Adolf Glaßbrenner
Bilder und Träume aus Wien
Adolf Glaßbrenner

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Der Prater.

Wann die Bäume ihren Wintertraum aus den Zweigen geschüttelt haben, und die Erde ihr grünes, blumiges Kleid anzieht; wann die Nachtigall wieder singt und die Bäche wieder murmeln, die Rosen wieder blühen und die Schmetterlinge wieder flattern; dann schütteln auch die Wiener ihren Wintertraum aus den Gliedern, ziehen ihr grünes Kleid der Hoffnung, das blumige der Freude an, die Schmetterlinge unter ihnen flattern wieder um die Rosen herum und küssen ihren Blütenstaub, sie singen und lachen und jubeln und kosen, denn es ist wieder Frühling, der liebe Gott ist wieder da, unser Vater im Himmel und auf der Erde!

Kommt hinaus nach dem Prater! Ich will mitten unter euerm Jubel stehen und mich freuen, weil ich fröhliche Menschen, weil ich Menschen um mich habe! Nehmt eure Kinder mit, aber laßt die Tränen zu Hause! Wäre ich der Fürst Metternich, ich verbände euch mit allen Völkern der Erde, schenkte euch Freiheit des Gedankens, zeigte den bösen Pfaffen, wo der Zimmermann das Loch gelassen hat, und ließ neue Weisen predigen! Und wäre ich der liebe Gott, es sähe schon lange anders in eurem schönen Lande aus!

Kommt hinaus nach dem Prater! Es ist heute Sonntag; der Amboß schweigt und die Hämmer ruhen; das summende, schnurrende Rad der Industrie steht still; alles Treiben hört auf und das Leben beginnt. Der Schuster wirft die Stiefeln beiseite und macht sich auf die Strümpfe, seine Frau aber zieht den Kindern die bunten Kleider an, setzt die neue Haube mit den rosenroten Schleifen auf, und legt aus zärtlicher Fürsorge zwei Zwanzigkreuzerstücke in die leere Hauskasse, damit morgen der Mittagstisch nicht ungedeckt bleibe. Der Schneider steckt die Nadel in das Kissen, sich selbst in die enganschließenden Kleider, und hüpft wohlgemut zur harrenden Geliebten-, die Köchin und das Stubenmädel schnüren sich Taille; der Kavalier setzt sich auf das hohe Pferd; der Beamte spritzt die pedantische Feder aus und steigt in einen Fiaker; der Bäcker knetet nicht mehr den alten Teig; der Kaiser fährt soeben mit sechs Rappen zur Burg hinaus, der Minister hinter ihm her; der Zensor empfiehlt noch schnell ein Dutzend Bücher zum Verbot und holt dann seine Soutenierte ab; der Seiler dreht noch am letzten Stricke, während sein Weib schon die reine Wäsche zurechtlegt; der Priester steht vom weichen Lager auf und sagt der niedlichen Wirtschafterin ein Adieu; der Graf hebt seine junge Gräfin in die glänzende Equipage, läßt die Bedienten in der goldenen Livrée hinten sitzen, und führt auf der Straße selbst den Zügel; alle, alle ziehen zu Wagen, zu Roß und zu Fuß durch die breite Jägerzeile nach dem Prater hinaus!

Wir treten zuerst in den Schau- und mischen uns später unter das lustige Volk im Wurstel-Prater. Rechts in der schattigen Allee galloppieren Hunderte von Reitern, kokettieren mit ihren wunderschönen Rossen und ihrer Meisterschaft, sie zu lenken; fliegen hin und her auf den wiehernden Pegasussen, und schreiben Liebeslieder in die feurigen Weiberaugen. Auch Amazonen siehst du unter den Reitern.

In der Mitte, zwischen den kräftigen Kastanien, die ihre Blätterkronen dicht aneinander schlingen, jagt Wagen an Wagen. Hinter der elegantesten Chaise ein luftiger Fiaker, hinter dem kaiserlichen Staatswagen eine leichte Berline, hinter der glänzenden Equipage des Fürsten eine plumpe Kutsche; hinter stolzen, lebenskräftigen Rossen zwei abgelebte Klepper.

Die Damen in den Wagen sind wie zum Balle geschmückt; Blumen und Federn wiegen sich auf ihren Köpfen; Brillanten funkeln an dem weißen Nacken, und um die losen, leichten Kleider schlingt sich ein kostbarer Schal. Sie haben alle fröhliche Gesichter. Ihre Wangen, welche die zahllosen Bälle des Winters gebleicht, blühen wieder auf in der würzigen, milden Frühlingsluft; und ihre Augen werfen das innere Feuer hin und her: rechts unter die kühnen Reiter, links in die rauschenden Fußgänger, nach dem blauen Himmel hinauf, und von Zeit zu Zeit auch gegenüber dem Gemahl zu. Sojagen sie sie bis zum Lusthäuschen, das weit hinten in einem muntern Wäldchen liegt, belebt von Hirschen und Rehen; kehren wieder um, fliegen zurück und fahren wieder langsam hinauf, denn die Zahl der Equipagen hat sich so vermehrt, daß eine doppelte Reihe geworden, und die übermütigen Rosse sich bäumen, als wollten sie über den vorderen Wagen hinüberspringen.

