Die Fieberkurve
Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die erste Frau

Bald nach Olten begann es zu schneien. Studer saß im Speisewagen und sah durch die Scheiben. Die Hügel, die vorbeiglitten, waren weich hinter dem weißen Vorhang, der so regelmäßig-ununterbrochen fiel, daß er bewegungslos schien...

Vor dem Wachtmeister stand blaues Kaffeegeschirr und daneben in Reichweite eine Karaffe mit Kirsch. Studer wandte die Blicke vom Fenster ab und dem neuen Ringbuch zu, das aufgeschlagen vor ihm lag. Er hielt den Bleistift zwischen Zeige- und Mittelfinger und schrieb in seiner winzigen Schrift, deren Buchstaben selbständig nebeneinander standen, wie beim Griechischen:

»Cleman-Hornuss Josepha, Witwe, 55 Jahre alt. Gasvergiftung. Selbstmord? Dagegen sprechen: schiefe Stellung des Haupthahns am Gasmesser. Fehlen der Schlüssel zur Wohnungstür und zum Gartentor, aufgesprengte Schublade am Schreibtisch... Und der Telephonanruf.«

Der Telephonanruf! Studer auf seinem Platz im Speisewagen des Schnellzuges Basel-Bern hörte die Stimme wieder – und wie damals im Wohnraum der Witwe Cleman-Hornuss kam sie ihm bekannt vor. Sie erinnerte ihn an eine andere Stimme, die er vor wenigen Tagen gehört hatte, in einer kleinen Beize bei den Pariser Markthallen – das heißt der Ton der Stimme war der gleiche, die Stimmlage ähnlich...

Und betrunken hatte die Stimme getönt. Atemlos, wie bei einem Mann, der hintereinander ein paar Gläser Kognak hinuntergeschüttet hat. Erste Frage: Was hatte dieser Betrunkene mit seinem Anruf bezweckt? Und die zweite: Wo hatte sich Pater Matthias vom Orden der Weißen Väter in dieser Zeit aufgehalten? In welcher Kirche hatte er seine Morgenmesse gelesen? In jener Zementkirche, die von den Baslern das »Seelensilo« getauft worden war?

Studer starrte gedankenverloren zum Fenster hinaus, streckte die Hand aus, erwischte statt des Kaffeekännlis die Karaffe mit dem Kirsch, goß seine Tasse voll, führte sie zum Mund und merkte den Irrtum erst, als er die Tasse schon geleert hatte. Er sah auf, begegnete dem Grinsen des Kellners, grinste freundlich zurück, zuckte mit den Achseln, hob die Karaffe noch einmal, z'Trotz, leerte den Rest des Schnapses in seine Tasse und begann eifrig zu schreiben.

»Cleman Alois Victor. Geologe im Dienste der Gebrüder Mannesmann. Schürfungen nach Blei, Silber, Kupfer. Seine Brotherren werden 1915 in Casablanca standrechtlich erschossen, weil sie einigen Deutschen zur Desertation aus der Fremdenlegion verholfen haben. Cleman als Denunziant! Cleman kehrt 1916 nach der Schweiz zurück, reist aber im gleichen Jahre im Auftrag der französischen Regierung wieder nach Marokko. Inspiziert die von den Gebrüdern Mannesmann im Süden des Landes erstellten Bleiöfen. Wird im Juli 1917 schwer erkrankt mit einem Flugzeug nach Fez gebracht. Stirbt nach Aussagen der Tochter, die sich auf ein unauffindbares Telegramm stützen, am 20.Juli alldort. Hinterläßt geringe Erbschaft. War zweimal verheiratet. Erste Frau lebt in Bern, siehe Angaben des Paters. Scheint Vermögen zu besitzen. Ist Schwester der in Basel verstorbenen Josepha Cleman.«

... Herzogenbuchsee... Es hatte aufgehört zu schneien. Die trockene Hitze im Wagen machte schläfrig und Studer träumte vor sich hin...

