Adolf Glaßbrenner
Bilder und Träume aus Wien
Adolf Glaßbrenner

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Dritter Traum.

Es war Nacht, finstere Nacht. Ich ging gedankenvoll durch eine hohe Burg; um die hohe Burg kreisten Adler und Eulen.

Die Riegel sprangen vor mir auf, ich schaute in alle Gemächer. Überall herrschte Totenstille; nur in der Küche war es noch lebendig:

Die Töpfe und die Schüsseln kannegiesserten, die Mehlspeisen fluchten über England und Frankreich, die Bratenreste sprachen von Pension.

Und am Ende des finsteren Ganges stand eine weiße Gestalt, die erhob ihre Hand und winkte mir, ihr zu folgen.

Und als sie sich bewegte, hörte ich Kettengerassel, und es schauerte mir durch die Glieder wie ein kalter Wind.

Und jedes Haar sträubte sich vor Entsetzen, denn der Geist stand still, holte aus tiefer Brust Atem und seufzte wie ein Sterbender.

Und ich sah eine große Bühne, auf welcher die Bildsäulen Schillers, Shakespeares und Goethes standen, und hörte folgende Worte:

Schiller.

Nein, länger trag' ich nicht die Schmach! Es ruft
Der Gott in mir mich selbst zur Rache auf!
Welch' Staubgeborener steht so hoch, daß er
Die frevle Hand an mich zu legen wagte
Nicht zitternd vor dem Fluch des Genius,
Der mich begeistert für mein deutsches Volk?
Wo schläft dies Volk, für das ich sang? Hab' ich
Den Tell erweckt, den kräft'gen Sohn der Schweiz,
Den freien Mann auf seinen freien Bergen,
Daß er vermodre in der Gruft? Rief ich
Den Wallenstein, daß jeder glatte Wurm
Der Politik an seinem Leichnam zehre?

Goethe.

      Mein Freund, du mußt die Zeiten nehmen wie sie sind;
Man kann im Winter keine Rosen brechen!
Ist jetzt der treue Kettenhund noch blind,
Den du das Volk genannt, und schläft in Ruh,
So braucht man wohl ein Säkulum dazu,
Zu wecken ihn und seinen Star zu stechen!
Zu schnelles Licht tut nicht dem Auge wohl,
Man muß erst mit der Sonne kokettieren;
Kurz, klingt es dir prosaisch auch und hohl:
Der Mensch muß niemals die Geduld verlieren!

Shakespeare (hält sich die Nase zu). Wundert Euch nicht, daß ich mir die Nase zuhalte. Ich hätte mir gern die Ohren zugehalten, wenn's nicht zu auffallend wäre. Riecht Ihr nichts?

Goethe. Nein!

Shakespeare. Es stinkt hier nach einem Minister! (zu Goethe) Sagt mir doch, guter Freund, könnt Ihr pfeifen?

Goethe. O ja!

Shakespeare. So pfeift einmal!

Goethe. Aber wozu?

Shakespeare. Ich bitt' Euch, pfeift!

Goethe (pfeift.)

Shakespeare. Noch ein Mal!

Goethe (pfeift wieder).

Shakespeare. Nun noch ein Mal!

Goethe (pfeift wieder).

Shakespeare. Nun noch einmal!

Goethe (unwillig). Aber ich dächte, ich hätte nun genug gepfiffen. Kommt zur Pointe!

Shakespeare. Ich bitt' Euch, pfeift noch ein einziges Mal!

Goethe (pfeift) .

Shakespeare. Nun noch ein Mal!

Goethe (zornig). Daß ich ein Narr wäre, oder Ihr mich dazu machen könntet! Ich pfeife nicht mehr!

Shakespeare. Da habt Ihr den Menschen, der niemals die Geduld verlieren muß! Ich hätt' Euch pfeifen lassen, so lange Kraft in Euch gewesen, den Mund zu spitzen.«

Hier, wo der Traum interessant werden konnte, erwachte ich.

[...]


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