Aber werfe doch deine Augen endlich in die wirre, bunte Masse der Spaziergänger! Sind das nur Tausende, oder sind es Millionen, die hier wandeln, plaudern, sitzen, Kaffee trinken, rauchen, lachen, kokettieren! Sind heute noch in Wien Menschen, rufst du erstaunt aus, oder ist seine Bevölkerung hier im Prater? Das sind nicht viel, nicht sehr viel, das ist ein Meer von Menschen, ein wogendes brausendes Meer! O du Tröpfchen; Schaue hinüber nach dem Wurstelprater, höre seinen wilden Jubel, sein tolles Lärmen, sein Hurra und Holla, seine Trommeln und Trompeten! Und nun bedenke, daß heute Tausende der lebensfrohen Wiener in den Gebirgen umhersteigen, Tausende in den Kaffee- und Bethäusern sitzen, Tausende auf der Bastei und in den Glacis promenieren, Tausende in den Lustgärten der Vorstädte ihr Pfeifchen schmauchen und plaudern, und viele Tausende im Lerchenfelde jubilieren! Bedenke das alles und staune, du Tröpfchen in diesem wogenden Meere! Blicke hinüber, wie sie dort hineinströmen in den Cirque olympique der Madame de Bach, wie sich hier die Panoramen füllen, wieviel Müde sich auf den grünen Wiesen lagern, wie viele die Kunststücke des klugen Hundes, Mohr genannt, anschauen, und wie gefüllt diese Kaffeehäuser sind, deren Wände nur aus Fenstern bestehen, damit sich die Wiener und Wienerinnen nicht aus den Augen verlieren. »Zwei Melangen und zwei gestopfte Pfeifen!« Erfrischen wir uns ein wenig; setzen wir uns auf die beiden Stühle, welche soeben die bunten Türken verlassen; Mohammed, Christus oder Moses, das stört weder die Stühle, noch uns. Kokettiere du mit jener Brünette dort unter dem Baume, ich werde die Blondine hier gegenüber nehmen, die eben das Köpfchen nach uns umdreht.

»Werden Sie aber darauf eingehen?« fragst Du.

»Ha, ha, ha! Ich muß lachen!«

»Wird es den andern Leuten nicht auffallen!«

»Ich muß schon wieder lachen. O Norddeutscher, voll Genie und Berechnung! Wir amüsieren uns, die Mädchen auch, und die andern Leute amüsieren sich auf ihre eigene Hand, oder vielmehr mit ihren eigenen Augen.«

»Aber wenn es die Mutter bemerkt!«

»O Närrchen! Die kann es ja nicht bemerken; die kokettiert ja mit dem Herrn im blauen Fracke, der sich eben die Zigarre anzünden läßt!«

Und nun hinüber nach dem Wurstelprater; drüben hinüber, wo der Hanswurst sein Wesen treibt! Ich sehne mich nach einem Stückchen Narrheit, wie der Durstige nach frischem Wasser; ich will lachen über die unsinnigsten Späße, über die ungeheuersten Dummheiten; ich will ein Wiener sein, und schüttle mir den kritischen Norden aus den Gliedern.

Heisa! Heisa! Hopsassa!
Lustig hier und lustig da!