Fremdenlegion! Marokko! Die Sehnsucht nach den fernen Ländern und ihrer Buntheit, die, schüchtern nur, sich gemeldet hatte, damals, bei Pater Matthias' Erzählung, sie wuchs in Studers Brust. Ja, in der Brust! Es war ein sonderbar ziehendes Gefühl, die unbekannten Welten lockten und Bilder stiegen auf – ganz wach träumte man sie. Unendlich breit war die Wüste, Kamele trabten durch ihren goldgelben Sand, Menschen, braunhäutige, in wallenden Gewändern, schritten majestätisch durch blendendweiße Städte. Von einer Räuberbande wurde Marie geraubt – wie gelangte Marie plötzlich in den Traum? – sie wurde geraubt und man durfte sie befreien. »Danke, Vetter Jakob!« sagte sie. Das war Glück! Das war etwas anderes als das ewige Rapportschreiben im Amtshaus z'Bärn, im kleinen Bureau, das nach Staub und Bodenöl roch... Dort unten gab es andere Gerüche – fremde, unbekannte. Und in des Wachtmeisters Kopf stiegen Erinnerungen auf: an das »Hohe Lied Salomonis«, an die Märchen aus Tausendundeiner Nacht...

Vielleicht, vielleicht war dies wirklich der große Fall...

Vielleicht, vielleicht wurde man offiziös nach Marokko entsandt...

Auf alle Fälle empfahl es sich, gleich morgen zu frühester Stunde in die Gerechtigkeitsgasse Nr. 44 zu gehen, um die geschiedene Frau des Geologen auszufragen...

... Burgdorf... Studer leerte den Rest des kalten Kaffees in seine Tasse, trank das Gemisch, fand seinen Geschmack abscheulich und rief: »Zahlen!« Der Kellner grinste wieder vertraulich. Aber Studer war es nicht mehr ums Lachen zu tun. Er konnte Marie nicht vergessen, die mit dem Sekretär Koller nach Paris gereist war, – Pelzjackett, seidene Strümpfe, Wildlederschuhe! – Es war nicht zu leugnen, daß er Marie liebgewonnen hatte... Es war ihm, als habe er eine Tochter wiedergefunden. Denn seine Tochter hatte vor einem Jahr einen Landjäger aus dem Thurgau geheiratet – nun war sie Mutter, und dem Wachtmeister war es, als habe er sie endgültig verloren. All diese unklaren Empfindungen waren wohl schuld, daß er dem vertraulichen Kellner nur zwanzig Rappen Trinkgeld gab.

Seine Laune besserte sich auch nicht, als er in Bern ausstieg. Die Wohnung auf dem Kirchenfeld war leer – Studer hatte keine Lust, den Ofen zu heizen. Er ging ins Café, um dort Billard zu spielen, besuchte hernach ein Kino und ärgerte sich über den Film... Später trank er irgendwo ein paar große Helle, aber auch die bekamen ihm nicht. So legte er sich denn gegen elf Uhr mit einem zünftigen Kopfweh zu Bett. Er konnte lange nicht einschlafen.

Die alte Frau mit der Warze neben dem linken Nasenflügel, die so ruhig und gelöst in ihrem grünen Lehnstuhl saß, neben dem zweiflammigen Gasréchaud, kam in der Dunkelheit zu Besuch... Marie tauchte auf, verschwand. Dann war der Silvesterabend da, Kommissär Madelin und das Lexikon Godofrey... Besonders dieser Godofrey, der mit seiner Hornbrille einer noch nicht flüggen Eule glich, ließ sich nicht vertreiben... »Pour madame!« sagte Godofrey und reichte eine Gansleberterrine durchs Waggonfenster... Aber da wurde die Terrine riesig groß, grün und fest und grimassierend hockte sie oben auf einem Wandbrett und war ein Gaszähler – ein Kopf war dieser verdammte Gaszähler, ein Traumungetüm, das mit seinem einzigen Arm signalisierte... Senkrecht, waagrecht, schief stand der Arm... Marie ging mit dem Pater Matthias Arm in Arm – aber es war nicht Pater Matthias, sondern der Sekretär Koller, der aussah wie des Wachtmeisters Doppelgänger...

