keine metaphysische, keine hellseherische, nein! Die Geschichte vom Hellseherkorporal mußte man werten wie einen scheinbar dummen Schachzug, den ein kluger Gegner gemacht hat. Man tut den Zug mit einem Achselzucken ab – aber siehe da: nach sechs, sieben Zügen merkt man, daß man in eine Falle geraten ist...

Es empfahl sich, alles, was mit dieser Hellsehergeschichte zusammenhing, genau und sorgfältig zu prüfen. Das würde schwierig sein, von hier, von Bern aus. Aber wozu hatte man gute Bekannte in Paris? Madelin, den Divisionskommissär, der von einem Dutzend Inspektoren »Patron« genannt wurde? Wozu hatte man Godofreys, des wandelnden Lexikons, Bekanntschaft gemacht? Zwar auf ein Erblassen allein ließ sich keine Theorie aufbauen. Überhaupt Theorien! Zuerst und vor allem hatte man sich in die g'spässigen Verhältnisse der Familie Cleman einzuleben. Ja! Einzuleben! Dann konnte man weiter sehen.

Und Studer schrieb unter den Absatz, der von Cleman, Victor Alois, handelte, das Wort: »Massengrab« und unterstrich es doppelt.

Der Pater stand am Fenster und blickte in den Hof.

»Eine Blatternepidemie«, sagte er. »Ich verlangte, die Krankengeschichte meines Bruders zu sehen. Alle Krankengeschichten des Jahres 1917 waren vorhanden, selbst die eines namenlosen Negerleins, auf dessen Blatte stand: ›Mulatte, fünfjährig, eingeliefert – Exitus –.‹ Die Krankengeschichte meines Bruders fehlte. Jawohl Inspektor, sie fehlte. ›Wir wissen nicht...‹ ›Wir bedauern...‹ Drei Monate nach seinem Tod war die Krankengeschichte nicht mehr zu finden...

Unwahrscheinlich, nicht wahr?

Und vierzehn Jahre später sagt mir ein hellseherisch veranlagtes Individuum, nachdem ich es aus der Trance geweckt hatte: ›Der Tote wird die Frauen in den Tod holen. Er will Rache nehmen. Der Tote wird die Frauen in den Tod holen...‹ Dies wiederholt der Hellseherkorporal, dann beschreibt er meinen Bruder, seinen gekräuselten Bart, seine Brille... Ich weiß, Sie können sich nicht vorstellen, wie das auf mich gewirkt hat, dazu müßten Sie Géryville kennen. Sie müßten mein Zimmer gesehen haben, angefüllt mit grüner Abenddämmerung, das Städtchen rund um mein Haus, den Bled... Bled – das heißt Land auf arabisch. Aber man braucht das Wort auch für die Ebenen, die endlosen, auf denen das dürre Alfagras wächst; nie ist es saftig, es wächst schon als Heu... Und still ist es auf dem Hochplateau! Still!... Ich bin die Stille gewohnt; denn ich habe lange genug in der großen Stummheit der Wüste gelebt... Aber Géryville ist anders. In der Nähe des Städtchens liegt das Grabmal eines Heiligen, eines Marabut, die Hirtenstämme wallfahren zu ihm – schweigend. Sogar die Rufe der Hörner, wenn in der Kaserne die Wache aufzieht, schluckt die große Stille.

Die Trommeln dröhnen nicht, sie murmeln nur dumpf unter den Schlegeln... Und nun stellen Sie sich vor, in meinem grünlich erleuchteten Zimmer beschreibt ein unbekannter Mensch meinen Bruder, spricht mit seiner Stimme...« Pater Matthias ließ das letzte Wort ausklingen. Plötzlich wandte er sich um – drei weitausholende Schritte – und er stand vor dem Wachtmeister. Dringend fragte er und sein Atem ging schwer:

»Was glauben Sie, Inspektor? Meinen Sie, mein Bruder sei noch am Leben? Glauben Sie, er stecke hinter diesen beiden düsteren Mordfällen – denn daß es sich um Morde handelt, werden auch Sie nicht mehr leugnen wollen. Sagen Sie mir ehrlich, was denken Sie?«

Studer saß da und hatte die Unterarme auf die Schenkel gelegt, die Hände gefaltet. Seine Gestalt wirkte massig, schwer und hart wie einer jener Felsblöcke, die man auf Alpwiesen sieht.

»Gar nüt!«

Nach dem langen Redeschwall des Paters wirkten die beiden Worte, gesprochen wie ein einziges, als Punkt.

Und dann stand der Wachtmeister auf. Er hielt seine leere Kaffeetasse in der Hand und ging zum Schüttstein, um sie dort abzustellen. Da packte ihn ein Hustenanfall, der in der kleinen Küche so laut tönte, als habe man in ihr einen Rudel Dorfköter losgelassen. Studer zog sein Nastuch – aber dem Schüttstein hatte er den Rücken zugewandt – und als er das weiße Tuch wieder in der Seitentasche seines Raglan verschwinden ließ, enthielt es einen harten Gegenstand.

Es enthielt die Tasse, auf deren Grund er einen mit Somnifen vermischten Kaffeerest festgestellt hatte. Aber die Tasse – war ausgespült worden...

Von wem? Das Inspizieren der Wohnung hatte kaum zehn Minuten gedauert – und hernach saß Pater Matthias im Klubsessel und spielte das Scheschiaspiel...

Zehn Minuten... Zeit genug, um eine Tasse auszuspülen.

Aber vielleicht ließen sich auf der Tasse Fingerabdrücke feststellen?...

»Geht's besser, Inspektor?« fragte Pater Matthias. »Sie sollten etwas gegen Ihren Husten tun!«

Studer nickte; sein Gesicht war rot und in seinen Augen glitzerten Tränen. Er winkte ab, schien etwas sagen zu wollen, aber das erwies sich als unnötig, denn es klopfte an der Wohnungstür...


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