Komm, du dicker Faßbinder, du zierlicher Schneider, du handfester Schuster; komm, du dralle Köchin mit den verbrannten Wangen, und du aufgeputzte Putzmacherin mit den beränderten Augen; kommt alle und umarmt mich und jubelt mit mir, ich bin Euer Bruder und nicht um einen Kreuzer mehr wert als ihr! Wir fragen jetzt den Teufel nach Fürsten und Hofräten, nach Zepter und Kanzel, nach Kunst und Wissenschaft; wir werfen die geistigen Kleider ab, in denen der Fluch der Welt liegt und sind lauter nackte, fröhliche Menschen. Ziehen wir hier zuerst in dieses Karussell hinein. Uns rufen ja die lärmende Trommel und die schmetternde Trompete. Seht ihr, wie sie springen, diese hölzernen Pferde, und wie schnell die Philosophen darauf reiten! Sie haben alle ihre eigene Richtung; der eine will nach Amerika, der andere nach Afrika, der dritte nach Asien, der vierte nach Frankreich; alle ringen sie und stechen und spornen, und alle drehen sie sich in einem ewigen Kreise und kommen nicht von der Stelle. – Lachen wir sie noch einmal aus, diese gelehrten Narren, diese närrischen Gelehrten; diese Buchstabenmenschen, die unsere ganze Welt in die Tasche stecken, und dann in einem Chaos von Hypothesen vergebens nach Luft schnappen. Komm, du dralle Köchin mit den purpurnen Wangen, gib mir deinen Arm und folge mir in den tollen Spektakel. Hundert Wirtshäuser laden uns durch Musik und Schauspiel ein; hundert Ausstellungen strecken ihre Arme nach uns aus; hundert Späße hören wir in jedem Augenblicke, die uns hineinziehen sollen; alles kommt uns fröhlich und freudig entgegen, nur die Wahrheit flieht uns und verbirgt sich hinter jedem grünen Halme. Laß die dumme Wahrheit sitzen, liebe Köchin, und blicke nach dem Polichinell, der dort seine Witze macht. Die kleine Puppe hat einen großen Prügel in der Hand, und klopft damit eine Frau auf den Kopf, daß diese augenblicklich hinfällt und kein Zeichen des Lebens mehr von sich gibt. Der Polichinell horcht, ob sie atmet; er faßt sie beim Kopfe und bummst ihn noch einige Male auf die Erde. Aber die gute Frau will durchaus nicht wieder erwachen. Er taucht schnell unter und holt aus der Tiefe den Leichen-Commissarius herauf. Mich wundert, daß die Zensur dem belebenden Prinzipe im Kasten nicht vorschreibt, den Polichinell vor das Kriminalgericht zu bringen. Es wird ein Sarg gebracht; sie legen die Tote hinein, holen den Deckel und wollen den Sarg vernageln. Der Leichen-Commissarius, welcher wahrscheinlich nur mit Homöopathen umgegangen, ist aber selbst vernagelt und schiebt den Deckel hin und her, statt ihn zu befestigen. Da wird Herr von Polichinell wieder heftig. Er nimmt seinen großen Prügel und schlägt den vom Tode Lebenden dermaßen auf den Kopf, daß er taumelt wie ein Betrunkener.

Komm weiter, meine liebe Köchin. Drängen wir uns durch die fröhliche Menge; drängen wir uns durch das Juchhe und Heisa, durch Musik, Gesang und Tabaksqualm nach jener Tierbude. »Meine Herrschaften! Hier sind einhundertundsiebenunddreißig der verschiedensten Tiere zu sehen. Treten Sie gefälligst näher! Sechs Kreuzer die Person!«

Oder fürchtest du dich vor wilden Tieren? Gut, so besehen wir uns zahme Menschen; dort ist ein Wachsfigurenkabinett. Hier ist Geld. »I bitt', gehn's nur eini!«

»Hier, meine Herrschaften, sehen Sie Seine Majestät, den jetzigen König von Bayern, berühmt als Dichter, nebst Ihrer Majestät die Königin. Neben ihnen steht der kleine Prinz Otto, der jetzige König von Griechenland, wo früher so große Menschen geboren wurden.«

»Hier erblicken Sie, meine Herrschaften, Seine Majestät Nikolaus den Ersten, Beherrscher aller Russen! Gehen Sie nicht so nahe heran, wenn ich bitten darf; Sie können ihn so sehen.

Hier sehen Sie die Jungfrau von Orleans! Ihre zarten Glieder sind in Erz gehüllt, und sie trägt die Muttergottesfahne. Der Helm, den sie aufhat, ist derselbe, welchen sie in allen Schlachten aufgehabt hat.

Hier, meine Herrschaften, sehen Sie Seine hochselige Majestät den Kaiser Franz den Ersten von Österreich. Neben ihm sitzt Ihre Majestät die Kaiserin, zweite Stiefmutter Seiner Majestät des jetzt regierenden Kaisers. Hier bemerken Sie Seine Durchlaucht den Fürsten von Metternich!«

»Dieser da?«

»Ja, der da!«

»Haben Sie nicht den Kaiser Joseph?«

»Nein! Hier sehen Sie Friedrich den Großen, wie er im Sarge zu Potsdam liegt. Und hier sehen Sie einen Christus am Kreuze, nach dem berühmten Gemälde von Raphael. Das vortrefflichste Stück in diesem Kabinette!

Hier erblicken Sie die Giftmischerin Gottfried, die so viele Menschen ums Leben gebracht. In ihr mußte eine Hyäne gesteckt haben, denn sie wußte keinen Grund!«

Nun kommen noch mehrere Könige, Pröbste, Kardinäle, ein aufgeschnittenes Kind und eine große Räuberszene. Gehen wir hinaus, liebe Köchin; mir wird unheimlich unter diesen vielen Majestäten und Heiligkeiten von Wachs. Menschen will ich sehen, nur immer Menschen! Da schlendert sogleich ein lustiger Geselle, der mir viel lieber ist, als alle Allerhöchsten und Höchsten, die nur durch ihre Kleider gestempelt sind. Er trägt den Rock über die linke Schulter und singt sich sein Liedchen; neben ihm geht die muntere Frau. Sie lassen sich gewiß durch die Späße der beiden Bajazzos in die Taschenspieler-Bude locken. Der eine Hanswurst springt auf Stelzen durch die gaffende Menge, und schimpft den andern; dieser mit hoher Zipfelmütze und geschminkter Fratze, sucht ihn zu fassen; er wirft aber geschwind die Stelzen bei Seite, klettert auf den nahen Baum, und schimpft von den Zweigen herab weiter. Mit einem Male schreit er auf, tut, als ob er das Gleichgewicht verliere, hält sich mit den Händen an einem Aste fest, und bammelt nun zwischen Himmel und Erde. Sein Kollege reißt ihn herunter; sie prügeln sich und rufen dabei: »Immer herein, meine Herrschaften! Den Augenblick geht's an!«