Im Halbschlaf hörte sich Studer laut sagen:

»Das isch einewäg Chabis!«

Seine Stimme dröhnte durch die leere Wohnung, verzweifelt tastete Studer das Bett neben dem seinen ab. Aber das Hedy war noch immer im Thurgau, um das neue Jakobli zu pflegen... Ächzend zog er den Arm zurück, denn ihn fror. Und dann schlief er plötzlich ein...

– Ob es in Paris schön gewesen sei, fragte am nächsten Morgen um neun Uhr Fahnderkorporal Murmann, der mit Studer das Bureau teilte. Der Wachtmeister war noch immer schlechter Laune; er grunzte etwas Unverständliches und bearbeitete weiter die Tasten seiner Schreibmaschine. Im Raume roch es nach kaltem Rauch, Staub und Bodenöl. Vor den Fenstern pfiff die Bise, und der Dampf knackte in den Heizkörpern.

Murmann setzte sich seinem Freunde Studer gegenüber, zog den »Bund« aus der Tasche und begann zu lesen. Seine mächtigen Armmuskeln hatten die Ärmel seiner Kutte aus der Façon gebracht.

»Köbu!« rief er nach einer Weile. »Los einisch!«

»Jaaa«, sagte Studer ungeduldig. Er mußte einen Rapport über einen vor undenklichen Zeiten passierten Mansardendiebstahl schreiben, den der Untersuchungsrichter I mit viel Geschrei am Telephon verlangt hatte.

»In Basel«, fuhr Murmann gemütlich fort, »hat sich eine mit Gas vergiftet...«

– Das wisse er schon lange, sagte Studer gereizt.

Murmann ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.

– Selbstmord mit Gas sei ansteckend, meinte er. Heut' morgen habe man ihn um sechs Uhr in die Gerechtigkeitsgasse geholt, sie hätten gegenwärtig keine Leute auf der Stadtpolizei, alles sei noch in den Ferien... Ja... Und in der Gerechtigkeitsgasse habe sich auch eine Frau mit Gas vergiftet.

»In der Gerechtigkeitsgasse? Welche Nummer?« fragte Studer.

»Vierevierzig«, murmelte Murmann, kaute an seinem Stumpen, kratzte sich den Nacken, schüttelte den »Bund« zurecht und las den Leitartikel weiter.

Plötzlich schrak er auf, ein Stuhl war umgefallen. Studer beugte sich über den Tisch, sein Atem ging schwer. – Wie die Frau heiße?... Sein sonst bleiches Gesicht war gerötet.

»Köbu«, meinte Murmann gemütlich, »hescht Stimme?«

Nein, Studer hatte keine Gehörshalluzinationen, er verwahrte sich mit heftigem Kopfschütteln gegen derartige Zumutungen, aber er wollte den Namen der Toten wissen.

»E G'schydni, e Charteschlägere...« sagte Murmann. »Hornuss, Hornuss Sophie«, und betonte den Vornamen auf der ersten Silbe. Die Leiche sei schon im Gerichtsmedizinischen...

»So«, sagte Studer nur, klapperte noch einen Satz, riß den Bogen von der Walze, malte seine Unterschrift, ging zum Kleiderhaken, zog den Raglan an und schmetterte die Türe hinter sich ins Schloß...

»Ja, ja, der Köbu!« nickte Murmann und zündete den Stumpen wieder an; dann las er schmunzelnd den Leitartikel zu Ende, der vom Anwachsen der roten Gefahr handelte. Denn Murmann war freisinnig und glaubte an diese Gefahr...

Gerechtigkeitsgasse 44. Neben der Haustür das Schild einer Tanzschule. Hölzerne Stiegen. Sehr sauber, nicht wie in jenem anderen Haus – am Spalenberg. Im dritten Stock, auf einer gelb gestrichenen Tür, die offenstand, eine Visitenkarte:

Sophie Hornuss

Diese Frau war also nicht von Beruf Witwe gewesen! Studer trat ein.

Auf dem Boden lag das Schloß, das beim Aufsprengen der Tür herabgefallen war.

Stille...