Vor jener Bude steht ein langer Kerl mit ausgestopftem Bauche und trommelt auf einer Kindertrommel; ein anderer reißt Witze, daß einem die Haare zu Berge stehen; ein Schwarm jubelnder Handwerker zieht vorüber; hinter ihm fünf bis sechs Freudenmädchen; ein Italiener trägt seinen großen Korb und ruft: »Salami! Kas!« dort lacht man soeben über den Polichinell; hier umrauschen uns die wilden Musiken der Karussells, und dort kichert man über die spaßigen Harfenisten.

Heisa! Heisa! Hopsasa!
Lustig hier und lustig da!

»Se, Herr von Korbmacher, haben's d'Güt, nehmen's mir das Kuchelmadel ab. Sie 's a saub'res Dirndel! Sie können diesen Abend noch viel Spaß mit ihr haben, verstehen's?« Der gute Korbmacher nimmt mir die Köchin ab, und ich gehe nun hinüber zu den Harfenisten, wo ich meinen Leser zu finden hoffe, den ich beim Kaffeehause drüben verlassen habe. Ein Autor sollte zwar nie seinen Leser verlassen, aber der Wurstelprater macht eine Ausnahme; hier verläßt der Mann das Weib, das Weib den Mann, die Braut den Bräutigam, der Freund den Freund; hier kommt der Menschenfreund mit so vielen Frauenzimmern und Späßen in Berührung, daß er sich selbst verliert. –

Vor jedem Bierhäuschen, die mit den Ausstellungen, Karussells, Kunst- und Hanswurst-Buden bunt untereinander gemischt sind, ist ein großer Platz mit Bäumen, Tischen und Bänken, belebt von schlichten Bürgern und Bauern. Vater, Mutter und Kinder trinken Bier, lassen sich dazu ein großes Stück Brot geben; kaufen vom herumziehenden Italiener Salamiwurst oder Käse, nehmen ihre Messer heraus, lassen sich's gut schmecken und lachen über die unendlichen Dummheiten der mimischen Künstler, denen sie Beifall klatschen und einige Kreuzer Honorar spenden.

Der Harfenisten Bühne ist ebenso winzig, wie ihr Talent. Ein Sandhaufen, ein Tisch und eine Bank sind ihr Podium, ihre Dekorationen, ihr alles. Zuweilen haben sie ein paar bunte Kleider, durch welche sie die Illusion erhöhen, zuweilen müssen ihre Alltagslappen dieselben Dienste tun. Auf der einen Ecke der Bank sitzt ein Weib und spielt begleitend die Harfe; die andern Künstler singen und sprechen, zanken und prügeln sich.

Setzen wir uns, die Komödie beginnt.Ich habe absichtlich diese und die folgenden Scherze, damit sie außer Österreich verstanden werden, nicht im Wiener Jargon geschrieben, denselben aber soviel wie möglich durchschimmern lassen. Auch sind diese Scherze nicht Originale, sondern nur ähnlich und in ihrem Charakter gehalten. — D. V.

 

Ein häßliches Weib, (liederlich angezogen, tritt zwischen Bank und Tisch). Na, das is ja eine saubre Wirtschaft! Der Master schon wieder ausgangen! Und wahrscheinlich schon wieder ins Weinhäusel! Ei, da muß ja a gute Ehefrau alle Donnerwetter dreinschlagen lassen! Die meisten Stiefeln, die mein Mann macht, lauft er selbst z'Schanden, und wann i a Kuchen essen will, so is ka Geld da. Aber wart', du Lump, das soll anders werden; i will nicht mehr in der Kuchel stehen, und für dich Mehlspeise machen. Ich will die gnäd'ge Frau spielen!

(Die Harfenistin spielt; das Weib singt:)

        I will fortan nicht in der Kuchel stehen,
I will alle Tage jetzt spazieren gehen,
I will mir einen großen Schal noch kaufen;
Un jeden Abend ins Theater laufen!
Und wann der Master will darüber brummen,
Macht ihn a Watschen schon verstummen!

Des Mittags werd' ich in dem Gasthof speisen,
Da können's dann z'Haus ins Tischtuch beißen;
I wer' mich schon bei Tafel amüsieren;
Mit diesem und mit jenem Herrn charmieren;
Und will der Master auch darüber brummen,
Macht ihn a Watschen bald verstummen!

Nach Tische fahr' ich in den schönen Prater,
Und Abends in das Lepoldstadt-Theater;
Spät hör' i noch den Strauß beim Sperl spielen,
Und werde mich des Nachts schon glücklich fühlen;
Und will der Master auch darüber brummen,
Macht ihn a Watschen schon verstummen!

(Die Musik schweigt; ein dicker Kerl, den Schusterbuben darstellend, tritt auf).

Der Schusterbube. Na hören's Frau Mastern, das is a Schand! Den Master bringen's schon wieder mit a schönen Affen nach Haus. Na! das halt' i nit länger aus!

Die Meisterin. Was geht denn das Ihn an?

Der Schusterbube. Na freilich geht's mi an! I bin ja nit in d'Lehre zum Master g'kommen, um Wein trinken z'lernen! I lerne ja nix beim Master! Wenn i a paar Stiefeln mach', so geht der rechte links, und der linke rechts! (sieht die Meisterin an). Na, was hat denn aber de Frau Mastern für'n Hauben auf! (er reißt ihr die Haube vom Kopf, und legt sie auf den Tisch). Werfen's doch nit's Geld so zum Haus hinaus! Machen's doch lieber mal a Mehlspeis un a Braten; i hab' schon seit acht Tagen nichts als trocken Brot schlingen müssen!

Die Meisterin. I er Esel, hab' i –

Der Schusterbube (hebt die rechte Hand auf). Na, nenn' mich de Frau Mastern nich a Esel, oder –

Die Meisterin. Hab' ich ihm nit Geld g'geben, daß er sich soll z'essen kaufen?

Der Schusterbube. Na ja, das is schon richtig! Aber i hab's Geld mit d'Madels durchg'bracht!

Die Meisterin. Was? Er hat a schon Madels?

Der Schusterbube. Na, i glaub's! A paar saubere Madels hab' i! Se sein alle zehnmal saub'rer als de Frau Mastern!

Die Meisterin. (will ihn schlagen; er wehrt sich; sie ringen, bis der Meister kommt.)

Der Meister. (betrunken; singt ein Liedchen, das die Harfenistin begleitet.)

   Juchhe! das ist ein lustig Leben
Auf dieser schönen Welt!
Hinein schlürft man den Saft der Reben,
Und wirft hinaus das Geld!

Die Meisterin und der Schusterbube.

Hinein schlürft er den Saft der Reben,
Und wirft hinaus das Geld!

Der Meister.

I mag nicht in de Werkstatt schwitzen,
Die Arbeit macht ka Freud'!
Da will i lieb'r im Wirtshaus sitzen,
Und trinken, ja das is g'scheidt!

Die Meisterin und der Schusterbube.

Da will er lieb'r im Wirtshaus sitzen,
Und trinken, das nennt er g'scheit!

Die Meisterin (zieht einen Strick hervor und haut ihn.) Na wart' i wer' dir's Trinken vertreiben!

Der Meister. (schreit.) Du, Bue, steh' mir bei! Halt de Frau Mastern fest!

Die Meisterin (hört auf mit Prügeln.) Das heißt, wenn i will!

Der Schusterbube. Na, i küß' d'Hand! Das könnt' mir Spaß machen! (er reißt dem Meister die Perücke vom Kopf.) Se, Master, Se ha'n de Perucken verloren!

Der Meister. I wer' ihm gleich a Watschen geben!

Der Schusterbube. Dann wer i ihm a a geben!

Der Meister (nimmt den Strick und schlägt ihn.) Was? Er nennt mich Er?

Der Schusterbube (nimmt dem Meister den Strick weg und schlägt ihn.) Was? Er nennt mich Er? Er räsoniert noch?

Der Meister. Was ist das? Das is doch a Bissel z'toll! Du prügelst deinen Master?

Der Schusterbube. (wirft den Strick fort.) Nehmen's der Herr Master nit übel. I dacht', der Herr Master war ich, und Se wär'n der Bue!

Der Meister. Na, das Mal soll's ihm noch so hingehen! (er dreht sich um.) Frau Mastern, woll'n mer uns a vertragen? I geh' acht Tagen nit in's Weinhaus, und kauf dir a a neuen Schal!

Die Meisterin. (freudig.) A neuen Schal will er mir kaufen? Gut, so mag's drum sein!

Alle drei (singen mit Begleitung der Harfe):

Ja, wir wollen uns vertragen,
Denn der Zank taugt doch nit viel;
Wenn der Mann die Frau tut schlagen,
Hat d' Wirtschaft bald ihr Ziel;
Und schlägt ja die Frau den Mann,
Fangt d' Wirtschaft gar nit an!
Und schlägt ja usw.

Trinkt der Master alle Tage,
Legt der Bu' die Händ in'n Schoß,
Dann hat die Frau Meist'rin Plage,
Und so geht's Spektakel los!
Prügel gibt es dann statt Speis',
Denn das Geld fehlt, is ka Fleiß!
Prügel gibt es usw.

(zum Publikum).

Darum seind wir hier bei Ihnen
Fleißig alle Tag' auf s Neu;
Ihren Beifall zu verdienen,
Sind wir einig alle Drei.
Schenken Sie uns ihre Huld,
Fügen wir uns in Geduld!