Das Vorzimmer geräumig und dunkel. Links ging eine Glastüre in die Küche. Studer schnupperte: auch hier wieder der Gasgeruch. Das Küchenfenster stand offen, die Lampe, die von der Decke hing, trug über dem Porzellanschirm ein Stück quadratischen Seidenstoffes von violetter Farbe, an dessen Ecken braune Holzkugeln hingen. Sie pendelte hin und her.

Nahe dem Fenster ein solider Gasherd mit vier Brennern, Backröhre, Grill. Und neben dem Gasherd ein bequemer lederner Klubsessel, der sich merkwürdig genug in der Küche ausnahm. Wer hatte ihn aus dem Wohnzimmer in die Küche geschleppt? Die alte Frau?

Auf dem mit Wachstuch überzogenen Küchentisch lagen Spielkarten, vier Reihen zu acht Karten. Die erste Karte der obersten Reihe war der Schaufelbauer, der Pique-Bube.

Studer hatte die Hände auf den Rücken gelegt und ging in der Küche auf und ab, öffnete den Schaft, schloß ihn wieder, nahm eine Pfanne von der Wand, lupfte einen Deckel...

Im Schüttstein stand eine Tasse mit schwarzem Satz auf dem Grunde... Studer roch daran: ein schwacher Anisgeruch. Er kostete.

Der bittere Nachgeschmack, der lange an der Zunge haftete... Der Geruch! – Es war ein Zufall, daß Studer beides kannte. Vor zwei Jahren hatte ihm der Arzt gegen Schlaflosigkeit Somnifen verschrieben.

Somnifen!... Der gallenbittere Geschmack, der Anisgeruch... Hatte die alte Frau auch an Schlaflosigkeit gelitten?

Aber warum, zum Tüüfu, hatte sie ein Schlafmittel genommen, hernach einen Klubfauteuil in die Küche geschleppt und schließlich die Hähne des Gasherdes aufgedreht? Warum?

Eine tote Frau in Basel, eine tote Frau in Bern... Als Verbindungsglied zwischen den beiden der Mann: Cleman Alois Victor, Geologe und Schweizer, gestorben im Militärhospital zu Fez während des Weltkrieges. Warum begingen die beiden Frauen des Mannes Cleman fünfzehn Jahre später Selbstmord? Die eine heute, die andere gestern? Begingen Selbstmord auf eine, gelinde gesagt, merkwürdige Manier?

War dies vielleicht der »Große Fall«, von dem jeder Kriminalist träumt, auch wenn er nur ein einfacher Fahnder ist?

»Einfach!«... Das Wort paßte eigentlich nicht auf den Wachtmeister. Wäre Studer »einfach« gewesen, so hätten seine Kollegen, vom Polizeihauptmann bis zum simplen Gefreiten, nicht behauptet, er »spinne mängisch«.

An dieser Behauptung war zum Teil die große Bankgeschichte schuld, die ihm das Genick gebrochen hatte, damals, als er wohlbestallter Kommissär bei der Stadtpolizei gewesen war. Er hatte den Abschied nehmen und bei der Kantonspolizei als einfacher Fahnder wieder anfangen müssen. In kurzer Zeit war er zum Wachtmeister aufgestiegen; denn er sprach fließend drei Sprachen: Französisch, Italienisch, Deutsch. Er las Englisch. Er hatte bei Groß in Graz und bei Locard in Lyon gearbeitet. Er besaß gute Bekannte in Berlin, London, Wien – vor allem in Paris. An kriminologische Kongresse wurde gewöhnlich er delegiert. Wenn seine Kollegen behaupteten, er spinne, so meinten sie vielleicht damit, daß er für einen Berner allzuviel Phantasie besaß. Aber auch dies stimmte nicht ganz. Er sah vielleicht nur etwas weiter als seine Nase, die lang, spitz und dünn aus seinem hageren Gesicht stach und so gar nicht zu seinem massiven Körper passen wollte.

Studer erinnerte sich, daß er einen Assistenten am Gerichtsmedizinischen von einem früheren Fall her kannte. Er ging durch die Wohnung und suchte das Telephon. Im Wohnzimmer – rote Plüschfauteuils mit Deckchen, verschnörkelter Tisch, Säulchenschreibtisch – war das Telephon an der Wand angebracht.