 

Nach diesem Schauspiele geht nun ein junges Mädchen durch die Reihen der Zuschauer und sammelt auf einem Teller große und kleine Kreuzerstücke. Diese zahlen gern eine Kleinigkeit, denn sie haben unendlich viel gelacht und sich gegenseitig auf die Schönheiten des Schauspiels aufmerksam gemacht. Das Mädchen bringt das Gesammelte dem alten Weibe. Diese zählt es vor den Augen der Zuschauer und wirft es dann in die Generalkasse der mimischen Künstler. Die mimischen Künstler ziehen inzwischen ihren besten Rock an, setzen sich hier oder dort hin, plaudern mit ihren Bekannten, trinken Bier und sind durchaus von keinem der Zuschauer bemitleidet. Sobald eine neue Vorstellung begonnen, und ihr Stichwort nicht fern, treten sie in eine Stube des Bierhauses, ziehen sich schnell das bunte Kleid an, oder setzen sich die Perücke auf, und treten, sich durch die Zuschauer Platz machend, wieder auf die Bühne hinauf.

Steh auf, lieber Leser, und folge mir nach dem andern Bierhäuschen, neben der großen Bude, in welcher unten und oben ein Karussell ist. Wirf schnell einen Blick hinein, wie toll es hier zugeht. Wie die Handwerker und Soldaten mit den Mädchen charmieren; keiner geniert sich vor dem andern, jeder geht soweit er kommt, und er kommt sehr weit, davon kannst du dich überzeugen, wenn du näher trittst. Trete aber nicht näher; die wilde Musik rauscht uns zu stark in die Ohren; wir wollen lieber vor dem Bierhause das hübsche Mädchen agieren sehen, das soeben die Bühne besteigt. Sie hat ein kurzes weißes Kleid an, mit roten Bändern besetzt, und hält in der rechten Hand ein Papier, von dem sie den Text zu ihrem Liede entnimmt. Ein junger Mensch sitzt neben ihr, und streut höchst naive Bemerkungen hinein, die das Publikum, das männliche wie das weibliche, mit Enthusiasmus aufnimmt. Ich weiß dir nicht recht die Tendenz des Liedes zu erklären, und teile dir daher die ganze Szene mit.

 

Das Mädchen. (singt mit freundlicher Miene:)

      I habe a Ampel, die is gar schön,
Die haben schon viele Herren beseh'n;
Die Ampel, mit der verdien' i viel Geld,
Ma Ampel das is mir das Liebst' auf der Welt.

Der Kollege. 1 glaub's! I möcht' a so a Ampel haben!

Das Mädchen. (lacht.) Du wirst aber in dan ganzen Leben ka bekommen! (singt weiter:)

Wenn i hab' ma Ampel in Feuer gebracht,
So haben d' Herrn sich gefreut und gelacht,
Se hab'n a gemeint: wenn se lange nur hält!

Der Kollege. Ja, da bin i selbst bange!

Das Mädchen. (singt.)

     Ma Ampel das is mir das Lieb'st auf der Welt!

Die Herren die loben, daß's Ampel so klein,
I putz' sie all' Morgen so nett und so rein,
Damit se a immer von Neuem gefällt;
Ma Ampel das is mir das Liebst' auf der Welt!

 

Nun geht dasselbe Mädchen mit dem Teller herum, und bittet um eine kleine Gabe. Dieser oder jener Herr gibt ihr einen halben Zwanziger, kneift ihr die Wangen und fragt sie, ob er nicht einmal ihre Ampel sehen könne. Sie lächelt. »Wo wohnst du mein Kind!« fragt der Herr weiter. Auf der Landstraße, antwortet die niedliche Kleine, bezeichnet Haus und Nummer und geht dann mit gleichgültiger, lächelnder Miene weiter sammeln, als ob durchaus nichts vorgefallen wäre, dessen sie sich zu schämen hätte.

»Salami! Kas!«

Dort singen ein paar schlanke Kerle und ein unzartes Mädchen, als Italiener gekleidet; ihr Lied endigt mit dem Verse: »Hoch lebe Kaiser Ferdinand!« Der eine schwenkt den Hut, der andere den Bierkrug, ein dritter stößt in die Trompete; das Mädchen aber dreht sich auf dem einen Fuße herum und wiederholt dreimal das »Hoch lebe Kaiser Ferdinand!«

»Den Augenblick gehts an!«

Lassen wir uns nicht durch diesen Hanswurst in seine Bude locken. Sie machen dort Geistererscheinen. Setzen wir uns lieber hier nieder und hören noch einer dritten Szene der Harfenisten zu, aber auch den naiven Bemerkungen unserer Nachbarn. Soeben tritt ein Künstler in den Tempel Thaliens. »Wir werden sogleich die Ehre haben aufzuführen: der Pantoffelmann, oder der Krug geht so lange zu Wasser bis er bricht!«

 

Eine Frau. (zu ihrem Manne.) Hörst? da wirst sehen, wie a Mann sein muß.

Die Tochter. Mutter? Is der Vater a a Pantoffelmann?

Der Mann. Na, ich glaub's!

Ein bejahrter Mann im Schlafrocke, eine Perücke auf dem Kopfe und eine brennende Pfeife im Munde, drängt sich durch die Zuschauer, setzt sich oben auf die Bank und beginnt das Schauspiel:

»Hier will ich meine Morgenpfeife rauchen. Wann meine Frau Gemahlin sich aus dem Bette erhebt, so ist das Vergnügen zu Ende. Viertausend Gulden habe ich jährlich zu verzehren, und doch ka fröhliche Stund'. O ich war ein ungeheurer Esel, daß ich g'heiratet hab'!«

Ein Bauer (zu seiner Frau.) I a!

Der Mime. Früher ging ich auf die Jagd, jetzt muß ich mich wie ein Wild herumjagen lassen; früher hatte ich in jeder Straße eine Geliebte, jetzt muß ich die Courmacher meiner Gemahlin sättigen; früher war ich mein eigener Herr, jetzt bin i aller Leute Knecht. Ach, da kommt Nazel!

(Ein feister Kerl, im blauen Überrock mit rotem Kragen, tritt auf.)

Der Bediente. Na, sein's schon wieder hier im Putzzimmer und dampfen der gnädigen Frau die seidenen Gardinen schwarz? Wollen's gleich d' Pfeifen aus Ihrem Maul nehmen!

Der Herr. Aber, Nazel, sei doch g'scheit!

Der Bediente. Nennen's mi nit immer Nazel! I hab's Ihnen schon oft g'sagt: i heiß Ignaz!

Der Herr. Aber, Ignaz, sei doch g'scheit. Ich bin ja der Herr und du bist der Diener.

Der Bediente. Was? Se sein der Herr? I küß d' Hand! Da möcht' i a mal a B'dienten sehen, wann Se a Herr sein.

Das Publikum. (lacht aus vollem Halse.)

Na warten's, i wer's mal der gnädigen Frau sagen, daß Se Herr im Haus sein wollen, die wird's Ihnen zeigen! Se Herr im Haus? Plauschen's nit so! I hab's besser als Se. Wenn i will, so werf' i Ihnen zur Tür' naus!

Mehrere Kinder haben sich an die Bühne gedrängt, der Bediente fällt plötzlich aus der Rolle, schiebt die Kinder mit einem: »Na gehts hier weg!« beiseite und bittet gleichzeitig um Ruhe, denn der Lärm unter den Zuschauern und Vorübergehenden war so groß, daß man kein Wort verstehen konnte.

»Salami! Kas!«

Der Bediente. Da kommt eben die gnäd'ge Frau, nu sehen's Ihnen vor!

(Eine Frau von angenehmen Äußern, reinlich gekleidet, einen weißen Hut auf dem Kopfe, drängt sich nach der Bühne und spricht.)

Was ist das? Herr Gemahl, Sie rauchen hier und sind noch im Schlafrocke? Den Augenblick stellen Sie die Pfeife fort und kleiden sich an. Ist das a Wirtschaft!

Der Herr. (stellt die Pfeife fort und will gehen.)

Die Frau. Halt! Sie haben mir heute noch nicht die Hand geküßt. Tun Sie Ihre Schuldigkeit.

Der Herr. (küßt ihre Hand.) I küß' die Hand (Er schleicht langsam ab, das Publikum begleitet ihn mit Lachen.)

Die Frau. (ruft.) Ignaz!

Der Bediente. (war inzwischen heruntergestiegen, und trinkt eben Bier.) I komm' sogleich!

Die Frau. Na, wird's bald? Hat Er meine Befehle vollzogen? Ist Er zum jungen Grafen von Reitzenberg gegangen und zum Baron von Seegebach? Werden sie heute abend zum Spiel kommen?

Der Bediente. I hab's b'stellt. Se werden kommen!

Die Frau. Denke dir, welch ein Unglück ich gestern hatte! Ich habe fünfhundert Gulden Münz verspielt. Aber was mache ich mir aus diesem Verlust. Mein Gemahl ist sehr reich und nebenbei ein Narr. Der muß zahlen. Ignaz, nach Tische will ich ausfahren. Der Kutscher soll die eleganteste Equipage anspannen. Jetzt geh' ich auf die Promenade. (ab.)

Der Bediente. I küß' d' Hand, gnäd'ge Frau! (dreht ihr eine Nase nach.) Daas is a dummes Weib! Fünfhundert Gulden haben's verspielt? I glaub's, i hab' allein a funfzig Gulden in ma'n Beutel bekommen. Die Herren wischen der gnäd'gen Frau d' Augen aus, das is a Schand'! Aber – i verrat nix. I fahr' ganz gut dabei.

Der Herr. (kommt in altfränkischen Kleidern.) Ignaz, meine Frau ist ausgegangen. Sage dem Kutscher, daß er anspannen soll; ich will ausfahren.