Studer hob den Hörer ab, stellte die Nummer ein.

»Ich möchte Dr. Malapelle sprechen... Ja?... Sind Sie's, Dottore? Haben Sie die Sektion schon gemacht?... Jawohl, von der Gasleiche, wie Sie sagen... Senti, Dottore!...« Und Studer sprach weiter Italienisch, erzählte von seinem Verdacht auf Somnifen... Der Arzt versprach das Protokoll auf den Nachmittag.

Dann blätterte der Wachtmeister weiter im Telephonbuch. Nein, hier war keine Fiebertabelle versteckt. Das Zimmer sah nicht aus, als sei es durchsucht worden. Studer probierte die Schubladen am Schreibtisch, sie waren verschlossen.

Das Schlafzimmer... Ein riesiges Bett darin und vor dem einzigen Fenster rote Plüschvorhänge. Sie verdunkelten den Raum. Studer zog die Vorhänge auf.

Über dem Bett hing das Bild eines Mannes.

In Bern eine einsame Frau, in Basel eine einsame Frau. – Die Frau in Bern hatte es ein wenig schöner gehabt, Zweizimmerwohnung mit Küche, während die Josepha in Basel den Durchgangskorridor zum Wohn- und Schlafzimmer als Küche benutzt hatte. Aber einsam waren sie beide gewesen. Studer ertappte sich darauf, die alten Frauen bei ihrem Vornamen zu nennen. Die Josepha in Basel und die Sophie in Bern, beide schlurften in Finken in ihren Wohnungen herum, wahrscheinlich gingen sie auch in Finken über die Straße »go poschte«...

Merkwürdig, daß in der Wohnung der Josepha in Basel kein Bild des verstorbenen Geologen hing. Josepha war doch die rechtmäßige Gattin gewesen, während die Sophie nur eine »G'schydni« war...

Aber über dem Bett der Geschiedenen hing, mit dicken Holzleisten eingerahmt, die vergrößerte Photographie des Cleman Alois Victor. Denn nur um diesen konnte es sich handeln.

Er trug auf dem Bilde einen dunklen, gekräuselten Bart, der den hohen Westenausschnitt so vollständig verdeckte, daß die Form der Krawatte nicht festzustellen war. Ein Bart! Zeichen der Männlichkeit vor dem Krieg!

Der Bart mußte dem Geologen und Schweizer heiß gegeben haben, dort unten in Marokko, beim Silber-, Blei- und Kupferschürfen!... Dazu trug der Mann eine Brille, deren ovale Gläser die Augen verbargen. Verbargen? Es war nicht das richtige Wort!... Sie ließen nur den Blick sonderbar matt und unbeteiligt erscheinen – unpersönlich. Und dadurch wurde auch das ganze Gesicht ausdruckslos.

Ein schöner Mann! Wenigstens das, was man in jenen vorsintflutlichen Zeiten unter einem schönen Mann verstanden hatte...

Studer starrte auf das Bild; er schien zu hoffen, daß ihm der Ehemann von zwei Frauen etwas erzählen werde. Aber der weitgereiste Geologe blickte so gleichgültig drein, wie nur ein Wissenschaftler gleichgültig dreinblicken kann. Und der Wachtmeister kehrte ihm endlich verärgert den Rücken zu.

Als er wieder die Küche betrat, war der lederne Klubsessel nicht mehr leer.

Ein Mann saß darin, der ein merkwürdiges Spiel spielte: er hatte seine Mütze, die aussah wie ein vom Töpfer verpfuschter Blumentopf, über den Zeigefinger seiner Rechten gestülpt. Mit seiner Linken gab er dem vertätschten Gebilde kleine Stöße und brachte es zu einem langsamen Kreisen.

Der Mann, der eine weiße Kutte trug, blickte auf:

»Bonjour, inspecteur!« sagte er. Und dann fügte er in einem fremdländisch klingenden Schweizerdeutsch hinzu: »Es guets Neus!«

»Glychfalls!« antwortete Studer, blieb unter der Tür stehen und lehnte sich an den Pfosten.


 << zurück weiter >>