Der Bediente. Was wollen's? Ausfahren wollen's? I glaub', Se sein nit recht g'scheit! Der Kutscher würde mich schön anfahren, wenn ich sagt Se wollten ausfahren. Wenn's nit d'gnäd'ge Frau b'fiehlt, geschieht's nit!

Der Herr. (sehr traurig.) Ignaz, Ignaz, was soll daraus werden? Mein ist das Vermögen und ich bin Sklave meines Weibes!

Der Bediente. Setzen's a mal Ihren Kopf af!

Der Herr. Ich habe heute ernstlich über mein Schicksal nachgedacht; so kann es nicht bleiben!

Der Bediente. S' wird schwerlich anders werden.

Der Herr. Es muß, es soll anders werden. Ich will Herr im Hause sein! (mit grimmiger Gebärde) Ich schlage alles kurz und klein, wenn man mir nicht gehorchen will. Ich jage die Liebhaber meiner Frau zum Teufel; ich jage sie selbst zum Teufel! Nimm deine Mütze ab, Kerl! du stehst vor deinem Herrn! Noch einmal unterstehst du dich, mir den Respekt zu verweigern, und du fliegst zum Hause hinaus! (Er trocknet sich den Schweiß.)

Der Bediente. (nimmt die Mütze ab.) Erlauben Sie mir, ist daas Ernst?

Der Herr. (wütend; schlägt ihn.) Fürchterlicher Ernst! Da kommt mein Weib. Du sollst sehen, daß ich Wort halte!

Ein Bauer. (zu seiner Frau.) Was meinst dazu?

Seine Frau. I glaub's nit, daß er's durchsetzt.

Der Herr. Wo kommen Sie her, Frau Gemahlin?

Die Frau. (sieht ihn verwundert an.) Was haben Sie darnach zu fragen?

Der Herr. (wirft ihr den Hut vom Kopfe.) Das werde ich Ihnen zeigen! Hut vom Kopfe! Sie werden in acht Tagen nicht ausgehen und keine Gesellschaft haben! Verstehen's?

Die Frau. Herr Gemahl, Sie wagen es.

Der Herr. Wer wagt hier? Ich habe zu befehlen, zu gebieten, ich bin Herr im Hause! Ihre Courmacher werfe ich noch heut' die Treppe hinunter, daß sie sich Arm und Bein brechen!

Der Bauer. Aha! Merkst?

Die Frau. Wie wird mir? Ach! Jesus Maria! (Sie sinkt in die Arme des Bedienten.)

Der Bediente. He, Herr Baron! De gnäd'ge Frau hat a Ohnmacht!

Der Herr. (kalt.) Mir sehr gleichgültig! Diese Ohnmachten kenne ich, das ist Verstellung!

Die Frau. (springt auf.) Nein, das ist keine Verstellung! Ich bin ohnmächtig; ich will ohnmächtig sein!

Der Herr. Gut, Sie sollen ohnmächtig sein; Sie sollen nicht die geringste Macht mehr haben.

 

Steh' auf, mein lieber Leser! Wir wollen den Schluß dieser Komödie nicht abwarten; wir wissen, daß der Pantoffelmann fortan das Regiment führt, und damit wollen wir uns begnügen. Die Sonne rötet bereits den westlichen Himmel, und scharenweise ziehen die lustigen Wiener heim; sie müssen noch heute im Bierhause trinken, im guten Hirten tanzen, im Sperl speisen, im Kaffeehause Billard spielen. Nur ein kleiner Teil dieser großen Masse zieht sich in die dunklen Gebüsche zurück und realisiert heut' erwachte Wünsche und Hoffnungen. Wenn die Blätter dieses Eichenwaldes sprechen könnten; was würden sie erzählen von zärtlicher Hingebung, von wilder Begierde, von süßem Schmerz und böser Lust; von Küssen, die geschlungen werden, von Gluten, die nach und nach ausglimmen?

Küßt und umschlingt euch, ihr zärtlichen Schäfer und Schäferinnen; die Welt muß bevölkert werden, sagt Shakespeare. Wir ziehen fröhlich mit dem fröhlichen Haufen nach der Stadt zurück. Das Karussell fährt zum letzten Male seine Reiter nach Amerika und Afrika, die Schaukeln und Wippen stehen still; die Kugeln in den Kegelbahnen rollen nicht mehr. Die Wachsfiguren gehen jetzt vielleicht in der finstern Bude umher und lieben und hassen sich; die wilden Tiere legen sich murrend nieder; der Hanswurst zieht seine bunte Jacke aus; der flinke Kellner wäscht die leeren Krüge, und die Besitzer von Rom und Petersburg, Berlin und Paris essen schon ihr Rostbratel. Der kluge Hund liegt auf der wollenen Decke; die Trompete schmettert nicht mehr, die Trommel wirbelt nicht mehr, das Juchhe und das Hurra verstummen; es wird stiller und immer stiller, der rauschende Tag neigt sich zur Ruhe, die Praterlust ist zu Ende.

Schlaft wohl ihr Schäfer und Schäferinnen!


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